Читать книгу Unvergängliches Blut - Die Erben - S.C. Keidner - Страница 8

Kapitel 6

Оглавление

»Milo ist eingetroffen! Und drei Stammesfürsten mit ihrem Gefolge.« Ohne anzuklopfen war Taran in Damiens Studierzimmer geplatzt. »Maksim möchte, dass wir sie begrüßen. Er ist zu beschäftigt.«

Ihr Gefährte, der über Pergamentrollen gebeugt saß, hob ob der Störung ungeduldig den Kopf. Wie sein finsteres Gesicht sie an den Tag erinnerte, an dem sie ihn das erste Mal gesehen hatte! Da war sie als Sklavin auf Tyr angekommen. Solch eine Angst hatte sie vor ihm gehabt! Heute konnte sie sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen.

»Dann muss Milo einen wahren Parforceritt aus dem Süden hingelegt haben.« Er griff nach ihrer Hand und zog sie auf seinen Schoß. »Komm her.«

Sie schlang ihm die Arme um den Hals, küsste ihn kurz und sprang unvermittelt auf. »Wir müssen ihn begrüßen, Damien. Wie lange haben wir ihn nicht gesehen? Zwanzig Winter?«

»So ungefähr. Ich komme ja schon.« Er nutzte die Gelegenheit und stahl ihr einen weiteren Kuss, der ihr Vorhaben, die Gäste zu begrüßen, ins Wanken brachte. Aber das Pflichtbewusstsein siegte und so eilten sie in die Halle, in der die Neuankömmlinge warteten.

Wie es der Brauch verlangte, begrüßten sie zunächst die Fürsten. Dann endlich, nachdem die sich mit ihrem Gefolge in die Gemächer begeben hatten, standen sie vor Milo, der lässig an einem Pfeiler lehnte und sie angrinste.

»Bruder, bist du etwa schwerer um die Mitte geworden?«, war das Erste, was er sagte.

»Hüte dich, Bruder. Im Schwertkampf bist du mir immer noch unterlegen!«

Die beiden Männer lachten auf, rissen sich in eine bärenhafte Umarmung und klopften sich gegenseitig auf den Rücken.

»Es ist gut, dich zu sehen, Milo!«

»Und euch auch! Taran, wie hältst du es mit diesem Kerl als Gefährten nur aus?«

Sie küsste Milo zu Begrüßung auf die Wange, die eine Rasur vertragen konnte. »Keine Angst, ich habe die letzten zwanzig Winter genutzt, um ihn mir zu erziehen.«

Damien grinste und legte den Arm um sie. »Natürlich hast du das, meine Liebe. Kommt, setzen wir uns! Wie war die Reise in den Norden, Milo?«

Sie ließen sich an der Tafel nieder. Ein Diener stellte ihnen Weinbecher hin und sie stießen an. Milo nahm einen Schluck. »Bis zum heutigen Morgen war sie unspektakulär. Ein paar Wajaren, ein Bär, das Übliche.«

»Und heute Morgen?«, fragte Taran.

»Habe ich Mariana getroffen. Ich kann kaum glauben, dass sie erwachsen ist. Ich habe sie als Kind von fünf Wintern in Erinnerung.«

Prompt erschien eine steile Unmutsfalte auf Damiens Stirn. Taran seufzte innerlich. Mariana hatte die Begegnung mit Milo nicht erwähnt. Bevor ihr Gefährte etwas erwidern konnte, sagte sie: »Sie liebt es, Ausflüge in die Umgebung zu machen. Ganz besonders am Tag.«

»Habt ihr keine Angst, dass ihr etwas zustößt, wenn sie allein unterwegs ist? Sie ist die Tochter des zukünftigen Herrschers über die Stämme!«

Wieder ein innerlicher Seufzer. Milo klang wie Damien. Gut, als sein Bruder im Blute war er Damiens Familie verpflichtet. Er würde sie beschützen, sogar in den Tod für sie gehen, wenn es sein musste. Aber Vampire übertrieben ihre Beschützerinstinkte häufig. Als Mitglied einer streitbaren Spezies aufzuwachsen, schien dies mit sich zu bringen. »Sie ist eine Kriegerin, sie kann auf sich aufpassen.«

Milo sah Damien fragend an, der mit den Schultern zuckte. »Sie lässt es sich nicht verbieten. Auch wenn ich das manchmal möchte. Taran hat recht. Mariana ist eine sehr gute Schwertkämpferin geworden. Sie kann sich verteidigen.«

»Dann freue ich mich auf einen Waffengang mit ihr.«

»Arik und Mariana sind auf dem Kampfplatz. Du kannst sie dort begrüßen.« Damien grinste. »Noch hättest du Zeit, um dich vor Sonnenaufgang von mir verprügeln zu lassen.«

Milo sprang auf. »Auf was warten wir? Keine Sorge, Taran, ich werde ihn gewinnen lassen. Du bekommst ihn in einem Stück wieder.«

Auf dem Kampfplatz wurde Milo von Kriegern und Ewigen umringt. Frans konnte es kaum lassen, ihm kräftig auf die Schultern zu klopfen. Die beiden hatten sich im Rebellenkrieg angefreundet und der Schwertmeister der Ewigen war sichtlich froh, Milo nach so langer Zeit gesund und munter zu sehen.

Arik begrüßte Milo ernst. Mariana lächelte ihn an und fragte: »Und, bist du auf deinem Weg nach Tyr auf Strauchdiebe gestoßen?«

Milo lachte. »Nein, du musst sie alle vertrieben haben. Heute Morgen am See habe ich Mariana Hilfe gegen Strauchdiebe angeboten«, setzte er hinzu, als er Damiens und Tarans fragende Blicke bemerkte.

Taran verdrehte die Augen. Die beiden schienen sich am See ja gut amüsiert zu haben. Ihre Tochter kicherte.

Milo grinste und wechselte das Thema. »So, Bruder, du willst jetzt vermöbelt werden?«

Der Waffengang zwischen Milo und Damien lockte alle Krieger und die Kämpfer der Ewigen an. Niemand wollte sich entgehen lassen, wie zwei Veteranen der Rebellenkriege aufeinandertrafen. Selbst Maksim unterbrach ein Gespräch über Weizenlieferungen und gesellte sich mit Rodica zu ihnen. Frans versuchte, Wetten abzuschließen, doch da begann der Kampf schon.

Er war anders als alles, was sie bei den täglichen Übungen sahen. Aus Damiens und Milos Bewegungen sprach eine Erfahrung, die viele der zuschauenden Krieger nicht hatten. Ihre Schläge und Paraden erfolgten so schnell, dass sie kaum mit den Augen verfolgt werden konnten. Fehler waren keine zu erkennen, doch fand jeder der beiden immer wieder einen Ansatz bei dem anderen und drosch unbarmherzig auf ihn ein. Es war eine Flut an wirbelnden Bewegungen, die untermalt wurden von wilden Kampfrufen.

Wie die Zuschauer um den Platz auch, feuerte Mariana die Kämpfenden an. Arik verfolgte den Kampf zwar aufmerksam, aber für ihn schien es kein sonderlich aufregendes Schauspiel zu sein.

Taran nahm sich vor, endlich mit ihrem Sohn zu sprechen. Ihr war eine Idee gekommen, wie sie ihm helfen konnte zu entscheiden, was er von seinem Leben wollte. Sie hoffte, dass ihm ihr Vorschlag gefiel, denn es war schwer gewesen, Damien davon zu überzeugen. Rodica und Maksim hingegen waren begeistert gewesen.

Das Aufbrüllen ihres Gefährten lenkte ihre Aufmerksamkeit auf den Kampf. Ein Schwert lag am Boden. Damien hatte die Spitze seiner Klinge auf Milo gerichtet, der geschlagen die Hände hob. Die Zuschauer jubelten.

Mariana stieg unter dem Zaun hindurch und rannte zu den beiden. Taran, Arik und Maksim folgten ihr. Rodica blieb kopfschüttelnd am Zaun stehen. Sie hatte die Aufregung um Schwertkämpfe nie verstanden.

»Ich habe doch gesagt, dass ich dich gewinnen lasse, Bruder!« Milos schweißgebadetes Gesicht glänzte im Schein der Fackeln.

»Ausreden, Bruder, nichts als Ausreden. Gib zu, dass ich dir überlegen bin!«

»Das war ein toller Kampf!« Mariana schlang den Arm um den Rumpf ihres Vaters. Der drückte sie an sich und sagte: »Ich hoffe, du und Arik habt etwas dabei gelernt.«

In ihren Augen blitzte der Schalk auf. »Ja, kämpfe nur mit Kriegern, die dich gewinnen lassen.«

Milo lachte schallend und Damien verzog gespielt unwillig das Gesicht. Arik grinste und fragte: »Kannst du mit einem Schwert der Ewigen genauso gut kämpfen, Milo?«

»Kann er nicht.« Das war Frans. »Er hat sich davongemacht, bevor wir es ihm beibringen konnten. Hatte wohl Angst zu versagen.«

»He, ich habe Wajaren gejagt!«

Maksim nickte anerkennend. »Ein schöner Kampf, Milo. Willkommen zurück auf Tyr!«

Ein tiefes Glücksgefühl durchströmte Taran. All diese Vampire, Menschen und Ewigen, sie waren ihre Familie und endlich beisammen. Sie hatte Milo vermisst. Damien ging es genauso, auch wenn er behauptete, er habe Milo allein aufgrund seiner Erfahrung in den Rat berufen. Er wollte seinen Bruder im Blute an seiner Seite wissen, jetzt, wo er die enorme Verantwortung des Herrschers übernahm. Sie hatten während des Rebellenkriegs vieles miteinander erlebt. Fast schien es, als seien die seitdem vergangenen Winter nicht passiert. Als hätten sie Burg Tyr gerade erst nach ihrem Sieg über Raiden in Besitz genommen. Da fiel ihr Blick auf Mariana und Arik. Doch, die vergangenen Winter waren passiert. Vieles hatte sich seit dem Krieg verändert. Vieles würde sich fortan ändern. In der kommenden Ära würde ihr Gefährte die Vampire des Qanicengebirges anführen. Mit Hilfe derer, die sich hier versammelt hatten und ihn auf seinem Weg begleiteten.

Eine Nacht nach Milos Ankunft fand Taran Arik im Kaminzimmer, wo er stirnrunzelnd vor den Bücherregalen stand. Er hatte einen dicken in Leder gebundenen Band herausgezogen. Der Buchdeckel trug vergoldete Verzierungen, Abbildungen von Ranken, Blüten und Hirschen hinter Bäumen.

»Ich habe alle Bücher gelesen«, sagte er missmutig und stellte den Band zurück. »Meinst du, ob es noch irgendwo sonst Bücher auf Tyr gibt?«

»Nein, hier sind alle Bücher, die wir haben, es sei denn, du interessierst dich für die Wirtschaftsbücher deines Vaters im Studierzimmer. Arik, ich möchte mit dir reden. Setzen wir uns.«

Taran deutete auf die mit Schaffellen ausgelegten Sessel vor dem Kamin. Ein Feuer brannte nicht. Die Bediensteten entzündeten es erst nach dem Morgenmahl, wenn sich die Familie des Herrschers hierher zurückzog und die Nacht Revue passieren ließ. Der Raum war klein und die Wände mit den hohen Regalen verstellt. Es gab ein Erkerfenster, vor dem eine gepolsterte Bank stand, auf der Arik gerne las. Neben den Sesseln standen ein Diwan und ein niedriger Tisch vor dem Kamin und Wollteppiche bedeckten den Steinfußboden.

Arik ließ sich in einen Sessel fallen und sah sie erwartungsvoll an.

»Ich werde nach der Ernennung deines Vaters zum Herrscher in die blaue Stadt reisen«, begann sie. Damien war von diesem Plan nicht erbaut gewesen. Er fürchtete, sie könnte überfallen, verschleppt oder gar getötet werden. Abgesehen von den Wajaren in den Bergen gab es in den Grasländern Banden, die Reisende beraubten. Sie hatte ihn daran erinnert, dass sie eine Kämpferin der Ewigen war und nicht vorhatte, allein zu reisen. Fünf Eleven und zehn Kämpfer sollten sie begleiten. Damien hatte widerstrebend zugestimmt. »Ich möchte, dass du mit mir kommst.«

Ariks Gesicht leuchtete auf. »Wirklich? In die blaue Stadt?«

Sie war erleichtert. Ihr Vorschlag fand Anklang. »Ja. Jeder Ewige sollte das Haupthaus des Bundes kennenlernen. Eine Handvoll der jüngeren Eleven wird uns begleiten. Sie sollen ihre Ausbildung dort fortsetzen. Außerdem überbringe ich dem Schöffenkollegium eine Grußnachricht deines Vaters. Du wirst an dem Empfang dazu teilnehmen.«

Ein Schatten des Unwillens flog über Ariks Miene, aber er sagte nur: »Wenn es sein muss. Darf ich mir die Bibliothek des Bundes der Ewigen ansehen?«

»Das gehört dazu. Ich möchte, dass du dich mit der Meisterin des Bundes, Hartwiga, bekannt machst, an den Schwertübungen teilnimmst und die Bibliothek aufsuchst. Außerdem sollst du die blaue Stadt kennenlernen.«

»Hat die blaue Stadt auch eine Bibliothek?«

»Ja, das hat sie.« Sie war bisher einmal in die blaue Stadt gereist. Mariana war drei Winter alt gewesen, Arik noch nicht geboren. »Aber ich möchte von dir vor allen Dingen eins, Arik: Dass du die Reise nutzt, um dir darüber klarzuwerden, was du möchtest. Möchtest du ein Krieger werden? Oder ein Gelehrter? Oder etwas ganz anderes? Du bist jetzt in einem Alter, in dem du dich entscheiden musst.«

Arik legte die Stirn in Falten. Ihre Forderung, sich endlich zu entscheiden, war nicht neu für ihn. »Aber das ist so schwer! Ich finde so viele Dinge spannend! Gut, den Schwertkampf nicht so. Aber all das, über das ich in den Büchern lese: Das Fördern von Erzen. Wie man sich die Kraft des Wassers zunutze machen kann. Die Juristerei. Und vieles mehr.«

»Deswegen sollst du ja darüber nachdenken. Gibt es da etwas, dass du besonders interessant findest? So interessant, dass du viele Winter darauf verbringen würdest, es zu lernen? Und dich tagaus tagein damit zu beschäftigen?«

»Wie kann mir die Reise dabei helfen?« In Ariks Augen trat ein angstvoller Ausdruck. »Ich will sehr gern mit dir kommen und die blaue Stadt kennenlernen und all diese Dinge sehen, von denen ich gelesen habe. Doch wenn ich einmal dort bin, wie soll ich da eine Entscheidung über meine Zukunft treffen?«

»Du wirst die Dinge, von denen du gelesen hast, erfahren können. Wenn dich die Kraft des Wassers interessiert, wirst du sehen, wie die blaue Stadt das Meer zähmt und von ihm lebt. Wenn dich die Juristerei interessiert, dann beobachte eine Gerichtsverhandlung der Städter und studiere ihre Gesetzestexte. Du wirst feststellen, ob diese Dinge dich wirklich fesseln. Das wird dir bei deiner Entscheidung helfen.«

Sie merkte, wie er dies in sich aufsaugte und begann, über die Möglichkeiten, die ihm die blaue Stadt bot, nachzudenken. Noch vor Antritt der Reise würde er sich eine Liste an Fragen und Dingen, die er sehen wollte, zusammengestellt haben. »Was kann ich da alles machen? Auf jeden Fall ein Gerichtsverfahren anschauen! Und wie ein Schiff gebaut wird! Vielleicht kann ich sogar einmal auf Fischfang gehen! Und wie die Häuser dort gebaut werden! Werden wir überhaupt Zeit haben für all das?«

»Ja. Ich muss im Haus des Bundes einige Dinge erledigen. Wir müssen eigentlich nur zusehen, dass wir vor den ersten Schneestürmen zurück auf Tyr sind. Das gibt uns den ganzen Sommer und einen Teil des Herbsts für die Reise.«

»Ich darf wirklich in die Bibliothek des Bundes?«

Sie lächelte. Die Bibliothek der Ewigen war einzigartig. In den unterirdischen Gewölben des Hauses des Bundes gelegen, gab es in ihr nicht nur Abertausende Bücher. Sie beinhaltete auch die Lebensberichte von Vampiren. Wenn sich ein Vampir von einem Ewigen nährte, wurde er durch dessen Blut vergiftet und zerfiel zu Staub. Im Augenblick des Bisses zogen die Bilder des Lebens des Vampirs an dem Ewigen vorbei und brannten sich ihm unwiderruflich ein. Jeder Ewige, der gebissen worden war, schrieb die Lebensbilder auf Pergament nieder, damit sie Aufnahme in der Bibliothek fanden. Tarans erster Biss war der Moment gewesen, in dem sie erfahren hatte, dass sie eine Ewige war. Ihr Haar hatte sich silbern verfärbt, das Zeichen des Bisses, eine sichtbare Warnung für alle Vampire. Danach hatten zwei weitere Vampire von ihr getrunken, ein Ratsmitglied Raidens, durch Blutentzug wahnsinnig geworden, und Damiens Bruder Zyrian, als dieser sich selbst richtete. Die Lebensbilder der drei Vampire befanden sich seit Langem in der Bibliothek.

Sie war dankbar, dass Arik einen Vampirbiss wohl nie erleben würde. Nach seiner Geburt hatten alle zunächst gedacht, er sei ein Mensch. Aber Goj, der Heiler der Vampire, entnahm ihm einen Tropfen Blut und mischte es mit ein wenig von seinem eigenen. Das Gemisch hatte sich zu Staub verwandelt. Ihr Sohn war damit erwiesenermaßen ein Ewiger. Ein gewaltsames Erlebnis wie einen Vampirbiss hätte Arik schwer verkraftet. Zwar ähnelten er und Mariana sich äußerlich – sie hatten Tarans Augenfarbe, ein tiefes Blau, und Damiens schwarzes Haar geerbt –, aber im Gegensatz zu seiner Schwester war er sehr ernst und dachte vielleicht ein wenig zu viel nach. Ihrer Meinung nach war er ein Gelehrter, der in einem Kreis Gleichgesinnter grübelnd neue Methoden ersann. Aber das musste er für sich herausfinden.

»Natürlich!«, sagte sie. »Lies dir die Lebensberichte durch. Du wirst viel über den Tod und über Verbrechen lesen. Aber auch über Verzweiflung und Schuldgefühle.«

Wie bei Damiens Bruder Zyrian. Er hatte sich mithilfe ihres Bluts getötet, weil er glaubte, die Schuld am Tode seines Vaters zu haben. Was Unsinn gewesen war. Zyrian hatte nicht das sein dürfen, was er wollte, ein Dichter. Sein Vater wollte aus ihm einen Krieger machen und damit hatte das Verhängnis, das zu Zyrians Tod führte, angefangen. Raidens Welt, in der Zyrian kein Dichter hatte sein dürfen, wäre nicht Ariks Welt gewesen.

Sie riss sich aus diesen düsteren Vorstellungen und erhob sich. Raiden war tot. Jeder Gedanke an ihn war ein verschwendeter Gedanke. »Wir werden die Einzelheiten der Reise später besprechen. Nun komm, Arik. Wir müssen die heutigen Gäste begrüßen.«

So standen sie kurze Zeit später mit Maksim, Damien und Mariana in der Halle, um die Fürsten willkommen zu heißen. Rodica hatte sich entschuldigt, die Vorbereitungen der Festlichkeiten nahmen sie zu sehr in Beschlag. Arik und Mariana hätten es ihr gerne gleichgetan und Taran, wenn sie ehrlich war, auch. Aber die Höflichkeit gebot es, beim Empfang der Fürsten anwesend zu sein.

Maksim und Damien begrüßten bereits die Fürstin Shazad, nachdem sie Hroar Gisher, eines der zukünftigen Ratsmitglieder, willkommen geheißen hatten. Gisher, der sein langes Haar offen trug und sich in schwarze Lederhosen und einem schwarzen Seidenhemd gekleidet hatte, verbeugte sich vor Taran. Sie kannte ihn aus den Anfangszeiten auf Tyr und teilte Damiens Meinung über ihn, was aber kein Grund war, ihn unhöflich zu behandeln. »Herzlich willkommen, Hroar«, sagte sie. »Ich freue mich, dich auf Tyr begrüßen zu dürfen. Darf ich dir unsere Tochter Mariana und unseren Sohn Arik vorstellen?«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Taran.« Sein Blick wanderte zu Mariana und ruhte länger auf ihr, als schicklich gewesen wäre. »Ich freue mich sehr, dich kennenzulernen, Mariana.« Wieder eine Verbeugung.

»Herzlich willkommen, Hroar. Ich freue mich ebenfalls.« Mariana lächelte gezwungen. Taran spürte das Unbehagen, das Gisher ihr durch sein Anstarren verursachte. Ihre Tochter musste noch lernen, mit den Gishers dieser Welt umzugehen.

Hroar lächelte und fixierte Mariana diesen Moment zu lang, dann stellte er sich nach Ariks Begrüßung zu seinen Gefolgsleuten und sah zu ihr herüber, bis die Bediensteten ihn baten, ihnen zu den Gemächern zu folgen.

»Fürstin Shazad.« Tarans Freude war dieses Mal aufrichtig. Sie mochte die Vampirin, die einfache schwarze Gewänder bevorzugte, und fühlte mit ihr. Ihr ältester Sohn war vor noch gar nicht langer Zeit ums Leben gekommen. »Ich freue mich, Euch auf Tyr begrüßen zu dürfen.«

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite, Fürstin Tyr. Darf ich Euch meinen Sohn und Erben Jesko vorstellen?«

Neben ihr versteifte sich Mariana. Interessant. Jesko also. Mariana hatte Zeit am Hofe der Fürstin verbracht. Nach ihrer Rückkehr war sie zurückhaltender und reifer erschienen. Sie hatte sich ihr nicht anvertraut, aber Taran hatte eine unglückliche erste Liebe als Grund für ihr verändertes Verhalten vermutet.

Nun schien es, als habe dieser Jesko damit zu tun. Verwunderlich wäre das nicht. Er war ein hochgewachsener und schlanker Krieger, nicht so massig und breitschultrig wie Damien oder Milo. Sein rötliches Haar war kurz geschoren und sein Lächeln charmant. Taran vermutete, dass er dieses Lächeln wohl recht geschickt einzusetzen wusste. Sie hob sich ein Urteil darüber, ob sie ihn leiden mochte oder nicht, für später auf.

»Herzlich willkommen, Jesko.« Sie deutete auf Mariana und Arik. »Ihr werdet Mariana noch kennen. Und das ist unser Sohn Arik.«

»Ich danke Euch für Euer Willkommen, Fürstin Tyr.« Er verneigte sich vor ihr.

Mariana reckte ihr Kinn. Ihr Willkommen für Jesko klang freundlich, aber kühl. Der Krieger verneigte sich, lächelte und ging zu Arik.

Das sah wirklich nach einem unglücklichen Liebesverhältnis aus. Für Mariana würde es schwer werden, solange Jesko sich auf Tyr aufhielt, doch Taran vertraute darauf, dass ihre Tochter die Situation meisterte. Nichtsdestotrotz musste sie ein Auge auf sie haben, schon allein wegen Gishers allzu offenkundigem Interesse. Selbst Damien, der diese Dinge für gewöhnlich nicht bemerkte, hatte gesehen, wie Gisher Mariana anstarrte und es nur knapp geschafft, seine Miene reglos zu halten.

Taran wandte sich dem nächsten Gast zu. »Herzlich willkommen, Fürst Darah. Ich freue mich, Euch auf Tyr begrüßen zu dürfen.«

Unvergängliches Blut - Die Erben

Подняться наверх