Читать книгу Wir kamen mit der Mayflower - S.C. Bauer - Страница 6
Southampton, die Saints
ОглавлениеDie Fahrt nach Southampton dauert nicht lange.
Wir segeln die Themse hinunter an der Südküste Englands entlang und ich genieße das sanfte Schaukeln der Mayflower und den frischen Wind an Deck. Wir kommen früher als die Gruppe aus Leiden an, die erst am 22. Juli in Delftshaven in Holland an Bord ihres Schiffes gehen wird. Sie segeln mit der Speedwell, einem Schiff, das wir alle gemeinsam finanziert haben und das bei uns in den Kolonien bleiben soll.
Wir nutzen die Zeit, während wir auf sie warten, um uns mit frischem Proviant für die Reise einzudecken. Die Kaufleute Southamptons sind erfreut und jeder versucht, mit uns ein gutes Geschäft zu machen. Mr. Martin, der unsere Finanzen verwaltet, kauft wahllos ein und zahlt die überteuerten Preise der Händler, ohne zu feilschen.
Das erweckt den Unmut einiger Mitreisenden. »Er gibt unser Geld zu leichtfertig aus«, meldet auch mein Vater Bedenken an. Keiner wagt jedoch, ihm Einhalt zu gebieten. Alle wollen warten, bis Mr. Carver und Mr. Cushman da sind, die mit der Gruppe aus Leiden kommen.
Wir kennen sie mittlerweile als kluge, gewissenhafte Gentlemen auf die wir vertrauen können. Gemeinsam haben sie in London und Canterbury umsichtig Schiffszwieback, gesalzenes Schweine-und Rindfleisch, getrocknete Erbsen und Bohnen und Brandy besorgt und auf die Mayflower bringen lassen. Mit der Speedwell kommen noch Werkzeuge und Handelswaren, wie Glasperlen, für die Indianer, sowie noch mehr Proviant. In Southampton kauft jetzt Mr. Martin frische Lebensmittel wie Bier und Butter, Käse und Früchte, die generell teuer sind.
Es ist ein warmer Sommertag, als die Speedwell ankommt und ich mache mit Constance eben einen Spaziergang an Land.
Wir pflücken Blumen, als Constance mich ruft und auf das Schiff deutet, das langsam in den Hafen einfährt. Ich bin erstaunt, dass die Speedwell viel kleiner ist, als die Mayflower. »Wie viele Leute passen wohl auf dieses Schiff? Sie sieht im Gegensatz zur Mayflower geradezu winzig aus«, frage ich Constance. Sie zuckt mit den Achseln.
Langsam schlendern wir zum Kai, um die Neuankömmlinge zu begrüßen. Einige unserer Reisegefährten von der Mayflower erwarten bereits voller Aufregung ihre Ankunft. Sie sind teilweise bekannt mit den Leuten aus Leiden und die Tilleys haben sogar Verwandte auf der Speedwell. Freudig begrüßt John Tilley seinen Bruder Edward mit seiner Frau Agnes. Sie trägt ein kleines Mädchen auf dem Arm und ein junger Mann in meinem Alter folgt ihnen.
»Die Tilleys aus Leiden haben keine eigenen Kinder. Der große Bursche und das kleine Kind sind Neffe und Nichte von ihnen«, klärt mich Constance auf.
»Wahrscheinlich haben sie zuwenig gehext«, ziehe ich Constance in Anspielung auf ihre Aussage vom Vortag auf und sie grinst mir zu.
Robert Cushman sieht mich am Pier stehen, als er von Bord geht. Er erkennt mich und nickt mir freundlich zu. Hinter ihm geht Mr. Carver mit seiner Frau Katherine an Land. Ich habe ihn bei seinen Besuchen, als er Robert Cushman bei den Reisevorbereitungen unterstützt hat, nur ein paar Mal gesehen, aber ich kenne keinen Menschen, dem das Gute so ins Gesicht geschrieben steht, wie John Carver. Immer wenn ich ihn anschaue, geht mir das Herz über, vor Zuneigung, denn nie zuvor habe ich einen mitleidigeren Menschen gekannt als ihn.
Jedem Bettelkind hat er ein Geldstück gegeben, für jeden den er traf, hatte er ein gutes Wort. Er kaufte Proviant, nur um ihn gleich wieder einer armen Familie zu schenken. Natürlich hat er aus eigener Tasche, die fehlenden Lebensmittel ersetzt. Er ist ein Ehrenmann und sehr wohlhabend. Einen Großteil seines Vermögens hat er in das Reiseprojekt gesteckt. Ich fürchte, er ist zu gut für diese Welt. Ich habe immer das Bedürfnis ihn zu beschützen, obwohl er mehr als doppelt so alt ist, wie ich.
Spontan trete ich zu ihm und überreiche ihm die Blumen, die ich gepflückt habe. Er lächelt mich aus seinen gütigen Augen an. »Vielen Dank mein liebes Kind«, sagt er warmherzig.
Wie ich da so stehe und bewundernd Mr. Carver anstarre, fühle ich mich plötzlich beobachtet. Ich schaue mich suchend um und mein Blick fällt auf einen Mann, der bei einer kleinen Gruppe von Leuten steht und mich ansieht. Als sich unsere Blicke treffen, durchfährt mich ein Blitz. Ich kann, meine Augen nicht von ihm abwenden. Dabei schaut er nicht einmal besonders gut aus. Er ist nicht sehr groß, muskulös, hat dunkles lockiges Haar und einen dichten kurzen Bart.
Aber diese Augen! Sie scheinen mich zu durchdringen und bis in die tiefsten Tiefen meiner Seele zu schauen.
Ich habe das Gefühl, er kennt alle meine Gedanken, sogar die Geheimsten und will gleichzeitig weglaufen und zu ihm hingehen. Constance fällt mein starrer Blick auf und sie stupst mich an. »Priscilla, was hast du denn?«
Ich schüttle den Kopf und endlich gelingt es mir den Blick von ihm loszureißen. Ich frage mich ernsthaft, ob ich närrisch geworden bin, aber ich wage nicht, noch einmal in die Richtung des Mannes zu sehen. »Komm, wir gehen und sehen, ob unsere Mütter Hilfe brauchen«, fordere ich Constance barsch auf und sie folgt mir mit verdutzter Miene zurück auf die Mayflower.
Meine Mutter und Elizabeth Hopkins sind beim Kochen an einem kleinen Kohlebecken, das auf Sand gebettet ist. »Nutze die Gelegenheit die Wäsche zu waschen, wer weiß wann wir wieder dazu kommen«, trägt mir meine Mutter auf. Ich sammle unsere schmutzigen Kleidungsstücke und werfe sie in einen Korb. Constance nimmt ihrer Mutter, die kleine Schwester Damaris ab, die quengelig ist. Zu dritt gehen wir wieder an Land. Es gibt einen Fluss ganz in der Nähe, in dem ich die Wäsche waschen kann. Ich schrubbe und reibe energisch an den Kleidungsstücken und versuche meine Gedanken zu klären. Der Mann mit dem verwegenen Blick will mir nicht aus dem Sinn gehen.
Ärgerlich denke ich, dass meine Mutter recht hat, wenn sie meint, ich träume zuviel. Es war nur ein Mann, der mich angestarrt hat. Kein Grund, mir weiter den Kopf darüber zu zerbrechen! Die Arbeit hilft mir. Als die Wäsche endlich sauber ist, fühle ich mich wieder wie ich selbst. Wir gehen zurück und ich schleppe gemeinsam mit Constance den schweren Korb mit den nassen Kleidern. Die kleine Damaris stolpert neben uns her. Als sie hinfällt und kreischt, nimmt Constance sie auf den Arm. Ich muss den Korb nun alleine tragen.
Das geht ganz gut, bis ich zu dem Fallreep gelange das auf die Mayflower führt. Ich habe an diesem Tag meine neuen Schuhe, mit den hübschen Schnallen an, die mir mein Vater gemacht hat. Sie haben einen kleinen Absatz und sehen sehr elegant aus. Meine Mutter hat nicht gesehen, wie ich sie angezogen habe, sonst hätte sie sicher mit mir geschimpft wegen meiner Eitelkeit.
Auf der rutschigen Planke werden mir die Absätze zum Verhängnis. Ich verhake mich in eine der groben Holzstreben und es fehlt nicht viel, dass ich mitsamt der Wäsche ins Wasser falle. Im letzten Moment, als ich schon die dunkle Nässe des Hafenbeckens auf mich zurasen sehe, fangen mich starke Arme auf und halten mich fest. Ich umklammere noch immer den Wäschekorb und mir schlägt das Herz bis zum Hals vor Schreck.
Der junge Mann, der mich aufgefangen hat, ist blond und sehr groß. Er hält mich noch immer fest, besorgt, dass ich erneut ausgleiten könnte. »Vielen Dank Sir, ihr habt mich vor einem schlimmen Unglück bewahrt«, sage ich erleichtert und senke verlegen meinen Blick.
Er lässt mich los und nimmt mir den Korb ab. »Erlaubt mir Miss, dass ich ihn trage.«
Ich nicke dankbar und beeile mich an Bord zu gelangen.
Er folgt mir und stellt den Korb neben mir ab. Mit einer kleinen Verbeugung und einem freundlichen Lächeln stellt er sich vor. »Mein Name ist John Alden. Ich bin als Küfer hier auf der Mayflower.«
Der Küfer gehört zu den Versorgungsoffizieren an Bord und hat die wichtige Aufgabe sich um die Instandhaltung der Fässer zu kümmern, in denen Wasser, Bier und Lebensmittel aufbewahrt werden. Ein durchaus angesehener Beruf, schießt es mir durch den Kopf.
»Priscilla Mullins«, antwortete ich und erwidere zögernd sein Lächeln. Plötzlich steht meine Mutter vor mir.
Sie wirft John Alden einen missbilligenden Blick zu und er tippt an seinen Hut und entfernt sich. »Was soll das Priscilla? Wer war der junge Hirsch, mit dem ich dich hier plaudernd vorfinde, als hättest du keine Arbeit?«, zischt sie mir scharf zu.
»Mr. Alden gehört zur Crew und hat mich vor einem bösen Sturz ins Wasser bewahrt. Sonst war nichts«, erkläre ich trotzig.
»Wenn du die Augen offenhalten würdest, kämst du nicht in Gefahr zu fallen«, schimpft sie verdrießlich.
Ich muss ihr recht geben. Es ist nicht mein bester Tag.
Ich bin auf dem Zwischendeck und versuche, so gut es geht unsere Betten in Ordnung zu bringen. Für jedes Mitglied unserer Familie steht nur ein schmaler Strohsack zur Verfügung. Wir liegen dicht gedrängt, alle nebeneinander. Um uns ein wenig abzugrenzen, von unseren Mitreisenden, haben Peter und Robert meinem Vater geholfen einige Bretter vor unsere Schlafplätze zu nageln. Dadurch ist es wie in einer feuchten Höhle darin und die Luft wird noch stickiger.
Die meisten anderen Passagiere haben nicht viel mehr Platz. Es gibt etwas bessere Abschnitte, für die Familie Martin, nahe an der Strickleiter, die zur Luke auf das Oberdeck führt. Hier ist es luftiger. Auch die Hopkins haben dort ihre Schlafplätze, weil man Rücksicht nimmt auf Mrs. Hopkins Schwangerschaft und sie mit den Martins bekannt sind.
Peter kommt und berichtet mir aufgeregt, was sich im Poop House, der Kabine von Kapitän Jones zugetragen hat. Die Mannschaft hat bequemere Quartiere auf dem Oberdeck, wo auch die Kabine von Kapitän Jones liegt, die der einzige wirklich komfortable Raum auf dem Schiff ist. Peter, der wenig zu tun hat, im Gegensatz zu uns Frauen, langweilt sich und treibt sich nach seinen Landgängen gerne bei den Offizieren und Matrosen herum. Dabei hat er gerade eben eine heftige Auseinandersetzung mitangehört, die in der Kapitänskabine ausgetragen wurde.
Mr. Cushman hat Mr. Martin zur Rede gestellt, wegen der verschwenderischen Nachlässigkeit, mit der er das Geld aus unserer Reisekasse verprasst. Mein Vater und einige andere Männer aus der Leidener Gruppe waren ebenfalls dabei und stimmten Mr. Cushman zu.
»Wie du dir vorstellen kannst, hat sich Mr. Martin entschieden gegen die Anschuldigungen gewehrt und geschrien, dass sie alle undankbar sind und seine Arbeit nicht zu schätzen wissen«, erzählt mir Peter. »Er war sehr aufbrausend und anmaßend und beschimpfte die Männer aus Leiden, als arme Schlucker, die froh sein durften überhaupt mit dabei zu sein. Mr. Carver, der wie du weißt, sehr wohlhabend ist und sein Vermögen in diese Reise gesteckt hat, überhörte seine Beleidigungen und versuchte, ihn sanftmütig zur Vernunft zu bringen. Doch er wurde von Mr. Martin angebrüllt, dass niemand das Recht hätte sich zu beschweren außer ihm selbst.«
Ich bin sehr erbost, als ich höre, wie Mr. Martin mit meinem verehrten Mr. Carver umgeht. »Wie kann er so mit ihm reden? Ich bedauere es, kein Mann zu sein, denn ich würde ihm gewiss Manieren beibringen.«
Peter lacht, als ich das sage und meint: »Die Indianer müssen sich wohl vor dir in Acht nehmen, so kriegerisch wie du bist.«
Das bringt auch mich zum Lachen. Ich bin sehr froh, dass Peter uns begleitet auf unserer Reise, denn ich verstehe mich sehr gut mit ihm.
Da Peter viel Zeit bei der Mannschaft des Schiffes verbringt, erfahre ich von ihm auch mehr über die Seeleute. Wir haben einen jungen Arzt an Bord, Giles Heale, der bei einem Mr. Blanie eben seine Lehre als Baderchirurg beendet hat. Kapitän Jones hat seinen jungen Verwandten Richard Gardinar eingestellt und einen weiteren Verwandten für die Reise angeheuert. Es ist John Alden, der Küfer, der mich vor dem Sturz bewahrt hat. Ich erwähne mit keinem Wort, dass ich bereits seine Bekanntschaft gemacht habe.
In den folgenden Tagen scheint es, als hätten die Leute aus Leiden ihre Streitereien mit Mr. Martin beigelegt. Mr. Cushman hält jetzt ein wachsames Auge auf Mr. Martins Ausgaben. Darüber sind auch die Mitreisenden aus unserer Gruppe erleichtert, allen voran mein Vater. Wir haben eine Menge zu verlieren, das Geld ist knapp und wir können es uns nicht leisten, es zu verschleudern.
In Southampton gehen noch mehr Passagiere an Bord der Speedwell. Mr. Cushman und Mr. Carver nehmen vier fremde Kinder in ihre Obhut. Es handelt sich um die Söhne und Töchter des adeligen Mr. More aus Shropshire, die aus einer ehebrecherischen Beziehung seiner Frau stammen. Er will sie nicht in seinem Haus haben und verfügt, dass sie in die Kolonien geschickt werden.
»Wir werden gut für sie sorgen«, tröstet der gutherzige Mr. Carver, ihre aufgelöste Mutter, die absolut nicht mit der Entscheidung ihres Ehemannes einverstanden ist.
Ich sehe zu, wie man die ängstlich wirkenden Kinder an Bord der Speedwell bringt.
Wahrscheinlich haben sie in den Kolonien bessere Chancen auf ein anständiges Leben, als wenn sie in London in einem Waisenhaus aufwachsen, denke ich im Stillen.
Eine Familie namens Billington fällt unangenehm auf, als sie an Bord der Speedwell gehen. Es sind gewöhnliche Leute, ein Mann und eine Frau in mittleren Jahren, die von ihren zwei heranwachsenden Söhnen begleitet werden. Die Frau redet laut und vulgär. Ihr Kleid hat Flecken und als ich verstohlen zu ihr hinsehe, nimmt sie eben ihre Haube ab, schnäuzt sich geräuschvoll hinein und setzt sie wieder auf. Ich schüttle mich.
Ihr Mann scheint betrunken zu sein. Er lacht sehr laut und grölt. Seine Söhne haben schlechte Manieren und stoßen sich gegenseitig rüpelhaft an, als sie an uns vorüber gehen.
Sie passen nicht wirklich zu den übrigen Leuten aus Leiden die ruhig und höflich erscheinen und ich frage mich, wie sie zu der Gruppe gekommen sind. Ihre Mitreisenden werfen ihnen scheele Blicke zu, doch niemand ermahnt sie wegen ihres Betragens.
Ich bin mit meinem Vater und Joseph an Land, da mein Vater für uns frisches Obst besorgt hat. Gemeinsam tragen wir die Früchte jetzt zu unserem Schiff. Als wir eben an Bord gehen wollen erregt eine Prügelei unsere Aufmerksamkeit. Einer der Billington Jungen schlägt sich mit einem anderen Jüngling ganz in unserer Nähe. Mr. Bradford, ein Drucker aus Leiden, den wir schon kennengelernt haben, steht an der Reling der Speedwell und ruft einen weiteren Mann zu Hilfe, bevor sie über die Planken laufen, um die Streithähne zu trennen.
Mein Herz setzt für einen Moment aus, um dann wie wild weiter zu schlagen. Der Mann bei Mr. Bradford ist jener Fremde, der mich durch seinen intensiven Blick so aus der Fassung gebracht hat.
An diesem Tag trägt er einen leichten Brustpanzer über seinem Wams und er sieht sehr entschlossen aus, als er die Raufbolde grob voneinander trennt. Offenbar ist er kampferprobt und es ist gar nicht notwendig, dass ihm Mr. Bradford behilflich ist.
»Verzieh dich, Kleiner«, schickt er den Bengel der nicht zu unsern Leuten gehört mit befehlsgewohnter Stimme weg. Den jungen Billington hält er am Kragen gepackt. »Hör zu Bürschchen! Benimm dich, oder ich verpasse dir die Prügel deines Lebens«, droht er ihm und schüttelt ihn bekräftigend durch.
Mr. Bradford sieht, wie wir mit großen Augen dastehen und gebannt auf die Szene starren, die sich vor uns abspielt. Er kommt zu uns und lächelt beschwichtigend. »Ich bedaure diesen Vorfall, Mr. Mullins und kann euch versichern, dass so etwas nicht wieder vorkommt«, entschuldigt er sich bei meinem Vater.
»Nun ich hoffe, es gibt nicht noch mehr gewalttätige Leute unter euch«, meint mein Vater peinlich berührt. Ich habe ähnliche Sorgen. Es würde sich als schwierig erweisen mit solchen Menschen zusammenzuleben, an einem Ort wo jeder auf den anderen angewiesen ist.
Der junge Billington wischt sich seine blutige Nase und trollt sich zurück auf das Schiff. Mr. Bradford ruft den Mann in dem Brustpanzer und winkt ihn zu uns heran, um ihn meinem Vater vorzustellen. Mir klopft das Herz bis zum Hals, als er nun zu uns rüber kommt. Ich habe keine Ahnung, was mit mir los ist, aber ich kann meine Augen nicht von ihm lassen.
»Mr. Mullins, das ist Captain Miles Standish. Er sorgt dafür, dass die Ordnung aufrecht bleibt«, stellt ihn Mr. Bradford zuversichtlich lächelnd vor. Wir erfahren, dass Captain Standish ein erfahrener Offizier ist, der in der königlichen Armee gedient hat. Die Leidener Gruppe hat ihn angeworben, damit er unser militärischer Leiter in der Neuen Welt wird.
Er drückt meinem Vater kräftig die Hand. Dann fällt sein Blick auf mich und er lächelt mir zu. Wieder habe ich das Gefühl, dass er mir bis in die Seele schaut und merke, wie ich rot werde. Schnell hefte ich meine Augen auf meine Schuhspitzen und murmle einen Gruß. Seine Stimme ist voll und dunkel, er wirkt sehr selbstbewusst. Mein Vater findet ihn offenbar recht sympathisch, und sie beginnen sich zu unterhalten.
Ich wage es nicht, meine Augen, zu heben, bis ich die sanfte Stimme einer Frau höre. Sie ist klein und zierlich, hat große blaue Augen und feines blondes Haar. »Miles? Ich suche dich schon seit einer ganzen Weile«, sagt sie ein wenig verzagt und schaut ihn dabei vorwurfsvoll an. Captain Standish lächelt ihr nachsichtig zu und nimmt ihren Arm. »Darf ich euch meine Gemahlin, Rose, vorstellen, Mr. Mullins?«, wendet er sich an meinen Vater.
Sie ist jung und hübsch und ich verspüre einen Hauch von Enttäuschung, als Miles Standish sie, als seine Frau vorstellt. Mein Vater plaudert noch ein wenig mit ihnen, doch ich wünsche mir nur, zurück auf das Schiff zu gehen, und starre wieder auf meine Schuhspitzen. Schließlich wendet sich mein Vater zum Gehen und ich schaue auf, um mich zu verabschieden, wie es die Höflichkeit vorschreibt.
Als ich in Miles Standish Gesicht blicke, glitzern seine Augen und um seinen Mund liegt ein zufriedenes Lächeln. Ich bin überzeugt, dass er meine Enttäuschung bemerkt hat, als Rose aufgetaucht ist. Wir gehen mit meinem Vater an Bord der Mayflower.
»Du bist ungewöhnlich still heute, Priscilla«, merkt meine Mutter am Abend verwundert an. Erst da fällt mir auf, dass ich den ganzen Tag über kaum ein Wort gesagt habe.
Es ist nun Anfang August und wir haben genügend Vorräte gekauft und sind gerüstet für die Fahrt. Am 5. August brechen unsere Schiffe, die Mayflower und die Speedwell gemeinsam von Southampton auf.
Für uns beginnt nun die lange Reise auf See, an deren Ziel unsere neue Heimat liegt.