Читать книгу Dame ohne König - Sigrid Ellenberger - Страница 8
09:00 Uhr (noch ohne Frühstück und mit ungekämmten Haaren)
ОглавлениеAm nächsten Morgen lag ein amtlich aussehender Brief in meinem Briefkasten: Absender Dr. May, Rechtsanwalt. Mir zitterten schon die Finger beim Öffnen – irgendwie war ich wahnsinnig sensibel geworden.
Nein!
Ich konnte kaum glauben, was ich da las. Klaus ließ mir mitteilen – hätte er es mir selbst gesagt, wäre ich ihm ins Gesicht gesprungen – dass er nicht länger bereit war, die, ich gebe zu, nur mündlich vereinbarte Summe, weiterhin an mich zu zahlen. Außerdem bestand er darauf, dass ich ihm die Kreditkarte von unserem Gemeinschaftskonto zurückgab.
So eine Unverschämtheit! Was fiel diesem knauserigen Typen überhaupt ein? Ich war wütend. Ich war empört. Ich kochte vor Wut.
Und es fiel mir wie Schuppen von den Augen: ich war pleite!
Ohne dieses Geld konnte ich mir mit den einfachsten mathematischen Grundkenntnissen ausrechnen, wann mein Erspartes aufgebraucht war und ich im wahrsten Sinne bei den fünfzehn Prozent von Armut betroffenen Deutschen mitgezählt würde. Soviel zur Statistik.
Ich rief, wie immer, wenn es mir mies ging, Susi an. Ihr Wortschatz an Schimpfwörtern übertraf meinen um Welten. Kurz: sie war ebenso empört wie ich.
„Dieser knauserige Dreckskerl! Lässt dich sitzen und weigert sich dann auch noch zu zahlen. Wahrscheinlich bekommt er sogar noch Recht! Hast du eigentlich einen Anwalt? Sonst bist du hoffnungslos verloren!“
Ja, das klang richtig aufbauend.
„Constanze, denk' positiv!“, mischte sich Klein-Ego, mein kleiner, vorlauter Schweinehund, der es sich in meinem Kopf gemütlich gemacht hatte, ein.
Positiv? Bitte, was soll daran positiv sein, wenn dir dein Ex-Traummann zum Albtraum wird, den Geldhahn abdreht, du gezwungen wirst, aus deinem Traumhaus auszuziehen und du nur von seinen blauen Augen träumst? Scheiße!
„Oh, tun wir uns heute aber wieder leid!“ faselte er mir schon wieder in meine Gedanken rein.
„Halts Maul, kleiner Mistkerl!“
„Wie bitte?“ Susi war immer noch am anderen Ende der Leitung.
Oh, ich hatte laut gesprochen. So weit war es schon. Waren das schon erste Anzeichen für Alzheimer? Oh mein Gott.
„Ich meine, ich könnte mir einen Job suchen“, sagte ich zu Susi. „Ich muss ja sowieso in spätestens vier Wochen hier ausziehen, vielleicht mache ich dann einfach einen ganzen Schritt und verändere mich. Neuer Job, neue Wohnung, neue Gegend.“ Hatte ich wirklich „einfach“ gesagt?
Ich hörte Susi grinsen.
„Was ist?“ fragte ich „meinst du, ich könnte das schaffen?“
„Verdammt, Constanze, hat der Kerl dir eigentlich deine ganze Selbstachtung gestohlen? Sieh dich an: du hast schon viel mehr geschafft: dein Studium, deine Kinder und diesen – das Wort betonte sie ganz besonders – Mann. Dich kann wirklich nichts mehr umhauen, glaub mir.“
Susi schaffte es, mein Selbstbewusstsein auf das Niveau einer Hundehütte zu heben.
„Nun, dann packen wir es mal an!“ Ich fühlte mich so tapfer, wie das kleine Schneiderlein.
Zum Nachdenken und Grübeln blieb zum Glück nur wenig Zeit. Ich gewöhnte mir an, jeden Montag die Stellenanzeigen zu studieren, jeden Mittwoch und jeden Freitag die Immobilienangebote mit Textmarker zu versehen und dazwischen mit den Zeitungen aus der Vorwoche das ganze Geschirr einzupacken. Swenja konnte ich in der Ganztagsgruppe des Kindergartens anmelden – es gab tatsächlich eine ganze Gruppe mit Kindern, deren Eltern getrennt waren. Julia durfte jeden zweiten Tag meine Mutter besuchen. Hoch leben Omas, die im gleichen Ort wohnten.
Mir blieb nur die Hoffnung – die stirbt ja bekanntlich zuletzt – dass sehr bald wieder ein geregeltes Familienleben stattfinden würde. Ganz sicher war ich mir nur in einem Punkt: unser Leben würde definitiv ohne Klaus weitergehen. Auf diese Einsicht war ich sehr stolz! Seine Kinder interessierten ihn nicht mehr, ich interessierte ihn nicht mehr und die Reste unseres gemeinsamen Lebens verpackte ich gerade in Altpapier.