Читать книгу Dame ohne König - Sigrid Ellenberger - Страница 6
16:00 Uhr (Schmerzende Füße, pochender Kopf, Laune auf dem Nullpunkt)
ОглавлениеKaum hatte ich die Haustür aufgeschlossen, klingelte auch schon das Telefon. Auf dem Display konnte ich sehen, dass ich bereits sieben Anrufe verpasst hatte: Susi, meine beste Freundin.
„Na, wie war's?“, platzte sie ohne Begrüßung heraus.
„Also … die Veraktung ging glatt über die Bühne. Schneiders sind echt nett aber...“
„Quatsch. Du weißt genau, was ich meine. Was hast du empfunden, als du IHN wiedergesehen hast?“, fiel sie mir ins Wort.
„Du meinst Klaus?“
„Nein, den heiligen Sankt Nikolaus! Natürlich meine ich Klaus.“
„Ich … also … ich...“ Ich stammelte wie ein Stotterer vor seiner ersten Sitzung beim Logopäden. Was sollte ich antworten? Die Wahrheit? Es tat weh. Sehr weh sogar. Ich konnte ihn kaum ansehen. Was unter anderem auch daran lag, dass Schneiders zwischen uns saßen. Mein sonst nahe der Ohnmacht liegende Blutdruck stieg auf Normalwerte während der Notar unser Haus übereignete. Ich war nahe daran, zu hyperventilieren und komplett die Nerven zu verlieren. Und ich war stinksauer auf Klaus. Am liebsten hätte ich ihm den Hals umgedreht, ihn einmal kräftig durchgeschüttelt oder gleich umgebracht.
„Oh, Susi, dieses Scheusal! Aber er sah einfach umwerfend aus! Wie macht dieser Dreckskerl das?“
Susi unterbrach mich.
„Koch schon mal einen Tee, ich bin gleich bei dir.“
Ich wusste: nach einem langen Gespräch mit Susi würde es mir viel besser gehen. Sie war immer, zu jeder Tages- und Nachtzeit für mich da.
Wir beide unterschieden uns wie Feuer und Wasser. Vielleicht waren wir genau deshalb die besten Freundinnen. Susi war Single. Und zwar der überzeugteste Single nördlich der Alpen. Sie hatte keinen Mann länger als zwei Monate; Überhaupt, was sich in Monaten ausdrücken ließ, war bei Susi schon rekordverdächtig. Sie sah umwerfend aus: lange, schlanke Beine, lange blonde Haare, irrsinnig lange pechschwarze Wimpern. Kurz, Heidi Klum hätte Susi unter die drei Topfavoriten ihrer Modelshow gewählt. Susi hätte mit der Bilderkollektion aus der Sendung locker ihren Flur tapezieren können.
Nun zu mir: Ich war das krasse Gegenteil von Susi: bodenständig, treu, solide, Mutter und Nur-Hausfrau. Meine Beine waren eher ein wenig kräftig geraten, meine Haare hatten wirklich gar keine klar zu definierende Farbe – irgendwo zwischen Nuss und Wal aber nicht Walnuss. Glatt und seidig waren Begriffe, die nie, niemals für meine Haare galten. Sie waren immer struppig, kraus und kein Haarschnitt dieser Welt konnte das ändern. Brauchte es auch nicht, ich trug eh immer nur einen Pferdeschwanz. Kurz: Ich war langweiliger Standard.