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1620, Die Mayflower

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Wir kom­men in strö­men­den Re­gen in Lon­don an. Bis wir unse­re Hab­se­lig­kei­ten vom Wa­gen ge­la­den ha­ben, sind wir bis auf die Haut durch­nässt. Mein Va­ter hat zwei Zim­mer in einem Gast­hof ge­mie­tet, wo wir bis zur Ab­rei­se blei­ben kön­nen. Er teilt sich eines da­von mit Jo­seph, Pe­ter und Ro­bert. Ich be­kom­me mit mei­ner Mut­ter das an­de­re Zim­mer. Es ist nicht be­heizt und von den Wän­den läuft Was­ser. Die Stroh­sä­cke, auf denen wir schla­fen, schim­meln.

Das Zim­mer ist voll­ge­räumt mit unse­rer Ha­be für den täg­li­chen Ge­brauch.

Mei­ne Mut­ter be­steht da­rauf, die klei­ne Holz­kis­te mit­zu­neh­men, in der sie ihre ge­trock­ne­ten Kräu­ter und Wur­zeln auf­be­wahrt und der stets ein eigen­tüm­li­cher Ge­ruch ent­strömt.

»Sie wer­den dich noch be­vor wir ab­le­gen we­gen Hexe­rei ver­haf­ten«, wet­tert mein Va­ter auf­ge­bracht, als er die Kis­te be­merkt.

Doch mei­ne Mut­ter hält sie eigen­sin­nig um­klam­mert. »Ich ge­he nicht, oh­ne mei­ne Arz­nei­en«, er­klärt sie be­stimmt und mein Va­ter gibt zäh­ne­knir­schend nach. Mei­ne Mut­ter kennt sich gut aus mit Heil­mit­teln und mei­nem Va­ter ist nicht ganz wohl da­bei. Wir ha­ben vie­le Frau­en bren­nen ge­se­hen, die we­gen sol­cher Küns­te ver­urteilt wur­den.

Wir zie­hen uns tro­cke­ne Sa­chen an und ge­hen nach unten in den Gast­raum. Es gibt Ham­mel­ein­topf, der einen star­ken Bei­ge­schmack hat. Mei­ne Mut­ter rümpft die Na­se: »Das Fleisch ist ver­dor­ben.« Ich kann nur we­ni­ge Bis­sen da­von es­sen.


Am nächs­ten Mor­gen scheint die Son­ne und es ist herr­lich warm. In al­ler Frü­he be­glei­ten wir, mei­nen Va­ter zum Dock. Er will uns die May­flo­wer zei­gen, das Se­gel­schiff, das uns in die neue Hei­mat bringt.

Unser Fracht­gut ist be­reits an Bord. Mein Va­ter hat über 100 Paar Schu­he und ein Dut­zend Stie­fel mit­ge­bracht. Da­zu zahl­rei­che Mö­bel, Tru­hen, ge­pols­ter­te Ses­sel und Kis­ten vol­ler Wä­sche, Werk­zeu­ge, Sä­cke vol­ler Saat­gut und noch et­li­ches mehr. Unse­re Tie­re, die Zie­gen, Schwei­ne und Hüh­ner und na­tür­lich Pe­ters gro­ße Hün­din Bir­die, kom­men auch noch mit.

Die May­flo­wer ist ein gro­ßes, wuch­ti­ges Se­gel­schiff, mit einem schna­bel­arti­gen Vor­der­teil, und ho­hen Auf­bau­ten an Heck und Bug. Ich zäh­le drei ge­wal­ti­ge Mas­ten ver­teilt auf dem Deck und einen klei­ne­ren hin­ten am Heck, an denen die Se­gel jetzt ein­ge­holt und fest­ge­zurrt sind. Sie wer­den sich wohl mäch­tig bau­schen, so­bald sie ge­hisst sind und der Wind sich in ih­nen fängt.

Ob­wohl das Schiff be­ein­dru­ckend ist, bin ich ein we­nig ent­täuscht. Die May­flo­wer wirkt alt und ab­ge­nutzt.

Pe­ter sieht mei­nen skep­ti­schen Blick. »Was ist los?«, fragt er mich.

»Ich fin­de, das Schiff, sieht ein we­nig schä­big aus«, flüs­te­re ich ihm zu.

Er lacht. »Lass dich nicht vom be­schei­de­nen Aus­se­hen der May­flo­wer täu­schen. Sie ist sehr zu­ver­läs­sig und hat sich auf vie­len Rei­sen kreuz und quer über die Mee­re, bes­tens be­währt«, er­klärt er mir.

Ein kräf­ti­ger blon­der Mann, mit wet­ter­ge­gerb­tem Ge­sicht, der un­ge­fähr im Al­ter mei­nes Va­ters ist, be­grüßt uns freund­lich. Er stellt sich als Chris­to­pher Jo­nes vor und ist einer der vier Eigen­tü­mer des Schif­fes und Ka­pi­tän der May­flo­wer. Die Mer­chant Com­pa­ny hat ihn mit Schiff und Be­sat­zung für die Rei­se an­ge­heu­ert.

»Mei­ne May­flo­wer ist ein gu­tes Mäd­chen. Wir ha­ben eben eine La­dung von 180 Fäs­sern bes­ten Wei­nes aus Por­tu­gal her­ge­bracht. Mei­ne Sü­ße lag 12 Fuß tief im Was­ser und sie war den­noch pfeil­schnell«, er­zählt Mr. Jo­nes stolz.

Wir dür­fen an Bord ge­hen und er zeigt uns die Decks.

»Ka­pi­tän Jo­nes, wo wer­den wir schla­fen?«, fragt mei­ne Mut­ter. Es ist eine ty­pisch weib­li­che Fra­ge und die Män­ner tau­schen nach­sich­ti­ge Bli­cke.

Ka­pi­tän Jo­nes führt uns auf das Zwi­schen­deck, wo auch die Ka­no­nen ver­staut sind. Ich se­he fast ein Dut­zend mas­si­ger Ar­til­le­rie­ge­schüt­ze, und mein Va­ter weist ei­tel da­rauf hin, dass vier da­von unse­rer Com­pa­ny ge­hö­ren und uns in der Neu­en Welt zur Ver­fü­gung ste­hen wer­den.

»Hier Ma­dam, wird eu­er Schlaf­platz sein«, er­klärt Ka­pi­tän Jo­nes und mei­ne Mut­ter und ich schau­en ihn er­schro­cken an. Schon jetzt ist es sehr be­engt dort, ob­wohl noch kei­ne Pas­sa­gie­re an Bord sind. Die Män­ner ste­hen in leicht ge­bück­ter Hal­tung und wä­re ich nicht so klein, wür­de auch ich nicht auf­recht ste­hen kön­nen. Die Luft riecht muf­fig und dringt nur durch eine schma­le Lu­ke he­rein, die auf das Ober­deck führt. Dort­hin ge­langt man über eine wa­cke­li­ge Strick­lei­ter.

Ich fra­ge mich, wie wir hier zwei Mo­na­te le­ben sol­len, wa­ge aber nicht mich laut zu äu­ßern. Mei­ne Mut­ter at­met tief durch und presst die Lip­pen auf­ei­nan­der, aber sie sagt kein Wort da­zu.

»In zwei Ta­gen bre­chen wir auf«, er­klärt Ka­pi­tän Jo­nes.

Wir ver­las­sen das Schiff und ge­hen zu dem Gast­hof zu­rück. Dort kommt eben die Fa­mi­lie Mar­tin an. Mr. Mar­tin hat noch mehr Ge­päck da­bei als wir. Sei­ne Frau Ma­ry ist wort­karg, in ihren Au­gen liegt der glei­che über­heb­li­che Aus­druck, wie bei ihrem Mann. Sie ha­ben Mrs. Mar­tins Sohn aus ers­ter Ehe, So­lo­mon Pro­wer und einen Die­ner, John Long­mo­re, bei sich, die bei­de im Al­ter mei­nes Cou­sins Pe­ter Brow­ne sind.

Es schickt sich nicht für mich, mit ih­nen zu re­den, und so unter­hal­ten sich die Män­ner eine Wei­le, wäh­rend wir Frau­en da­ne­ben ste­hen und zu­hö­ren. Pe­ter ver­liert je­doch bald die Lust an den Ge­sprä­chen und macht einen Spa­zier­gang mit sei­ner Mas­tiff-Hün­din. Ich den­ke, dass auch er nicht sehr an­ge­tan ist von der Fa­mi­lie Mar­tin.

Mein Va­ter hört sich ge­dul­dig die wort­rei­chen Kla­gen von Mr. Mar­tin über Ro­bert Cush­man, den Agen­ten der Lei­de­ner Grup­pe, an.

»Die­ser arm­se­li­ge, be­ten­de Wicht, der von Ge­schäf­ten kei­ne Ah­nung hat, wagt es tat­säch­lich, von mir Re­chen­schaft we­gen der Buch­füh­rung zu ver­lan­gen! An­geb­lich ver­misst er eine Spen­de von 700 Pfund in den Auf­zeich­nun­gen der Ge­sell­schaft und nun will er von mir wis­sen, wo das Geld ge­blie­ben ist«, be­schwert er sich em­pört.

Mein Va­ter be­eilt sich, den er­bos­ten Mr. Mar­tin zu be­schwich­ti­gen: »Je­der weiß, dass ihr ein Eh­ren­mann seid, Mr. Mar­tin.«

Ich ha­be da so mei­ne Zwei­fel, hal­te aber na­tür­lich mei­nen Mund.

Mei­ne Mut­ter und Ma­ry Mar­tin wech­seln kein Wort mit­ei­nan­der und ver­mei­den es, sich an­zu­se­hen. Ich den­ke, sie wer­den kei­ne be­son­ders gu­ten Freun­din­nen. Ich hof­fe, dass unse­re Schlaf­plät­ze auf der May­flo­wer, weit von­ei­nan­der ent­fernt lie­gen. Doch ich be­zweif­le, dass es in der En­ge mög­lich sein wird, den Mar­tins aus dem Weg zu ge­hen.

Mr. Wes­ton ist ge­kom­men, um sich von uns zu ver­ab­schie­den und uns eine gu­te Rei­se zu wün­schen. Ich weiß, dass er ver­stimmt ist, weil wir den ge­än­der­ten Ver­trag mit den Kauf­leu­ten nicht unter­schrie­ben ha­ben. Mr. Wes­ton macht so­gleich deut­lich, dass er haupt­säch­lich am wirt­schaft­li­chen Er­folg der Unter­neh­mung in­te­res­siert ist. »Nehmt das Land und arbei­tet flei­ßig, dass wir bald unser Geld zu­rück­ha­ben und nicht be­reu­en müs­sen, in euch in­ves­tiert zu ha­ben.« Mein Va­ter sieht ihn be­frem­det an, aber Mr. Mar­tin stimmt me­ckernd in sein über­heb­li­ches La­chen ein.

Pe­ter freun­det sich mit einen jun­gen stil­len Pas­sa­gier, na­mens John Good­man an, der sei­nen Spa­niel Buck mit an Bord bringt. Buck nä­hert sich schweif­we­delnd Bir­die, die ihm das Ge­sicht leckt. John hat bis­her in Lei­den ge­lebt und ist gut be­kannt mit den Se­pa­ra­tis­ten. Er schifft sich mit uns von Lon­don aus ein, da er mit Gil­bert Winslow, einem Mit­glied der Lei­de­ner Grup­pe, in einer An­ge­le­gen­heit hier­her kam, über die er nichts ver­ra­ten will. Gil­bert Winslow ist be­reits zu sei­nem Bru­der Ed­ward nach Lei­den zu­rück­ge­kehrt, wäh­rend John be­schlos­sen hat hier­zu­blei­ben um auf der May­flo­wer nach Sou­thamp­ton zu se­geln. Dort wer­den wir uns der Grup­pe aus Lei­den an­schlie­ßen.

Pe­ter und ich sind so­fort be­gie­rig da­rauf, mehr zu er­fah­ren über die Se­pa­ra­tis­ten aus Hol­land und vor al­lem über die ge­hei­me Mis­sion, über die John Good­man nicht re­den will.

»Jetzt komm schon, wir ver­ra­ten es auch kei­nem«, drängt Pe­ter ihn, sein Ge­heim­nis preis­zu­ge­ben, als wir einen Spa­zier­gang mit den Hun­den ma­chen.

Good­mans Lä­cheln ver­schwin­det und er setzt eine ver­schlos­se­ne Mie­ne auf. »Ich wer­de be­stimmt nichts sa­gen. Die­se An­ge­le­gen­heit ist ge­fähr­lich für je­den, der da­von weiß.«

Da­mit macht er es nur noch span­nen­der, aber er sieht nicht so aus, als wür­de er uns ein­wei­hen wol­len.

»Gut, dann er­zäh­le uns doch we­nigs­tens et­was über die Leu­te aus Lei­den, die mit uns zu den Ko­lo­nien fah­ren. Schließ­lich müs­sen wir mit ih­nen le­ben, da wä­re es gut, wenn wir wis­sen, was auf uns zu­kommt.« Mei­ne Wor­te klin­gen wun­der­bar ver­nünf­tig.

John Good­man über­legt. Schließ­lich nickt er. »Wa­rum nicht? Ein paar Din­ge kann ich euch ru­hig er­zäh­len.

Pe­ter wirft mir einen an­erken­nen­den Blick zu und ich läch­le selbst­zu­frie­den.

»Die Ge­mein­de in Lei­den wird an­ge­führt von Pas­tor John Ro­bin­son. Ihre Mit­glie­der stam­men ur­sprüng­lich aus Eng­land, wo sie we­gen ihres Glau­bens hart ver­folgt wur­den. Als sie er­fuh­ren, dass zahl­rei­che In­haf­tier­te in Lon­don in den Ge­fäng­nis­sen ver­hun­gern, er­schien ih­nen Hol­land als pas­sen­de Zu­flucht, da es be­kannt ist für sei­ne li­be­ra­le Re­gie­rung. So ver­lie­ßen sie Eng­land und sie­del­ten sich in Lei­den an. Vie­le von ih­nen muss­ten bei ihrer Flucht aus Eng­land ihr Ver­mö­gen zu­rück­las­sen und ver­din­gen sich jetzt in der Woll­pro­duk­tion, in schlecht be­zahl­ten An­stel­lun­gen«, er­fah­ren wir von John.

»Trotz der har­ten Arbeit ge­fiel es ih­nen bis­her in Lei­den gut, denn sie konn­ten ihren Glau­ben un­ge­stört aus­le­ben«, fährt John fort. »Aber jetzt läuft der Frie­dens-Ver­trag zwi­schen Hol­land und dem ka­tho­li­schen Spa­nien aus und sie fürch­ten, dass die Hol­län­der re­li­giö­se Zu­ge­ständ­nis­se ma­chen müs­sen an die Spa­nier. Dann wird es vor­bei sein mit der Re­li­gions­frei­heit in Hol­land. Sie sind zu­dem nicht ein­ver­stan­den, dass ihre Kin­der sich an die frei­zü­gi­ge Le­bens­wei­se der Hol­län­der an­pas­sen und ihren El­tern und de­ren Über­zeu­gun­gen im­mer kri­ti­scher gegen­über ste­hen. So sind sie zu dem Ent­schluss ge­langt, die ge­fähr­li­che Rei­se in die Neue Welt zu wa­gen, um dort eine Ko­lo­nie nach ihren Grund­sät­zen und ihren re­li­giö­sen Über­zeu­gun­gen zu er­rich­ten.«

Für mich klingt das nach sehr ver­nünf­ti­gen Leu­ten, die um­sich­tig ihre Zu­kunft pla­nen.

»Im Grun­de sind sie nicht sehr ver­schie­den von uns. Auch wir wol­len in Frie­den und Frei­heit nach unse­ren Vor­stel­lun­gen le­ben«, meint Pe­ter und ich ni­cke zu­stim­mend.


Am Tag unse­rer Ab­rei­se sind wir auf den Bei­nen, noch be­vor die Son­ne auf­geht. Wir brin­gen unse­re rest­li­chen Hab­se­lig­kei­ten, wie Klei­dung, Koch­ge­schirr, Kamm, Schwäm­me und Bett­zeug, an Bord. Es dau­ert ei­ni­ge Zeit, weil wir nicht die Ein­zi­gen sind, die ihren Kram ver­stau­en und sich einen gu­ten Platz auf dem Schiff su­chen, um sich da­rin häus­lich ein­zu­rich­ten.

Es herrscht ge­schäf­ti­ges Trei­ben rund um mich. Stau­nend se­he ich zu, wie die See­leu­te ein in sei­ne Ein­zel­tei­le zer­leg­tes, rie­si­ges Boot, mit dem man Se­geln und Ru­dern kann auf das Schiff brin­gen. Es bleibt nicht die ein­zi­ge wuch­ti­ge Fracht. Äch­zend zie­hen die Mat­ro­sen eine ton­nen­schwe­re me­tal­le­ne Schrau­be, über die Schiffs­plan­ken. Es ist ein Jack­screw, eine Art Win­de, mit der man schwe­re Las­ten heben kann. Ich fra­ge mich, wo sie das al­les bloß ver­stau­en wol­len.

In den letz­ten bei­den Ta­gen sind die Mit­glie­der unse­rer Grup­pe aus Eng­land ein­ge­trof­fen. Es sind Fa­mi­lien und al­lein­ste­hen­de Män­ner, die von den Kauf­leu­ten an­ge­wor­ben wur­den. Sie kom­men aus Lon­don, Es­sex, Sur­rey, und einem gu­ten Dut­zend wei­te­rer Graf­schaf­ten, und ha­ben Kin­der, Die­ner und je­de Men­ge Ge­päck bei sich. Die meis­ten von ih­nen ha­ben wie wir, all ihr Geld in das Unter­neh­men ge­steckt.

Es schei­nen recht­schaf­fe­ne Leu­te zu sein. Da ist ein al­tes Ehe­paar, die Rigs­da­les. Sie ha­ben kei­ne Kin­der, aber ein jun­ger Mann, Ed­mund Mar­ges­son scheint mit ih­nen gut be­kannt zu sein. Sie plau­dern an­ge­regt mit­ei­nan­der.

Ein wei­te­rer jun­ger Mann geht mit sei­ner hüb­schen brü­net­ten Frau und einem Ba­by an Bord. Sie ni­cken mir zu und lä­cheln. Es sind Fran­cis und Sa­rah Ea­ton, die in dem­sel­ben Gast­hof wie wir ab­ge­stie­gen sind. Sie ha­ben ihren klei­nen Sohn Sa­muel da­bei, der ge­ra­de mal ein hal­bes Jahr alt ist. Wir ha­ben uns beim Abend­es­sen in der Wirts­stu­be ken­nen­ge­lernt und Mr. Ea­ton hat uns er­zählt, dass er Zim­mer­mann von Be­ruf ist. Ich grü­ße freund­lich zu­rück.

Ih­nen fol­gen wei­te­re Pas­sa­gie­re, die wir aus unse­rem Gast­hof ken­nen. Ri­chard Clar­ke, ein jun­ger mit­tel­lo­ser Ha­fen­arbei­ter, der sich ein bes­se­res Le­ben in der Neu­en Welt er­hofft.

Mr. War­ren, ein Fa­mi­lien­va­ter, der Frau und Kin­der vor­erst hier lässt, bis es in der neu­en Hei­mat si­cher für sie ist.

Ri­chard Brit­te­rid­ge ein wort­kar­ger Mann im bes­ten Al­ter, der knapp er­wähnt hat, al­lein­ste­hend zu sein.

Eine Fa­mi­lie die wir noch nicht ken­nen, weckt be­son­ders mein In­te­res­se. Die Frau ist nicht mehr ganz jung und gu­ter Hoff­nung. Ihr Bauch wölbt sich deut­lich, die Schwan­ger­schaft ist weit fort­ge­schrit­ten. Sie ist groß, dun­kel­haa­rig und at­trak­tiv. Ein Mäd­chen im Al­ter mei­nes Bru­ders Jo­seph und ein Jun­ge, der et­was jün­ger zu sein scheint, drän­gen sich an ihrer Sei­te. Auf dem Arm trägt sie ein klei­nes Kind von 1-2 Jah­ren.

Ihr Mann ist gut aus­se­hend auf eine et­was her­be Art und wirkt ver­we­gen und ener­gisch. Er lä­chelt viel und schüt­telt eif­rig Hän­de. Of­fen­bar ist er mit ei­ni­gen der Mit­rei­sen­den be­kannt.

Plötz­lich taucht mei­ne Mut­ter neben mir auf. »Was stehst du hier so un­tä­tig he­rum und gaffst? Fin­dest du dir kei­ne Be­schäf­ti­gung?«, fährt sie mich an. Sie wirkt ge­reiz­ter als sonst und ich se­he hin­ter ihr den Grund der üb­len Lau­ne. Mrs. Mar­tin. Ich schaue in ihre bla­sier­te Mie­ne und mei­ne Mut­ter tut mir leid.

Mein Va­ter kommt mit Mr. Mar­tin zu uns. Mr. Mar­tins Blick fällt auf die Fa­mi­lie mit der schwan­ge­ren Frau. »Mrs. Hop­kins, Eli­za­beth!« ruft er über­schwäng­lich und winkt ihr mit aus­ge­streck­tem Arm zu. Sie schaut in unse­re Rich­tung und für einen kur­zen Mo­ment se­he ich, wie sich ihre Mund­win­kel nach unten sen­ken. Dann hat sie sich in der Ge­walt und nickt Mr. Mar­tin lä­chelnd zu.

Auf­ge­räumt wen­det er sich an mei­nen Va­ter. »Kommt, mein Freund, ich ma­che euch mit den Hop­kins be­kannt. Ste­phen Hop­kins braut das bes­te Bier in ganz Eng­land und hat­te bis vor Kur­zem eine gut be­such­te Ta­ver­ne hier im Ha­fen«. Mr. Mar­tin zieht mei­nen Va­ter am Är­mel zu der Fa­mi­lie hin und wir Frau­en fol­gen ih­nen.

Mr. Hop­kins be­grüßt uns und Mrs. Hop­kins lä­chelt uns freund­lich zu. Sie schüt­telt kühl Mrs. Mar­tin die Hand und wen­det sich dann an mei­ne Mut­ter. »Was für eine Hit­ze heu­te«, be­ginnt sie zu plau­dern, »aber an die wer­den wir uns wohl ge­wöh­nen müs­sen. Ich ha­be ge­hört, dass es an dem Ort, an den wir ge­hen, viel hei­ßer ist, als in Lon­don.«

Mei­ne Mut­ter ist er­leich­tert, Mrs. Mar­tin zu ent­kom­men, und er­greift die Ge­le­gen­heit zu einer be­lang­lo­sen Unter­hal­tung wie einen ret­ten­den Stroh­halm.

»Ach, das wuss­te ich noch gar nicht. Ist es wirk­lich so heiß dort?«

»Ja, und es gibt die­se wil­den In­dia­ner. Teil­wei­se ge­ben sie sich sehr krie­ge­risch, aber mit man­chen kann man auch han­deln.«

»Ihr seid wirk­lich gut in­for­miert, Mrs. Hop­kins.«

»Das kommt da­her, dass mein Mann be­reits ei­ni­ge Zeit in der Neu­en Welt ge­lebt hat. Es gibt dort seit mehr als 10 Jah­ren eine Ko­lo­nie, na­mens James­town. Er ge­lang­te nach einer schreck­li­chen See­rei­se dort­hin, bei der er Schiff­bruch er­litt und das Le­ben in James­town war auch nicht ein­fach. Im­mer wie­der wur­de die Sied­lung von In­dia­nern an­ge­grif­fen und die Leu­te lit­ten unter Hun­ger und Krank­hei­ten. Den­noch blieb Ste­phen ei­ni­ge Jah­re in James­town und hat den Leu­ten dort ge­hol­fen die Sied­lung auf­zu­bauen.«

Der Stolz in Eli­za­beth Hop­kins Stim­me ist nicht zu über­hö­ren und wir lau­schen ge­bannt ihren Wor­ten. Es ist das ers­te Mal, dass wir et­was über die Neue Welt er­fah­ren. Bis­her ha­ben wir kei­ne Ah­nung, was uns dort er­war­tet und die Un­si­cher­heit, macht vor al­lem uns Frau­en zu schaf­fen.

Wir ken­nen auch nie­man­den, der schon unter den In­dia­nern ge­lebt hat. Ob­wohl wir be­reits In­dia­ner ge­se­hen ha­ben, die als Skla­ven nach Lon­don ge­bracht wur­den, wis­sen wir we­nig über sie. Die meis­ten von ih­nen ster­ben rasch hier. Ih­nen be­kommt we­der das eng­li­sche Wet­ter noch das raue Le­ben als Skla­ven. Sie er­zäh­len nichts von ihrer Hei­mat, so sie über­haupt unse­re Spra­che spre­chen.

Mr. Hop­kins kommt in Be­glei­tung sei­ner bei­den Die­ner, Ed­ward Do­ty und Ed­ward Leis­ter zu uns. Es sind der­be Män­ner mit har­ten Ge­sich­tern, die nicht sehr ver­trau­ens­er­we­ckend aus­se­hen. »Wir müs­sen los, Eli­za­beth«, drängt Ste­phen Hop­kins sei­ne Frau, an Bord zu ge­hen.

Auch für uns wird es Zeit. Die Mat­ro­sen tref­fen be­reits An­stal­ten aus­zu­lau­fen. Mei­ne Mut­ter nutzt die Ge­le­gen­heit, von den Mar­tins fort­zu­kom­men, und be­glei­tet Mrs. Hop­kins ins Zwi­schen­deck. Sie hilft ihr, sich dort ein­zu­rich­ten.

Das Mäd­chen an Eli­za­beth Hop­kins Sei­te, das im Al­ter mei­nes Bru­ders ist, schließt sich mir an und wir ge­hen nach draußen auf das Vor­deck. Sie heißt Cons­tan­ce und ist Mr. Hop­kins Toch­ter aus ers­ter Ehe.

»Kennst du die Fa­mi­lie Til­ley?«, fragt sie mich und deu­tet auf ein äl­te­res Ehe­paar, bei denen ein dun­kel­haa­ri­ges Mäd­chen steht, das et­was jün­ger ist als ich, un­ge­fähr in Cons­tan­ces Al­ter. Ich schütt­le lä­chelnd den Kopf.

»Das Mäd­chen bei den al­ten Leu­ten ist nicht ihre En­ke­lin, son­dern ihre Toch­ter Eli­za­beth. Stell dir vor ihre Mut­ter ist schon über ein hal­bes Jahr­hun­dert alt«, er­zählt mir Cons­tan­ce fas­sungs­los.

Ich muss la­chen. »Nun dann war es ein Wun­der, dass sie so spät noch ein Kind ge­kriegt hat«, er­wi­de­re ich amü­siert.

Cons­tan­ce wirft mir einen ver­schwö­re­ri­schen Blick zu und beugt sich flüs­ternd zu mir. »Die Leu­te mei­nen, Mrs. Til­ley ist eine He­xe und hat einen Pakt mit dem Teu­fel ge­schlos­sen, da­mit sie Eli­za­beth emp­fan­gen konn­te.«

Ich hal­te nicht viel von sol­chen Ge­schich­ten und schaue Cons­tan­ce un­gläu­big an. »Aber das sind doch wüs­te Schau­er­mär­chen, die man klei­nen Kin­dern er­zählt.«

»Ja und wenn es doch wahr ist?«, fragt mich Cons­tan­ce mit erns­ter Mie­ne.

»Dann wird sie uns al­le ver­he­xen und wir wer­den als Frö­sche in der Neu­en Welt le­ben«, flach­se ich.

Wir la­chen bei­de über die­se Vor­stel­lung.

Ich fin­de Cons­tan­ce ab­ge­se­hen von ihrem Aber­glau­ben, sehr sym­pa­thisch. Sie hat ein freund­li­ches of­fe­nes We­sen, und viel Ge­duld mit ihrer klei­nen Schwes­ter Da­ma­ris, die erst ein Jahr alt ist, und ihr stän­dig am Rock­zip­fel hängt.

Wir se­hen zu, wie die letz­ten Pas­sa­gie­re an Bord ge­hen, und blei­ben auch dort, als die May­flo­wer schließ­lich ab­legt. Die ers­te Etap­pe unse­rer gro­ßen Rei­se führt uns nach Sou­thamp­ton, wo wir uns mit den Leu­ten aus Lei­den tref­fen wer­den. Ich ha­be ein flau­es Ge­fühl im Ma­gen, als wir uns vom Ufer ent­fer­nen und er­grei­fe spon­tan Cons­tan­ces Hand. Sie scheint sich da­rü­ber zu freu­en und um­fasst mei­ne Fin­ger mit leich­tem Druck.

So ste­hen wir Hand in Hand und se­hen auf die Leu­te, die am Kai zu­rück­blei­ben und win­ken.

See­vö­gel krei­sen über unse­ren Köp­fen und ihr Krei­schen klingt, wie ein Ab­schieds­lied. Es ist Mit­te Ju­li, als unser Aben­teuer be­ginnt.

Wir kamen mit der Mayflower

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