Читать книгу Die Seele als Coach - Silke Freudenberg - Страница 30
Trauer und Tod als Teil unseres Schmerzkörpers
ОглавлениеIch hatte gerade von einem Seelencoach-Freund die Nachricht bekommen, dass Francisco, unser spanischer Musiker aus einer Seelencoach-Gruppe, mit 34 Jahren in der Nacht gegangen ist. Ich hatte zu genau jener Zeit heftiges Herzklopfen und konnte nicht schlafen. Dieser sanfte Mensch ist nicht mehr unter uns. Ein Teil von mir kann es nicht glauben. Ich würde ihn gern sehen. Eine Engelkerze brennt dankbar für ihn. Meine Liebe fließt zu ihm hin, für sein Dasein und für seine Reise.
Auf einmal spüre ich, wie viele Menschen ich schon gehen lassen musste. Einige konnte ich begleiten, andere gingen still oder plötzlich. Ich habe Mütter begleitet, die ein Kind verloren haben, Kinder, deren Eltern durch Unfall oder Selbstmord starben. Partner, die auf einmal allein, hilflos dastanden. Junge Menschen mit leidvoller Krankheit oder mitten aus dem Leben gerissen. Ich würde Ihnen gern von ihnen erzählen.
Tod und Vergänglichkeit waren für mich oft wie eine Wand. Ich malte einmal ein großes Bild mit blühenden Orchideen, klar, wie fotografiert, doch mit Seele, Herz und purer Essenz. Als das Bild fertig war, überkam mich eine unbezwingbare Traurigkeit, und ich musste stundenlang weinen. Solch reine Schönheit, solche wundervollen Blüten vergehen in ein paar Tagen oder Wochen. Wozu dann überhaupt noch malen – auch mein Bild wird nicht auf ewig bestehen. Alles, was eine Form hat, ist vergänglich. Alles, was wir lieben, müssen wir wieder loslassen. Diese Erkenntnis war für mich, als würde mir etwas aus dem Herzen gerissen. Ich nahm Malmittel für die Ölfarben und begann, zart wie ein Streicheln, über das Bild zu fahren. Dadurch wurden die Orchideen weicher und weicher, und wie meine Tränen lief das Malmittel auf der Leinwand hinunter. Die Frage nach dem Sinn hämmerte in meinem Kopf. Wozu, wenn alles vergeht? Ich hatte dieses Bild entstehen lassen, geboren, und ich ließ es unter Tränen gehen. Es heilte viel von diesem unsäglichen Schmerz. Ich weiß nicht wie, doch es heilte.
1999 wurde ich während einer schweren Operation zwei Mal reanimiert. Ich war lange fort und machte Erfahrungen auf der anderen Seite. Ich erlebte vollkommene Geborgenheit und Liebe und ein Eintauchen in Licht und Freude. Die Gewissheit meiner Seele war da, und dann ein Zug zur Erde. Einfach so eine Wendung und ein Zug von Liebe zu den Menschen. Dann war ich wieder zurück … freiwillig. Ich kann niemals mehr infrage stellen, was ich erlebt und gefühlt habe, und dass ich es gewählt habe, hier zu sein.
Zum Verlust lieber Weggefährten sagt meine Seele meinem Menschsein: »Es war ihre Zeit zu gehen.« Tröstet das? Ja, doch es braucht seine Zeit. Und dennoch kann ich mit Bachs Worten aus seinem Tagebuch mitfühlen: »Heute starb meine Frau und sechs meiner Kinder. Bitte Gott, nimm mir nicht noch meine Glückseligkeit.« Er deutet an, dass dieser Raum des Göttlichen erlebbar ist, in dem die Freude bleibt im größten Leid. Auch Meister Eckhart weist uns in dieselbe Richtung. Ich erlebe viele Momente, in denen ich diese Wahrheit fühlen kann: Der Raum, in dem es keine Trennung gibt, ist bei mir. Oder ich bin in ihm. Es darf beides da sein. Ich achte voller Mitgefühl das Menschsein und somit jedes Gefühl. Auch die Trauer. Sie ist nicht von der Freude isoliert. Die Ewigkeit, die hinter allem steht, durchströmt alles.
In meiner Arbeit begegnen mir oft Menschen, die sozusagen spirituell unterwegs sind und viele »Rosa-Wolken-Vorstellungen« im Kopf haben. Oft umhüllen sie einen Schmerz, Kummer oder Trauerfall mit dieser rosa Watte. Sie verleugnen ihr menschliches Gefühl, zum Beispiel den Schmerz und die Trauer als Mutter beim Tod ihres Kindes. Es ist ihre Freiheit, damit umzugehen, wie sie möchten, und vor allem, wie sie es können. Doch dadurch werden sie nicht wirklich frei.
Energiemeditation: »Wer oder was bin ich wirklich?«
Für diese Fühl-Übung möchte ich die direkte Ansprache, das »Du«, benutzen, da die Worte so leichter ins Unterbewusstsein eingehen. In meinen Seminaren leite ich solche Übungen oder Meditationen frei und spontan an. Es ist zu Beginn ein Impuls da, und diesem folge ich. Bei dieser meditativen Übung folgte ich der Inspiration, dass jeder der Teilnehmer aus seinem eigenen wahren Wesen auf sein jetziges Leben blicken sollte. Wie Schauspieler in verschiedene Rollen eintauchen und sie zum Leben erwecken, können auch wir auf unsere derzeitige Lebenssituation blicken, ohne dass sie mit unserem wahren Leben übereinstimmt. Wir glauben schließlich im Film fast, dass Robert Redford ein Pferdeflüsterer ist, obwohl wir wissen, dass er auch andere tolle Rollen gespielt hat. Oder wer ist Tom Hanks? Der Mann aus Schlaflos in Seattle oder doch eher der aus Forest Gump? Doch ebenso wenig wie sein wahres Leben mit seinen Rollen übereinstimmt, sind auch wir nicht identisch mit unseren Geschichten. Durch diese Übung können Sie anders auf Ihr jetziges Leben schauen. Überprüfen Sie, ob Sie sich bei dieser Übung begleiten lassen möchten, vielleicht von Ihrem Partner, einem Freund oder einer Freundin.
Bitte gehe langsam durch den Raum. Achte bewusst auf deine Schritte, und spüre den Boden unter deinen Füßen. Komme an einem Platz zur Ruhe, der sich für dich stimmig anfühlt. Fühle dich in diesen Platz ein.
Schließe deine Augen, und beginne ganz bewusst, deinen Atem wahrzunehmen. Verändere nicht seinen natürlichen Rhythmus. Sei einfach da, und lass den Atem kommen und gehen.
Bitte deine Seele jetzt bewusst um Begleitung, und atme die liebevolle Wärme deiner Seele ein. Wenn du sie noch nicht direkt spüren kannst, atme einfach flüssiges, warmes Gold ein. Lass dieses Gold deinen Brustraum durchströmen. Mit jedem Atemzug erfüllt es deinen Bauch. Lass dieses Gold jetzt weiterfließen in deine Arme und Beine. Das Gefühl, dass dir deine Seele ganz nah ist, wird immer mehr zu dem Gefühl, dass du dir selbst ganz nah bist.
Schau mit geschlossenen Augen von dort aus auf dein Leben. Betrachte dich, das kleine Mädchen oder den kleinen Jungen, der du einmal warst. Beobachte dich einfach von deiner Seelenebene aus. Bleibe weiter mit deinem Atem in Kontakt.
Begib dich jetzt mit einem kleinen Schritt nach vorn oder zur Seite in das Kind hinein, das du einmal warst. Spüre, was sich dabei in dir bewegt. Was macht diese Position mit deinem Körper? Beobachte, wie sich dein Bauch anfühlt. Wie sicher stehst du? Wirst du wacklig auf den Beinen?
Dieses Kind lebt in dir. Es wächst auch mit dir. Nimm ohne Bewertung alle Regungen in dir wahr, und geh dann an die Stelle zurück, wo du wieder einfach nur mit deiner Seele atmest.
Nach einem Moment taucht in deiner Vorstellung deine Geburt auf. Betrachte einfach weiter, und spüre, ob sich etwas verändert. Nimm zur Kenntnis, ob dein Herz zu klopfen oder sogar zu rasen anfängt. Bekommst du gut Luft, oder nimmt dir etwas den Atem?
Begib dich mit einem Schritt in deine Geburt. Du bist jetzt das noch ungeborene Wesen, das in ein neues Leben gehen will. Gibt es einen Zug nach vorn in dieses Leben oder eher ein Gefühl der Angst? Gibt es einen stärkeren Sog zurück?
Nimm dich dann als neugeborenes Baby wahr. Fühlst du dich in diese Welt geworfen, oder bist du glücklich, es hierher geschafft zu haben? Betrachte ohne Wertung, was da ist, dann tritt wieder zurück in deine heutige Seelenpräsenz. Spüre deinen Gefühlen nach, bis es still und ruhig in dir ist.
(Pause)
Lass nun vor dir eines deiner schönsten Leben erscheinen. Schau nur, wie leicht du dich fühlst und wie alles voller Freude ist. Wie hast du damals gelebt? Hattest du Kinder? Was hast du gearbeitet? Welche besonderen Fähigkeiten hattest du? In welcher Gemeinschaft warst du? Bestaune einfach, was sich dir zeigt.
Genieße diesen Moment, und danke ihm. Spürst du ein Lächeln? Nimm es auf in dein Herz. Dann begib dich von deinem Lächeln erfüllt wieder in deine Seelenpräsenz.
(Pause)
Die nächste Erfahrung wartet. Begib dich in ein Leben voller Trauer und Kummer. Vielleicht warst du krank, hast schwer gelitten und musstest liebe Menschen zurücklassen. Oder du hast einen schrecklichen Verlust erfahren, sodass es dir fast das Herz brach. Nimm dir Zeit, diese Erfahrung von deiner heutigen Position aus zu betrachten.
Sei dir deiner Seelenverbindung bewusst, bevor du einen Schritt nach vorn machst, in diese traurige Situation hinein. (Begib dich nur dann allein dort hinein, wenn du dich sicher fühlst. In einer angeleiteten Gruppe habe ich jeden Teilnehmer im Blick und könnte reagieren, wenn es nötig werden sollte.)
Sei ganz klar mit der Liebe deiner Seele verbunden, und lass diese Liebe deine Erfahrung durchdringen.
Ist die Situation zu überwältigend für dich, begib dich mit nur einem Schritt zurück in deine heutige Seelenpräsenz. Darin bist du geborgen, geschützt und handlungsfähig. In dieser anderen Erfahrung warst du hilflos und konntest nichts tun. Spüre in dich hinein.
Wieder zurück in deiner Seelenpräsenz, versuche nur durch Fühlen zu ergründen, wer und was du bist. Eine Seele, die in Erfahrungen eintaucht. Nimm wahr, dass du immer wieder zu dir zurückfinden kannst.
Wenn du deine Seele kraftvoll spürst, betrachte deine verschiedenen Todeserfahrungen. Der Tod als Übergang nach Hause ist einfacher als die Geburt. Du hast schon auf unterschiedlichste Arten diesen Übergang gewählt. In deinem Körper-Geist-Seele-System sind alle Tode abgespeichert. Besonders traumatische Tode können ein Grund für deine heutige Angst vor dem Tod sein. Diese Angst hindert dich aber auch daran, voll und ganz zu leben.
Vor dir erscheint vielleicht ein Anteil, der abgestürzt ist und so sein Leben beendete. Oder erspürst du einen Anteil, der einmal durch Feuer zu Tode kam? Hast du heute noch ein zwiespältiges Gefühl zu Feuer? Gibt es in deiner Seele die Erfahrung, einmal ertrunken oder erstickt zu sein? Gibt es in deinem Körper noch einen alten Schock von einem Unfall, bei dem du gestorben bist? Spüre kurz nach, was dich berührt und welche Situationen wie ein Film vor dir ablaufen. Vielleicht die unheilbare Krankheit eines Menschen. Hattest du selbst schon einmal so ein Schicksal, dass dir der Tod schleichend, langsam, unausweichlich vor Augen stand? Vielleicht hast du in Gefangenschaft auf den Hinrichtungstod warten müssen, oder du bist durch Folter umgekommen. Erlebe alles wie ein Schauspieler in seiner Rolle.
Betrachte aus deiner Seelenperspektive diese Todeserfahrungen. Sei achtsam, was du in deinem Körper spürst. Erstickungsangst? Ohnmacht? Sind in deiner Erinnerung Kriegstode abgespeichert, hast du heute noch ein ungutes Gefühl, verfolgt zu werden? Oder kannst du niemandem vertrauen und witterst ständig Verrat? Wenn ein Teil von dir jemals einen Hungertod erlebt hat, reagiert dein Körper rasend bei jeder Diät.
(Pause. Während der Übung im Seminar spiele ich aufwühlende Musik.)
Es reicht, diese Anteile einfach zu betrachten. Übe dich in diesem stillen Gewahrsein. Betrachte alles, was dir passiert ist, auf diese Weise. Du bist da und schaust gelassen darauf. Dein Körper kann dir Antworten geben. Dein Atmen kann alles in Liebe und Frieden hüllen.
Betrachte auch die Dinge, die jetzt in deinem Leben passieren, aus deiner Seelensicht. Du bist in deiner Seele nicht das, was gerade passiert. Wie in vergangene Erfahrungen kannst du dich hinein- und herausbewegen. Bleibe in der Seele und nicht in der Erfahrung. Hast du als Mensch das Gefühl, dich in der Erfahrung zu verlieren? Versuche, bewusst zu bleiben, und verstricke dich nicht in Schmerz, Spiele und Abhängigkeiten. Dies ist nicht gleichbedeutend mit Distanz. Es bedeutet, bei allem, was du erlebst, mit der Stille verbunden zu sein.
(Pause. Im Seminar spiele ich nach einigen Minuten leise, liebevolle Musik. Behutsam wurden wir am Ende dieser Energiemeditation von ihren Klängen getragen.)