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Southampton, die Saints

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Die Fahrt nach Sou­thamp­ton dau­ert nicht lan­ge.

Wir se­geln die Them­se hi­nunter an der Süd­küs­te Eng­lands ent­lang und ich ge­nie­ße das sanf­te Schau­keln der May­flo­wer und den fri­schen Wind an Deck. Wir kom­men frü­her als die Grup­pe aus Lei­den an, die erst am 22. Ju­li in Delfts­ha­ven in Hol­land an Bord ihres Schif­fes ge­hen wird. Sie se­geln mit der Speed­well, einem Schiff, das wir al­le ge­mein­sam fi­nan­ziert ha­ben und das bei uns in den Ko­lo­nien blei­ben soll.

Wir nut­zen die Zeit, wäh­rend wir auf sie war­ten, um uns mit fri­schem Pro­viant für die Rei­se ein­zu­de­cken. Die Kauf­leu­te Sou­thamp­tons sind er­freut und je­der ver­sucht, mit uns ein gu­tes Ge­schäft zu ma­chen. Mr. Mar­tin, der unse­re Fi­nan­zen ver­wal­tet, kauft wahl­los ein und zahlt die über­teu­er­ten Prei­se der Händ­ler, oh­ne zu feil­schen.

Das er­weckt den Un­mut ei­ni­ger Mit­rei­sen­den. »Er gibt unser Geld zu leicht­fer­tig aus«, mel­det auch mein Va­ter Be­den­ken an. Kei­ner wagt je­doch, ihm Ein­halt zu ge­bie­ten. Al­le wol­len war­ten, bis Mr. Car­ver und Mr. Cush­man da sind, die mit der Grup­pe aus Lei­den kom­men.

Wir ken­nen sie mitt­ler­wei­le als klu­ge, ge­wis­sen­haf­te Gent­le­men auf die wir ver­trau­en kön­nen. Ge­mein­sam ha­ben sie in Lon­don und Can­ter­bu­ry um­sich­tig Schiffs­zwie­back, ge­sal­ze­nes Schwei­ne-und Rind­fleisch, ge­trock­ne­te Erb­sen und Boh­nen und Bran­dy be­sorgt und auf die May­flo­wer brin­gen las­sen. Mit der Speed­well kom­men noch Werk­zeu­ge und Han­dels­wa­ren, wie Glas­per­len, für die In­dia­ner, so­wie noch mehr Pro­viant. In Sou­thamp­ton kauft jetzt Mr. Mar­tin fri­sche Le­bens­mit­tel wie Bier und But­ter, Kä­se und Früch­te, die ge­ne­rell teu­er sind.


Es ist ein war­mer Som­mer­tag, als die Speed­well an­kommt und ich ma­che mit Cons­tan­ce eben einen Spa­zier­gang an Land.

Wir pflü­cken Blu­men, als Cons­tan­ce mich ruft und auf das Schiff deu­tet, das lang­sam in den Ha­fen ein­fährt. Ich bin er­staunt, dass die Speed­well viel klei­ner ist, als die May­flo­wer. »Wie vie­le Leu­te pas­sen wohl auf die­ses Schiff? Sie sieht im Gegen­satz zur May­flo­wer ge­ra­de­zu win­zig aus«, fra­ge ich Cons­tan­ce. Sie zuckt mit den Ach­seln.

Lang­sam schlen­dern wir zum Kai, um die Neu­an­kömm­lin­ge zu be­grü­ßen. Ei­ni­ge unse­rer Rei­se­ge­fähr­ten von der May­flo­wer er­war­ten be­reits vol­ler Auf­re­gung ihre An­kunft. Sie sind teil­wei­se be­kannt mit den Leu­ten aus Lei­den und die Til­le­ys ha­ben so­gar Ver­wand­te auf der Speed­well. Freu­dig be­grüßt John Til­ley sei­nen Bru­der Ed­ward mit sei­ner Frau Ag­nes. Sie trägt ein klei­nes Mäd­chen auf dem Arm und ein jun­ger Mann in mei­nem Al­ter folgt ih­nen.

»Die Til­le­ys aus Lei­den ha­ben kei­ne eige­nen Kin­der. Der gro­ße Bur­sche und das klei­ne Kind sind Nef­fe und Nich­te von ih­nen«, klärt mich Cons­tan­ce auf.

»Wahr­schein­lich ha­ben sie zu­we­nig ge­hext«, zie­he ich Cons­tan­ce in An­spie­lung auf ihre Aus­sa­ge vom Vor­tag auf und sie grinst mir zu.

Ro­bert Cush­man sieht mich am Pier ste­hen, als er von Bord geht. Er er­kennt mich und nickt mir freund­lich zu. Hin­ter ihm geht Mr. Car­ver mit sei­ner Frau Kat­her­ine an Land. Ich ha­be ihn bei sei­nen Be­su­chen, als er Ro­bert Cush­man bei den Rei­se­vor­be­rei­tun­gen unter­stützt hat, nur ein paar Mal ge­se­hen, aber ich ken­ne kei­nen Men­schen, dem das Gu­te so ins Ge­sicht ge­schrie­ben steht, wie John Car­ver. Im­mer wenn ich ihn an­schaue, geht mir das Herz über, vor Zu­nei­gung, denn nie zu­vor ha­be ich einen mit­lei­di­ge­ren Men­schen ge­kannt als ihn.

Je­dem Bet­tel­kind hat er ein Geld­stück ge­ge­ben, für je­den den er traf, hat­te er ein gu­tes Wort. Er kauf­te Pro­viant, nur um ihn gleich wie­der einer ar­men Fa­mi­lie zu schen­ken. Na­tür­lich hat er aus eige­ner Ta­sche, die feh­len­den Le­bens­mit­tel er­setzt. Er ist ein Eh­ren­mann und sehr wohl­ha­bend. Einen Groß­teil sei­nes Ver­mö­gens hat er in das Rei­se­pro­jekt ge­steckt. Ich fürch­te, er ist zu gut für die­se Welt. Ich ha­be im­mer das Be­dürf­nis ihn zu be­schüt­zen, ob­wohl er mehr als dop­pelt so alt ist, wie ich.

Spon­tan tre­te ich zu ihm und über­rei­che ihm die Blu­men, die ich ge­pflückt ha­be. Er lä­chelt mich aus sei­nen gü­ti­gen Au­gen an. »Vie­len Dank mein lie­bes Kind«, sagt er warm­her­zig.

Wie ich da so ste­he und be­wun­dernd Mr. Car­ver an­star­re, füh­le ich mich plötz­lich be­ob­ach­tet. Ich schaue mich su­chend um und mein Blick fällt auf einen Mann, der bei einer klei­nen Grup­pe von Leu­ten steht und mich an­sieht. Als sich unse­re Bli­cke tref­fen, durch­fährt mich ein Blitz. Ich kann, mei­ne Au­gen nicht von ihm ab­wen­den. Da­bei schaut er nicht ein­mal be­son­ders gut aus. Er ist nicht sehr groß, mus­ku­lös, hat dunk­les lo­cki­ges Haar und einen dich­ten kur­zen Bart.

Aber die­se Au­gen! Sie schei­nen mich zu durch­drin­gen und bis in die tiefs­ten Tie­fen mei­ner See­le zu schau­en.

Ich ha­be das Ge­fühl, er kennt al­le mei­ne Ge­dan­ken, so­gar die Ge­heims­ten und will gleich­zei­tig weg­lau­fen und zu ihm hin­ge­hen. Cons­tan­ce fällt mein star­rer Blick auf und sie stupst mich an. »Pri­scil­la, was hast du denn?«

Ich schütt­le den Kopf und end­lich ge­lingt es mir den Blick von ihm los­zu­rei­ßen. Ich fra­ge mich ernst­haft, ob ich när­risch ge­wor­den bin, aber ich wa­ge nicht, noch ein­mal in die Rich­tung des Man­nes zu se­hen. »Komm, wir ge­hen und se­hen, ob unse­re Müt­ter Hil­fe brau­chen«, for­de­re ich Cons­tan­ce barsch auf und sie folgt mir mit ver­dutz­ter Mie­ne zu­rück auf die May­flo­wer.

Mei­ne Mut­ter und Eli­za­beth Hop­kins sind beim Ko­chen an einem klei­nen Koh­le­be­cken, das auf Sand ge­bet­tet ist. »Nut­ze die Ge­le­gen­heit die Wä­sche zu wa­schen, wer weiß wann wir wie­der da­zu kom­men«, trägt mir mei­ne Mut­ter auf. Ich samm­le unse­re schmut­zi­gen Klei­dungs­stü­cke und wer­fe sie in einen Korb. Cons­tan­ce nimmt ihrer Mut­ter, die klei­ne Schwes­ter Da­ma­ris ab, die quen­ge­lig ist. Zu dritt ge­hen wir wie­der an Land. Es gibt einen Fluss ganz in der Nä­he, in dem ich die Wä­sche wa­schen kann. Ich schrub­be und rei­be ener­gisch an den Klei­dungs­stü­cken und ver­su­che mei­ne Ge­dan­ken zu klä­ren. Der Mann mit dem ver­we­ge­nen Blick will mir nicht aus dem Sinn ge­hen.

Är­ger­lich den­ke ich, dass mei­ne Mut­ter recht hat, wenn sie meint, ich träu­me zu­viel. Es war nur ein Mann, der mich an­ge­starrt hat. Kein Grund, mir wei­ter den Kopf da­rü­ber zu zer­bre­chen! Die Arbeit hilft mir. Als die Wä­sche end­lich sauber ist, füh­le ich mich wie­der wie ich selbst. Wir ge­hen zu­rück und ich schlep­pe ge­mein­sam mit Cons­tan­ce den schwe­ren Korb mit den nas­sen Klei­dern. Die klei­ne Da­ma­ris stol­pert neben uns her. Als sie hin­fällt und kreischt, nimmt Cons­tan­ce sie auf den Arm. Ich muss den Korb nun al­lei­ne tra­gen.

Das geht ganz gut, bis ich zu dem Fall­reep ge­lan­ge das auf die May­flo­wer führt. Ich ha­be an die­sem Tag mei­ne neu­en Schu­he, mit den hüb­schen Schnal­len an, die mir mein Va­ter ge­macht hat. Sie ha­ben einen klei­nen Ab­satz und se­hen sehr ele­gant aus. Mei­ne Mut­ter hat nicht ge­se­hen, wie ich sie an­ge­zo­gen ha­be, sonst hät­te sie si­cher mit mir ge­schimpft we­gen mei­ner Ei­tel­keit.

Auf der rut­schi­gen Plan­ke wer­den mir die Ab­sät­ze zum Ver­häng­nis. Ich ver­ha­ke mich in eine der gro­ben Holz­stre­ben und es fehlt nicht viel, dass ich mit­samt der Wä­sche ins Was­ser fal­le. Im letz­ten Mo­ment, als ich schon die dunk­le Näs­se des Ha­fen­be­ckens auf mich zu­ra­sen se­he, fan­gen mich star­ke Ar­me auf und hal­ten mich fest. Ich um­klam­me­re noch im­mer den Wä­sche­korb und mir schlägt das Herz bis zum Hals vor Schreck.

Der jun­ge Mann, der mich auf­ge­fan­gen hat, ist blond und sehr groß. Er hält mich noch im­mer fest, be­sorgt, dass ich er­neut aus­glei­ten könn­te. »Vie­len Dank Sir, ihr habt mich vor einem schlim­men Un­glück be­wahrt«, sa­ge ich er­leich­tert und sen­ke ver­le­gen mei­nen Blick.

Er lässt mich los und nimmt mir den Korb ab. »Er­laubt mir Miss, dass ich ihn tra­ge.«

Ich ni­cke dank­bar und be­ei­le mich an Bord zu ge­lan­gen.

Er folgt mir und stellt den Korb neben mir ab. Mit einer klei­nen Ver­beu­gung und einem freund­li­chen Lä­cheln stellt er sich vor. »Mein Na­me ist John Al­den. Ich bin als Kü­fer hier auf der May­flo­wer.«

Der Kü­fer ge­hört zu den Ver­sor­gungs­of­fi­zie­ren an Bord und hat die wich­ti­ge Auf­ga­be sich um die In­stand­hal­tung der Fäs­ser zu küm­mern, in denen Was­ser, Bier und Le­bens­mit­tel auf­be­wahrt wer­den. Ein durch­aus an­ge­se­he­ner Be­ruf, schießt es mir durch den Kopf.

»Pri­scil­la Mul­lins«, ant­wor­te­te ich und er­wi­de­re zö­gernd sein Lä­cheln. Plötz­lich steht mei­ne Mut­ter vor mir.

Sie wirft John Al­den einen miss­bil­li­gen­den Blick zu und er tippt an sei­nen Hut und ent­fernt sich. »Was soll das Pri­scil­la? Wer war der jun­ge Hirsch, mit dem ich dich hier plau­dernd vor­fin­de, als hät­test du kei­ne Arbeit?«, zischt sie mir scharf zu.

»Mr. Al­den ge­hört zur Crew und hat mich vor einem bö­sen Sturz ins Was­ser be­wahrt. Sonst war nichts«, er­klä­re ich trot­zig.

»Wenn du die Au­gen of­fen­hal­ten wür­dest, kämst du nicht in Ge­fahr zu fal­len«, schimpft sie ver­drieß­lich.

Ich muss ihr recht ge­ben. Es ist nicht mein bes­ter Tag.


Ich bin auf dem Zwi­schen­deck und ver­su­che, so gut es geht unse­re Bet­ten in Ord­nung zu brin­gen. Für je­des Mit­glied unse­rer Fa­mi­lie steht nur ein schma­ler Stroh­sack zur Ver­fü­gung. Wir lie­gen dicht ge­drängt, al­le neben­ei­nan­der. Um uns ein we­nig ab­zu­gren­zen, von unse­ren Mit­rei­sen­den, ha­ben Pe­ter und Ro­bert mei­nem Va­ter ge­hol­fen ei­ni­ge Bret­ter vor unse­re Schlaf­plät­ze zu na­geln. Da­durch ist es wie in einer feuch­ten Höh­le da­rin und die Luft wird noch sti­cki­ger.

Die meis­ten an­de­ren Pas­sa­gie­re ha­ben nicht viel mehr Platz. Es gibt et­was bes­se­re Ab­schnit­te, für die Fa­mi­lie Mar­tin, na­he an der Strick­lei­ter, die zur Lu­ke auf das Ober­deck führt. Hier ist es luf­ti­ger. Auch die Hop­kins ha­ben dort ihre Schlaf­plät­ze, weil man Rück­sicht nimmt auf Mrs. Hop­kins Schwan­ger­schaft und sie mit den Mar­tins be­kannt sind.

Pe­ter kommt und be­rich­tet mir auf­ge­regt, was sich im Poop House, der Ka­bi­ne von Ka­pi­tän Jo­nes zu­ge­tra­gen hat. Die Mann­schaft hat be­que­me­re Quar­tie­re auf dem Ober­deck, wo auch die Ka­bi­ne von Ka­pi­tän Jo­nes liegt, die der ein­zi­ge wirk­lich kom­for­tab­le Raum auf dem Schiff ist. Pe­ter, der we­nig zu tun hat, im Gegen­satz zu uns Frau­en, lang­weilt sich und treibt sich nach sei­nen Land­gän­gen ger­ne bei den Of­fi­zie­ren und Mat­ro­sen he­rum. Da­bei hat er ge­ra­de eben eine hef­ti­ge Aus­ei­nan­der­set­zung mit­an­ge­hört, die in der Ka­pi­täns­ka­bi­ne aus­ge­tra­gen wur­de.

Mr. Cush­man hat Mr. Mar­tin zur Re­de ge­stellt, we­gen der ver­schwen­de­ri­schen Nach­läs­sig­keit, mit der er das Geld aus unse­rer Rei­se­kas­se ver­prasst. Mein Va­ter und ei­ni­ge an­de­re Män­ner aus der Lei­de­ner Grup­pe wa­ren eben­falls da­bei und stimm­ten Mr. Cush­man zu.

»Wie du dir vor­stel­len kannst, hat sich Mr. Mar­tin ent­schie­den gegen die An­schul­di­gun­gen ge­wehrt und ge­schrien, dass sie al­le un­dank­bar sind und sei­ne Arbeit nicht zu schät­zen wis­sen«, er­zählt mir Pe­ter. »Er war sehr auf­brau­send und an­ma­ßend und be­schimpf­te die Män­ner aus Lei­den, als ar­me Schlu­cker, die froh sein durf­ten über­haupt mit da­bei zu sein. Mr. Car­ver, der wie du weißt, sehr wohl­ha­bend ist und sein Ver­mö­gen in die­se Rei­se ge­steckt hat, über­hör­te sei­ne Be­lei­di­gun­gen und ver­such­te, ihn sanft­mü­tig zur Ver­nunft zu brin­gen. Doch er wur­de von Mr. Mar­tin an­ge­brüllt, dass nie­mand das Recht hät­te sich zu be­schwe­ren außer ihm selbst.«

Ich bin sehr er­bost, als ich hö­re, wie Mr. Mar­tin mit mei­nem ver­ehr­ten Mr. Car­ver um­geht. »Wie kann er so mit ihm re­den? Ich be­daue­re es, kein Mann zu sein, denn ich wür­de ihm ge­wiss Ma­nie­ren bei­brin­gen.«

Pe­ter lacht, als ich das sa­ge und meint: »Die In­dia­ner müs­sen sich wohl vor dir in Acht neh­men, so krie­ge­risch wie du bist.«

Das bringt auch mich zum La­chen. Ich bin sehr froh, dass Pe­ter uns be­glei­tet auf unse­rer Rei­se, denn ich ver­ste­he mich sehr gut mit ihm.

Da Pe­ter viel Zeit bei der Mann­schaft des Schif­fes ver­bringt, er­fah­re ich von ihm auch mehr über die See­leu­te. Wir ha­ben einen jun­gen Arzt an Bord, Gi­les Hea­le, der bei einem Mr. Bla­nie eben sei­ne Leh­re als Bader­chi­rurg be­en­det hat. Ka­pi­tän Jo­nes hat sei­nen jun­gen Ver­wand­ten Ri­chard Gar­di­nar ein­ge­stellt und einen wei­te­ren Ver­wand­ten für die Rei­se an­ge­heu­ert. Es ist John Al­den, der Kü­fer, der mich vor dem Sturz be­wahrt hat. Ich er­wäh­ne mit kei­nem Wort, dass ich be­reits sei­ne Be­kannt­schaft ge­macht ha­be.


In den fol­gen­den Ta­gen scheint es, als hät­ten die Leu­te aus Lei­den ihre Strei­te­rei­en mit Mr. Mar­tin bei­ge­legt. Mr. Cush­man hält jetzt ein wach­sa­mes Au­ge auf Mr. Mar­tins Aus­ga­ben. Da­rü­ber sind auch die Mit­rei­sen­den aus unse­rer Grup­pe er­leich­tert, al­len vo­ran mein Va­ter. Wir ha­ben eine Men­ge zu ver­lie­ren, das Geld ist knapp und wir kön­nen es uns nicht leis­ten, es zu ver­schleu­dern.

In Sou­thamp­ton ge­hen noch mehr Pas­sa­gie­re an Bord der Speed­well. Mr. Cush­man und Mr. Car­ver neh­men vier frem­de Kin­der in ihre Ob­hut. Es han­delt sich um die Söh­ne und Töch­ter des ade­li­gen Mr. Mo­re aus Shrops­hi­re, die aus einer ehe­bre­che­ri­schen Be­zie­hung sei­ner Frau stam­men. Er will sie nicht in sei­nem Haus ha­ben und ver­fügt, dass sie in die Ko­lo­nien ge­schickt wer­den.

»Wir wer­den gut für sie sor­gen«, trös­tet der gut­her­zi­ge Mr. Car­ver, ihre auf­ge­lös­te Mut­ter, die ab­so­lut nicht mit der Ent­schei­dung ihres Ehe­man­nes ein­ver­stan­den ist.

Ich se­he zu, wie man die ängst­lich wir­ken­den Kin­der an Bord der Speed­well bringt.

Wahr­schein­lich ha­ben sie in den Ko­lo­nien bes­se­re Chan­cen auf ein an­stän­di­ges Le­ben, als wenn sie in Lon­don in einem Wai­sen­haus auf­wach­sen, den­ke ich im Stil­len.

Eine Fa­mi­lie na­mens Bil­ling­ton fällt un­an­ge­nehm auf, als sie an Bord der Speed­well ge­hen. Es sind ge­wöhn­li­che Leu­te, ein Mann und eine Frau in mitt­le­ren Jah­ren, die von ihren zwei he­ran­wach­sen­den Söh­nen be­glei­tet wer­den. Die Frau re­det laut und vul­gär. Ihr Kleid hat Fle­cken und als ich ver­stoh­len zu ihr hin­se­he, nimmt sie eben ihre Hau­be ab, schnäuzt sich ge­räusch­voll hi­nein und setzt sie wie­der auf. Ich schütt­le mich.

Ihr Mann scheint be­trun­ken zu sein. Er lacht sehr laut und grölt. Sei­ne Söh­ne ha­ben schlech­te Ma­nie­ren und sto­ßen sich gegen­sei­tig rü­pel­haft an, als sie an uns vo­rü­ber ge­hen.

Sie pas­sen nicht wirk­lich zu den üb­ri­gen Leu­ten aus Lei­den die ru­hig und höf­lich er­schei­nen und ich fra­ge mich, wie sie zu der Grup­pe ge­kom­men sind. Ihre Mit­rei­sen­den wer­fen ih­nen schee­le Bli­cke zu, doch nie­mand er­mahnt sie we­gen ihres Be­tra­gens.


Ich bin mit mei­nem Va­ter und Jo­seph an Land, da mein Va­ter für uns fri­sches Obst be­sorgt hat. Ge­mein­sam tra­gen wir die Früch­te jetzt zu unse­rem Schiff. Als wir eben an Bord ge­hen wol­len er­regt eine Prü­ge­lei unse­re Auf­merk­sam­keit. Einer der Bil­ling­ton Jun­gen schlägt sich mit einem an­de­ren Jüng­ling ganz in unse­rer Nä­he. Mr. Brad­ford, ein Dru­cker aus Lei­den, den wir schon ken­nen­ge­lernt ha­ben, steht an der Re­ling der Speed­well und ruft einen wei­te­ren Mann zu Hil­fe, be­vor sie über die Plan­ken lau­fen, um die Streit­häh­ne zu tren­nen.

Mein Herz setzt für einen Mo­ment aus, um dann wie wild wei­ter zu schla­gen. Der Mann bei Mr. Brad­ford ist je­ner Frem­de, der mich durch sei­nen in­ten­si­ven Blick so aus der Fas­sung ge­bracht hat.

An die­sem Tag trägt er einen leich­ten Brust­pan­zer über sei­nem Wams und er sieht sehr ent­schlos­sen aus, als er die Rauf­bol­de grob von­ei­nan­der trennt. Of­fen­bar ist er kampf­erprobt und es ist gar nicht not­wen­dig, dass ihm Mr. Brad­ford be­hilf­lich ist.

»Ver­zieh dich, Klei­ner«, schickt er den Ben­gel der nicht zu unsern Leu­ten ge­hört mit be­fehls­ge­wohn­ter Stim­me weg. Den jun­gen Bil­ling­ton hält er am Kra­gen ge­packt. »Hör zu Bürsch­chen! Be­nimm dich, oder ich ver­pas­se dir die Prü­gel dei­nes Le­bens«, droht er ihm und schüt­telt ihn be­kräf­ti­gend durch.

Mr. Brad­ford sieht, wie wir mit gro­ßen Au­gen da­ste­hen und ge­bannt auf die Sze­ne star­ren, die sich vor uns ab­spielt. Er kommt zu uns und lä­chelt be­schwich­ti­gend. »Ich be­dau­re die­sen Vor­fall, Mr. Mul­lins und kann euch ver­si­chern, dass so et­was nicht wie­der vor­kommt«, ent­schul­digt er sich bei mei­nem Va­ter.

»Nun ich hof­fe, es gibt nicht noch mehr ge­walt­tä­ti­ge Leu­te unter euch«, meint mein Va­ter pein­lich be­rührt. Ich ha­be ähn­li­che Sor­gen. Es wür­de sich als schwie­rig er­wei­sen mit sol­chen Men­schen zu­sam­men­zu­le­ben, an einem Ort wo je­der auf den an­de­ren an­ge­wie­sen ist.

Der jun­ge Bil­ling­ton wischt sich sei­ne blu­ti­ge Na­se und trollt sich zu­rück auf das Schiff. Mr. Brad­ford ruft den Mann in dem Brust­pan­zer und winkt ihn zu uns he­ran, um ihn mei­nem Va­ter vor­zu­stel­len. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als er nun zu uns rü­ber kommt. Ich ha­be kei­ne Ah­nung, was mit mir los ist, aber ich kann mei­ne Au­gen nicht von ihm las­sen.

»Mr. Mul­lins, das ist Cap­tain Mi­les Stand­ish. Er sorgt da­für, dass die Ord­nung auf­recht bleibt«, stellt ihn Mr. Brad­ford zu­ver­sicht­lich lä­chelnd vor. Wir er­fah­ren, dass Cap­tain Stand­ish ein er­fah­re­ner Of­fi­zier ist, der in der kö­nig­li­chen Ar­mee ge­dient hat. Die Lei­de­ner Grup­pe hat ihn an­ge­wor­ben, da­mit er unser mi­li­tä­ri­scher Lei­ter in der Neu­en Welt wird.

Er drückt mei­nem Va­ter kräf­tig die Hand. Dann fällt sein Blick auf mich und er lä­chelt mir zu. Wie­der ha­be ich das Ge­fühl, dass er mir bis in die See­le schaut und mer­ke, wie ich rot wer­de. Schnell hef­te ich mei­ne Au­gen auf mei­ne Schuh­spit­zen und murm­le einen Gruß. Sei­ne Stim­me ist voll und dun­kel, er wirkt sehr selbst­be­wusst. Mein Va­ter fin­det ihn of­fen­bar recht sym­pa­thisch, und sie be­gin­nen sich zu unter­hal­ten.

Ich wa­ge es nicht, mei­ne Au­gen, zu heben, bis ich die sanf­te Stim­me einer Frau hö­re. Sie ist klein und zier­lich, hat gro­ße blaue Au­gen und fei­nes blon­des Haar. »Mi­les? Ich su­che dich schon seit einer gan­zen Wei­le«, sagt sie ein we­nig ver­zagt und schaut ihn da­bei vor­wurfs­voll an. Cap­tain Stand­ish lä­chelt ihr nach­sich­tig zu und nimmt ihren Arm. »Darf ich euch mei­ne Ge­mah­lin, Ro­se, vor­stel­len, Mr. Mul­lins?«, wen­det er sich an mei­nen Va­ter.

Sie ist jung und hübsch und ich ver­spü­re einen Hauch von Ent­täu­schung, als Mi­les Stand­ish sie, als sei­ne Frau vor­stellt. Mein Va­ter plau­dert noch ein we­nig mit ih­nen, doch ich wün­sche mir nur, zu­rück auf das Schiff zu ge­hen, und star­re wie­der auf mei­ne Schuh­spit­zen. Schließ­lich wen­det sich mein Va­ter zum Ge­hen und ich schaue auf, um mich zu ver­ab­schie­den, wie es die Höf­lich­keit vor­schreibt.

Als ich in Mi­les Stand­ish Ge­sicht bli­cke, glit­zern sei­ne Au­gen und um sei­nen Mund liegt ein zu­frie­de­nes Lä­cheln. Ich bin über­zeugt, dass er mei­ne Ent­täu­schung be­merkt hat, als Ro­se auf­ge­taucht ist. Wir ge­hen mit mei­nem Va­ter an Bord der May­flo­wer.

»Du bist un­ge­wöhn­lich still heu­te, Pri­scil­la«, merkt mei­ne Mut­ter am Abend ver­wun­dert an. Erst da fällt mir auf, dass ich den gan­zen Tag über kaum ein Wort ge­sagt ha­be.


Es ist nun An­fang Au­gust und wir ha­ben ge­nü­gend Vor­rä­te ge­kauft und sind ge­rüs­tet für die Fahrt. Am 5. Au­gust bre­chen unse­re Schif­fe, die May­flo­wer und die Speed­well ge­mein­sam von Sou­thamp­ton auf.

Für uns be­ginnt nun die lan­ge Rei­se auf See, an de­ren Ziel unse­re neue Hei­mat liegt.

Wir kamen mit der Mayflower

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