Читать книгу AUF ZAUBER KOMM RAUS - Scott Meyer - Страница 11

Kapitel 7

Оглавление

Es gibt zwei Arten von Menschen, die Zeit in Verhörräumen der Polizei verbringen: Polizisten, die Personen verdächtigen und Personen, die von der Polizei verdächtigt werden. Das bedeutet, dass sich in Verhörräumen normalerweise Personen befinden, die gern dort sind, welche wiederum Personen gegenübersitzen, die nicht gern dort sind. Das war auch heute so.

Agent Miller nahm missmutig Platz und blickte einen Moment mürrisch zu seinem Partner, Agent Murphy, der den Blick verschlafen erwiderte. Miller wandte sich dem Mann auf der anderen Seite des Tisches zu und knurrte: »Also, da wären wir.«

»Ja«, sagte Jimmy freudestrahlend. »Danke, dass Sie gekommen sind. Ich weiß das zu schätzen.«

Die zwei Agents tauschten Blicke, die wirkten, als wären sie auf einen Legostein getreten – kurz und unangenehm. Agent Miller rückte die Rüschen an der überdimensionalen, verzierten Tischlampe zurecht, die sie irgendwo abgestaubt hatten, um nicht im Dunklen sitzen zu müssen, wenn die Neon-Deckenbeleuchtung mal wieder mysteriöserweise ihren Geist aufgab.

Er öffnete die auf dem Tisch liegende Mappe und begann laut vorzulesen: »James ›Jimmy‹ Sadler. Zweiundsechzig Jahre alt. Abschluss an der Caltech mit einem soliden Befriedigend, dann Job bei Intel. 1986 ins Visier geraten wegen Auffälligkeiten in deiner Personalakte; die enthielt eine Beförderung, an die sich, außer dir natürlich, niemand erinnern konnte. Kurz nach Beginn der Ermittlungen bist du dann spurlos verschwunden. Gestern dann tauchst du hier auf, im Hauptquartier des Seattle PD, um mit uns zu sprechen.«

Jimmy strahlte. »Ja, ich wollte …«

Agent Miller fiel ihm ins Wort. »Klappe, Jimmy. Ich war mit meiner Geschichte noch nicht fertig. Ich wollte erzählen, bevor du mich so unhöflich unterbrochen hast, dass das Seattle PD unsere Dienststelle angerufen hat. Unsere Dienststelle musste dann uns anrufen, weil wir nicht in der Dienststelle waren. Möchtest du wissen, wo wir waren, Jimmy?«

Jimmy sagte: »Ja.« Sein Lächeln strahlte jetzt allerdings ein bisschen weniger.

»Wir waren am Flughafen. Weißt du, wir waren gerade aus einem Flugzeug ausgestiegen. Ein Flugzeug aus Seattle. Also sind wir, anstatt nach Hause zu fahren, direkt wieder in das nächste Flugzeug eingestiegen.«

Jimmys Lächeln verschwand und an dessen Stelle trat ein wohlgeübter Ausdruck des Bedauerns. »Oh, das tut mir leid. Ich hatte gehofft, Sie vor Ihrer Heimreise zu erwischen. Ich bin davon ausgegangen, dass Sie ein paar Tage hier sein würden, um zu ermitteln.«

Agent Millers Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. »Jimmy, weißt du, für wen wir arbeiten?«

Jimmy zuckte mit den Schultern. »Den amerikanischen Steuerzahler?«

Miller machte ein finsteres Gesicht. »Nein. Nun ja, irgendwie schon, aber in erster Linie arbeiten wir für das US-Finanzministerium. Hast du eine Ahnung, was die Aufgabe des US-Finanzministeriums ist, Jimmy?«

»Zu ermitteln …«

Agent Miller unterbrach ihn wieder. »Das Geld zusammenhalten. Das ist die Aufgabe des Finanzministeriums. Es ist besessen davon, den Weg jedes einzelnen Pennys der Steuerzahler zu verfolgen. Glaubst du, die haben Lust, viel Geld dafür auszugeben?«

Jimmy nickte. »Nein, ich denke …«

»Nein, haben sie nicht, Jimmy!«, blaffte Miller. »Nein, haben sie nicht. Also, was denkst du, wie wahrscheinlich es ist, dass sie Hotelzimmer für Murph und mich bezahlen, solange wir hier in Seattle ermitteln? Was genauso gut die örtlichen Behörden übernehmen könnten, statt Murph und mich in die Holzklasse des billigsten Flugs nach L.A. zu verfrachten?«

Miller erhob sich und baute sich vor Jimmy auf. »Wir hatten gestern keine Zeit irgendwas zu machen. Wir sind nach L.A. geflogen, haben unsere Mailboxen abgehört, hingen zwei Stunden am Flughafen rum und sind wieder hierher zurückgeflogen. Der einzige Lichtblick war der Zwischenstopp beim örtlichen Fischmarkt, bevor wir zum Flughafen gefahren sind.«

»Oh«, sagte Jimmy fröhlich, »wo sie die riesigen Fische durch die Gegend schmeißen?«

»Ja, genau der«, antwortete Agent Miller müde.

»Wie war's?«, fragte Jimmy.

»Es war ein Fischmarkt. Du warst doch schon mal auf einem Fischmarkt, oder Jimmy? Es war genau das. Nur voller Typen, die rumschreien und riesige, tote Fische durch die Gegend schmeißen. Klingt das nach Spaß, Jimmy? Es ist mir schleierhaft, wie man die Leute davon überzeugen konnte, das sei eine Touristenattraktion. Alles ein einziger Schwindel. Ich bin mir ziemlich sicher, es war immer der gleiche Fisch, der rumgeschmissen wurde, ganz egal, was irgendjemand geschrien hat.« Miller nahm schnaufend wieder auf seinem Stuhl Platz. Er tauschte Blicke mit Agent Murphy, der mit den Schultern zuckte. Schließlich fuhr Agent Miller fort: »Es gab einen Laden, der winzige Donuts hatte. Die waren richtig gut.«

Jimmy machte eine wohlbedachte Pause und lehnte sich vor. »Schauen Sie, meine Herren, ich muss mich entschuldigen. Hätte ich gewusst, dass Sie die Sache einen Tag Produktivität kosten würde, dann hätte ich mich früher gemeldet. Nichtsdestotrotz, jetzt sind Sie hier und wir können uns gegenseitig helfen.«

Agent Miller schnaubte: »Jimmy, ich sehe ja ein, dass wir in der Lage wären, dir zu helfen. Aber wie um alles in der Welt könntest du uns jemals helfen?«

»Gestern haben Sie versucht, Martin Banks zu verhaften«, sagte Jimmy. »Er ist entkommen. Ich wette, er hat dabei mindestens eine Sache getan, die Sie sich nicht erklären können. So wie ich ihn kenne, wahrscheinlich mehr als eine.«

Die beiden Agents sahen sich an, bevor Miller sagte: »Soll das heißen, du hast Informationen über Mr. Banks Verbleib?«

»Ich kann Ihnen nicht sagen, wo Martin jetzt ist, aber ich kann Ihnen sagen, wo er hingegangen ist, und was noch viel wichtiger ist, ich kann Ihnen zeigen, wie er dort hingekommen ist.«

Agent Miller verbarg seine Aufregung, was für Jimmy ein stärkeres Anzeichen von Aufregung war, als Aufregung selbst.

»Okay«, sagte Agent Miller, »was willst du für die Informationen. Immunität?«

Jimmy erwiderte: »Ich brauche keine Immunität. Gegen mich liegt nichts vor, und alles, was ich vielleicht getan haben könnte, liegt dreißig Jahre zurück. Das wäre alles längst verjährt, wenn irgendwas davon illegal wäre, was nicht der Fall ist. Auch das, was ich Ihnen zeigen werde, ist streng genommen nicht illegal.«

Miller schüttelte den Kopf. »Du sagst, du willst uns zeigen, was Banks gemacht hat, richtig? Tja, er ist aus dem Polizeigewahrsam entkommen, nachdem er es irgendwie geschafft hat, Zehntausende Dollar, die nicht ihm gehören, auf sein Konto einzuzahlen. Wie soll er das legal gemacht haben?«

Jimmy kannte keine Details darüber, wie es dazu hatte kommen können, dass die Behörden auf Martin aufmerksam geworden waren. Was er hörte, amüsierte ihn, überraschte ihn jedoch nicht. Jimmy erklärte: »Es ist nicht illegal, wegen der Art, wie Martin an das Geld gekommen ist.«

Miller beugte sich näher ran und fragte: »Wie denn?«

Jimmy beugte sich ebenfalls vor, und auch er sprach jetzt leiser: »Mittels etwas, das der Gesetzgeber niemals für möglich gehalten hätte.«

»Was soll das sein?«, bohrte Agent Miller weiter.

»Das, was ich Ihnen zeigen werde«, gab Jimmy zurück.

»Und was hast du davon?«, fragte Miller.

»Die Gewissheit, meine Bürgerpflicht getan zu haben«, antwortete Jimmy. Eine leicht zu durchschauende Lüge. Ganz so, wie von Jimmy beabsichtigt. Männer, so wie die beiden Agents Miller und Murphy, waren es gewohnt, mit nicht vertrauenswürdigen Leuten zu tun zu haben. Ehrlichkeit hätte sie nur verwirrt. Die einzige Möglichkeit, von ihnen für vertrauenswürdig gehalten zu werden, bestand darin, ihnen zu bestätigen, dass man genau das war, für das sie einen hielten: nicht vertrauenswürdig.

Jimmy hielt dem starren Blick von Miller einige Sekunden stand und tat, als ob er mit sich ringen müsste, bevor er mit leicht erhöhter Stimme gestand: »Und ich benötige ein paar Dinge. Eine Bleibe. Etwas zu Essen. Einen Computer.«

Miller lehnte sich zurück und lachte. »Alter Mann, wie sollen wir das denn unseren Vorgesetzten verkaufen?«

»Sagen Sie ihnen, dass ich Informationen zu dem habe, was gestern Nachmittag passiert ist, und in zahlreichen anderen Fällen von Unterschlagung und Bankbetrug, die in den letzten dreißig Jahren mit einem mysteriösen Verschwinden geendet haben.«

Agent Miller dachte darüber nach, dann sagte er: »Klar, vielleicht würden sie etwas Kohle lockermachen, wenn ich ihnen das sagen würde. Das Problem dabei ist, dass ich nicht glaube, dass ich ihnen das sagen werde, denn, wie du selbst gesagt hast, dazu müsste erst mal ich glauben, dass du diese angeblichen Informationen hast, und ich habe noch nichts gesehen, was mich davon überzeugen würde.«

»Haben Sie nicht?«, fragte Jimmy. »Haben Sie die große, hässliche Lampe nicht bemerkt, die vor Ihnen auf dem Tisch steht? Finden Sie es nicht seltsam, dass die Neonröhren ausschließlich nur in diesem Raum nicht funktionieren und auch weiterhin nicht funktionieren, obwohl der Hausmeister die Röhren bereits ausgewechselt hat? Hat irgendjemand erwähnt, dass man mich in einem leer stehenden Büro festhalten musste, weil die elektronische Verriegelung der Arrestzelle kaputt war? Oder dass man kein Foto von mir machen konnte, weil die Digitalkamera ihren Geist aufgegeben hat?« Jimmy machte eine Kunstpause und fragte dann: »Sagen Sie mal, haben Sie schon Ihre Handynachrichten abgehört?«

Agent Murphy zog sein Telefon aus der Tasche, sah es an, drückte eine Taste und zeigte es Agent Miller. Der sagte: »Schalt es an.«

Agent Murphy erwiderte: »Geht nicht.«

Miller und Murphy entschuldigten sich und verließen den Raum.

Jimmy betrachtete sich in dem großen Spiegel, der den Großteil der gegenüberliegenden Wand einnahm.

***

Auf der anderen Seite des Einwegspiegels überprüfte Agent Murphy die Videokamera, die er auf Aufnahme gestellt hatte, kurz bevor sie Jimmy in den Verhörraum gebracht hatten.

»Ich werd verrückt. Die macht keinen Mucks«, sagte Murphy.

»Kein Grund zur Begeisterung«, grummelte Agent Miller.

»Ja, aber irgendwie doch«, sagte Murphy. »Das könnte der Durchbruch sein, auf den wir gewartet haben. Wenn er erklären kann, wie Banks es zwei Mal geschafft hat, sich mit all dem Geld in Luft aufzulösen, dann könnte er uns vielleicht auch dabei helfen, die ganzen anderen unerklärlichen Dinge zu verstehen.«

Miller seufzte: »Ach Murph, nur, weil wir nicht erklären können, warum deine Kamera nicht funktioniert …«

»Oder die Kamera des Seattle PD«, fiel ihm Murphy ins Wort.

Miller fuhr fort: »Ja.«

»Oder ihre elektronische Verriegelung.«

»Gut, okay …«

»Oder mein Telefon.«

»Wie auch immer, das …«

»Oder die Beleuchtung.«

»Klappe!«, herrschte Miller ihn an. So laut, dass selbst Jimmy im Nebenraum zusammenfuhr. »Nur, weil wir für ihn keine Erklärung haben, heißt das nicht, dass er uns all die Dinge erklären kann, die wir auch nicht verstehen.«

Das war das eigentliche Hauptproblem von Agent Miller und Agent Murphy. Es gab viel zu viel, das sie nicht erklären konnten. Als man sie offiziell zu einer Zwei-Mann-Sonderkommission ernannt hatte, hielten sie das für eine Beförderung. Bis ihnen ihr Auftrag zur Gänze klar geworden war.

Miller und Murphy hatten die Aufgabe, Fälle offensichtlicher Unterschlagung zu untersuchen, bei denen es aber keine konkreten Beweise für Unterschlagungen gab. Immer wenn in den Vereinigten Staaten jemand mit einer großen Menge Geld auftauchte, deren Herkunft die örtlichen Behörden nicht erklären konnten, dann wurden Miller und Murphy gerufen. Es war, als wolle man Mörder überführen, ohne jemals eine Leiche zu finden.

Die letzten Jahre hatten sie damit verbracht, irgendwelche Anrufe zu erhalten (von Detectives, die sehr erfreut darüber klangen, die Fälle abgeben zu könne), dann alles stehen und liegen zu lassen und mit dem nächsten Flug (was das Finanzministerium nichts kostete, da die Fluggesellschaften die Ticketkosten von der Steuer absetzen konnten) in der Touristenklasse (weil Fluggesellschaften bei Freiflügen ihre schlechtesten Plätze vergeben und dabei zwei zahlende Kunden upgraden können) überall dort hinzufliegen, wo es für sie die Abwesenheit von Beweisen zu ermitteln gab.

Miller und Murphy wollten unbedingt raus aus der Sonderkommission, doch sie einfach zu verlassen, würde sich furchtbar schlecht machen in ihren Personalakten und ihre Aussichten auf zukünftige Beförderungen schwer trüben. Noch schlimmer war, dass mit jedem Tag, der verstrich, der Augenblick unausweichlich näher rückte, an dem sie auf unfreiwillige Weise aus der Sonderkommission ausscheiden würden.

Welcher Auftrag auch immer nach einer derartigen Rekordserie eklatanter Misserfolge auf sie wartete, eines war sicher: Es würde nichts Erfreuliches werden.

Miller blickte durch den Einwegspiegel hindurch auf den Mann, von dem sein Partner dachte, er sei ihre Rettung. Jimmy war allein im Raum und lächelte den Spiegel an.

»Ich traue ihm nicht«, sagte Miller.

»Ich auch nicht«, stimmte Murphy ihm zu, »aber ich glaube nicht, dass er lügt.«

Miller nickte. »Auch nur, weil er uns noch nicht wirklich etwas erzählt hat.«

***

Nach mehreren Minuten kamen die Agents Miller und Murphy zurück in den Verhörraum.

»Okay«, sagte Miller, »das ist ein beeindruckender Trick.«

»Ich weiß«, erwiderte Jimmy. Er deutete in Richtung des Spiegels. »Schade, dass eure Videokamera dahinten ihn nicht draufhat.«

»Halt's Maul!«, fuhr Agent Miller ihn an. Die nachfolgende Stille hing schwer im Raum, während Jimmy darauf wartete, dass Agent Miller genau das aussprach, von dem Jimmy schon die ganze Zeit gewusst hatte, dass er es irgendwann sagen würde.

»Okay«, fragte Miller, »was brauchst du?«

»Nichts Ausgefallenes. Eine saubere Schlafmöglichkeit, drei Mahlzeiten täglich und einen Computer mit Highspeed-Internetzugang.«

Miller nickte. »Ich vermute, der Computer soll in deinem Zimmer stehen.«

»Nein«, sagte Jimmy, »ich werde den Computer nicht anrühren. Ich will ihn nicht in meiner Nähe haben. Aber wir werden einen brauchen.«

AUF ZAUBER KOMM RAUS

Подняться наверх