Читать книгу Wir kamen mit der Mayflower - S.C. Bauer - Страница 7

Die Speedwell

Оглавление

Wir sind noch nicht weit ge­kom­men, als uns von der Speed­well, die in unse­rer Nä­he se­gelt, Zei­chen ge­ge­ben wer­den. Ka­pi­tän Jo­nes steuert die May­flo­wer back­bord an das klei­ne­re Schiff he­ran.

»Sie säuft sich mit Was­ser voll und unten im Fracht­raum gibt es meh­re­re Lecks«, er­klärt Mr. Rey­nolds, der Ka­pi­tän der Speed­well.

»Die vie­len Mas­ten be­las­ten den Rumpf«, knurrt Ka­pi­tän Jo­nes ge­ring­schät­zig. Er macht kei­nen Hehl da­raus, dass er von der See­tüch­tig­keit der Speed­well we­nig hält. Sei­ne Be­mer­kung trägt ihm einen wü­ten­den Blick von Ka­pi­tän Rey­nolds ein, aber Chris­to­pher Jo­nes hat sich be­reits ab­ge­wandt.

Eine Wei­ter­rei­se in die­sem Zu­stand ist für die Speed­well un­denk­bar. Hin­ter uns liegt Dart­mouth und wir keh­ren um und steu­ern mit bei­den Schif­fen den Ha­fen an, da­mit die Speed­well re­pa­riert wer­den kann.

Pe­ter und ich nut­zen die Zeit an Land und be­arbei­ten John Good­man, um ihm sein Ge­heim­nis zu ent­lo­cken. »Wir sind schon auf dem Weg zu den Ko­lo­nien, am an­de­ren En­de der Welt. Wem kann es scha­den, zu er­fah­ren, was du in Lon­don an­ge­stellt hast?«, dringt Pe­ter hart­nä­ckig auf John ein.

John wirkt ver­un­si­chert und schaut Pe­ter ge­quält an. »Ich ha­be ver­spro­chen, nichts zu sa­gen.«

»Dann sag uns we­nigs­tens, wo­vor du Angst hast, wenn wir es er­fah­ren«, ha­ke ich nach.

»Es könn­te die Be­tei­lig­ten ins Ver­der­ben stür­zen. Noch ha­ben wir Eng­land nicht ver­las­sen und hier gibt es ge­nü­gend Leu­te, die nur zu ger­ne ei­ni­ge von uns im Ge­fäng­nis se­hen wür­den.«

Ich wechs­le einen viel­sa­gen­den Blick mit Pe­ter. Fast tut mir John Good­man leid, als wir ihn so be­drän­gen, aber sei­ne Wor­te be­wir­ken, dass wir bei­de noch neu­gie­ri­ger wer­den.

»Hör mal John, wir sit­zen hier Mut­ter­see­len­al­lei­ne auf einer Wie­se im Nir­gend­wo von Dart­mouth. Kei­ner hört, was wir re­den und wir ver­ra­ten be­stimmt nicht unse­re eige­nen Leu­te. Sind wir denn jetzt nicht al­le eine Ge­mein­schaft? Es ist Zeit, dass wir ei­nan­der ver­trau­en.«

Ich ni­cke Pe­ter an­erken­nend zu. Das hat er wirk­lich gut ge­sagt.

John Good­man über­legt einen Mo­ment. Schließ­lich seufzt er: »Al­so gut. Aber ihr müsst bei eu­rem Le­ben schwö­ren, dass ihr es nie­man­dem sagt.« Wir le­gen die rech­te Hand aufs Herz und schwö­ren fei­er­lich.

»Unser Kir­chen­äl­tes­ter, Mr. Brews­ter hat mit Mr. Bre­wer in Lei­den Pam­ph­le­te ge­schrie­ben. Da­rin wird die Re­gie­rung von King James mit schar­fen Wor­ten kri­ti­siert und es wird ver­langt, dass die Kir­che von Eng­land er­neu­ert wird und King James nicht län­ger ihr Ober­haupt sein soll«.

Ich ho­le tief Luft. Das ist Hoch­ver­rat. Da­für wür­den sie die bei­den hän­gen, wenn die Sol­daten der Kro­ne sie zu fas­sen krie­gen.

Pe­ter fängt sich schnel­ler als ich. »Es ge­hört gro­ßer Mut da­zu, sei­ne An­sich­ten so un­ver­blümt aus­zu­spre­chen«, sagt er be­ein­druckt.

John Good­man fühlt sich durch Pe­ters Wor­te be­stärkt fort­zu­fah­ren. »Die Pam­ph­le­te wur­den in Lei­den in der Dru­cke­rei von Mr. Brad­ford ge­druckt und Mr. Winslow und sein Bru­der Gil­bert, die eben­falls in Lei­den leb­ten, ha­ben sich be­reit er­klärt, die Schrif­ten in Eng­land zu ver­tei­len, was auch eine Zeit lang gut ging«.

Er unter­bricht sei­ne Er­zäh­lung und schaut un­si­cher von Pe­ter zu mir. »Was ist dann ge­sche­hen?«, drän­ge ich ihn, ge­spannt mehr zu er­fah­ren.

»Sie wur­den ver­ra­ten. Spit­zel von King James be­ka­men die Pam­ph­le­te zu se­hen und es folg­te ein Haft­be­fehl für Mr. Bre­wer und El­der Brews­ter. King James war so wü­tend, dass er Hol­land droh­te, wenn sie die bei­den nicht aus­lie­fer­ten, wür­de er sie da­zu zwin­gen. Mr. Bre­wer wur­de da­rauf­hin ver­haf­tet und Mr. Brews­ter tauch­te unter. Er hat sich bis jetzt ver­steckt ge­hal­ten. Ed­ward und Gil­bert Winslow und Mr. Brad­ford konn­ten sie nichts nach­wei­sen und sie ka­men mit eine Ver­war­nung da­von.«

»Und was hast du mit der gan­zen Sa­che zu tun?«, fragt Pe­ter.

»Mei­ne Fa­mi­lie ist mit den Wins­lows be­freun­det und ich ha­be an­ge­bo­ten ih­nen zu hel­fen. Mich kennt nie­mand in Lon­don und mein Na­me wur­de mit der gan­zen An­ge­le­gen­heit nie in Ver­bin­dung ge­bracht. Es gibt fünf Brü­der in der Fa­mi­lie Winslow. Drei von ih­nen le­ben noch im­mer in Lon­don und ich ha­be vie­le Kis­ten voll mit die­sen Pam­ph­le­ten zu ih­nen ge­bracht. Ed­ward und Gil­bert Winslow sind wie­der nach Lei­den zu­rück­ge­kehrt, wäh­rend ich ihre Brü­der auf­ge­sucht ha­be. Wir fan­den es al­le un­auf­fäl­li­ger, wenn ich mich auf der May­flo­wer ein­schif­fe, falls je­mand mei­ne Spur ver­fol­gen soll­te.«

Nun ver­ste­he ich, wa­rum sich Mr. Brews­ter an Bord der Speed­well ver­kriecht, und wir ihn so gut wie gar nicht zu Ge­sicht be­kom­men, ob­wohl er als Kir­chen­äl­tes­ter ein an­ge­se­he­nes Mit­glied der Lei­de­ner Grup­pe ist und als Stell­ver­tre­ter ihres An­füh­rers Pas­tor Ro­bin­son gilt.

»Da­rum hal­ten Re­ve­rend Car­ver und Dia­kon Cush­man die Pre­dig­ten und lei­ten den Got­tes­dienst. Es ist auch der Grund, wa­rum sie al­le Rei­se­vor­be­rei­tun­gen ge­trof­fen ha­ben, da Mr. Brews­ter sich ver­bor­gen hal­ten muss­te«, be­stä­tigt John Good­man mei­ne Ver­mu­tung.

Pe­ter klopft John be­ru­hi­gend auf die Schul­ter. »Mach dir kei­ne Sor­gen mein Freund, dein Ge­heim­nis ist si­cher bei uns«, sagt er zer­knirscht. Er wirkt nach­denk­lich und ich ha­be das Ge­fühl, dass er be­reut, dass wir Good­man so hart­nä­ckig zu­ge­setzt ha­ben.

Ich muss ge­ste­hen, dass auch ich ein schlech­tes Ge­wis­sen ha­be des­we­gen. Mit einem Men­schen­le­ben geht man, nicht leicht­fer­tig um und wir al­le wis­sen, was es heißt, we­gen sei­ner Über­zeu­gun­gen ver­folgt zu wer­den.

»John, es ist gut, dass du es uns er­zählt hast. Nun kön­nen wir euch war­nen, wenn uns Sol­daten be­geg­nen«, be­kräf­ti­ge ich Pe­ters Wor­te und läch­le John herz­lich zu.

»Ich dan­ke euch«, sagt er er­leich­tert.


Es ver­ge­hen ei­ni­ge Ta­ge, bis die Speed­well so­weit re­pa­riert ist, dass wir Dar­thmouth ver­las­sen kön­nen.

Aber wir kom­men wie­der nicht weit. Nach un­ge­fähr 200 Mei­len, an der süd­west­lichs­ten Spit­ze Eng­lands hin­ter Lands end, hat die Speed­well er­neut Prob­le­me und leckt an vie­len Stel­len. Es bleibt uns nichts an­de­res üb­rig, als um­zu­keh­ren, und den Ha­fen von Ply­mouth an­zu­lau­fen.

Sie­ben Ta­ge sind ver­gan­gen, seit wir Sou­thamp­ton ver­las­sen ha­ben. Die Stim­mung an Bord ist ge­reizt, weil es nicht rich­tig vo­ran­geht. Wir le­ben seit einem Mo­nat auf der May­flo­wer und ha­ben noch nicht ein­mal Eng­land ver­las­sen.

Stim­men wer­den laut, die ver­lan­gen, dass die May­flo­wer oh­ne die Speed­well zu den Ko­lo­nien auf­bricht.

»Las­sen wir den ver­rot­ten­den Kahn zu­rück und se­hen zu, dass wir end­lich los­fah­ren«, drängt Ri­chard Clar­ke, der jun­ge Ha­fen­arbei­ter aus Lon­don un­ge­dul­dig.

Vie­le Pas­sa­gie­re der May­flo­wer stim­men ihm zu.

Aber Ka­pi­tän Jo­nes schüt­telt ener­gisch den Kopf: »Ich las­se sie nicht al­lei­ne den At­lan­tik über­que­ren und be­la­de mein Ge­wis­sen mit Schuld, wenn sie elen­dig­lich er­sau­fen«.

Al­so be­glei­tet die May­flo­wer trotz der Pro­tes­te der Rei­sen­den die Speed­well nach Ply­mouth.

»Ich wer­de mich wohl mit dem Ge­dan­ken an­freun­den müs­sen, mein Kind auf dem Schiff zu krie­gen«, sagt Mrs. Hop­kins be­un­ru­higt. Ihr Bauch ist rie­sig und die Ge­burt ihres Kin­des steht kurz be­vor. Mei­ne Mut­ter be­schwich­tigt sie, flüs­tert mir je­doch so lei­se zu, dass es nie­mand hört: »Wahr­schein­lich hat sie recht. Sie wird auf See ge­bä­ren.«

Als wir in Ply­mouth an Land ge­hen, be­ob­ach­te ich, wie Ro­se Stand­ish ver­gnügt mit einer an­de­ren jun­gen Frau ki­chert und tu­schelt. Sie schnei­den Ge­sich­ter und be­neh­men sich recht al­bern für er­wach­se­ne Frau­en. Cons­tan­ce, die mei­nem Blick folgt, klärt mich auf, wer die Frau bei Ro­se Stand­ish ist. »Das ist Mr. Brad­fords Frau, Do­ro­thy. Die Brad­fords sind eng be­freun­det mit den Stand­ish´s und die bei­den Frau­en kle­ben förm­lich an­ei­nan­der.«

»Du weißt aber auch Al­les«, er­wi­de­re ich ein we­nig lahm. Cons­tan­ce freut sich und ver­steht mei­ne Wor­te als Lob. Ver­stoh­len mus­te­re ich Ro­se Stand­ish. Sie ist wirk­lich un­ge­wöhn­lich hübsch und fast bin ich ein we­nig nei­disch auf sie.

Kurz da­rauf er­le­ben wir die nächs­te Ent­täu­schung.

Die Speed­well kann nicht so­weit see­tüch­tig ge­macht wer­den, dass sie die Über­fahrt auf dem stür­mi­schen At­lan­tik über­steht.

Das ist ein har­ter Schlag für al­le, da das Schiff wich­tig ge­we­sen ist, für die Er­rich­tung der Ko­lo­nie. Es be­deu­tet zu­dem einen her­ben fi­nan­ziel­len Ver­lust, der al­le Mit­glie­der unse­rer Ge­sell­schaft be­trifft. Unser Geld ist mitt­ler­wei­le so knapp ge­wor­den, dass wir ei­ni­ge der teu­re­ren Le­bens­mit­tel, wie But­ter und Kä­se, in Ply­mouth wie­der ver­kau­fen müs­sen, um die Ha­fen­ge­büh­ren zu be­zah­len.

Ei­ni­ge Mit­rei­sen­de bei­der Grup­pen sind so ent­mu­tigt, dass sie nicht mehr in die Neue Welt fah­ren wol­len. Sie über­le­gen, wie­der nach Lon­don oder Lei­den zu­rück­zu­keh­ren, und viel­leicht zu einem spä­te­ren Zeit­punkt nach­zu­kom­men. Re­ve­rend Car­ver steigt auf eine höl­zer­ne Bank und spricht zu ih­nen.

»Brü­der in Chris­tus«, be­ginnt er und das auf­ge­reg­te Ge­re­de ver­stummt. Al­le se­hen jetzt zu ihm und hö­ren ihm zu. »Wir al­le sind ent­täuscht, doch es ist in Got­tes Hand, wel­che Prü­fun­gen er uns auf­erlegt. Ver­ges­sen wir nicht, dass wir Saints sind, aus­erwählt, Be­son­de­res zu leis­ten zu Eh­ren des Al­ler­höchs­ten. Muss­ten wir nicht schon zahl­rei­che Hin­der­nis­se über­win­den, als wir unse­re Hei­mat ver­lie­ßen we­gen unse­res Glau­bens, um in einem frem­den Land unser Le­ben neu auf­zu­bauen? Wie viel Blut, Schweiß und Trä­nen ha­ben wir ver­gos­sen, doch im­mer ist es uns ge­lun­gen, mit unser Hän­de Arbeit Neu­es zu er­schaf­fen. Es wird uns ge­wiss al­les ab­ver­lan­gen, in einem wil­den, frem­den Land er­neut von vor­ne zu be­gin­nen. Doch ist es nicht An­sporn ge­nug für uns al­le, dass wir in Frei­heit, nach den Re­geln unse­res Herrn, im rech­ten Glau­ben le­ben dür­fen? Sind wir es nicht unse­ren Kin­dern und all je­nen, die uns an­ver­traut sind, und auch al­len die auf uns ver­trau­en und uns unter­stüt­zen, schul­dig, jetzt unse­ren Teil zu er­fül­len? Ist es nicht unse­re Be­stim­mung, eine neue Hei­mat zu er­schaf­fen, für all je­ne, die ver­folgt und ge­knech­tet sind und de­ren Hoff­nun­gen auf eine bes­se­re Zu­kunft, nun auf uns ru­hen?«

Re­ve­rend Car­ver hält eine wun­der­ba­re Pre­digt, die al­len zu Her­zen geht.

Er be­schließt mit Wor­ten der Er­mu­ti­gung und er­mahnt uns, den Glau­ben, nicht zu ver­lie­ren und wei­ter­hin auf Gott zu ver­trau­en, doch er stellt je­dem frei zu ge­hen oder zu blei­ben.

Vie­le von uns wol­len trotz al­ler Wid­rig­kei­ten die Rei­se fort­set­zen. Die Brad­fords, Car­vers, die Brews­ters, Mar­tins, Whi­tes, Wins­lows, Aller­tons, Ful­lers, Til­le­ys ja selbst die Hop­kins, ob­wohl Eli­za­beth´s Ge­burt na­he be­vor­steht, wir, die Mul­lins na­tür­lich und noch ei­ni­ge an­de­re Fa­mi­lien. Unser Wil­le ist un­ge­bro­chen und wir wol­len nicht auf­ge­ben.

Wir hel­fen al­le mit, Werk­zeu­ge, Rüs­tun­gen, Waf­fen, Klei­dung und Bett­wä­sche von der Speed­well auf die May­flo­wer um­zu­la­den. Ich be­kom­me mit, dass auch Mi­les Stand­ish und sei­ne Frau Ro­se, bei uns an Bord blei­ben und kann nicht ver­hin­dern, dass mein Herz einen er­freu­ten Sprung macht. Ich schütt­le über mich selbst den Kopf.

Ich be­mer­ke, dass Ed­ward und John Til­ley sich auf­fal­lend für die Ka­no­nen der May­flo­wer in­te­res­sie­ren. Sie be­gut­ach­ten sie ein­ge­hend und ich hö­re un­frei­wil­lig ihr Ge­spräch mit an.

»Da­mit ha­ben wir schon ein sehr gu­tes Ar­gu­ment, wenn die In­dia­ner frech wer­den«, meint John Til­ley und streicht vol­ler Be­wun­de­rung über das Ka­no­nen­rohr.

Ed­ward Til­ley lacht. »Da­mit wer­den wir ih­nen schon er­klä­ren, dass sie al­le ihre Pel­ze gegen unse­re Glas­per­len ein­tau­schen müs­sen«. Bei­de la­chen me­ckernd und ich füh­le mich ab­ge­sto­ßen von ihren Re­den.

Als ich Pe­ter da­von er­zäh­le, meint er bloß: »Du bist eine Frau und ver­stehst das nicht. Män­ner müs­sen sich im­mer be­wei­sen, der Kampf­geist liegt uns im Blut.«

Viel­leicht hat er recht, aber ich kann die­ser Ein­stel­lung so gar nichts ab­ge­win­nen.

Es herrscht gro­ße Hek­tik und im­mer wie­der kommt es zu Strei­tig­kei­ten, we­gen der Din­ge, die zu­rück­ge­las­sen wer­den müs­sen. Der La­de­raum ist hoff­nungs­los voll­ge­stopft, mit Le­bens­mit­teln, Ge­rät­schaf­ten und Ge­brauchs­gegen­stän­den.

Zahl­rei­che Mit­glie­der der Grup­pe aus Lei­den drän­gen sich mit eben­so vie­len Leu­ten unse­rer Lon­do­ner Grup­pe auf die May­flo­wer.

Ei­ni­ge, die nun doch ger­ne mit­kom­men wol­len, müs­sen zu­rück­blei­ben. Mr. Cush­man und Re­ve­rend Car­ver ent­schei­den, dass Fa­mi­lien, die ge­sund­heit­lich an­ge­schla­gen oder sonst ir­gend­wie be­ein­träch­tigt sind, zu­rück­blei­ben sol­len. »Wir wer­den all unse­re Kraft brau­chen, um in der neu­en Ko­lo­nie zu über­le­ben, und brau­chen ro­bus­te Ge­fähr­ten«, er­klärt Mr. Cush­man.

Die Zu­rück­blei­ben­den ha­ben Ver­ständ­nis da­für, be­son­ders als sich Mr. Cush­man frei­wil­lig zu­rück­zieht und sei­nen Platz zur Ver­fü­gung stellt. »Ich füh­le seit ge­rau­mer Zeit, ein Bren­nen und Ste­chen in mei­ner Brust. Ich den­ke nicht, dass ich noch lan­ge durch­hal­ten wer­de«, sagt er ge­zwun­gen und fasst sich über­trie­ben an die Brust.

»Es ist ein Wun­der, dass er über­haupt noch lebt, so leicht er­reg­bar wie er ist«, raunt mein Va­ter ab­schät­zig.

Cush­mans Freun­de Tho­mas Blos­som, der eben­so wie Mr. Cush­man Dia­kon ist, und Wil­liam Ring mit sei­ner Fa­mi­lie, be­schlie­ßen, ihn nach Lei­den zu­rück­zu­be­glei­ten. Nun ist neben Re­ve­rend Car­ver nur noch der Kir­chen­äl­tes­te Wil­liam Brews­ter zur geis­ti­gen Füh­rung der Leu­te an Bord.

Es ist be­son­ders Mr. Car­ver an­zu­mer­ken, dass er be­trübt ist auf Mr. Cush­mans Unter­stüt­zung ver­zich­ten zu müs­sen. Er hat zwar einen ent­fern­ten Ver­wand­ten, sei­nen Se­kre­tär John How­land zur Unter­stüt­zung bei sich, doch Ro­bert Cush­man ist sein engs­ter Freund.

Nun muss Mr. Car­ver die Ver­ant­wor­tung al­lei­ne tra­gen, so­wohl für sei­ne jun­gen Die­ner, Wil­liam Lat­ham und Ro­ger Wil­der, als auch für sei­ne Frau Kat­her­ine und ihre Magd Do­ro­thy. Zu­dem hat er noch ein jun­ges Mäd­chen, De­si­re Min­ter, die un­ge­fähr so alt ist wie ich, in sei­ner Ob­hut. Sie war von ihrer ver­wit­we­ten Mut­ter zu­erst bei je­nem Tho­mas Bre­wer in Lei­den unter­ge­bracht wor­den, der we­gen der Pam­ph­le­te gegen King James ver­haf­tet und ins Ge­fäng­nis ge­steckt wur­de. Da­nach ha­ben sie die Car­vers auf­ge­nom­men. De­si­re trägt stets eine gries­grä­mi­ge Mie­ne zur Schau und scheint nicht er­freut zu sein, in die Ko­lo­nien zu rei­sen.

Es ist auch noch eine Ent­schei­dung we­gen der Mo­re Kin­der zu tref­fen, die in Mr. Cush­mans und Mr. Car­vers Ob­hut sind.

»Wir müs­sen die Mo­re Kin­der auf meh­re­re Fa­mi­lien auf­tei­len«, be­stimmt Mr. Cush­man.

»Ich über­las­se dir die Ent­schei­dung Ro­bert«, er­klärt John Car­ver und Ro­bert Cush­man ver­fügt, wel­chen Fa­mi­lien die Kin­der zu­ge­teilt wer­den.

Der sie­ben Jah­re al­te Jas­per Mo­re bleibt bei Re­ve­rend Car­ver und sei­ner Frau.

El­len Mo­re ist 8 Jah­re alt und soll in die Ob­hut von Ed­ward Winslow und sei­ner Frau Eli­za­beth kom­men. Ed­ward Winslow ist ein ener­gi­scher jun­ger Mann, der ganz ge­nau weiß, was er will. Er wirkt streng und kalt und sei­ne An­ge­hö­ri­gen ma­chen einen sehr ge­hor­sa­men Ein­druck. Ich fin­de es be­un­ru­hi­gend, dass er nie lä­chelt. Er ist kin­der­los und reist mit sei­ner Frau Eli­za­beth und zwei Die­nern: Eli­as Sto­ry und George Sou­le.

Ri­chard Mo­re, fünf Jah­re alt und sei­ne vier­jäh­ri­ge Schwes­ter Ma­ry kom­men zu Wil­liam und Ma­ry Brews­ter, die schon ihre bei­den jüngs­ten Söh­ne, Love und Wrest­ling bei sich ha­ben.

Es sind nun 102 Pas­sa­gie­re, die ein­ge­pfercht auf dem zu­vor schon en­gen Ka­no­nen­deck Quar­tier be­zie­hen. Die Mann­schaft um­fasst noch ein­mal 36 Per­so­nen, da­zu kom­men noch mehr als ein Dut­zend Of­fi­zie­re. Die May­flo­wer ist rest­los über­füllt und platzt aus al­len Näh­ten.

Die Stim­mung ist ex­plo­siv und es kommt ver­mehrt zu klei­ne­ren Strei­tig­kei­ten.

Mr. Mar­tin ver­schärft die an­ge­spann­te Si­tu­a­tion an Bord auch noch durch eine For­de­rung: »Ich be­ste­he da­rauf, dass man mich zum Gou­ver­neur unse­rer Ge­mein­schaft wählt und ich er­war­te, dass al­le Pas­sa­gie­re an Bord da­mit ein­ver­stan­den sind!«, ver­langt er laut­stark.

»Wie kommt ihr da­rauf, dass wir euch über­haupt wol­len«, ruft Ed­ward Til­ley vol­ler Zorn aus und die an­de­ren stim­men ihm zu.

Mr. Mar­tin wirkt zu­tiefst be­lei­digt. »Nach al­lem was ich für euch ge­tan ha­be«, stößt er ge­kränkt her­vor, wo­rauf wie­der Tu­mult aus­bricht und die Män­ner wü­tend durch­ei­nan­der­schrei­en.

»Bit­te gebt nach, um des lie­ben Frie­dens Wil­len, da­mit wir end­lich auf­bre­chen kön­nen!«, drän­gen Re­ve­rend Car­ver und El­der Brews­ter die auf­ge­brach­ten Män­ner. Mit gu­ten Wor­ten ge­lingt es ih­nen aber nicht, die An­de­ren zu über­zeu­gen.

Schließ­lich hat Wil­liam Brad­ford eine Idee: »Unter der Be­din­gung, dass Mr. Mar­tin nur Gou­ver­neur für die Dau­er der Rei­se sein wird. So­bald wir die Ko­lo­nien er­rei­chen, muss neu ab­ge­stimmt wer­den«, schlägt er vor. End­lich ge­ben die Män­ner zäh­ne­knir­schend nach und Mr. Mar­tin ak­zep­tiert die Be­din­gung, wenn auch wi­der­wil­lig. Er ist in sei­nem Stolz ge­trof­fen und sucht nach Leu­ten, die sei­ner Ei­tel­keit schmei­cheln. Mein Va­ter sieht zu, dass er ihm aus dem Weg geht. Sei­ne Sym­pa­thien für Mr. Mar­tin ha­ben deut­lich nach­ge­las­sen seit dem De­sas­ter mit den Fi­nan­zen in Sou­thamp­ton.

Es ist ein er­grei­fen­der Ab­schied, als die not­dürf­tig ge­flick­te Speed­well mit we­ni­gen Rei­sen­den und oh­ne einen ihrer Of­fi­zie­re, Tho­mas Eng­lish, der sich uns an­ge­schlos­sen hat, die Rück­fahrt nach Lon­don an­tritt.

Ka­pi­tän Jo­nes spricht schließ­lich ein Macht­wort: »Wir müs­sen jetzt auf­bre­chen, wenn wir heil über den At­lan­tik kom­men wol­len. War­ten wir noch län­ger, wer­den wir an den Win­ter­stür­men schei­tern«, be­en­det er die trä­nen­rei­chen Um­ar­mun­gen.

Am 16. Sep­tem­ber ver­las­sen wir schließ­lich Ply­mouth und bre­chen end­gül­tig in die Neue Welt auf.

Wir kamen mit der Mayflower

Подняться наверх