Читать книгу Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7 - Sophie Lang - Страница 25

Kapitel 2.7

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Ich folge, so schnell ich kann, dem geschwungenen Korridor, der aus purem Licht zu bestehen scheint und öffne die zweite Tür links, genauso wie Kristen es gesagt hat. Ich wäre gerne schneller gegangen, aber mein Körper lässt schnelle Bewegungen tatsächlich nicht zu. Da hat sie Recht. Alles fühlt sich an wie…

Leider finde ich keine Erinnerung, mit der ich es vergleichen könnte.

Das Bad ist umwerfend schön. Ein Pool lädt mich zum Schwimmen ein, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann. Eine durchgehende Fensterfront eröffnet mir eine atemberaubende Aussicht auf schneebedeckte Berge. Ich bleibe für einen Moment wie hypnotisiert stehen.

Die Anziehsachen, die Kristen für mich vorgesehen hat, liegen auf einer weißen Holzbank, dahinter sehe ich die Dusche. Voller Vorfreude ziehe ich mich aus, lasse Nachthemd und Baumwollhose auf meinem Weg einfach liegen und öffne die undurchsichtige Glastür. Es dauert einen Moment, bis ich verstehe, wie man das Wasser anstellt. Es ist sofort warm. Ich schmuggle mich darunter, schließe die Tür, schließe die Augen und stehe einfach nur da. Mir kommen zwei Worte in den Sinn. Eine Erinnerung kann es ja unmöglich sein. Warmer Sommerregen. Einfach unbeschreiblich - einfach schön.

Ich bleibe eine halbe Ewigkeit so stehen, aber irgendwann ist es unausweichlich, dass ich weiter muss. Ich stelle das Wasser ab und als die letzten warmen Tropfen in der Wanne aufschlagen und in tausend Stücke zerspringen, wickle ich mich bereits ein, in ein riesiges, weißes, unendlich weiches Handtuch.

Ich gebe der Duschtür einen Schubser und schau mir die Sachen an, die mir Kristen bereitgelegt hat. Ich kann mich nicht spontan entscheiden und ziehe mir erst einmal einen schwarzen BH und den passenden Slip dazu an und verkrümle mich nochmals. Dieses Mal in den flauschigen Bademantel, den ich neben der Dusche entdeckt habe.

Ich habe keine Lust, mich anzuziehen für eine Welt, die ich nicht kenne. Keine Ahnung, was man trägt, wem man begegnet? Spielt das überhaupt eine Rolle? Mit angezogenen Knien, das Kinn darauf gestützt, kauere ich mich am Beckenrand nieder. Mein Blick schweift über den Pool, auf die sich in der Ferne auftürmenden Berge.

Hier sitze ich, weiß nicht, woher ich komme, weiß nicht, wohin mein Weg führt. Einen Neuanfang? So hat es Kristen genannt.

Ich lasse meine Füße ins Wasser gleiten. Es ist angenehm warm. Was bin ich ohne persönliche Erinnerungen? Was ohne ein persönliches Ziel? Was erwartet mich? Mir gehen so viele Fragen durch den Kopf. Ich habe jetzt Platz ohne Ende in meinem Kopf.

Ich frage mich, ob ich mir hilflos vorkommen sollte, obwohl ich mich stark fühle?

Ob ich mich alleine fühlen sollte, wenn ich mit mir selbst, für den Moment, genug beschäftigt bin?

Sollte ich mir Sorgen machen, wenn ich mich frei fühle? Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte ich, aber besser lasse ich es bleiben.

Etwas, das sich anfühlt wie ein kühler Regentropfen, perlt von meinem Bauch, meiner Hüfte und meinem linken Bein hinab. Es kitzelt mich und fühlt sich nass an. Erschrocken öffne ich den Bademantel und sehe nach. Eines meiner Tattoos hat sich selbständig gemacht, wickelt sich um meinen Fuß, bewegt sich wie flüssige Tinte auf meiner Haut. Blitzschnell ziehe ich die Füße aus dem Wasser. Das Tattoo huscht an seinen Platz zurück und auf seinem Weg hinterlässt es eine eiskristallknisternde Spur auf meiner nackten Haut. Dann liegt es wieder vollkommen regungslos da.

Himmel, was war denn das? Ich stehe auf und berühre die Stellen, über die es geflossen ist, mit meinen Händen. Eiskalte, geschmolzene Luftfeuchtigkeit. Meine Haut darunter ist wie gefroren. Ich reibe daran, um mich zu wärmen. Habe ich mir das nur eingebildet? Vielleicht eine Halluzination? Keine Ahnung.

Ich treffe jetzt erst einmal eine einfachere Entscheidung.

Ich lege den Bademantel ab und ziehe das ärmellose Top an. Es sitzt eng, aber die schwarze Farbe steht mir gut. Passt gut zu meinen blonden Haaren, die mir frech auf die Schultern fallen. Ich schnappe mir die Jeans und die bequemen Turnschuhe und ziehe alles an.

Das Duschen und Anziehen und Nachdenken und das komische Erlebnis mit dem Tattoo machen mich ganz schön fertig. Ich fühle mich schlapp, gehe aber trotzdem los, zurück zu Kristen. Ich kann mich nur wackelig auf den Beinen halten, weil meine Knie mit jedem Schritt mehr zittern.

Trotzdem wanke ich in den Korridor hinaus. Es ist mir schleierhaft, dass ich mich an nichts erinnern kann und trotzdem? Alles was ich sehe und fühle, kommt mir so bekannt vor.

Ich muss unbedingt Kristen finden. Will mehr von ihr über diese Erinnerungslöschsache erfahren.

Wie eine Betrunkene schwanke ich zurück in mein Zimmer, wo ich sie zuletzt gesehen habe. Sie ist nicht da. Aber der Spiegel ist noch da und ich trete wieder davor. Frisch geduscht, angezogen. Irgendwie bereit.

Die Augen der jungen Frau im Spiegel scheinen sich in mein Inneres zu bohren. Wollen mir etwas verraten, aber ich kann sie nicht verstehen. Wie eine Stahlbetonwand, die sich quer durch mein Gehirn zieht, bin ich von ihr abgeschottet. Mein Magen knurrt wie eine hungrige Bestie. Bestie? Ich denke an das Tattoo, das sich bewegt hat, oder habe ich mir das doch nur eingebildet? Ich brauche dringend etwas für meinen leeren Magen und ich will Antworten.

Irgendwie armselig folge ich dem gewundenen Gang, der mich immer wieder an das Innere eines bizarren Schneckenhauses erinnert. Ich bin mir sicher, ich war noch nie in einem Schneckenhaus. Der Boden unter mir schwankt hin und her, aber ich weiß, dass ich es bin, die schwankt und nicht der Boden.

Immer wieder halte ich an den komischen, asymmetrischen Türen an und lausche. Nichts.

Klopfe an. Nichts.

Öffne die Tür. Verschlossen.

Gehe weiter.

Spätestens nach der siebten Tür bin ich mir sicher, dass ich den Weg zurück nicht mehr alleine finden werde. Ich bin schon zu tief in dem Schneckenhaus, bin schon zu oft abgebogen und alles sieht so ähnlich aus. Ich bin mir sicher, dass ich es nicht bemerken würde, wenn ich im Kreis laufen würde. Ich habe mich tatsächlich verlaufen. Na super!

Ich fasse den Entschluss, mich hier auf den weißen, sterilen Boden zu setzen und einfach zu warten, bis jemand vorbeikommt und mich aufsammelt. Den Kopf zwischen den Knien, die Beine angezogen. Ich muss wirklich kläglich aussehen. Nach einer halben Ewigkeit - ich glaube, ich habe sogar etwas geschlafen - höre ich Stimmen. Kristen und ein Mann.

Sie sind nah, entfernen sich aber schon wieder. Ich stehe auf. Uff, meine Beine sind wie betäubt. Die beiden müssen hier in dem Wirrwarr der Gänge sein.

»Sie kann sich an nichts erinnern«, sagt Kristen.

»Du hast ihre Erinnerungen gelöscht? Das war so nicht abgemacht«, sagt er zornig.

»Sie ist am Leben, so wie du es wolltest. Du kannst sie mitnehmen. Die Amnesie war nicht rückgängig zu machen. Tut mir leid, Adam. Ich habe alles Erdenkliche versucht, aber es war definitiv zu spät.« Die Stimmen werden leiser. Ich kann sie kaum noch hören. Seine Stimme ist tief, männlich. Ist mir sympathisch, trotz des Zorns, den sie versprüht. Kristen ist sachlich und kalt und sie sprechen von einem Patienten, von mir, da bin ich mir sicher. Soll ich nach ihnen rufen und mich zu erkennen geben? Nein, ich versuche, ihnen zu folgen und will mehr hören.

Wieder stellt sich mir eine Gabelung in den Weg. Verflucht, dieses irre Schneckenhaus treibt mich noch in den Wahnsinn. Kein Weg führt in die Richtung, in der das Gespräch langsam verstummt.

Ich gehe nach rechts, intuitiv und mache, so schnell ich kann. Aber jeder Schritt quält meine Oberschenkel und mein Herz pocht vor Anstrengung. Jetzt stehe ich vor einer Tür, die nicht eine gerade Linie hat. Kristen und den Mann kann ich nicht mehr hören. Ich lausche nicht, klopfe nicht, mache die Tür ohne zu zögern auf. Sie geht auf?! Ein Wunder?

Eisige Kälte schlägt mir gegen die Brust. Ein Labor, wie in einem Buch, an das ich mich nicht erinnern kann, aber dessen Bilder mir vor das innere Auge kommen. Frankensteins Labor. Reagenzgläser so breit wie tragende Säulen in einer Kathedrale. Schläuche, Apparate so fremdartig und chaotisch, ja fast schon kitschig. Lampen, Lichter, Generatoren. Ich kann fast alles beim Namen nennen, nur das nicht, was in der Reagenzsäule, keine fünfzehn Meter von mir entfernt, schwebt. Es ist die Quelle der eisigen Kälte. Ganz sicher, ich kann es spüren.

Es ist ein Lebewesen hundertprozentig, aber so eines habe ich noch nie gesehen. Nein, STOP! Stimmt nicht. Es sieht aus wie meine Tattoos. Aber mein Gehirn liefert keine Wörter für dieses Etwas, das Sinn machen würde.

Es sieht mich an mit seinen abnormalen Augen, die voller Hass sind und dann spuckt mein Gehirn doch noch ein Wort aus.

Eine Bestie?

Ein Schmerz durchzuckt meine Schulter. Ich mach mir vor Schreck fast in die Hose und werde herumgerissen und die Tür hinter mir fällt zurück ins Schloss. Ein Riese hält mich an der Schulter fest. Der größte Teil seines Gesichtes besteht aus Kinn. Der Körper aus Fleisch und aus Muskeln, die deutlich unter der roten Lederuniform hervortreten. Der erste Mann, dem ich begegne, ist ein Muskelfreak in rotem Superheldenaufzug Größe XXXL. Irgendwie steht ihm das Monsterkinn sogar ganz gut, wenn er nur nicht so böse schauen würde.

»Du tust mir weh!«, sage ich mickrig. Er mustert mich, schätzt wohl ab, ob ich eine Gefahr für ihn darstelle. Was für ein Witz. Ich müsste hüpfen, um ihm eine aufs Kinn zu hauen, das zugegebenermaßen, wenn ich es erreiche, nur schwer zu verfehlen wäre.

»Ich muss das melden!«, sagt er und so wie er das ausspricht, hört es sich für mich echt bedrohlich an. Melden in der Form, ob ich hingerichtet werde oder so ähnlich. Mir läuft ein eisiger Schauer über den Rücken. Was für wirre Gedanken! Wo kommen die nur her? Hinrichten, weil ich eine verbotene Tür aufgemacht habe, die lieber geschlossen bleiben soll. Das Bild der Bestie erscheint vor meinem inneren Auge. Was ist das für eine Welt, in der es Bestien gibt, die wie Tattoos aussehen?

»Musst du das wirklich? Ich muss doch nur mal für kleine Mädchen und habe mich verlaufen«, sage ich und es klingt nicht halb so überzeugend, wie ich es wollte. Er legt den Kopf schief, schaut an mir hinab und ich nehme Notiz davon, wo seine Blicke haften bleiben. Jetzt wünsche ich mir, dass mein Top sich nicht so eng um meine Kurven spannen würde.

»Ok, ich hab geschwindelt. Ich muss gar nicht aufs Klo. Ich suche Kristen und habe mich einfach verlaufen. Das ist jetzt aber wirklich die Wahrheit.« Hört sich schon glaubwürdiger an, finde ich. Er schaut mir in die Augen.

»Mitkommen!«, befiehlt er und dann schiebt er mich grob vor sich her. Besonders gesprächig ist der Junge ja nicht gerade, aber offensichtlich kennt er den Weg durch das Schneckenlabyrinth.

Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7

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