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Die Kleine Karlsinsel Der Sturm

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Freitag, den 8. April

Die Wildgänse hatten die Nacht auf der nördlichen Spitze von Öland verbracht und waren nun, mit guter Geschwindigkeit, unterwegs zum Festland. Doch als sie sich den ersten Schären näherten, hörten sie ein gewaltiges Dröhnen, als kämen viele Vögel mit kräftigen Flügelschlägen geflogen, und plötzlich wurde das Wasser unter ihnen vollkommen schwarz. Akka hielt so schnell ihre Flügel an, dass sie fast in der Luft stehen blieb. Dann ging sie tiefer, um sich auf der Meeresfläche niederzulassen. Doch noch ehe die Wildgänse das Wasser erreichten, war der Weststurm heran. Er jagte Staubwolken, salzigen Schaum und kleine Vögel vor sich her, riss nun auch die Wildgänse mit, warf sie durcheinander und trieb sie hinaus aufs Meer.

Es war ein entsetzlicher Sturm. Immer wieder versuchten die Wildgänse, auf ihren Kurs zurückzukehren, doch sie schafften es nicht und gerieten nur noch weiter hinaus. Schon waren sie an Öland vorbeigetrieben, und das Meer lag leer und öde vor ihnen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als die Flügel anzuziehen und sich vom Sturm treiben zu lassen.

Als es Akka klar wurde, dass der Kurs nicht zu halten war, wollte sie wenigstens verhindern, dass sie über die ganze Ostsee gejagt würden, und ließ sich deshalb auf dem Wasser nieder. Der Seegang wurde mit jedem Augenblick heftiger, die Wellen waren seegrün und gischtgekrönt, eine türmte sich höher auf als die andere. Sie schienen einen Wettstreit auszutragen, wer von ihnen am höchsten steigen und am wildesten schäumen könnte. Aber die Wildgänse fürchteten sich nicht vor ihrem Schwall, im Gegenteil, sie schienen großen Spaß daran zu finden. Sie brauchten nicht zu schwimmen, sondern ließen sich einfach tragen, auf und ab, über Wellenkämme und durch Wellentäler, und freuten sich dabei wie Kinder auf einer Schaukel. Ihre einzige Sorge war, dass der Sturm die Schar zerstreuen könnte.

Doch die Wildgänse waren ganz und gar nicht in Sicherheit. Zum Ersten wurden sie durch die Schaukelei hoffnungslos müde. Ständig wollten sie den Kopf zurücklegen, den Schnabel unter den Flügel stecken und schlafen. Doch nichts ist gefährlicher, als auf diese Weise einzunicken, und Akka rief unaufhörlich: »Schlaft nicht, Wildgänse! Wer einschläft, wird von der Schar abgetrieben. Wer von der Schar abgetrieben wird, der ist verloren.«

Der Sturm tobte den ganzen Tag und richtete unter den Unmengen von Vögeln, die zu dieser Jahreszeit auf Reisen waren, furchtbaren Schaden an. Einige wurden weit weg in ferne Länder gejagt, wo sie verhungerten, andere ermatteten so sehr, dass sie ins Meer fielen und ertranken, und viele wurden an den Felswänden der Ufer zerschmettert.

Als der Sturm gar nicht aufhören wollte, bezweifelte Akka schließlich, dass sie und ihre Schar ihn überleben könnten. Sie waren nun todmüde, und nirgends war ein Platz zum Ausruhen zu entdecken. Gegen Abend füllte sich das Meer ganz plötzlich mit großen Eisschollen, die gegeneinanderkrachten. Aus Angst, davon zerquetscht zu werden, wagte es Akka nicht mehr, sich aufs Wasser zu legen. Ein paarmal versuchten die Wildgänse, sich auf die Eisschollen zu stellen, aber der wilde Sturm fegte sie hinunter ins Wasser.

Als die Sonne unterging, waren die Gänse wieder in der Luft. Sie fürchteten sich vor der Nacht und flogen weiter. An diesem Abend voller Gefahren schien die Finsternis allzu schnell über sie hereinzubrechen.

Der Himmel war von Wolken verdeckt, der Mond hielt sich verborgen, und es wurde dunkler und dunkler. Die ganze Natur war von einem Grauen erfüllt, das selbst die tapfersten Herzen entsetzte. Die Notrufe der Zugvögel gellten durch die Nacht. Im Meer stießen die Treibeisschollen mit lautem Dröhnen aneinander. Es war, als sollten Himmel und Erde zusammenstürzen.

Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden

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