Читать книгу AUF ZAUBER KOMM RAUS - Scott Meyer - Страница 9

Kapitel 5

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Martin hatte keine Ahnung, wie sein nächster Zug aussehen würde, aber ihm war klar, dass er ihn in den nächsten fünf Sekunden machen musste. Er flog, so schnell wie er sich gerade noch traute, gut zwei Meter über dem Waldboden. Also hoch genug, um nicht im Unterholz hängen zu bleiben, aber niedrig genug, um sich nicht in den Baumkronen zu verheddern. Er hielt den Stab vor sich, parallel zum Körper. Das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte, war, dass sich der Stab in einen Baumstamm rammte und ihn zu Boden schickte. Langsamer werden konnte er nicht, da einer seiner Verfolger direkt hinter ihm angeflogen kam. Martin war sich sicher, dass sein Vorsprung kleiner wurde. Kein Wunder, musste er sich doch einen Weg durch die Bäume hindurch suchen, während sein Angreifer ihm lediglich durch die martinförmigen Löcher folgen musste, die er hinterließ. Martin hätte einfach geradewegs nach oben fliegen können, das Blätterdach durchstoßend, hinaus in den strahlend blauen Himmel. Doch er wusste, dass da oben ein weiterer Verfolger lauerte. Der wartete nur darauf, dass Martin auftauchte und ihm ein leichtes Ziel bot.

Martin schaute kurz nach oben und erspähte über den Baumwipfeln den schnell fliegenden, schwarzen Umriss. Er senkte seinen Blick wieder, gerade noch rechtzeitig, um einen toten Ast zu sehen und ihm auch fast noch auszuweichen. Der hing vertrocknet zwischen den anderen Ästen. Martin versuchte, unter ihm durchzurauschen, war aber nicht schnell genug. Der Ast schrammte schmerzhaft seinen Rücken entlang und krachte dann zu Boden. In einem Anflug von Hoffnung blickte Martin zurück. Er fluchte, als er sah, wie der sich nähernde, lilafarbene Streifen einfach über den abgestürzten Ast hinwegzischte, ohne die Richtung zu ändern, geschweige denn abbremsen zu müssen.

Er wusste, dass er bald auf einen Fluss stoßen würde, der hier den Wald durchquerte. Dann würde er seine Deckung verlieren und wäre leichte Beute für das Schreckgespenst über den Bäumen. Sollte er dagegen langsamer werden, um vom Fluss wegzufliegen, dann würde der lila Farbstreifen an ihm vorbeiziehen und ihn aus der Luft holen. Zu allem Übel gab es noch einen dritten Angreifer, der zwar den Startschuss für diese Jagd etwas verschlafen hatte, aber sehr bald auch noch mitmischen würde.

Es war alles ganz allein Martins Schuld. Er war so damit beschäftigt gewesen, einen Lehrling zu haben. Darüber hatte er völlig vergessen, dass es Leute gab, die ihn bei jeder Gelegenheit angriffen.

***

Der Tag hatte so erfreulich angefangen. Als Martin erwachte, war Roy bereits aufgestanden. Martin machte Frühstück und beobachtete amüsiert, wie verstört Roy darüber war, aus dem Hut eines Zauberers essen zu müssen. Nicht minder verstört war er darüber, dass das Frühstück aus Speck-Eier-Käsecracker-Muffins und einer großen Portion Kartoffelrösti von McDonald's bestand.

Nach dem Frühstück begann Martin damit, Roy auf den neuesten Stand zu bringen.

Er führte ihm seinen Laptop vor, ein Spitzenklasse-Modell von 2012. Für Roy, der aus dem Jahr 1973 kam, war das Gerät mindestens so verblüffend, wie alle von Martin gezeigten Zaubertricks. Martin erklärte ihm, dass bis vor kurzem Zauberer, die weiter aus der Zukunft stammten, die neuere Technologie von früheren Zauberern ferngehalten hatten, um die Zeitachse nicht mehr als nötig durcheinanderzubringen. Jüngste Ereignisse hätten jedoch gezeigt, dass dieses Vorgehen nicht nur die früheren Zauberer stark benachteiligte, sondern auch, dass der Zeitachse völlig Schnuppe zu sein schien, was sie taten.

Letzteres wollte Roy genauer erklärt haben und Martin erläuterte, dass die meisten Zauberer regelmäßig in ihre ursprüngliche Zeit zurückkehrten und keiner bislang auch nur die geringste Veränderung hatte feststellen können, ganz egal was die Zauberer in der Vergangenheit trieben. Er ging noch kurz auf die beiden gängigsten Theorien dazu ein: Sie existierten in einer separaten Zeitachse, erschaffen vom Programm, welches die Datei verwendete, oder, irgendwo in der Zukunft würde etwas geschehen, das all das Kuddelmuddel wieder in Ordnung bringen würde. Martin verstummte allmählich, als er Roys Desinteresse für die philosophischen Feinheiten des Ganzen bemerkte. Der wollte viel lieber mit Martins Computer herumspielen.

Vielleicht kommen wir doch miteinander klar, dachte Martin.

Nachdem Roy den Laptop lange genug inspiziert hatte, fuhr Martin fort und erklärte ihm das Shell-Programm. Phillip und der ehemalige Vorsitzende Jimmy hatten diese Benutzeroberfläche entwickelt, um einfacher auf die Datei zugreifen zu können, die sie alle hierhergebracht hatte. Er erläuterte Roy, welche Fähigkeiten derjenige erlangen konnte, der von der Existenz des Shell-Programms wusste und sich die Zeit nahm, sich damit vertraut zu machen. Er würde nie altern müssen. Er würde nicht frieren oder schwitzen müssen. Und das Allerwichtigste: Obgleich man weiterhin Nahrung, Wasser und Luft benötigte, war man unverwundbar.

Wenn Roy eine Robe tragen würde und einen spitzen Hut mit bestimmten Maßen, dann würde das Shell-Programm ihn als Zauberer betrachten, der fliegen und teleportieren und aus dem Nichts Essen, Geld und alles nur Erdenkliche erschaffen konnte.

Für den Fall, dass er die Abschlussprüfungen bestehen sollte, versprach Martin, ihm einen eigenen Laptop zu besorgen, mit dem er, so oft er wollte, in seine Zeit reisen konnte.

»Das heißt, wenn du bereit bist, die Ausbildung zu beginnen. Solltest du dich dagegen entscheiden, muss ich davon ausgehen, dass du nichts Gutes im Schilde führst. Dann schicke ich dich zurück und lasse die CIA dich einsammeln. Also, Roy, bist du bereit für die Ausbildung?«

Über ein Angebot in dieser Form musste Roy nicht lange nachdenken.

Martin ging kurz an den Computer, um Roy im Shell-Programm anzulegen, dann verkündete er, sie müssten gehen. Vor einiger Zeit hatte es ein paar unschöne Vorkommnisse gegeben, weshalb er und ein paar seiner Zaubererfreunde es sich zur Aufgabe gemacht hatten, einmal in der Woche ihre Erfahrungen auszutauschen und ihre neuen Shell-Skripte für Notfälle untereinander auszutauschen. Er nahm Roy mit, damit er die Jungs kennenlernte und sah, an was sie gearbeitet hatten. Für jemanden, der aus der Rüstungsindustrie kam, konnte das durchaus interessant sein.

Martin und Roy materialisierten mitten auf einer riesigen Lichtung, etwa fünf Meilen außerhalb von Leadchurch. Martins Freund Gary hatte sie ausgesucht, weil sie groß und eben war und auf allen Seiten von eng zusammenstehenden Bäumen umgeben. Die Zauberer hatte hier genug Platz, um neue Sprüche vorzuführen und zu testen, ohne befürchten zu müssen, dass sich einer der Einheimischen an sie heranpirschte. Selbst wenn sich jemand durch den Wald anschleichen sollte, er würde sich fürchterlich beeilen müssen, die Mitte der Lichtung zu erreichen, bevor die Zauberer Gegenmaßnahmen ergriffen.

Sie befanden sich allein mitten auf der Wiese. Martin, in silberner Robe und Hut, den Stab in der Hand und Roy, mit Trenchcoat, schmaler Krawatte und bequemen Schuhen. Martin fuhr herum. »Oh nein.«

Eine graue Gestalt näherte sich erstaunlich schnell vom Wald her. Zwei weitere Gestalten, eine lilafarben, eine schwarz, kamen aus unterschiedlichen Richtungen ebenfalls auf sie zu.

Martin fiel Garys Plan ein, der dafür sorgen sollte, dass sie alle stets auf Zack waren. Er nannte es das Kato Protokoll. Es war ganz einfach. Die Zauberer würden sich bei jeder Gelegenheit, ohne Vorwarnung, gegenseitig angreifen. So sollte sichergestellt werden, dass sie immer in Wettkampfform waren – und sollten somit gezwungen sein, stets auf ihre Umgebung zu achten. Zu guter Letzt, und für Gary war das der wichtigste Grund, war es ein Riesenspaß.

»Klingt gut«, hatte Martin dazu gemeint. »Wann geht's los?«

»Wir werden sehen«, war Garys Antwort gewesen.

Die farbigen Streifen hatten sie beinahe erreicht, da rief Martin: »Spielstopp!«

Die Streifen hielten mitten im Flug inne und schwebten jetzt in einem Dreieck um Martin und Roy in der Luft. Tylers lila Gewand hing an ihm herab und flatterte leicht im Wind. Die Rolls-Royce-Kühlerfigur, die seinen Stab krönte, reflektierte das Sonnenlicht. Jeff landete und verstaute seinen Stab in der Tasche seiner grauen Flanellrobe. Gary schwebte vor Martin und Roy hin und her. Seine zottligen, braunen Haare standen unter dem pechschwarzen Hut hervor. Unterhalb des Saums seiner Robe waren seine dürren Beine und schwarzen, halbhohen Leinen-Turnschuhe zu sehen, die zwei Meter über der Grasnarbe hingen. Er richtete die mit KISS-Actionfiguren verzierte Spitze seines Stabes auf Roy. »Hallo, Martin. Schön dich zu sehen. Wer ist der Neue?«

»Gary, Tyler, Jeff das ist Roy, mein Lehrling. Er ist erst seit gestern Abend hier. Er hat noch keine Fähigkeiten und er weiß noch nicht wie's läuft. Es wäre also äußerst unfair, ihn anzugreifen.«

Trotz des offensichtlichen Altersunterschieds und seines etwas steifen Auftretens hießen die drei jüngeren Zauberer Roy voll ehrlicher Freundlichkeit willkommen. Martin stellte erleichtert fest, dass Roy, trotz seines Alters, kulturellen Hintergrunds und der Zeit, aus der er stammte, mit keiner Wimper gezuckt hatte, als ihm Tyler vorgestellt worden war – möglicherweise der einzige schwarze Mann zu dieser Zeit in England.

Sie waren sich alle einig, dass man ihn nicht angreifen würde, da er sich noch nicht wirklich verteidigen konnte.

»Ich könnte ihm ja erklären, wie der Hase so läuft«, sagte Jeff.

»Gute Idee«, sagte Tyler, der immer noch in der Luft schwebte, immer noch in Angriffshaltung. »Dann hat Martin ja Zeit, angegriffen zu werden.«

»Und wir haben Zeit, ihn anzugreifen«, warf Gary noch ein.

Martin brummte: »Na gut.« Er stieß das Zauberwort flugi hervor und raste, wie von der Pistole geschossen, auf den Wald zu. Während er zu einer dahinrasenden silbernen Kugel wurde, hörte er aus der Entfernung, wie Jeff mit Roy sprach. Nach Martins Meinung würden die beiden einiges zu besprechen haben, schließlich waren beide Ingenieure.

Martin nahm sich vor, an einem Schnell-Abhauen-Zauberspruch zu arbeiten, damit er im Fall der Fälle so richtig wegbeschleunigen konnte. Irgendwelche leuchtenden Projektile schossen an ihm vorbei und schlugen vor ihm ein. Martin beschloss, sie zu ignorieren. Seiner Meinung nach stellten sie, genau wie alle anderen Geschosse, erst dann ein Problem für ihn dar, wenn er getroffen wurde.

Martin erreichte den Waldrand, Tyler dicht auf seinen Fersen. Gary hatte nicht so schnell reagiert und beschlossen, die Bäume zu überfliegen, um Martin, gewissermaßen, am Pass abzufangen. Dieser Pass war jetzt in Sichtweite. Martin konnte eine schwarze Gestalt ausmachen, die über den Wipfeln der Bäume hing. Sie behielt ihn ganz offensichtlich im Auge und wartete darauf, dass er aus dem Wald auftauchte. Wenn er nicht schnell handelte, würde Gary irgendwas auf ihn abfeuern. Er wusste nicht, was es sein würde, aber er kannte Gary gut genug um zu wissen, dass es etwas Unangenehmes und sehr wahrscheinlich Kindisches sein würde.

Glücklicherweise hatte Martin an der Entwicklung einigen von dessen Ideen mitgearbeitet. Im Lagerhaus befand sich diese riesige Werkstatt; es wäre eine Schande, sie nicht zu nutzen. Martin fasste in seine Tasche und zog ein kleines, schwarzes Bohnensäckchen heraus. Er steuerte auf eine Lücke zwischen den Bäumen zu, hinter der sich eine freie Fläche befand und blickte zurück zu Tyler, der schnell näherkam. Er wurde etwas langsamer, dann warf er das Säckchen über seine Schulter. Es flog in einem eleganten Bogen über Tyler hinweg, ohne ihn zu treffen. Martin griff mit seiner rechten Hand in die Luft und sagte: »Bamf.«

Martin löste sich in einer schwarzen Rauchwolke auf, die in alle Richtungen zerstob, als Tyler durch sie hindurchgeschossen kam. Im selben Moment erschien Martin wieder hinter Tyler, wobei er eine weitere Wolke schwarzen Rauchs erzeugte. Es sah aus, als wäre er dort materialisiert und hätte das Bohnensäckchen gefangen. In Wahrheit war seine Hand um das Säckchen materialisiert und der Rest von ihm mit ihr.

Martin blieb regungslos und sah zu, wie Tyler mit den Armen ruderte, vollständig verwirrt von dem, was gerade geschehen war. Er segelte hinaus aus dem Wald und wurde umgehend von einem Energieimpuls getroffen. Gary hatte Tyler ganz eindeutig mit Martin verwechselt.

Für einen Moment drehte Tyler sich in der Luft. Offenkundig stimmte etwas ganz und gar nicht. Dann sah Martin etwas Graues, das an Tyler klebte, genau an der Stelle, an der er getroffen worden war. Lila Rauch begann aus dem Gebilde hervorzuschießen, heftig genug, um Tyler unkontrollierbar in Rotation zu versetzen. Zum Rauch gesellte sich ein Geräusch, wie aus einem Furzkissen, nur viel lauter und viel ausdauernder. Der lila Rauch besaß auch eine Duftnote. Diese Duftnote war wohlbekannt und keinesfalls angenehm.

Tyler trudelte durch die Luft, wie ein übel riechendes Windrädchen. Das Furzkissengeräusch wurde zeitweise von Tylers Flüchen in Richtung Gary übertönt. Der Schub der Furzrakete stabilisierte sich ein wenig, mit dem Ergebnis, dass Tyler in einer hilflosen Spirale in den Himmel getragen wurde. Dabei schrie und fluchte er pausenlos.

Martin landete sanft und kauerte sich ins Dickicht. Er klemmte den Stab unter seinen linken Arm und machte sich bereit, das Bohnensäckchen zu werfen.

Vorsichtig ließ sich Gary zwischen die Bäume sinken, um nach Martin zu suchen. Er hing in der Luft, den Stab in der einen Hand, die andere schirmte seine Augen gegen die Sonne ab, damit er im dunkleren Wald etwas erkennen konnte. Er rechnete damit, Martin herumfliegen zu sehen, entdeckte aber sehr bald Martins silbern glänzende Robe und Hut zwischen dem dunkleren Braun und Grün des Waldes. Ebenso bald bemerkte er das schwarze Ding, welches auf ihn zugeflogen kam.

Das Bohnensäckchen traf Gary an der Brust. Einen Sekundenbruchteil später war auch Martin da, packte Gary mit einem Arm am Hals und zog ihn mit aller Kraft nach unten. Gary kippte vornüber. Er befand sich nun unter Martin. Der stieß sich mit beiden Beinen von ihm ab und schickte ihn so noch schneller zu Boden. Gary schlug mit voller Wucht auf, Martin hingegen schwebte langsam zu Boden.

Gary blieb einen Moment regungslos im Gras am Flussufer liegen, die Augen geschlossen, Kräfte sammelnd, in der Hoffnung, Martin in Reichweite zu locken. Nach einer sorgfältig kalkulierten Atempause sprang Gary in die Hocke, eine Faust auf dem Boden, den Stab vor sich ausgestreckt. Sein herausforderndes Lachen hatte nicht ganz den gewünschten dramatischen Effekt, denn er hatte Martin woanders vermutet und er schaute in die falsche Richtung. Gary spürte, wie ihn etwas Weiches am Rücken traf, er hörte Martin Bamf sagen, dann spürte er Martins ganzes Gewicht im Rücken. Sein Arm knickte weg und er wurde wieder zu Boden gedrückt.

»Bist du fertig?«, fragte Martin, auf Garys Rücken stehend, der bäuchlings im Dreck lag.

»Ja, ich denke schon«, Garys Antwort kam etwas gedämpft.

Martin stieg runter von seinem Freund und half ihm auf. Er sagte nichts zu den beiden großen, staubigen Fußabdrücken, die auf Garys Robe prangten und er hoffte, dass sie auch sonst niemand erwähnen würde.

Jetzt widmeten sie ihre Aufmerksamkeit Tyler, der weiterhin faulige, lila Schnörkel in den Himmel malte. Gary murmelte etwas, woraufhin noch eine abschließende, mächtige Fanfare aus Rauch und Lärm ertönte, dann war Ruhe. Tyler verharrte als Punkt am Himmel, während er sich wieder sammelte. Als er so weit war, kam er zu Martin und Gary geflogen und landete. Dabei starrte er Gary die ganze Zeit wütend an.

Nach einer langen Stille, die mit Händen zu greifen war, fragte Tyler Gary: »Wie lange hält sich der Gestank in meiner Robe?«

Gary antwortete: »Bis du rausgefunden hast, wie er rausgeht. Tut mir leid.«

»Das wird es noch«, sagte Tyler. Dann wandte er sich Martin zu. »Also, was ist mit dem alten Sack?«

Sie waren fasziniert, als sie hörten, dass Roy aus dem Jahr 1973 stammte, oder wie Gary es ausdrückte, aus dem Prä-Star-Wars. Martin erzählte ihnen, wie Roy am Abend zuvor aufgetaucht war, zunächst etwas streitlustig, dann aber doch ganz umgänglich geworden war. Er hoffte, dass Roy Jeff nicht zu sehr zusetzte. Jeff konnte etwas empfindlich sein.

Sie erhoben sich wieder in die Luft, um zu Jeff und Roy zurückzukehren. Zu Martins Erleichterung fand er sie im Gras sitzend vor, Jeff völlig gebannt von Roys Erzählungen über seine Arbeit bei Skunk Works.

Nach den anfänglichen Albereien und Kämpfen war nun der Zeitpunkt gekommen, den anderen die eigenen, neuen Defensivfähigkeiten in aller Ausführlichkeit zu demonstrieren. Gary schilderte die Funktionsweise der von ihm so genannten »Furz-Düsen«, die er versehentlich an Tyler getestet hatte.

Tyler demonstrierte seinen Spruch, indem er ihn absichtlich auf Gary abfeuerte. Tyler schoss ihm einen der Blitze in den Rücken, die während der Verfolgungsjagd an Martin vorbeigezischt waren. Gary wurde sofort in die Luft gehoben. Dort hing er und schaukelte Übelkeit erregend umher. Ganz offensichtlich hatte er keine Chance, etwas gegen diese Schaukelei zu tun. Noch dazu vibrierte er sichtbar, während er hilflos in der Luft hing.

»WAAAARUUUM?«, jammerte Gary und klang dabei wie eine meckernde Ziege.

Tyler ging hinüber zu dem wehrlosen Zauberer und packte Gary am Bein, der daraufhin aufhörte, sich zu bewegen.

»Daaaanke«, sagte Gary.

»Keine Ursache«, erwiderte Tyler und versetzte ihn mit einem kräftigen Schwung in Rotation. »Ich denke, das kommt euch allen bekannt vor«, sagte Tyler. »Der Spruch hebt sein Opfer einen Meter in die Luft, lässt es runterplumpsen, dann hebt er es wieder einen Meter an. Das geschieht zehnmal in der Sekunde. Das führt dazu, dass das Opfer wehrlos ist und seine Körperhaltung nicht unter Kontrolle hat. Allerdings hatte diese spezielle Zielperson hier noch nie wirklich Kontrolle über seine Körperhaltung.«

Gary rief Tyler zu, er solle die Klappe halten. Tyler schubste Gary daraufhin mit aller Kraft, und Gary segelte unter pausenlosem Gejammer davon.

Tyler fuhr fort: »Also, die Vibration dient der Demütigung des Ziels und sorgt außerdem, fast auf der Stelle, für hämmernde Kopfschmerzen.«

Roy fragte: »Wieso, um alles in der Welt, sollte uns das bekannt vorkommen?«

»Oh«, sagte Tyler, »tut mir leid, Roy. Ich hatte vergessen, dass du neu hier bist. Er basiert auf einem von Martins Sprüchen, den er mal vor allen Zauberern vorgeführt hat.«

Roy wandte sich Martin zu. »Das hast du erfunden? Junge, das ist echt teuflisch.«

Martin zuckte mit den Schultern. »Ja, na ja, ich hoffe, ich muss ihn nie wieder einsetzen.«

Jeff öffnete den Mund, um den Grund hierfür zu erläutern. Martin hatte den Spruch nämlich erschaffen, um ihn als eine Art Flugzauber zu verwenden, was aber gründlich schiefgegangen war. Als Jeff jetzt Martins Blick sah, überlegte er es sich anders und schwieg lieber.

Von Weitem drang ein schwaches Tremolo zu ihnen herüber: »Tyyyyyylerrrrrr, biiiiiiteeeeee, steeeeeell eeeees aaaaab!«

Tyler rief: »Stell's doch selber ab. Irgendein anderer Spruch hebt es auf.«

Gary sprach das magische Wort flugi und sofort stieg er bedächtig in die Luft, wo er erst mal eine Weile reglos hängen blieb.

Jeff rief ihm zu: »Hey, Gary, alles klar?«

Gary erhob einen Finger, wie um anzudeuten, dass er sich erst mal sammeln müsste. Er richtete den Finger auf Tyler. »Ekskuzi vin.« Eine leuchtende Kugel löste sich von seinem Finger. Er war ziemlich weit weg und Tyler hatte genug Zeit zu reagieren. Er erhob seinen Stab und schwang ihn wie einen Baseballschläger. Die silberne Rolls-Royce-Kühlerfigur beschrieb einen leuchtenden Bogen in der Luft. Der Stab traf die Kugel, die auf der Stelle zerstob. Tyler hielt am Ende seines Schwunges inne, dann reckte er den Hals, um auf das Ende seines Stabes zu schauen. Dort erblickte er, direkt unterhalb der Kühlerfigur, eine weitere von Garys Furz-Düsen.

Eine halbe Sekunde lang herrschte Stille, dann zündete die Düse. Martin, Roy und Jeff begannen allesamt zu rennen, während Tyler, an seinen Stab geklammert, heftig herumgeschleudert wurde. Bald war von Tyler nichts mehr zu sehen, eingehüllt in einer übel riechenden Wolke aus lila Dampf. Das eiernde Geräusch der Düse und das gelegentliche Aufblitzen von beschleunigtem Chrom waren die einzigen Hinweise auf das, was in so heftiger Weise in der Wolke vor sich ging. Schließlich ließ Tyler den Stab los oder konnte ihn einfach nicht mehr halten. Wie auch immer, der Stab sauste davon, taumelnd wie das Rotorblatt eines Hubschraubers und hinterließ dabei einen lilafarbenen Kondensstreifen.

Tyler lag auf dem Rücken im Gras. Gary ging zu ihm und reichte ihm seine Hand. Er half ihm auf die Füße und sagte: »Wir sind quitt.«

»Vorerst«, erwiderte Tyler.

Roy schüttelte den Kopf und fragte: »Seid ihr Jungs sicher, dass die Sprüche zur Selbstverteidigung sind und nicht doch eher, um euch gegenseitig zu demütigen?«

Gary antwortete: »Ich finde, ein wirklich guter Spruch sollte beides können.«

In diesem Moment erfüllte ein sanftes, zwitscherndes und sich wiederholendes Klingeln die Luft. Die Zauberer neigten alle den Kopf zur Seite. Jeff fragte: »Also gut, wessen Hand ist das?«

Alle außer Roy sahen auf ihre rechte Hand und Martin sagte: »Oh, das bin ich.«

Martin hob seine Hand vors Gesicht. Das verkleinerte, halbdurchsichtige Bild von Phillips Kopf erschien in Martins Hand.

»Martin«, sagte Phillip, »du musst sofort in meinen Laden kommen.«

»Warum?«, fragte Martin. »Was ist los?«

»Ich bin mir nicht ganz sicher, ich brauche deine Hilfe, um das rauszufinden.«

»Ich bin gleich da.«

Gary blickte über Martins Schulter. »Wir sind alle gleich da.«

Phillip verdrehte die Augen. »Ist es zu spät, um zu sagen, dass du allein kommen sollst?«

»Ich komme allein«, erwiderte Martin.

Und Gary sagte: »Wir kommen alle allein.«

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