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Kapitel 3

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Martin und Roy materialisierten direkt vor der Tür seines Lagerhauses in London/Camelot. Ein paar Leute liefen herum, aber es war bereits nach Sonnenuntergang im zwölften Jahrhundert und so sah es auf einer Straße in einer großen Stadt ziemlich genauso aus, wie auf den Straßen der mittelgroßen Stadt, aus der sie gerade kamen.

»Das ist also Camelot«, sagte Martin. »Ich weiß, im Dunklen nicht besonders beeindruckend. In den nächsten Tagen wirst du aber noch jede Menge von ihr sehen.«

Martin öffnete die Tür zu seinem Lagerhaus und bat seinen älteren Begleiter herein. Sie kamen in einen großen, offenen Raum, der ungefähr ein Drittel des gesamten Gebäudes ausmachte. Die Wände waren schwarz gestrichen. Auch der hölzerne Fußboden war schwarz, mit Ausnahme eines blutroten Pentagramms in einem Kreis. Kerzen standen an den Spitzen des umgedrehten Sterns. Sie entzündeten sich selbst, als Roy den Raum betrat, was ihn ein wenig erschreckte.

Mit einem Schulterzucken schloss Martin die Tür. »Ach ja, das passiert immer, wenn jemand anders als ich hier reinkommt. Wenn es dich stört, kann ich dafür sorgen, dass sie dich nicht wahrnehmen. Das muss ich nur ein bisschen umprogrammieren.«

Die Ecken des Raumes beherbergten vier etwa drei Meter hohe Statuen furchterregender Kreaturen, welche die primitive Mythenwelt dieser Epoche noch nicht hervorgebracht hatte. Jede der Kreaturen befand sich auf einem Sockel, in den der Name der jeweiligen Kreatur eingraviert war. Für einheimische Ohren hatten diese Namen einen unergründlichen Klang. An Stelle der hinteren Wand hing dort ein roter Samtvorhang. Roy deutete darauf. »Wirkt wie aus einem Kino gestohlen.«

»Ist er auch. Ich habe da während der Highschool gearbeitet. Der Geschäftsführer war ein rassistischer Vollidiot. Jetzt ist er ein rassistischer Vollidiot, der dem Besitzer erklären muss, wie man ihm einen riesigen Samtvorhang stehlen konnte.«

Als sie durch den Raum gingen, fragte Roy wen oder was die abscheulichen Statuen darstellen sollten. Martin zeigte auf jede einzelne und zählte ihre Namen auf.

»Optimus Prime, Boba Fett, Grimace und The Stig.«

»Ja, lesen kann ich. Sollen mir die Namen irgendwas sagen?«, fragte Roy.

Martin hatte den Vorhang fast erreicht, doch er blieb stehen, drehte sich um und sah seinen Lehrling voll ehrlicher Ratlosigkeit an.

»Klingelt's bei dir bei keinem der Namen? Nicht mal bei Grimace?«

Roy schüttelte seinen Kopf.

»Aus welchem Jahr kommst du?«, fragte Martin.

»1973.«

»Wow«, sagte Martin. »Im Ernst? Puh.«

Es dauerte einen Moment, bis Martin das verarbeitet hatte und fortfuhr: »Na gut, '73 gab es noch keinen von denen, außer Grimace und der sah wahrscheinlich noch anders aus. Hast du jemals bei McDonald's gegessen?«

Roy antwortete: »Nein.«

Martin fragte: »Wieso nicht?«

»Weil ich ein erwachsener Mann bin«, antwortete Roy.

Achselzuckend zog Martin den Vorhang ein Stück auf, deutete auf die Öffnung und sagte nur: »Nach dir.«

Roy ging durch den Vorhang hindurch in Martins Wohnbereich, der die restlichen zwei Drittel des Gebäudes belegte. Die Wände bestanden aus blankem Holz und Putz, die Decke aus einem Wirrwarr von Holzbalken und der Boden aus unbearbeiteten Holzbohlen. Der Raum zwischen Decke, Wänden und Boden war zum größten Teil mit IKEA-Möbeln vollgestellt. Für die Raumaufteilung verwendeten Innenarchitekten aus Martins Zeit Begriffe wie »offenes Wohnkonzept«. Alles war ein einziger großer Raum: Schlaf-, Wohn- und Essbereich waren nicht durch Wände oder Raumteiler voneinander zu unterscheiden, sondern nur durch die Art, wie und wo Möbel aufgestellt worden waren.

Jetzt war Roy vollends verwirrt. »Du wohnst in einer Scheune?«

Martin huschte lächelnd an Roy vorbei. »Könnte man so sagen. Das Gebäude steht in der Stadt, also ist es eigentlich eher ein Lagerhaus. Bevor ich es gekauft habe, bestand sein Hauptzweck darin, Heu trocken zu halten, bis man es an die Pferde verfüttert hat. Das macht es dann wieder eher zu einer Scheune, schätze ich.«

Martin ging zu seinem Arbeitstisch und beobachtete Roy bei der Erkundung seines Quartiers. Die Einrichtung stand in losen Gruppen in etwa der Hälfte des Raumes verteilt. Der Rest war offen und leer. Roy ging um den Esstisch herum, hielt dann an und fragte, wo die Küche sei.

»Hab' keine. Wir müssen nicht wirklich kochen. Hast du Hunger?«, fragte Martin.

»Nein. Pete hatte etwas Hammelfleisch für mich. Er sagte, das geht aufs Haus.«

Martin erinnerte sich daran, dass alles, was bei seiner Ankunft »aufs Haus« gegangen war, aus verschiedensten Drohungen und Beleidigungen bestanden hatte.

Roy ging weiter zur Sitzecke, zusammengestellt aus Sofa und farblich passenden Sesseln. Sie waren modern, bequem und klein genug, um von einer einzelnen Person herumbugsiert zu werden. Langsam näherte er sich dann etwas, das er nicht eindeutig bestimmen konnte. Es war eine große, flache Platte aus schwarzem Glas und Kunststoff, die senkrecht auf einer Halterung montiert war und auf einem Holzschränkchen stand. »Was ist das?«, fragte er.

»Das ist mein Fernseher«, sagte Martin. Er nahm die Fernbedienung in die Hand und richtete sie auf die Platte. Eine kurze Melodie ertönte und ein sich drehendes Samsung-Logo erschien. Martin schaltete wieder aus.

»Es gibt hier natürlich keinen Fernsehempfang, aber ich benutze ihn, um mir hin und wieder alte Filme anzuschauen.«

Roy wandte sich Martin zu und fragte mit leiser Stimme: »Aus welchem Jahr kommst du?«

Martin kicherte. »2012. Setz dich, Roy.«

Roy ließ sich in einen der Sessel fallen. Als Martins Blick auf den zugeklappten Laptop fiel, beschloss er, Roy etwas mehr Zeit zum Einleben zu geben, bevor er ihn damit konfrontierte.

Er stand vom Schreibtisch auf und nahm gegenüber Roy auf dem Sofa Platz.

»Also«, fragte Martin, »was ist passiert?«

»Hä?«, sagte Roy und schüttelte seine Verwirrung ab.

»Was führt dich ins England des Mittelalters und wie zum Henker hast du 1973 die Datei aufgestöbert?«

»Ist sonst keiner aus den Siebzigern hier?«

»Nein. Bevor du kamst, war das früheste Jahr, aus dem jemand stammte, das Jahr 1984, soweit ich weiß.«

Roy plusterte sich ein wenig auf. »Also habe ich sie als Erster gefunden.«

»Ja«, sagte Martin, »aber du bist auch als Letzter hier angekommen. Du kannst dir selbst überlegen, was dir das bringt.«

Darüber dachte Roy nach und fuhr dann fort: »Ich war Ingenieur bei Lockheed. Die stellen Flugzeuge her.«

»Zu meiner Zeit hieß die Firma Lockheed Martin«, meinte Martin. »Die hat mich immer ein bisschen gereizt.«

»Das glaube ich sofort. Jedenfalls war ich in einer Abteilung namens Skunk Works.«

»Echt?«

»Ja. Wir haben, ähm, hauptsächlich das streng geheime Zeug für die Regierung gemacht.«

»Ich weiß!«

»Hochgeschwindigkeitszeug, sehr große Höhen und so.«

»Ich weiß!«

»Streng geheime Projekte.«

»Ich weiß!«

»Sag mal, Junge«, fuhr Roy ihn an, »soll ich dir die Geschichte erzählen oder weißt du schon alles?«

Martin hob die Hände. »Tut mir leid. Erzähl bitte weiter.«

»Also dann. Wir haben 1965 einen Computer bekommen. Einen IBM 360. Wir hatten keine Ahnung, was zum Teufel wir damit anfangen sollten, aber alle waren der Meinung, die Dinger seien die Zukunft. Also musste ich ran und lernen, wie das Teil funktioniert. Ich analysierte es und experimentierte eine Weile damit. In der Firma schwirrten auch in anderen Abteilungen noch Exemplare davon rum. Sämtliche Magnetbänder der Firma wurden in einem Raum gelagert. Eines Tages habe ich mir dann mal angeschaut, was die anderen Abteilungen so mit den Bändern machen. Ich lade also eines nach dem anderen bei uns rein und auf einem der Bänder ist eine Datei, die scheinbar größer ist, als das, was auf dem Band Platz hat. Da bin ich neugierig geworden.«

»Verständlich«, sagte Martin. »Wie viel Speicherplatz hatte so ein Band?«

»Einhundertsiebzig Megabyte«, antwortete Roy stolz. »Warum lachst du?«

Martin erwiderte: »Ach nichts. Erzähl weiter.«

»Okay, ich lade also die Datei rein und druck mir die ersten paar tausend Zeichen aus. Sah nach einer Datenbank aus.«

»Und irgendwann hast du dann begriffen, was du da vor dir hattest.«

»Ja«, sagte Roy, »den Beweis dafür, dass die Welt, mit jedem und allem darin, nur ein computergesteuertes Programm ist.«

»Und du hattest eine Datei, mit der du diesen Computer steuern konntest, der die Welt steuert.« Martin beugte sich vor, näher zu Roy. »Was hast du als Nächstes gemacht?«

»Erst wollte ich mir zu einer Menge Geld verhelfen, aber ich dachte, so würden sie mich sofort erwischen.«

Martin entschied, Roy niemals zu erzählen, wie man ihn erwischt hatte.

Roy fuhr fort: »Ich beschloss, die Datenbank zu nutzen, um auf der Arbeit zu glänzen. Meine Prototypen leistungsfähiger zu machen. Die Zahl der Triebwerksentwürfe meines Teams erhöhen. Ich erzählte allen, das Geheimnis sei die Verwendung fortschrittlicher Computermodellierung.«

»Clever. Hat's funktioniert?«

»Eine Zeit lang schon. Es gab ein Projekt, das es mir echt angetan hatte. Das A-12. Ein Spionageflugzeug. Es sollte sehr hoch fliegen können und sehr schnell sein. Später haben sie einen Sitz eingebaut und es SR-71 getauft.«

»Du hast am Blackbird mitgearbeitet?«, brach es unwillkürlich aus Martin heraus.

Roy lächelt. »Wird es so genannt?«

»Ja, irgendwann dann schon, könnte man sagen. Das hatte Mach 3 drauf, oder?«

»Offiziell ja. Es ging notfalls auch ein bisschen schneller.«

Martin ließ sich zurück ins Sofa fallen. »Wow. Das SR-71. Ich hatte ein Poster davon in meinem Zimmer. Ich habe mich immer gefragt, wie die so etwas in den Sechzigern bauen konnten.«

Es folgte eine lange, unangenehme Pause, in der Martins Lächeln nur langsam schwand.

Bis Roy die Stille durchbrach. »Jetzt weißt du's«, sagte er. »Die verdammten Russen wussten viel mehr über Titan als wir. Ich war der Meinung, dass die Beschaffung von Informationen zukünftige Kriege verhindern würde, also sorgte ich dafür, dass das Flugzeug funktionierte. Dann sorgte ich dafür, dass es besser wurde. Ich habe es wohl ein bisschen übertrieben.«

»Haben sie dich deswegen erwischt?«, wollte Martin wissen.

Roy verzog das Gesicht. »Ich kam in ein anderes Projekt und sie haben versucht, weitere SR-71 zu bauen. Es war streng geheim und da ich nicht mehr Teil des Teams war, hatte ich keine Ahnung, dass sie das vorhatten. Sie konnten die einzelnen Titanteile nicht miteinander verbinden. Irgendwann begann man, Fragen zu stellen.«

»Und du hattest Visionen von langen, langen Gesprächen mit der CIA und da bist du abgehauen.«

»Bingo. Ich hatte ein Buch gelesen, gerade erst erschienen. Die besten Jahre, um im mittelalterlichen England zu leben. Von einem Typen namens Cox. War ein Geschenk. Ist ja auch egal, ich schleich mich in den Kartenraum und hole mir Koordinaten für die Klippen von Dover, dann ein Abstecher in den Computerraum, Koordinaten eingeben, ein Datum wählen und schon war ich hier.«

Martin ließ sich das kurz durch den Kopf gehen und fragte dann: »Wo ist dein Computer jetzt?«

Roy kniff die Augen zusammen. »Ich besitze keinen Computer. Ich bin nur ein Kerl.«

»Was ist mit dem Computer, der dich hergebracht hat?«

Roys Augen blieben zusammengekniffen. »Der gehört Lockheed.«

»Wie auch immer«, sagte Martin. »Wo ist er?«

»Wo ich ihn gelassen habe, bei Skunk Works.«

Es fiel Martin sichtlich schwer, das Gehörte zu verarbeiten. »Du hast ihn nicht mitgenommen? Roy? Mann, das ist eine Reise ohne Wiederkehr für dich.«

»Wie gesagt, Junge, ich war ziemlich in Panik.«

»Wie wolltest du dich ohne Computer hier als Zauberer ausgeben?«

»Gar nicht«, sagte Roy kichernd. »Ich wollte mir hier mit meinem Ingenieurwissen meinen Lebensunterhalt verdienen. Ich kam in die Bar, sie haben einen Blick auf mich geworfen und sind sofort davon ausgegangen, dass ich Zauberer bin.«

»Hmmm«, stimmte Martin zu. »Das glaube ich sofort.«

Martin verbrachte die nächste Stunde damit, Roy die Gesamtsituation darzulegen, ganz so wie Phillip es für ihn getan hatte. Er erklärte ihm, dass es in dieser Zeit in ganz Europa und anderswo Gemeinschaften von Zauberern gab, ebenso in anderen Epochen. Er erzählte ihm, dass alle Zauberer Leute wie er selbst waren. Sie waren in einer ihrer zahlreichen Gestalten über die Datei gestolpert, hatten sie benutzt, waren in Schwierigkeiten geraten und zurück in der Zeit gereist, um unterzutauchen.

Eine Zeit lang rätselten sie zusammen über den Umstand, dass Roy die Datei als Einziger auf Magnetbändern gespeichert entdeckt hatte und nicht, wie jeder andere, auf dem Zentralrechner eines Firmennetzwerks. Letztendlich nahmen sie es dann aber hin als eine der vielen Ungereimtheiten, die im Zusammenhang mit der Datei, so wie im Zusammenhang mit dem Universum ja auch, immer wieder auftauchten.

Martin erklärte weiter, dass alle Frauen, die die Datei gefunden hatten, nach Atlantis gingen, da zauberbegabte Frauen überall sonst wenig willkommen waren. Er wollte gerade das Phänomen der zeitlichen Verschmutzung erläutern und dass scheinbar keine ihrer Taten Auswirkungen auf die Zukunft hatte, als er von Roys Schnarchen unterbrochen wurde.

Martin weckte Roy noch mal auf, damit er zum Schlafen aufs Sofa umziehen konnte. Während Roy ein Kissen in den Bezug stopfte, fragte er: »Wann treffe ich den, der das Sagen hat?«

Der das Sagen hat, dachte Martin, das ist ein kleines bisschen heikel.

Martin überlegte kurz, ob er Roy erzählen sollte, dass der derzeitige Vorsitzende noch nicht lange im Amt war und wie sein Vorgänger seinen Namen von Jimmy in Merlin geändert hatte, um anschließend den Versuch zu unternehmen, das ganze Land seinen Launen entsprechend umzukrempeln, einschließlich des Vorhabens, alle anderen Zauberer umzubringen.

Nee, dachte Martin, das ist dann doch zu viel zu verdauen für den ersten Abend. Ich erkläre ihm das alles später, wenn wir über das Thema Verbannung sprechen.

Er antwortete: »Keine Ahnung, wann du den Vorsitzenden triffst. Früher oder später wirst du ihm schon begegnen. Schwer zu sagen wann genau, er ist ziemlich beschäftigt.«

AUF ZAUBER KOMM RAUS

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