Читать книгу Der Heiratsplan - Sophia Farago - Страница 8
Kapitel 4
ОглавлениеDer Butler erschien noch in derselben Minute.
„Ah, Shipton, richten Sie Lady Frederica und Lady Penelope aus, sie mögen zu uns in den Salon kommen. Umgehend, ohne Aufschub!“
„Sehr wohl, Mylady.“ Der Diener machte sich sogleich auf den Weg, um die Anweisung seiner Herrin auszuführen.
„Was hast du vor, Tante Louise?“, wollte Agatha wissen.
„Das erzähle ich dir, sobald die Mädchen sich zu uns gesellt haben. Bist du immer noch bereit, mit Frederica nach London zu reisen?“
Lady Agatha nickte: „Aber selbstverständlich.“
Die Tante tätschelte ihr wieder die Hand und sank in ihrem Sessel zurück. „Das ist gut!“, sagte sie. „Das ist sehr gut!“
Als Erste betrat Frederica den Raum. Sie hatte sich umgezogen und trug nun ein Tageskleid aus feinem Musselin. Das zarte Violett der Halbtrauer ließ sie etwas blass erscheinen. Die braunen Haare waren locker aufgesteckt, die dunklen Augen strahlten vor Vorfreude. Ihr Kinn war vielleicht etwas zu energisch, doch das war ein Makel, über den man gern hinwegsehen konnte.
Was für ein hübsches Mädchen, dachte der Vermögensverwalter. Doch dann ging die Tür abermals auf, und Penelope betrat den Raum. Mr Grittleton hielt den Atem an. Die zweite Miss Barnett war eine wahre Schönheit! Dabei war ihr Kleid zerknittert und die Unterarme zeigten vereinzelte Kratzspuren. Anders als bei ihrer Schwester harmonierte das Violett ihres zarten Oberteils perfekt mit dem Teint ihres fein geschnittenen Gesichtes. Hatte er jemals so tiefblaue Augen gesehen? Eine so schmale, wohlgeformte kleine Nase? Einen herzförmigen, rosa Mund? Die jungen Männer in London würden sich überschlagen, dieser jungen Lady den Hof machen zu dürfen. Dabei war sie blond und trug ihre Haare offen, während die herrschende Mode dunkelhaarige Damen bevorzugte, die ihre Haarpracht im griechischen Stil, aufgesteckt mit kleinen Stoppellöckchen an der Seite, trugen.
Nachdem Lady Panswick dem Verwalter ihre Töchter vorgestellt und die beiden aufgefordert hatte, Platz zu nehmen, ließ sie die Katze aus dem Sack.
„Was ich euch jetzt zu erzählen habe, ist sehr ernst, meine Lieben. Darum möchte ich, dass ihr mir ganz genau zuhört und mich nicht unterbrecht, so schwer es euch vielleicht auch fallen mag. Ich habe eine Entscheidung getroffen, an der es nichts zu rütteln gibt, also versucht erst gar nicht, mit mir darüber zu diskutieren.“
Das Lächeln war aus den Gesichtern der Mädchen gewichen. Gespannt und voll banger Vorahnung warteten sie auf die nächsten Worte. Damit erweichten sie endgültig das Herz des Vermögensverwalters. Wenn er nur irgendetwas tun könnte, um das Schicksal der beiden jungen, hoffnungsvollen Frauen zu erleichtern!
„Euer lieber Vater“, begann Lady Panswick, „war, wie ihr beide selbst am besten wisst, ein herzensguter Mensch. Doch seine Gabe, mit Geld umzugehen, war nicht sehr ausgeprägt. Wie wir heute von Mr Grittleton erfahren mussten, haben wir nicht nur kaum Barmittel, nein, euer lieber Bruder Bertram sitzt auf einem Berg Schulden. Und wir mit ihm.“
Penelope ließ einen kleinen Aufschrei des Entsetzens vernehmen.
„An sein Vermögen, das ihm meine Großmutter mütterlicherseits vermacht hat, kommt Bertram erst an seinem einundzwanzigsten Geburtstag“, fuhr ihre Mutter fort. „So lange können wir nicht warten. Wir haben daher nur eine Chance, um Lancroft Abbey und damit uns alle zu retten: durch die Heirat mit einem reichen Gentleman.“
Frederica zog scharf die Luft ein. Sie wusste, was das bedeutete. Die Liebesheirat, die sie sich immer in ihren Träumen ausgemalt hatte, würde nicht stattfinden. Sie musste ihr persönliches Glück der Familie opfern. Was für schlimme, ganz und gar enttäuschende Zukunftsaussichten! Gleich darauf rief sie sich streng zur Ordnung. Wie könnte sie je glücklich sein, wenn ihre Familie am Rand des Abgrunds stand? Und außerdem: Wer sagte denn, dass ihr nicht dennoch Glück beschieden war? Eine ihrer Freundinnen hatte vor zwei Jahren auf Befehl ihres Onkels den reichsten Erben des Landkreises geheiratet, und inzwischen liebte sie ihn ehrlich und aufrichtig. Also würde es vielleicht gar nicht so schlimm werden. Gespannt und mit wiedergekehrter Zuversicht wartete sie auf die nächsten Worte ihrer Mutter. Was sie zu hören bekam, ließ diese Zuversicht allerdings schlagartig verschwinden.
„So leid es mir tut, Frederica, wir müssen dein Debüt um ein weiteres Jahr verschieben.“
„Ja, aber warum denn? Du hast doch eben gesagt …“
„Penelope wird mit Agatha nach London reisen, ihren Knicks vor der Königin und diesem, diesem … also diesem Prinzregenten machen und einen der reichsten Männer des Landes heiraten. Wer als passender Gemahl infrage kommt, werden wir noch festlegen.“
Natürlich regte sich nun erst recht Widerspruch.
„Aber Mama!“, riefen Frederica und Penelope wie aus einem Mund.
„Aber Tante Louise!“, protestierte Agatha.
Wo Mylady recht hat, da hat sie recht, dachte hingegen der Verwalter bewundernd, während er im Kopf bereits die möglichen Kandidaten durchging.
„Warum darf nicht ich mit Agatha nach London fahren, so wie wir es geplant haben?“ Fredericas Stimme klang flehentlich. „Ich freue mich nun schon seit Jahren auf mein Debüt. Ich kann doch den reichen Mann heiraten, der dir vorschwebt, Mama. Penelope bleibt ohnehin viel lieber hier bei all den Tieren, nicht wahr, Lämmchen?“
„Freddy hat recht, Mama. Bitte lass mich hierbleiben. Du magst die Großstadt doch auch nicht, mit all dem Lärm und dem Gestank und all den …“
„Bisweilen müssen wir Opfer bringen“, unterbrach ihre Mutter sie ungerührt.
„Wenn du gestattest, dass ich mich einmische, Tante Louise … Ich verstehe nicht, warum wir nicht bei unserem ursprünglichen Plan bleiben können. Was spricht dagegen, dass ich mit Frederica nach London reise? Damit wären die Wünsche aller erfüllt.“
Zwei Augenpaare wandten sich ihr zuerst mit dankbarem Lächeln zu, bevor sie sich erwartungsvoll auf Ihre Ladyschaft richteten.
„Es geht hier nicht mehr darum, wer sich was wünscht“, sagte diese so streng, dass jeder weitere Widerspruch im Keim erstickt wurde. „Wenn ich gesagt habe, wir setzen alles auf eine Karte, dann meine ich das auch so. Wir werden all das Geld, das uns zur Verfügung steht, in dieses Debüt investieren. Dabei dürfen uns keine Fehler unterlaufen, und wir müssen jedes unnötige Risiko vermeiden. Binnen zwei Monaten muss der passende Ehemann gefunden sein, sonst landen wir alle im Schuldturm. Penelopes Schönheit erhöht unsere Chancen.“
Frederica traute ihren Ohren kaum, wobei sie nicht wusste, was sie schlimmer finden sollte – den drohenden Schuldturm oder die Tatsache, dass Mama sie offensichtlich nicht hübsch genug fand, um auf einen vermögenden Gentleman anziehend zu wirken. Penelope nahm ihre Rechte, und dann drückten sie einander fest die Hand, um sich gegenseitig zu trösten.
„Frederica ist auch sehr hübsch“, meldete sich Agatha zu Wort. Ihre Cousinen hatten sie immer schon gemocht, jetzt verehrte Frederica sie geradezu.
Auch Lady Panswick selbst fand offensichtlich Gefallen an diesem Einwand, was sie durch ein weiteres Tätscheln der Hand Agathas und den folgenden Worten zum Ausdruck brachte: „Das ist sehr freundlich von dir, dass du das sagst, aber wenn du ganz ehrlich bist …“
„Sie ist hübsch, denn sie sieht meiner kleinen Schwester Cecilia sehr ähnlich“, beharrte Agatha.
Das Tätscheln von Lady Panswicks Rechter verstärkte sich: „Das weiß ich doch, meine Liebe! Und niemand versteht so gut wie ich, dass du sie vermisst. Aber wir müssen bei den Tatsachen bleiben.“
„Frederica ist hübsch“, beharrte Agatha noch einmal.
Ihre Ladyschaft zog die Hand zurück. „Natürlich ist sie das. Kein Mensch, der Augen im Kopf hat, würde das bestreiten“, sagte sie nun, und Frederica horchte auf. „Aber sie ist keine Schönheit wie Penelope, das werdet ihr alle zugeben.“
Die Anwesenden nickten, außer Penelope. So schön fand sie sich gar nicht. Und sie hätte viel darum gegeben, weniger gut auszusehen, wenn ihr damit das erspart geblieben wäre, was Mama offensichtlich plante.
„Also, hört gut zu“, wiederholte diese auch schon, „Lady Penelope Barnett wird von ihrer Cousine Lady Alverston in die Gesellschaft eingeführt. Ich würde es ja selbst tun, wenn ich nicht auf Lancroft Abbey unabkömmlich wäre.“
Wie gut, dass es Agatha gibt, dachte Ihre Ladyschaft im Stillen. Das erspart mir einen mühsamen Aufenthalt in der grässlichen Stadt. Und viele unselige Konversationen mit exaltierten Damen der Londoner Gesellschaft, deren Ansichten sie nicht teilen konnte. Laut ergänzte sie: „Außerdem genießt Agatha, wie ihr alle wisst, mein vollstes Vertrauen.“
Die schmale Witwe in Schwarz errötete und sah mit einem Mal gar nicht mehr so unscheinbar aus: „Ich danke dir für diese Worte, Tante Louise, sie bedeuten mir viel.“
Lady Panswick nickte ihr zu. „Wie gesagt, wir werden das gesamte Geld, das wir zur Verfügung haben, in dieses Debüt investieren. Jeden einzelnen Shilling. Penelope braucht die beste Ausstattung. Sie soll, nein, sie muss London im Sturm erobern.“
Mr Grittleton hielt die Luft an. Wie überaus riskant, doch sollte es gelingen, wäre es ein Geniestreich.
„Niemand darf Wind davon bekommen, dass wir uns am Rande des Ruins bewegen. Penelope wird nicht nur als Schönheit für Furore sorgen, sie wird auch als vermögend gelten. Natürlich nicht als reich, aber doch als gut versorgt. Hat erst einmal der Richtige angebissen, dann wird immer noch Zeit für die Wahrheit sein.“
Es lag ihren Töchtern auf der Zunge zu protestieren, doch da hatte der Verwalter das Wort ergriffen. „Weise gesprochen, Mylady, ein sehr kluger Schachzug. Arme Mädchen gelten in London leicht als beschädigte Ware, wenn Sie mir diesen Ausdruck gestatten.“
Lady Panswick nickte. „Das ist bitter, aber es besteht kein Grund, die Wahrheit zu verleugnen. Die Londoner Gesellschaft kennt kein Pardon. Bleibt die Frage, wo Agatha und Penelope wohnen werden. Lancroft House steht uns ja bekanntlich nicht zur Verfügung, und es würde seltsam wirken, wenn die beiden im Hotel logierten. Außerdem wäre das auf die Dauer viel zu teuer.“
„Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, dass wir bei Lord Chedworth, deinem Bruder, unterkommen, Tante Louise“, schlug Lady Alverston vor, die sich anscheinend in den Plan gefügt hatte. „Er ist schließlich Penelopes Vormund. Was könnte passender sein?“
Erschrocken riss der Vermögensverwalter die Augen auf, doch Lady Panswick kam ihm zuvor. „Das ist ausgeschlossen, Agatha. Mein Bruder hat das Haus unserer Vorfahren am Hanover Square schon vor einiger Zeit verkauft. Das Dach war desolat, und er hatte wohl keine Lust, sich den Mühen und Kosten von Umbauarbeiten zu unterziehen.“ Sie verzog unwillig den Mund. „Jedenfalls ist er erst kürzlich in eine dieser modernen Junggesellenwohnungen am Piccadilly gezogen. Albany nennt sich die Wohnanlage östlich der Royal Academy of Arts. Sie befindet sich im Albany Court Yard, also in Fußnähe seines Clubs. In einer derartigen Wohnung ist sicher kein Platz für junge Damen.“
Als Frederica den Straßennamen Piccadilly hörte, wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen. Wie sehr hatte sie sich doch schon darauf gefreut, dort die bekannte Buchhandlung Hatchard zu besuchen! Sie seufzte tief. Daraus wurde nun nichts. Auch wenn Mama sicher am besten wusste, was zu tun war, konnte das Frederica nicht davon abhalten, fürchterlich traurig und enttäuscht zu sein.
Mr Grittleton beeilte sich, seiner Gastgeberin zuzustimmen: „Das ist sicher richtig, Mylady. Aber ich hätte da eine Idee, wenn Sie gestatten. Meine Schwester Eleonore hat einen Baronet geheiratet und ist jetzt eine Lady Daglingworth. Sie unterhält die besten Kontakte zu Mitgliedern der Londoner Gesellschaft. Seit dem Tod meines Schwagers lebt sie allein in einem großen Haus in der Henrietta Street. Ich bin sicher, sie wäre nur allzu glücklich, die beiden jungen Damen bei sich aufzunehmen.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen“, erwiderte Ihre Ladyschaft und wollte soeben ihre Skepsis äußern, als der Gong ertönte.
„Oh, ist es schon so spät? Der Nachmittag ist in Windeseile vergangen. Wir speisen in einer halben Stunde, Mr Grittleton. Sie sind selbstverständlich unser Gast.“
„Zu gütig, Mylady, aber …“, begann der Verwalter, der völlig vergessen hatte, wie zeitig man auf dem Lande das Dinner einzunehmen pflegte.
Lady Panswick ließ ihn nicht ausreden: „Oh nein, ich akzeptiere keinen Widerspruch. Es wird nur ein kleines Abendessen sein, nichts Großartiges. Keine Sorge um Ihre Abendkleidung, wir werden heute ebenfalls darauf verzichten. Sie brauchen sich also nicht unwohl zu fühlen.“
Sie erhob sich, während die anderen sich beeilten, es ihr gleichzutun.
„Nun brauche ich eine kurze Pause. Alles Weitere besprechen wir bei Tisch“, fügte Ihre Ladyschaft hinzu.