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Er mußte schnell arbeiten. Er hatte nicht ganz zwei Monate bis zur drohenden Hochzeit vor sich.

Ob er Lulu mit jemand zusammenbringen und erwischen könnte? Wie wär's mit Floyd Naylor? Der Idiot liebte sie.

Er verbrachte so viel Zeit in Schoenheim, wie ihm nur möglich war, nicht nur mit Lulu, auch mit Floyd. Er ließ alle strahlende Wärme, die er aufbringen konnte, auf Floyd wirken und machte diesen vertrauensseligen Bauerntölpel aus einem Feind zu einem bewundernden Freund. Eines Tages, als Floyd und er zusammen zur Draisine gingen, schnurrte er:

»Weißt du, Floyd, eigentlich ist es ja 'ne Schande, daß Lu mich heiratet, und nicht dich. Du bist so ruhig und arbeitsam und geduldig. Ich komm' so leicht in Hitze.«

»Ach Gott, nein, ich bin nicht gescheit genug für sie, Elmer. Sie muß schon einen Menschen mit Bücherwissen heiraten, wie dich, einen, der sich auch fein anzieht, damit sie in die Gesellschaft und das alles kommen kann.«

»Aber ich glaub', du hast sie selber recht gern gehabt, was? Mußt du ja auch! Das süßeste Mädel auf der ganzen Welt. Du hast sie bißchen gern gehabt?

»Ja, ich glaub' schon. Ich – ach, also, verflixt, ich bin nicht gut genug für sie, Gottes Segen mit ihr!«

Elmer machte kein Hehl aus seiner zärtlichen Zuneigung für Floyd und aus seiner Bewunderung für die guten Eigenschaften und das schöne Singen des jungen Manns. (Floyd Naylor sang ungefähr so, wie man es eben von Floyd Naylor erwarten konnte.) Elmer sprach von ihm als seinem künftigen Vetter und wollte viel mit ihm zusammen sein.

Er pries Lulu und Floyd einander an und ließ sie zusammen, so oft er es bewerkstelligen konnte, schlich aber zurück, um sie durchs Fenster zu beobachten. Doch zu seiner Entrüstung saßen sie ganz einfach da und unterhielten sich.

Dann hatte er eine Woche in Schoenheim, die ganze Woche vor Ostern. Die Schoenheimer Baptisten machten in ihrem Abscheu vor allem Papismus von Ostern nicht viel als Ostern her; sie nannten es »Christi Auferstehungsfest«, hielten aber in der Zeit, welche die Ketzerwelt als Karwoche kennt, gern täglich Meetings ab. Elmer wohnte bei den Bains' und arbeitete mächtig sowohl gegen die Sünde wie gegen seine Ehe. Er war so außerordentlich rührig und beredt, daß er zwei sechzehnjährige Mädchen aus ihren Sünden führte und das abschreckende Beispiel der Nachbarschaft bekehrte, einen Patriarchen, der gegorenen Apfelmost trank und seit zwei ganzen Jahren nicht bekehrt worden war.

Elmer wußte jetzt, daß Floyd Naylor, wenn er auch nicht mehr gerade eine Jungfrau war, in seinen Taten und seinem Mut weit hinter seinen Wünschen zurückblieb, und machte sich an die Arbeit, diesen Mut anzustacheln. Er ging mit Floyd auf die Weide hinaus und erzählte, nachdem er huldvoll zugegeben hatte, daß ein Prediger von solchen Dingen vielleicht nicht reden sollte, von seinen amourösen Eroberungen, bis Floyds Augen hungrig hervorquollen. Dann führte Elmer unter gekicherten Entschuldigungen die Sammlung vor, die er seine Künstlerphotographien nannte.

Floyd verschlang sie. Elmer mußte sie ihm leihen. Das war an einem Donnerstag.

Gleichzeitig entzog Elmer Lulu die ganze Woche hindurch die Zärtlichkeiten, nach denen es sie verlangte, bis sie verzweifelt war.

Am Freitag hielt Elmer anstatt der Abendandacht eine Morgenandacht ab und richtete es so ein, daß Lulu, Floyd und er ein Picknickabendbrot im Ahornwäldchen nahe beim Bainshaus haben konnten. Er schlug es idyllisch scherzend vor, und Lulu strahlte auf. Als sie mit ihren Körben zum Wäldchen gingen, seufzte sie ihm hinter Floyd zu: »Oh, warum bist du so kalt gegen mich gewesen? Hab' ich dich wieder geärgert, Lieber?«

Brutal schnauzte er sie an: »Ach, winsel doch nicht immer so verdammt herum! Kannst du dich denn nicht benehmen, als ob du etwas Verstand hättest, wenigstens einmal?«

Als sie das Abendbrot auspackten, konnte sie sich kaum vor Schluchzen halten.

In der Dämmerung wurden sie mit dem Essen fertig. Sie saßen still da, Floyd sah Lulu an, wunderte sich über ihre Bekümmertheit und schielte nervös auf ihre hübschen Fesseln.

»Ich muß reingehen und paar Notizen für meine morgige Predigt machen. Nein, ihr zwei wartet hier auf mich. Angenehmer draußen in der frischen Luft. In 'ner halben Stunde bin ich wieder zurück«, sagte Elmer.

Unter großem Lärm entfernte er sich durch das Gebüsch; dann kroch er leise zurück und stellte sich hinter einen Ahornbaum in ihrer Nähe. Er war stolz auf sich. Es klappte. Schon schluchzte Lulu ganz offen, während Floyd sie tröstete: »Was ist denn, Kind? Was ist denn, Liebe? Sag mir's.«

Floyd hatte sich näher an sie herangeschoben (Elmer konnte die beiden gerade noch sehen) und sie legte ihren Kopf an seine vetterliche Schulter.

Bald war Floyd dabei, ihr die Tränen wegzuküssen, sie schien sich näher an ihn zu schmiegen. Elmer hörte ihr gemurmeltes: »Oh, du solltest mich nicht küssen!«

»Elmer hat gesagt, ich soll von dir wie von einer Schwester denken, und ich kann dich küssen – ach du lieber Gott, Lulu, ich hab' dich ja so schrecklich lieb!«

»Oh, wir dürfen nicht –« Dann Schweigen.

Elmer jagte in den Scheunenhof, fand Diakon Bains und forderte barsch: »Kommen Sie! Sie sollen sehen, was Floyd und Lulu machen! Stellen Sie die Laterne weg. Ich hab' eins von den elektrischen Dingern da.«

Er hatte eines. Er hatte es eigens für diesen Zweck gekauft. Er hatte auch einen Revolver in der Tasche.

Als Elmer und der entsetzte Mr. Bains über sie kamen, sie im Lichtkreis der elektrischen Taschenlampe sahen, waren Lulu und Floyd in einen endlosen Kuß vertieft.

»Dal« heulte der beschimpfte Elmer. »Jetzt sehen Sie, warum ich gezögert habe, mich mit diesem Weib zu verloben! Ich hab' schon lange den Verdacht gehabt! Oh, Greuel – Greuel, und die ihn begeht, soll vertilget werden!«

Floyd sprang hoch, ein bissiger Hund. Elmer hätte zweifellos mit ihm fertigwerden können, aber es war Diakon Bains, der Floyd mit einem rasenden Hieb zu Boden schlug. Dann wandte sich der Diakon zu Elmer um, mit den ersten Tränen, die er seit seiner Knabenzeit kannte: »Vergeben Sie mir und den Meinen, Bruder! Wir haben gegen Sie gesündigt. Das Weib da soll immer dafür leiden. Sie wird mir nie wieder ins Haus kommen. Sie wird, bei Gott, Floyd heiraten. Und der ist der hilfloseste, verdammt blödeste Bauer in zehn Provinzen!«

»Ich gehe. Ich kann das nicht ertragen. Ich werd' Ihnen einen anderen Prediger schicken. Ich will nie einen von Euch wiedersehen.«

»Ich kann Ihnen keinen Vorwurf daraus machen. Versuchen Sie uns zu vergeben, Bruder.« Der Diakon schluchzte jetzt, es war ein mühsames qualvolles Schluchzen, ein empörtes Schluchzen der Wut.

Das letzte, was Elmer im Licht seiner elektrischen Lampe sah, war Lulu, außer sich, mit hochgezogenen Schultern, im Gesicht entsetzten Wahnsinn.

Sinclair Lewis: Die großen Romane

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