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Kapitel 4 Amman, Dezember 2022

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Job und Wohnung waren gekündigt, ich fühlte mich befreit und ein wenig berauscht. Mein Abenteuer begann. Kaum im Flugzeug, wurden wir von einer freundlichen Stewardess mit einem Glas Champagner begrüßt. Das Essen an Bord hat mir überraschend gut geschmeckt. Es gab eine Vorspeise aus grünem Spargel, gegrillten Auberginen mit Salat, Toast mit frischer Knoblauchbutter, Briekäse, gefolgt vom Hauptmenü, einem Rinderragout mit gebratenen Tomaten und Reis. Zum Abschluss wurde uns Schokoladeneis mit Sahne und Bananen gereicht. Die Sitze in der Businessclass waren bequem und die Luft im Innenraum der Kabine nicht zu trocken. Majid schlief meistens in seinem Sitz oder zappte durch die ausgestrahlten TV-Programme. Ich las Zeitschriften. Einige Frauen im Flugzeug trugen einen Schleier. Ich beobachtete sie verstohlen. Nichts für mich, aber es sah nicht schlecht aus.

Nach etwas mehr als vier Stunden Flug landeten wir endlich auf dem Queen-Alia-International-Airport in Amman. Bei der Einreise ging es schneller, als ich erwartet hatte. Der neue Identitychip zahlte sich aus, da wir sofort abgefertigt wurden. Nach kurzen Formalitäten durften wir den Flughafen verlassen. Meine Beine brauchten Bewegung. Erwartungsvoll schaute ich mich um, saugte förmlich die ersten exotischen Eindrücke in mich auf, genoss den Augenblick. Der Wind strich leicht über mein vom Schlaf zerzaustes Haar. Ich zog meine Kleidung in Form und tippelte aufgeregt hinter Majid zum nahe gelegenen Taxistand.

Die Märchen aus Tausend und einer Nacht habe ich als Kind verschlungen. Jetzt war ich mittendrin! Ich war unendlich gespannt auf die neue Welt, auf die farbenprächtigen Suks und imposanten Moscheen, unbekannte Gewürze und berauschende fremde Düfte. Traumhafte Palmenwälder, paradiesische Gärten, bedrohliche Wüsten und gewaltige Bergketten, exotische Tiere und pittoreske Städtchen. Ob ich vielleicht doch einen fliegenden Teppich irgendwo über unseren Köpfen schweben sehen werde? Oder einmal auf Ali Baba und die vierzig Räuber treffe? Ich lächelte schelmisch. In meinen Gedanken war ich bereits tief in meiner Traumwelt versunken. »Pass auf!«, rief mir Majid entgegen, als ich über seinen Fuß stolperte.

Am Taxistand rief ich noch schnell meine Mutter an, um zu berichten, dass wir einen guten Flug hatten und gerade gelandet waren. Für lange Gespräche war jetzt nicht die richtige Zeit. Ich versprach, mich bald wieder zu melden und verabschiedete mich rasch, wollte nichts von den neuen Eindrücken verpassen.

Der Sonnenuntergang hüllte die Kuppeln der Moscheen und Minarette in ein rosarotes Licht. Am Himmel war keine einzige Wolke zu sehen. Ich zog die besondere Luft des Orients tief in meine Nase ein. Amman gehört zu den am längsten ständig bewohnten Städten der Welt. Heute leben über drei Millionen Menschen in der immer moderner werdenden Stadt, die ursprünglich auf sieben Hügeln erbaut worden war und sich inzwischen über zweiundzwanzig Hügel ausdehnt. Das las ich im Flugzeug in meinem Jordanien-Reiseführer. Das Moderne vereinte sich hier mit dem Traditionellen und das faszinierte mich so an Majids Stadt.

Majid handelte gerade mit dem Taxifahrer den Fahrpreis aus. Endlich waren alle Taschen und Koffer im Kofferraum verstaut. »Yalla!« (Los geht’s!), befahl mein Mann.

Die Sonne versank vollständig am Horizont. Die Stadt tauchte in der Dämmerung unter und uns erwartete ein besonderes Schauspiel. Ein pulsierendes Lichtermeer ließ sie erstrahlen.

Nach circa fünfzig Minuten erreichten wir unser Ziel, Majids Haus in Dahyet Al Amir Rashed, ganz in der Nähe vom Daboug Business Centre. Eine Horde kleiner, schmutziger Kinder auf der Straße schaute mich neugierig an.

Seine Familie wartete bereits vor dem Haus. Asma, Mutter von Majid, Moona, die älteste Schwester von Majid, gefolgt von Fawiza, seiner mittleren Schwester und schließlich Alia, die jüngste Schwester. Alle Frauen waren verschleiert, steckten in tiefschwarzen Gewändern und schwarze Kopftücher bedeckten vollständig ihr Haar. Die Augen der Schwestern betonte ein dicker Kajalstrich. In ihren Blicken sah ich verhaltene Neugierde, als sie sich fast wie auf Kommando ihre Kopftücher tiefer ins Gesicht zogen.

Es war nicht anders zu erwarten, Majid hatte mir bereits in Offenbach beiläufig erzählt, dass der weibliche Teil seine Familie nie ohne sich zu verhüllen das Haus verließ. Als ich fragte, ob auch ich mich verschleiern müsse, hatte er schnell und mit Nachdruck geantwortet: »Aber nein, meine Schöne, natürlich nicht! Du bist eine Ausländerin, eine Europäerin, du bist meine Königin, verschleiern brauchst du dich nicht. Nur wenn wir eine Moschee betreten, solltest du deine schönen, blonden Haare unter einem Kopftuch verstecken.« Okay, das war gut. Seine Erklärung hatte mir gereicht. Ich glaubte ihm.

»Marhaba!« (Hallo!), stotterte ich etwas schüchtern und streckte meine Hand zur Begrüßung aus. Ich hatte verdammte Angst, etwas Falsches zu machen. Und es war auch falsch. »Ismi Bea« (Ich heiße Bea). So, mehr war nicht drin. Meine Sprachkenntnisse beschränkten sich vorläufig auf diese zwei Floskeln. Wir wurden überschwänglich begrüßt. Ich traute mich kaum zu atmen, das ganze Begrüßungszeremoniell dauerte mindestens zehn Minuten bis wir endlich hinein durften. Ich wurde von den Frauen durch das Haus geführt, Majid wuchtete unser Gepäck in das für uns frisch hergerichtete Schlafzimmer. Der Raum war hell, weiße Seidenvorhänge bildeten einen schönen Kontrast zu den lavendelfarbenen Wänden. In der Mitte des Zimmers stand ein XXL-Bett, frisch bezogen, die weiße Bettwäsche versprühte einen angenehmen, orientalischen Duft. Die Kopfkissen waren farbenfroh, passend zu der Wandfarbe in Lavendelton gehalten. Auf Bilder oder sonstige Wanddekoration wurde verzichtet. Auch sonst wirkte das Zimmer relativ nüchtern. Ich werde es uns hier schon gemütlich machen, nahm ich mir vor. Der Rest des Hauses gefiel mir schon besser. Es gab zwei Wohnzimmer, ein europäisch eingerichtetes und eines im traditionellen Stil mit einer Art Wohngruppe, aber ohne Beine und ohne Tisch. Dafür lag in der Mitte des Zimmers ein großer, weicher Teppich. Die Sitzgruppe war sehr niedrig, in Royalblau gehalten, und bildete eine U-Form. Die Wände in Himmelblau, der Teppich ebenfalls in Royalblau. Die Vorhänge in einem Apricot, so gar nicht mein Geschmack. Aber es war ordentlich und sauber. Das war für mich das Wichtigste. Das zweite Wohnzimmer war ähnlich ausgestattet, nur hatte hier die Sitzgruppe Beine und in der Mitte stand ein Couchtisch. Dieses Zimmer war scheinbar das Paradezimmer und für den Empfang von Gästen vorgesehen. An den Wänden hingen verschiedene Bilder, auf den kleinen Kommoden stand viel Nippes herum. Insgesamt wirkte das Zimmer etwas repräsentativer und gemütlicher als die anderen Räume. Hier dominierten die Farben Beige und Dunkelblau. Ich hatte im ganzen Haus keine Bücher entdecken können. Ob sie sich hinter den Schranktüren verbargen? Auf diese Frage erhoffte ich mir später eine Antwort.


Asma war seit zehn Jahren Witwe, sie lebte von einer Rente und war das heimliche Oberhaupt der Familie. Sie war sehr auf ihre Familie und ihren Haushalt fixiert. Die Familie missbrauchte sie gerne als einen multifunktionellen Küchenroboter im Vierundzwanzigstunden-Bereitschaftsmodus.

Moona, klein und schlank, lebte mit ihrem Ehemann in der direkten Nachbarschaft und war täglich bei ihrer Mutter, um ihr im Haushalt unter die Arme zu greifen. Moonas Mann besaß eine Autowerkstatt, er arbeitete viel und war selten zu Hause, was Moona nicht sonderlich zu stören schien. Sie genoss ihre Freiheit und die täglichen Familientreffen. Beim Kaffeeklatsch konnte sie die Langeweile in ihrer Ehe vergessen. Sie fühlte sich immer noch so, als ob sie nie ausgezogen wäre. Trotz ihrer guten Ausbildung hat sie nie gearbeitet. Nur manchmal half sie Majid bei der Buchführung in seinem Geschäft aus, was er dankbar annahm.

Fawiza hingegen arbeitete gerne. Sie war Lehrerin in einer privaten Mädchenschule und kümmerte sich liebevoll um ihre Schülerinnen aus gutem Hause. Fawiza unterrichtete Arabisch und Französisch. Sie war noch unverheiratet und wohnte mit dem Rest der Familie in ihrem Elternhaus. Fawiza hatte es nicht eilig, im Hafen der arabischen Ehe zu landen. Mit ihren zweiundzwanzig Jahren hatte sie nach eigener Aussage noch reichlich Zeit. Wenn es nach ihrer Mutter und Majid ginge, wäre sie sicher längst unter der Haube, aber Fawiza wehrte sich erfolgreich gegen alle ihr gemachten Avancen und schickte die ihr vorgestellten Heiratswilligen sprichwörtlich in die Wüste. Zum Leidwesen ihrer Mutter ließ Majid Fawiza noch Zeit. Er war noch mit seiner eigenen Ehe beschäftigt und somit genügend abgelenkt, um seine Schwester vorläufig zu vergessen.

Dann war da noch Alia, das Familienküken. Eine wahre orientalische Schönheit. Jung, unschuldig und ein echter Teenie. Sie flatterte fröhlich in ihrem langen Gewand durch das Haus und erinnerte mich an einen ewig seinen Weg suchenden Schmetterling. Die kastanienbraunen Haare reichten ihr bis zum Po. Sie durfte sich aber nur im Kreis der engsten Familie unverschleiert bewegen. Alia war die Schönste von allen. Majid war sehr streng ihr gegenüber und überwachte jeden ihrer Schritte. Die junge Dame war darüber nicht sehr erfreut, aber dagegen tun konnte sie nichts. Während er tagsüber seinen Geschäften nachging, übernahm die Familie die Überwachung. Alia sollte unbedingt jungfräulich und unberührt in die Ehe gehen. Sie wurde sorgfältig auf ihre Rolle als zukünftige Braut und Hausfrau vorbereitet. Trotz ihrer Jugend hatte sie einen hellen Verstand und eine eigene Meinung, was Majid des Öfteren zu bedauern schien. Sie wehrte sich lautstark gegen Majids Anweisungen, wenn er ihr wieder Mal dieses oder jenes verbot. Letztendlich setzte er sich jedoch immer durch. Sie gab trotzdem nicht auf. Alia war ein starkes Mädchen mit viel Elan und einem älteren Verlobten!


Dieses Zimmer ist langweilig und trist. Es geht mir langsam auf die Nerven. Jetzt ist Schluss damit! Genug. Ein paar Handgriffe, etwas Farbe, Wandschmuck und ich werde mich wieder richtig wohlfühlen. Meine kreativen Ideen kannten keine Grenzen, nun sollten Taten folgen. An einem Montag im Dezember bat ich Majid nach dem Frühstück, mich in die Stadt zu begleiten. Es fehlten mir ein paar Kleinigkeiten, um unser Schlafzimmer umzudekorieren. Nach kurzem Zögern stimmte er zu, aber ich sah ihm an, dass er eigentlich keine Lust dazu hatte.

Wir fuhren in die Innenstadt, stiegen in der Omar Al Mokhtar Straße aus und gingen in das exklusivste Einrichtungshaus Ammans. Nicht, dass ich darauf bestanden hätte, Majid wollte es so. Etwas weniger Exklusives käme für ihn nicht infrage. Wahrscheinlich wollte mein Mann Eindruck bei mir schinden, denn sonst war sein Familienhaus nicht in jedem Detail exklusiv und geschmackvoll eingerichtet. Ich suchte in aller Ruhe kleine Teppiche, Kerzen, Dekoartikel, Bilder, Messinglampen und Kuschelkissen aus. Majid bezahlte, rasch packten wir die erstandenen Sachen ein und fuhren zurück.

Im Haus tranken wir etwas Zitronenlimonade und Majid verabschiedete sich, nachdem er mir geholfen hatte, alles ins Schlafzimmer zu tragen. Er musste in seinen Laden. Energisch und voller Tatendrang verteilte ich die neuen Kissen auf dem Bett, breitete die neuen Teppiche auf dem Boden aus und hing die Bilder an die Wand. Die alten hässlichen Lampen verbannte ich in die Abstellkammer, die beiden neuen kunstvoll verzierten Leuchten aus antikem Messing platzierte ich auf unseren Nachttischschränkchen. Das Licht wirkte einladend und behaglich. Auf Zimmerpflanzen verzichtete ich. Ich hatte neulich in einem Buch über Pflanzen gelesen, dass sie Allergien auslösen konnten. Dafür stellte ich noch ein paar Bücher auf die Schränkchen, Teelichter und ein paar Schneekugeln aus meiner Sammlung. Auch wenn sie hier etwas deplatziert wirkten, konnte ich mich nicht von ihnen trennen. Zum Schluss tröpfelte ich ein wenig Rosenöl auf die frisch gepflückten Rosenblüten und verteilte sie auf unserem Bett. Mit einem zufriedenen Lächeln inspizierte ich unsere neue Liebeshöhle. Gut sah es aus! Endlich so, dass ich mich hier wohlfühlen konnte. So trug der Raum meine persönliche Note. Ich wartete gespannt auf Majids Rückkehr. Natürlich wollte ich wissen, was er dazu sagen würde.

Ich wurde nicht enttäuscht, es gefiel ihm offensichtlich. Er nickte wohlwollend und zog mich aufs Bett. »Ich will dich. Jetzt.« Seine Finger betasteten hastig meine Brüste und gruben sich tief in mein Fleisch. Der Duft des Rosenöls stieg langsam in meine Nase. In dieser Nacht gingen wir noch lange unseren erotischen Träumen nach.

Das Böse aus dem Morgenland

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