Читать книгу Wir kamen mit der Mayflower - S.C. Bauer - Страница 5
1620, Die Mayflower
ОглавлениеWir kommen in strömenden Regen in London an. Bis wir unsere Habseligkeiten vom Wagen geladen haben, sind wir bis auf die Haut durchnässt. Mein Vater hat zwei Zimmer in einem Gasthof gemietet, wo wir bis zur Abreise bleiben können. Er teilt sich eines davon mit Joseph, Peter und Robert. Ich bekomme mit meiner Mutter das andere Zimmer. Es ist nicht beheizt und von den Wänden läuft Wasser. Die Strohsäcke, auf denen wir schlafen, schimmeln.
Das Zimmer ist vollgeräumt mit unserer Habe für den täglichen Gebrauch.
Meine Mutter besteht darauf, die kleine Holzkiste mitzunehmen, in der sie ihre getrockneten Kräuter und Wurzeln aufbewahrt und der stets ein eigentümlicher Geruch entströmt.
»Sie werden dich noch bevor wir ablegen wegen Hexerei verhaften«, wettert mein Vater aufgebracht, als er die Kiste bemerkt.
Doch meine Mutter hält sie eigensinnig umklammert. »Ich gehe nicht, ohne meine Arzneien«, erklärt sie bestimmt und mein Vater gibt zähneknirschend nach. Meine Mutter kennt sich gut aus mit Heilmitteln und meinem Vater ist nicht ganz wohl dabei. Wir haben viele Frauen brennen gesehen, die wegen solcher Künste verurteilt wurden.
Wir ziehen uns trockene Sachen an und gehen nach unten in den Gastraum. Es gibt Hammeleintopf, der einen starken Beigeschmack hat. Meine Mutter rümpft die Nase: »Das Fleisch ist verdorben.« Ich kann nur wenige Bissen davon essen.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne und es ist herrlich warm. In aller Frühe begleiten wir, meinen Vater zum Dock. Er will uns die Mayflower zeigen, das Segelschiff, das uns in die neue Heimat bringt.
Unser Frachtgut ist bereits an Bord. Mein Vater hat über 100 Paar Schuhe und ein Dutzend Stiefel mitgebracht. Dazu zahlreiche Möbel, Truhen, gepolsterte Sessel und Kisten voller Wäsche, Werkzeuge, Säcke voller Saatgut und noch etliches mehr. Unsere Tiere, die Ziegen, Schweine und Hühner und natürlich Peters große Hündin Birdie, kommen auch noch mit.
Die Mayflower ist ein großes, wuchtiges Segelschiff, mit einem schnabelartigen Vorderteil, und hohen Aufbauten an Heck und Bug. Ich zähle drei gewaltige Masten verteilt auf dem Deck und einen kleineren hinten am Heck, an denen die Segel jetzt eingeholt und festgezurrt sind. Sie werden sich wohl mächtig bauschen, sobald sie gehisst sind und der Wind sich in ihnen fängt.
Obwohl das Schiff beeindruckend ist, bin ich ein wenig enttäuscht. Die Mayflower wirkt alt und abgenutzt.
Peter sieht meinen skeptischen Blick. »Was ist los?«, fragt er mich.
»Ich finde, das Schiff, sieht ein wenig schäbig aus«, flüstere ich ihm zu.
Er lacht. »Lass dich nicht vom bescheidenen Aussehen der Mayflower täuschen. Sie ist sehr zuverlässig und hat sich auf vielen Reisen kreuz und quer über die Meere, bestens bewährt«, erklärt er mir.
Ein kräftiger blonder Mann, mit wettergegerbtem Gesicht, der ungefähr im Alter meines Vaters ist, begrüßt uns freundlich. Er stellt sich als Christopher Jones vor und ist einer der vier Eigentümer des Schiffes und Kapitän der Mayflower. Die Merchant Company hat ihn mit Schiff und Besatzung für die Reise angeheuert.
»Meine Mayflower ist ein gutes Mädchen. Wir haben eben eine Ladung von 180 Fässern besten Weines aus Portugal hergebracht. Meine Süße lag 12 Fuß tief im Wasser und sie war dennoch pfeilschnell«, erzählt Mr. Jones stolz.
Wir dürfen an Bord gehen und er zeigt uns die Decks.
»Kapitän Jones, wo werden wir schlafen?«, fragt meine Mutter. Es ist eine typisch weibliche Frage und die Männer tauschen nachsichtige Blicke.
Kapitän Jones führt uns auf das Zwischendeck, wo auch die Kanonen verstaut sind. Ich sehe fast ein Dutzend massiger Artilleriegeschütze, und mein Vater weist eitel darauf hin, dass vier davon unserer Company gehören und uns in der Neuen Welt zur Verfügung stehen werden.
»Hier Madam, wird euer Schlafplatz sein«, erklärt Kapitän Jones und meine Mutter und ich schauen ihn erschrocken an. Schon jetzt ist es sehr beengt dort, obwohl noch keine Passagiere an Bord sind. Die Männer stehen in leicht gebückter Haltung und wäre ich nicht so klein, würde auch ich nicht aufrecht stehen können. Die Luft riecht muffig und dringt nur durch eine schmale Luke herein, die auf das Oberdeck führt. Dorthin gelangt man über eine wackelige Strickleiter.
Ich frage mich, wie wir hier zwei Monate leben sollen, wage aber nicht mich laut zu äußern. Meine Mutter atmet tief durch und presst die Lippen aufeinander, aber sie sagt kein Wort dazu.
»In zwei Tagen brechen wir auf«, erklärt Kapitän Jones.
Wir verlassen das Schiff und gehen zu dem Gasthof zurück. Dort kommt eben die Familie Martin an. Mr. Martin hat noch mehr Gepäck dabei als wir. Seine Frau Mary ist wortkarg, in ihren Augen liegt der gleiche überhebliche Ausdruck, wie bei ihrem Mann. Sie haben Mrs. Martins Sohn aus erster Ehe, Solomon Prower und einen Diener, John Longmore, bei sich, die beide im Alter meines Cousins Peter Browne sind.
Es schickt sich nicht für mich, mit ihnen zu reden, und so unterhalten sich die Männer eine Weile, während wir Frauen daneben stehen und zuhören. Peter verliert jedoch bald die Lust an den Gesprächen und macht einen Spaziergang mit seiner Mastiff-Hündin. Ich denke, dass auch er nicht sehr angetan ist von der Familie Martin.
Mein Vater hört sich geduldig die wortreichen Klagen von Mr. Martin über Robert Cushman, den Agenten der Leidener Gruppe, an.
»Dieser armselige, betende Wicht, der von Geschäften keine Ahnung hat, wagt es tatsächlich, von mir Rechenschaft wegen der Buchführung zu verlangen! Angeblich vermisst er eine Spende von 700 Pfund in den Aufzeichnungen der Gesellschaft und nun will er von mir wissen, wo das Geld geblieben ist«, beschwert er sich empört.
Mein Vater beeilt sich, den erbosten Mr. Martin zu beschwichtigen: »Jeder weiß, dass ihr ein Ehrenmann seid, Mr. Martin.«
Ich habe da so meine Zweifel, halte aber natürlich meinen Mund.
Meine Mutter und Mary Martin wechseln kein Wort miteinander und vermeiden es, sich anzusehen. Ich denke, sie werden keine besonders guten Freundinnen. Ich hoffe, dass unsere Schlafplätze auf der Mayflower, weit voneinander entfernt liegen. Doch ich bezweifle, dass es in der Enge möglich sein wird, den Martins aus dem Weg zu gehen.
Mr. Weston ist gekommen, um sich von uns zu verabschieden und uns eine gute Reise zu wünschen. Ich weiß, dass er verstimmt ist, weil wir den geänderten Vertrag mit den Kaufleuten nicht unterschrieben haben. Mr. Weston macht sogleich deutlich, dass er hauptsächlich am wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung interessiert ist. »Nehmt das Land und arbeitet fleißig, dass wir bald unser Geld zurückhaben und nicht bereuen müssen, in euch investiert zu haben.« Mein Vater sieht ihn befremdet an, aber Mr. Martin stimmt meckernd in sein überhebliches Lachen ein.
Peter freundet sich mit einen jungen stillen Passagier, namens John Goodman an, der seinen Spaniel Buck mit an Bord bringt. Buck nähert sich schweifwedelnd Birdie, die ihm das Gesicht leckt. John hat bisher in Leiden gelebt und ist gut bekannt mit den Separatisten. Er schifft sich mit uns von London aus ein, da er mit Gilbert Winslow, einem Mitglied der Leidener Gruppe, in einer Angelegenheit hierher kam, über die er nichts verraten will. Gilbert Winslow ist bereits zu seinem Bruder Edward nach Leiden zurückgekehrt, während John beschlossen hat hierzubleiben um auf der Mayflower nach Southampton zu segeln. Dort werden wir uns der Gruppe aus Leiden anschließen.
Peter und ich sind sofort begierig darauf, mehr zu erfahren über die Separatisten aus Holland und vor allem über die geheime Mission, über die John Goodman nicht reden will.
»Jetzt komm schon, wir verraten es auch keinem«, drängt Peter ihn, sein Geheimnis preiszugeben, als wir einen Spaziergang mit den Hunden machen.
Goodmans Lächeln verschwindet und er setzt eine verschlossene Miene auf. »Ich werde bestimmt nichts sagen. Diese Angelegenheit ist gefährlich für jeden, der davon weiß.«
Damit macht er es nur noch spannender, aber er sieht nicht so aus, als würde er uns einweihen wollen.
»Gut, dann erzähle uns doch wenigstens etwas über die Leute aus Leiden, die mit uns zu den Kolonien fahren. Schließlich müssen wir mit ihnen leben, da wäre es gut, wenn wir wissen, was auf uns zukommt.« Meine Worte klingen wunderbar vernünftig.
John Goodman überlegt. Schließlich nickt er. »Warum nicht? Ein paar Dinge kann ich euch ruhig erzählen.
Peter wirft mir einen anerkennenden Blick zu und ich lächle selbstzufrieden.
»Die Gemeinde in Leiden wird angeführt von Pastor John Robinson. Ihre Mitglieder stammen ursprünglich aus England, wo sie wegen ihres Glaubens hart verfolgt wurden. Als sie erfuhren, dass zahlreiche Inhaftierte in London in den Gefängnissen verhungern, erschien ihnen Holland als passende Zuflucht, da es bekannt ist für seine liberale Regierung. So verließen sie England und siedelten sich in Leiden an. Viele von ihnen mussten bei ihrer Flucht aus England ihr Vermögen zurücklassen und verdingen sich jetzt in der Wollproduktion, in schlecht bezahlten Anstellungen«, erfahren wir von John.
»Trotz der harten Arbeit gefiel es ihnen bisher in Leiden gut, denn sie konnten ihren Glauben ungestört ausleben«, fährt John fort. »Aber jetzt läuft der Friedens-Vertrag zwischen Holland und dem katholischen Spanien aus und sie fürchten, dass die Holländer religiöse Zugeständnisse machen müssen an die Spanier. Dann wird es vorbei sein mit der Religionsfreiheit in Holland. Sie sind zudem nicht einverstanden, dass ihre Kinder sich an die freizügige Lebensweise der Holländer anpassen und ihren Eltern und deren Überzeugungen immer kritischer gegenüber stehen. So sind sie zu dem Entschluss gelangt, die gefährliche Reise in die Neue Welt zu wagen, um dort eine Kolonie nach ihren Grundsätzen und ihren religiösen Überzeugungen zu errichten.«
Für mich klingt das nach sehr vernünftigen Leuten, die umsichtig ihre Zukunft planen.
»Im Grunde sind sie nicht sehr verschieden von uns. Auch wir wollen in Frieden und Freiheit nach unseren Vorstellungen leben«, meint Peter und ich nicke zustimmend.
Am Tag unserer Abreise sind wir auf den Beinen, noch bevor die Sonne aufgeht. Wir bringen unsere restlichen Habseligkeiten, wie Kleidung, Kochgeschirr, Kamm, Schwämme und Bettzeug, an Bord. Es dauert einige Zeit, weil wir nicht die Einzigen sind, die ihren Kram verstauen und sich einen guten Platz auf dem Schiff suchen, um sich darin häuslich einzurichten.
Es herrscht geschäftiges Treiben rund um mich. Staunend sehe ich zu, wie die Seeleute ein in seine Einzelteile zerlegtes, riesiges Boot, mit dem man Segeln und Rudern kann auf das Schiff bringen. Es bleibt nicht die einzige wuchtige Fracht. Ächzend ziehen die Matrosen eine tonnenschwere metallene Schraube, über die Schiffsplanken. Es ist ein Jackscrew, eine Art Winde, mit der man schwere Lasten heben kann. Ich frage mich, wo sie das alles bloß verstauen wollen.
In den letzten beiden Tagen sind die Mitglieder unserer Gruppe aus England eingetroffen. Es sind Familien und alleinstehende Männer, die von den Kaufleuten angeworben wurden. Sie kommen aus London, Essex, Surrey, und einem guten Dutzend weiterer Grafschaften, und haben Kinder, Diener und jede Menge Gepäck bei sich. Die meisten von ihnen haben wie wir, all ihr Geld in das Unternehmen gesteckt.
Es scheinen rechtschaffene Leute zu sein. Da ist ein altes Ehepaar, die Rigsdales. Sie haben keine Kinder, aber ein junger Mann, Edmund Margesson scheint mit ihnen gut bekannt zu sein. Sie plaudern angeregt miteinander.
Ein weiterer junger Mann geht mit seiner hübschen brünetten Frau und einem Baby an Bord. Sie nicken mir zu und lächeln. Es sind Francis und Sarah Eaton, die in demselben Gasthof wie wir abgestiegen sind. Sie haben ihren kleinen Sohn Samuel dabei, der gerade mal ein halbes Jahr alt ist. Wir haben uns beim Abendessen in der Wirtsstube kennengelernt und Mr. Eaton hat uns erzählt, dass er Zimmermann von Beruf ist. Ich grüße freundlich zurück.
Ihnen folgen weitere Passagiere, die wir aus unserem Gasthof kennen. Richard Clarke, ein junger mittelloser Hafenarbeiter, der sich ein besseres Leben in der Neuen Welt erhofft.
Mr. Warren, ein Familienvater, der Frau und Kinder vorerst hier lässt, bis es in der neuen Heimat sicher für sie ist.
Richard Britteridge ein wortkarger Mann im besten Alter, der knapp erwähnt hat, alleinstehend zu sein.
Eine Familie die wir noch nicht kennen, weckt besonders mein Interesse. Die Frau ist nicht mehr ganz jung und guter Hoffnung. Ihr Bauch wölbt sich deutlich, die Schwangerschaft ist weit fortgeschritten. Sie ist groß, dunkelhaarig und attraktiv. Ein Mädchen im Alter meines Bruders Joseph und ein Junge, der etwas jünger zu sein scheint, drängen sich an ihrer Seite. Auf dem Arm trägt sie ein kleines Kind von 1-2 Jahren.
Ihr Mann ist gut aussehend auf eine etwas herbe Art und wirkt verwegen und energisch. Er lächelt viel und schüttelt eifrig Hände. Offenbar ist er mit einigen der Mitreisenden bekannt.
Plötzlich taucht meine Mutter neben mir auf. »Was stehst du hier so untätig herum und gaffst? Findest du dir keine Beschäftigung?«, fährt sie mich an. Sie wirkt gereizter als sonst und ich sehe hinter ihr den Grund der üblen Laune. Mrs. Martin. Ich schaue in ihre blasierte Miene und meine Mutter tut mir leid.
Mein Vater kommt mit Mr. Martin zu uns. Mr. Martins Blick fällt auf die Familie mit der schwangeren Frau. »Mrs. Hopkins, Elizabeth!« ruft er überschwänglich und winkt ihr mit ausgestrecktem Arm zu. Sie schaut in unsere Richtung und für einen kurzen Moment sehe ich, wie sich ihre Mundwinkel nach unten senken. Dann hat sie sich in der Gewalt und nickt Mr. Martin lächelnd zu.
Aufgeräumt wendet er sich an meinen Vater. »Kommt, mein Freund, ich mache euch mit den Hopkins bekannt. Stephen Hopkins braut das beste Bier in ganz England und hatte bis vor Kurzem eine gut besuchte Taverne hier im Hafen«. Mr. Martin zieht meinen Vater am Ärmel zu der Familie hin und wir Frauen folgen ihnen.
Mr. Hopkins begrüßt uns und Mrs. Hopkins lächelt uns freundlich zu. Sie schüttelt kühl Mrs. Martin die Hand und wendet sich dann an meine Mutter. »Was für eine Hitze heute«, beginnt sie zu plaudern, »aber an die werden wir uns wohl gewöhnen müssen. Ich habe gehört, dass es an dem Ort, an den wir gehen, viel heißer ist, als in London.«
Meine Mutter ist erleichtert, Mrs. Martin zu entkommen, und ergreift die Gelegenheit zu einer belanglosen Unterhaltung wie einen rettenden Strohhalm.
»Ach, das wusste ich noch gar nicht. Ist es wirklich so heiß dort?«
»Ja, und es gibt diese wilden Indianer. Teilweise geben sie sich sehr kriegerisch, aber mit manchen kann man auch handeln.«
»Ihr seid wirklich gut informiert, Mrs. Hopkins.«
»Das kommt daher, dass mein Mann bereits einige Zeit in der Neuen Welt gelebt hat. Es gibt dort seit mehr als 10 Jahren eine Kolonie, namens Jamestown. Er gelangte nach einer schrecklichen Seereise dorthin, bei der er Schiffbruch erlitt und das Leben in Jamestown war auch nicht einfach. Immer wieder wurde die Siedlung von Indianern angegriffen und die Leute litten unter Hunger und Krankheiten. Dennoch blieb Stephen einige Jahre in Jamestown und hat den Leuten dort geholfen die Siedlung aufzubauen.«
Der Stolz in Elizabeth Hopkins Stimme ist nicht zu überhören und wir lauschen gebannt ihren Worten. Es ist das erste Mal, dass wir etwas über die Neue Welt erfahren. Bisher haben wir keine Ahnung, was uns dort erwartet und die Unsicherheit, macht vor allem uns Frauen zu schaffen.
Wir kennen auch niemanden, der schon unter den Indianern gelebt hat. Obwohl wir bereits Indianer gesehen haben, die als Sklaven nach London gebracht wurden, wissen wir wenig über sie. Die meisten von ihnen sterben rasch hier. Ihnen bekommt weder das englische Wetter noch das raue Leben als Sklaven. Sie erzählen nichts von ihrer Heimat, so sie überhaupt unsere Sprache sprechen.
Mr. Hopkins kommt in Begleitung seiner beiden Diener, Edward Doty und Edward Leister zu uns. Es sind derbe Männer mit harten Gesichtern, die nicht sehr vertrauenserweckend aussehen. »Wir müssen los, Elizabeth«, drängt Stephen Hopkins seine Frau, an Bord zu gehen.
Auch für uns wird es Zeit. Die Matrosen treffen bereits Anstalten auszulaufen. Meine Mutter nutzt die Gelegenheit, von den Martins fortzukommen, und begleitet Mrs. Hopkins ins Zwischendeck. Sie hilft ihr, sich dort einzurichten.
Das Mädchen an Elizabeth Hopkins Seite, das im Alter meines Bruders ist, schließt sich mir an und wir gehen nach draußen auf das Vordeck. Sie heißt Constance und ist Mr. Hopkins Tochter aus erster Ehe.
»Kennst du die Familie Tilley?«, fragt sie mich und deutet auf ein älteres Ehepaar, bei denen ein dunkelhaariges Mädchen steht, das etwas jünger ist als ich, ungefähr in Constances Alter. Ich schüttle lächelnd den Kopf.
»Das Mädchen bei den alten Leuten ist nicht ihre Enkelin, sondern ihre Tochter Elizabeth. Stell dir vor ihre Mutter ist schon über ein halbes Jahrhundert alt«, erzählt mir Constance fassungslos.
Ich muss lachen. »Nun dann war es ein Wunder, dass sie so spät noch ein Kind gekriegt hat«, erwidere ich amüsiert.
Constance wirft mir einen verschwörerischen Blick zu und beugt sich flüsternd zu mir. »Die Leute meinen, Mrs. Tilley ist eine Hexe und hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, damit sie Elizabeth empfangen konnte.«
Ich halte nicht viel von solchen Geschichten und schaue Constance ungläubig an. »Aber das sind doch wüste Schauermärchen, die man kleinen Kindern erzählt.«
»Ja und wenn es doch wahr ist?«, fragt mich Constance mit ernster Miene.
»Dann wird sie uns alle verhexen und wir werden als Frösche in der Neuen Welt leben«, flachse ich.
Wir lachen beide über diese Vorstellung.
Ich finde Constance abgesehen von ihrem Aberglauben, sehr sympathisch. Sie hat ein freundliches offenes Wesen, und viel Geduld mit ihrer kleinen Schwester Damaris, die erst ein Jahr alt ist, und ihr ständig am Rockzipfel hängt.
Wir sehen zu, wie die letzten Passagiere an Bord gehen, und bleiben auch dort, als die Mayflower schließlich ablegt. Die erste Etappe unserer großen Reise führt uns nach Southampton, wo wir uns mit den Leuten aus Leiden treffen werden. Ich habe ein flaues Gefühl im Magen, als wir uns vom Ufer entfernen und ergreife spontan Constances Hand. Sie scheint sich darüber zu freuen und umfasst meine Finger mit leichtem Druck.
So stehen wir Hand in Hand und sehen auf die Leute, die am Kai zurückbleiben und winken.
Seevögel kreisen über unseren Köpfen und ihr Kreischen klingt, wie ein Abschiedslied. Es ist Mitte Juli, als unser Abenteuer beginnt.