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Kapitel 10

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Nach ihrem Treffen mit Brit der Älteren erklärte Gwen ihnen, dass sie sich für den Empfang in einer Stunde fertigmachen musste. Sie rief einen der wahnsinnig gut aussehenden Wachmänner zu sich, der es fertigbrachte, in einer Art herbeizuhuschen, die unbestreitbar männlich wirkte. Er hielt weniger als einen halben Meter vor Gwen an, sah ihr tief in die Augen und fragte mit rauchiger Stimme: »Jawohl, Ma'am? Was kann ich für Sie tun?«

»Bitte geleiten Sie meine Freunde zu ihren Quartieren, und veranlassen Sie ihre Beförderung zum Empfang«, sagte Gwen.

Der Wachmann blickte kurz zu Martin und Phillip. Nicht wie ein Mann, der Leute zum ersten Mal trifft, sondern wie ein Mann, der das Gewicht zweier Mehlsäcke einzuschätzen versucht, die er schleppen soll. Er sah Gwen wieder in die Augen. »Wenn es das ist, was Sie wollen, werde ich das tun.«

»Gut. Das ist, was ich will.«

»Ist es das?«

»Ist es.«

»Ist das alles, was Sie wollen?«

»Ja.«

»Wirklich?«

Gwen runzelte die Stirn. »Ja, das ist alles, was ich will. Von Ihnen.«

Der Wachmann feixte, aber in seinen Augen zeigte sich Verwirrung. Martin bemerkte es. Er fühlte sich nicht verletzt, sondern war verwirrt. Der Wachmann sagte: »Dann wird es mir ein Vergnügen sein, diese«, der Wachmann hielt lange genug inne, um Martin und Phillip nochmals kurz von oben zu mustern, »diese Männer zu ihren Quartieren zu befördern.« Er beugte sich näher zu Gwen. »Falls Sie noch etwas von mir brauchen, ganz egal was, hoffe ich, Sie werden fragen.«

»Das wäre alles.« Gwen wandte sich Martin und Phillip zu und ihr Lächeln kam zurück, wenn auch nicht so strahlend wie zuvor. »Jungs, es ist einfach so schön, euch zu sehen.«

Phillip fragte: »Hey, Gwen, der Empfang – wie förmlich sollte unsere Garderobe sein?«

»Was ist das Schönste, das ihr dabei habt?«

»Wir haben uns beide einen schwarzen Anzug maßanfertigen lassen.«

Gwen lachte vor Erstaunen laut auf. »Wow. Stilvoll. Ich würde sagen, zieht den Anzug an, aber als oberste Schicht die Roben anstatt der Jacken. Die Robe oben geöffnet, wie bei einem Jackett, oder tragt die Robe ganz offen. Ach ja, Hüte und Stäbe nicht vergessen. Ihr werdet nicht zaubern müssen, aber es macht einfach mehr her. Wir sehen uns dort.« Damit drehte sie sich um und ging durch dieselbe Glasschiebetür, die Brit die Ältere benutzt hatte.

Die vier Männer auf der Terrasse, Martin, Phillip und die zwei Wachmänner, blickten ihr voller Zuneigung nach. Sobald die Tür sich hinter ihr geschlossen hatte, änderte sich das Verhalten der Wachmänner schlagartig. Der Wachmann, der den Auftrag erhalten hatte, sie zu ihrem Quartier zu bringen, sah den anderen Wachmann an und schüttelte verächtlich den Kopf. Der zweite Wachmann lachte freudlos und zuckte mit den Schultern.

Der Martin und Phillip zugeteilte Wachmann blickte zu ihnen hinab. Er war einen ganzen Kopf größer als Martin und hatte kein sichtbares Gramm Körperfett. »Folgt mir. Trödelt nicht.« Damit führte er die zwei Zauberer zu einer schmalen Treppe, die zum unterhalb gelegenen Park führte.

Das Gras war perfekt getrimmt. Die Bäume makellos gestutzt. Die Blumen und Büsche sorgfältig arrangiert und liebevoll gepflegt. Sie kamen an einem Gärtner vorbei, der in der Hitze schuftete. Er war jung und muskulös. Er trug einen Kilt und Sandalen, aber kein Hemd. Als er die näherkommenden Schritte vernahm, begann der Gärtner sich lässig umzudrehen, um zu sehen, wer sich näherte. Er beugte seinen Kopf etwas zur Seite, schürzte seine Lippen und hob seinen Blick, um durch seine langen Haare zu schauen, die ihm kunstvoll ins Gesicht gefallen waren. Er sah, dass die Schritte von einem Wachmann und zwei Männern stammten, und sofort sackte er wieder etwas in sich zusammen. Sein Gesichtsausdruck wurde säuerlich. Er suchte Blickkontakt mit dem Wachmann, der mit den Schultern zuckte und den Kopf schüttelte.

Martin beschleunigte seine Schritte, um zum Wachmann aufzuschließen, und sagte: »Hi!«

Der Wachmann sagte nichts.

»Also«, sagte Martin, »wie heißt du?«

»Egal«, antwortete der Wachmann.

»Ach, komm schon«, sagte Martin, »du musst doch einen Namen haben.«

»Habe ich, aber es lohnt den Aufwand nicht, ihn dir mitzuteilen. Was würdest du damit anfangen? Ihn benutzen, um mich zu grüßen, wenn du mich wiedertriffst? Was hätte ich davon? Ich müsste den anderen Männern erklären, wer du bist, was du bist und am allerschlimmsten, warum du mich so gut kennst, dass du meinen Namen benutzt.«

»Ich wollte nur ein wenig Konversation betreiben.«

Der Wachmann ließ sich das kurz durch den Kopf gehen, dann spottete er: »Tun das die Männer, da wo du herkommst? Konversation betreiben? Kreischt und kichert ihr auch wie das Weibsvolk?«

»Manchmal schon, schätze ich. Kommt drauf an, worüber wir uns unterhalten.«

Der Wachmann verzog das Gesicht. »Na, das erklärt es.«

»Erklärt was?«, fragte Phillip, der noch immer etwas hinter dem Wachmann herlief.

»Die, die euch hergebracht hat. Gwen. Stammt die auch von da, wo ihr herkommt?«

»Ja.«

»Tja, wenn sie Männer wie euch gewöhnt ist, ist es kein Wunder, dass sie noch keinen Diener erwählt hat.«

»Einen Diener?«, hakte Martin nach.

»Die Schamaninnen, die diese Stadt regieren, nehmen sich alle einen Diener, der sich um ihre Bedürfnisse kümmert. Manche mehr als einen. Brit die Ältere hat mehrere.«

»Was tun diese Diener alles?«

Der Wachmann sah Martin mit zusammengekniffenen Augen an. Phillip ging ein bisschen schneller, um näher an der Unterhaltung dran zu sein. Er war sehr neugierig, wo sie hinführen würde.

Der Wachmann wiederholte: »Er kümmert sich um ihre Bedürfnisse.«

Phillip fragte: »Und das ist bei den Männern hier eine begehrte Stelle?«

»Ja. Natürlich. Männer, die sich für geeignete Kandidaten halten, kommen von überall her zu den Schamaninnen von Atlantis, in der Hoffnung, erwählt zu werden.«

»Im Ernst? Euer höchstes Ziel ist es, ein Diener zu sein?«

»Bei einer Schamanin, ja. Ihre Fähigkeiten verschaffen einem Diener allen erdenklichen Luxus und das Ansehen der Erwählten ist unermesslich. Als Gegenleistung besteht die einzige Pflicht des Dieners darin, sich um die Bedürfnisse seiner Schamanin zu kümmern.«

»Kochen, Putzen und dergleichen?«, fragte Martin.

Der Wachmann schnaubte verächtlich: »Niemals! Dafür gibt es Knechte.«

Martin dämmerte langsam, was für Aspekte der atlantischen Gesellschaft Gwen gemeint hatte, auf die sie nicht stolz war.

Während das Trio den Rand des Parks entlangging, fiel Martin und Phillip auf, dass jede Arbeit, die in der Öffentlichkeit ausgeführt wurde, von einem großgewachsenen, grüblerischen Mann verrichtet wurde. Die Wachmänner, die Gärtner, die Nahrungsverkäufer, die Träger, alle waren Männer, alle sehr attraktiv und alle sichtbar enttäuscht über das Auftauchen von Martin und Phillip. Außerdem trugen die meisten kein Hemd – nicht mal, und das war besonders verstörend, die Nahrungsverkäufer.

Schließlich erreichten sie die Liftstation. Der Wachmann nannte es »die Seilbahn«, dabei gab es gar kein Seil, und nichts ähnelte einer Bahn. Es handelte sich einfach um eine offene Plattform, eingegrenzt von einem dünnen Geländer. Ein freier Pfad, den man als Bahn bezeichnen könnte, führte geradewegs die gekrümmte Wand hinauf, die die Stadt umschloss. Doch es gab keine Gleise, Kabel oder Zahnräder. Zuerst glaubte Martin, der Pfad sei in einem extrem dunklen Grünton gestrichen worden, dann erkannte er, dass er durchsichtig war, und dass er in den Ozean auf der anderen Seite der Schale schaute.

Sie warteten, während noch ein paar Männer die Plattform bestiegen, und sich so weit weg wie möglich von den Zauberern und ihrem Aufpasser stellten. Dann begann die Plattform, sich geräuschlos die Seitenwand der Stadt hochzuarbeiten.

Martin besah sich die Plattform, auf der er stand. Sie war milchigweiß und durchscheinend und hatte ein Gittermuster in die Oberfläche eingearbeitet. Für mehr Bodenhaftung, wie er vermutete.

Martin stampfte mit dem Fuß auf, lauschte den Vibrationen und spürte ihnen nach.

Er murmelte: »Auch Diamant?«

»Vielleicht«, sagte Phillip. »Oder vielleicht gehärtetes Glas, Pyrex oder etwas Ähnliches. Ich habe schon einige verschiedene Materialien hier gesehen, aber alle scheinen kristallin zu sein.«

»Macht Sinn. Es wäre leicht herzustellen mit ihrer Methode der Molekularkonstruktion, und die hergestellten Strukturen wären rein monolithisch.«

»Ja«, sagte Phillip, der wusste, worauf Martin hinauswollte. »So kann sie das Shell-Programm, oder wie auch immer ihre Version davon heißt, dazu benutzen, die Teile herumzuschieben, ohne Angst haben zu müssen, dass sie ihre strukturelle Integrität verlieren.«

»Das ist … das ist brillant«, sagte Martin.

»Ja, das muss ich zugeben, das ist es«, stimmte Phillip zu.

Martin und Phillip bemerkten, dass der Wachmann auf sie herabsah, sein Gesicht eine Fratze unverhohlener Verachtung. Martin wechselte das Thema.

»Du sagst also«, sagte Martin in seinem beiläufigsten verfügbaren Tonfall, »Gwen hätte noch keinen Diener ausgewählt.«

»Ja«, der Wachmann schaute weg, »das habe ich gesagt.«

»Und sie ist die einzige Schamanin, die noch keinen hat?«

»Ja.«

»Verstehe. Hast du auch versucht, Gwens Diener zu werden?«

»Wir alle haben versucht, ihr Diener zu werden. Wir versuchen noch immer, ihr Diener zu werden. Sie ist die begehrteste Frau von ganz Atlantis.«

»Tja, das kann ich verstehen. Sie ist bezaubernd.«

Der Wachmann lachte. »Wenn bezaubernd heißt, klein und seltsam zu sein und Kauderwelsch zu reden, so wie ihr beiden. Sie ist nur so begehrt, weil sie die einzige Schamanin ist, die noch keinen Diener hat. Nichts anderes. Irgendwann wird sie sich einen Diener aussuchen. Falls ich dieser Diener bin, wird meine schwerste Aufgabe in Zukunft sein, so zu tun, als ob ich ihre Gegenwart genieße.«

Sie fuhren einen Augenblick lang in betretenem Schweigen weiter, während sich die Plattform an der riesigen Schale von Atlantis entlangbewegte. Wenn man darauf achtete, sah man deutlich, dass die Häuserwände aus einem kristallinen Material bestanden, von einheitlich milchigweißer Farbe. Palmen, Fußwege und kleine Flecken weichen Grases auf den Dächern durchbrachen das Durcheinander der Gebäude, die sich an die stetig anteigende Wand anschmiegten.

Zum ersten Mal sprach der Wachmann, ohne direkt etwas gefragt worden zu sein: »Gwen stammt von da, wo ihr auch herkommt. Sagt mir, gab es dort einen Mann, den Gwen attraktiv fand?«

Martin beschloss, die Frage zu überhören.

»Ja«, sagte Phillip, »ja, den gab es. Wieso fragst du?«

Der Wachmann sah sich um, dann sagte er leise: »Wenn ihr mir beschreiben würdet wie der Mann war, den Gwen attraktiv fand, dann könnte ich mehr so sein wie er und so vielleicht Gwens Diener werden.«

»Verstehe«, sagte Phillip, der fast kichern musste vor lauter Entzücken, »das ist eine interessante Idee.«

»Dann werdet ihr mir helfen?«

»Ja«, sagte Phillip, »aber bevor ich dir helfen kann, sollte ich wenigsten deinen Namen erfahren.«

»Tut mir leid«, sagte der Wachmann. Er richtete sich auf und warf sich in die Brust, als ob er gleich das Bedeutsamste verkünden würde, das Phillip je zu hören bekommen hatte. »Mein Name«, sagte er mit tief vibrierender Stimme, »ist Ampyx.«

Phillip erwiderte: »Es ist mir ein Vergnügen, Ampyx. Mein Name ist Phillip.« Martin schaute weiter auf die vorbeiziehende Stadt und schüttelte den Kopf.

»Also, Phillip«, fragte Ampyx, »was kannst du mir über diesen Mann erzählen, den Gwen attraktiv fand?«

»Ich muss dir gar nichts erzählen. Du hast ihn getroffen. Es ist mein Freund Martin.« Phillip legte einen Arm um Martins Schultern, mit der anderen Hand präsentierte er ihn, wie ein Werbebotschafter in einer Gameshow ein neues Automodell. Ampyx musterte Martin mit einer unverhohlenen Mischung aus Entsetzen und Abscheu. Martin warf Phillip einen wütenden Blick zu. Phillip strahlte zurück.

Der Großteil des restlichen Wegs zu ihrem Quartier verlief schweigend. Ampyx achtete genau auf alles, was Martin machte. Martin versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie unangenehm ihm das war. Phillip hatte Mühe, nicht laut loszulachen. Die Plattform erreichte eine Station, ungefähr auf zwei Dritteln der Höhe der Schale. Ampyx führte sie von der Plattform auf einen breiten, grasbewachsenen Fußweg. Sie kamen vorbei an Geschäften für Essen, Kleidung und Gebrauchsgüter, alle klein und geschmackvoll, alle betrieben von gut aussehenden Männern. Ampyx stellte Martin einige Fragen, aber Martin verkniff sich jegliche Antwort und überhaupt jegliche Äußerung. Die einzige Frage, die eine Reaktion hervorrief, war die nach Martins Beruf. Martin antwortete knapp, er sei Zauberer, was einen ausdruckslosen Blick hervorrief.

»Du weißt schon, ein Zauberer«, sagte Martin. »Ich zaubere.«

Martin hatte erwartet, dass dies Ampyx mindestens beeindrucken würde. Martin lag falsch.

»Warum?«, fragte Ampyx.

»Warum was? Warum ich zaubere?«

»Ja, warum zauberst du?«, fragte Ampyx, als sei das die naheliegendste Frage der Welt.

Martin sah zu Phillip, der mit den Schultern zuckte. Schließlich antwortete Martin: »Warum sollte ich nicht zaubern. Würdest du nicht zaubern, wenn du könntest?«

»Niemals«, sagte Ampyx.

»Ja, warum denn nicht?«

Ampyx verzog sein Gesicht. »Zaubern … ist doch … Frauenarbeit.«

Martin starrte ihn einfach nur an. Phillip meldete sich zu Wort: »Dir ist klar, dass die gesamte Stadt hier mit Magie erbaut wurde.«

»Ja«, sagte Ampyx, »von einer Frau, was schon irgendwie eindrucksvoll ist. Ich will ja nicht respektlos gegenüber Frauen erscheinen. Irgendjemand muss das Zaubern erledigen, und sie sind einfach gut darin. Aber es ist keine angemessene Arbeit für einen echten Mann.«

»Und was ist angemessen für einen echten Mann?«, fragte Phillip.

»Schaut euch um und seht selbst«, antwortete Ampyx.

»Dinge bewachen, Blumen pflegen, Kleidung verkaufen, Essen servieren. Manche von uns schneiden Haare.«

»Männliche Arbeit«, sagte Phillip.

»Ja.«

Martin musste sich vergewissern, dass er richtig gehört hatte. »Was ist mit: Dinge bauen, Erfinden und Regieren?«

»Den Frauen scheint das zu gefallen, und sie sind gut darin«, sagte Ampyx. »Also lassen wir sie machen, während wir uns um die wichtigen Dinge kümmern.«

Sie erreichten schließlich ein Gebäude, das Martin und Phillip sofort als Hotel identifizierten. Drinnen teilte ihnen der schlanke, stattliche Mann an der Rezeption mit, dass man sie erwartet hatte. Er erkundigte sich bei der Leiterin des Hotels, die keine Schamanin war, wenn auch eine Frau, und teilte ihnen ihre Zimmernummer mit. Sie stiegen in einen Aufzug, der keine erkennbaren technischen Vorrichtungen besaß, sie aber dennoch von Stockwerk zu Stockwerk brachte. Ampyx verabschiedete sich, und sie betraten ihr Zimmer. Was sie vorfanden, machte sie so sprachlos, dass sie einen Augenblick vergaßen, ihre Koffer abzustellen.

Das Zimmer erstreckte sich über zwei Etagen. Eine Treppe führte zu einem Loft in der oberen Etage. Unten gab es ein Bett, ein Badezimmer und eine kleine Küche. Oben gab es ein weiteres Bett und noch ein Bad. Das Loft im oberen Stockwerk war nicht so tief wie das Erdgeschoss, wodurch es wirkte wie ein prachtvoller Balkon. Beide Etagen boten einen ungetrübten Ausblick durch die Rückwand des Zimmers, die gleichzeitig die Außenmauer der Stadt darstellte. Im Grunde genommen war eine komplette Seite ihres Zimmers ein riesiges, gebogenes Fenster in den Ozean. Die Klarheit des Meeres hier und in diesem Zeitalter bedeutete, dass sie sehen konnten, wie das Licht durch die Wasseroberfläche drang. Die Oberfläche selbst war eine endlose, wogende, silbrige Ebene von grenzenloser Ausdehnung. Fischschwärme zogen vor ihren Augen vorbei. Wenn sie nach unten blickten, sahen sie keinen Grund, nur einen Verlauf von hellem Blau über dunkleres Blau hin zu Schwarz.

»Wow!«, sagte Martin. »Das hatte ich nicht erwartet.«

Phillip riss sich los aus seiner erstaunten Erstarrung. »Ich hatte nicht erwartet, dass der Wachmann Ampyx heißt.«

Martin fuhr herum. »Ja, und ich hatte nicht erwartet, dass du ihm dabei helfen würdest, sich bei Gwen einzuschmeicheln.«

»Ach, beruhige dich«, sagte Phillip, »sich zu benehmen wie du, wird ihm gar nicht helfen, bei Gwen zu landen. Dir hat es ja offensichtlich auch nicht geholfen.«

»Soll es mir damit besser gehen?«

Phillip wuchtete seinen Koffer auf das Bett und begann auszupacken. »Nein, es soll die Wahrheit sein. Du musst Gwen aus dem Kopf kriegen. Wir haben größere Probleme.«

Martin sah sich um. »Was für Probleme? Dass es hier wunderschön ist?«

»Ganz genau«, sagte Phillip, »das gefällt mir nicht. Kein bisschen. Ich mag diese Stadt nicht und diese Brit die Ältere auch nicht. Irgendwas ist faul.«

»Sie schien dich jedenfalls zu mögen«, sagte Martin.

»Wie gesagt, faul.«

»Tja, wie Gwen gesagt hat, sie ist die Zukunftsversion ihrer selbst, vielleicht …«

Phillip unterbrach ihn. »Nein, Martin, sie ist nicht die Zukunftsversion ihrer selbst, sie ist eine gegenwärtige Version ihrer selbst, aus der Zukunft. Ich weiß, was du sagen wirst. ›Ihr beiden müsst euch in einer früheren Zeit schon mal begegnet sein.‹ Das wolltest du doch sagen?«

»Ja. Na und? Ihr beiden habt euch in der Vergangenheit getroffen und gut verstanden. Ist doch schön.«

»Nein«, sagte Phillip, »das ist nicht schön. Es wird nicht schön, und falls es schön wird, wird es alles nur schlimmer machen.«

»Du redest wirr«, sagte Martin.

»Nein, die Realität ist wirr. Ich beschreibe sie nur. Durch die Andeutung, dass wir uns treffen und uns gut verstehen werden, hat sie mir letztlich geradezu den Auftrag erteilt, sie zu treffen und mich gut mit ihr zu verstehen. Wenn ich sie jetzt also treffe, werde ich unterbewusst schon darauf geprägt sein, sie zu mögen, selbst wenn ich sie eigentlich gar nicht mag. Und das nur, weil es angeblich schon passiert ist.«

»Ah, ich sehe schon«, sagte Martin. »Du bist wieder auf deinem Freier-Wille-Trip.«

»Nicht wieder«, erwiderte Phillip. »Immer noch. Ich war es niemals nicht. Da kannst du dir sicher sein, ich werde für den Rest meines Lebens darauf bestehen, einen freien Willen zu besitzen.«

»Wenn du aber darauf bestehst, auf jeden Fall freien Willen zu haben«, sagte Martin, »dann ist das kein freier Wille. Wie ich dir immer sage, es ist keine Wahl, sondern ein Programm. Da könntest du genauso ein unbelebtes Holzschild sein, auf dem geschrieben steht ›Ich habe freien Willen‹.«

Phillip sah Martin einen Moment lang an, und sagte dann mit ungewöhnlich ruhiger Stimme: »Das stimmt. Das sagst du immer. Und was erwidere ich immer darauf?«

»Ich solle die Klappe halten.«

»Ganz genau.«

»Nichts davon beweist aber doch, dass einer von uns beiden freien Willen besitzt. Tatsächlich …«

»Martin?«

»Ja?«

»Halt die Klappe.«

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