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Kapitel 2.20

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»Freija?!«, sagt Hope, aber ich verstehe sie kaum. Ihre Stimme ist schwach wie der Flügelschlag eines Schmetterlings.

Ich streiche sanft über ihr ebenmäßiges Gesicht. »Ich habe dich fast getötet.«

»Nein, hast du nicht. Du hast es geschafft. Du bist jetzt ein Alpha-Wolf«, flüstert sie.

»Ich habe dich von meinem Blut trinken lassen«, sage ich.

Hope spukt neben sich auf den Waldboden, aber es kommt nur Luft aus ihrem Mund. »Keine Sorge, es schmeckt widerlich.«

Ich muss lachen. »Hope, sind wir Vampire?«

Hope lacht auch, aber es hört sich an wie ein müdes Röcheln.

Ich gebe ihr Zeit, sich zu erholen und sie erholt sich rasch. Schneller als Adam, der immer noch neben uns auf dem Boden liegt.

»Vampire? Oh nein, soweit lassen wir es nicht kommen! Nur die primitiven Symbionten trinken Blut.«

Bin ich primitiv?

»Wir sind Symbionten, keine Vampire! Halb Mensch, halb Bestie und die Bestien brauchen Energie und kein Blut!«, sagt Hope.

Zumindest in dieser Sache hat Adam die Wahrheit gesagt. Was ist noch wahr? »Der rote Saft enthält sehr viel Lebensenergie. Es ist aber nicht die reinste Form der Energieaufnahme. Aber wenn es ums nackte Überleben geht, dann ist Blut sehr effizient.«

»Also keine Vampire?«

»Nein, nein«, kichert Hope und sie hört sich schon wieder so lebendig an. »Wir suchen uns keine verwesenden Schnapsleichen in den Gassen der großen Städte. Wir schlitzen keinen armen Tieren die Kehle auf. Die Aufnahme von Nahrung und sei es selbst so etwas Kostbares wie Blut, ist die primitivste Form, dem Körper Energie zuzuführen. Bestien können keine Nahrung, so wie wir, zu sich nehmen, weil sie keinen physischen Körper wie wir haben. Denk an den Tanz, den ich dir beigebracht habe. Das ist besser als Blut.«

»Aber ich habe von Adam und von dir getrunken.« Die Worte hören sich so unwirklich an, als sie über meine Lippen springen. »Und danach habe ich mich gefühlt, als könne ich einen Bus umschmeißen.«

»Bestien können keine Energie über feste Nahrung aufnehmen«, sagt Hope. Sie setzt sich auf und in ihren Augen sehe ich Traurigkeit und Wahrheit.

»Warum dann die Zuchtsektionen?« Ich verspüre das Verlangen, mein Tagebuch herauszuholen und Hope alles vorzulesen, was mir Adam erzählt hat. Ich will die Wahrheit wissen. Jetzt!

»Die Zuchtsektionen? Adam hat dir davon erzählt, das hast du schon gesagt.«

»Ja, hat er. Was nützen die, wenn die Bestien nichts davon haben?«

»Freija, das Ganze ist nicht so einfach. Und selbst wenn ich dir alles sage, was ich weiß, ist es nur nackte Theorie und nichts Praktisches.«

»Versuchs!«

Hope fasst sich an die Kehle, an ihre Wunde, die sich bereits auf zauberhafte Weise zu schließen beginnt. »Du bist eine harte Nuss.«

»Keine Ahnung, was oder wer ich bin. Jetzt leg los!«

»Also pass auf, es existiert ein Energiegesetz. Es beschreibt, dass sich die Menge an vorhandener Energie nicht verändern lässt. Sie kann in verschiedene Formen umgewandelt werden, es ist aber nicht möglich, innerhalb eines Systems Energie zu erzeugen oder zu vernichten.« Sie macht eine kurze Pause, sieht sich um.

»Was ist los? Warum sprichst du nicht weiter?«

»Die Drohne! Ich habe eben gedacht, sie kommt zurück!«

Wir sind ganz ruhig, hören in den Wald hinein. Nichts! Keine Drohne - keine Bestie. Nur Adam, Hope und ich sind hier.

»Also, Energie ist Schwingung, Bewegung, nichts Starres. Die Bestien schwingen auf einer anderen Ebene als wir Menschen. Sie sind Astralwesen. Deshalb können die Menschen sie nicht sehen. Die meisten auf jeden Fall nicht. Zumindest nicht solange wir am Leben sind. Wenn wir sterben, dann wird die Energie eines Menschen in die Astralwelt umgeleitet.«

»Von was sprichst du? Von der Seele?«

»Ja! Kann man so sagen. Ist nur ein anderes Wort, für eine sehr reine Form der Energie.«

Die Erkenntnis trifft mich wie ein Hammerschlag. Solange wir am Leben sind? »Sie fressen unsere Seelen?«, frage ich.

»Ähm, krass ausgedrückt, ja. Seele ist gleich Energie.«

»Ich habe Adams Seele gefressen?«

»Nur ein Stück und auch ein Stück von mir und ähm… ich habe auch ein Stück von dir jetzt in mir.«

»Himmel, jetzt weiß ich, was ich bin. Ich bin ein Monster, ein Seelenfresser. Ich bin schlimmer als ein Vampir. Ich bin mit grausamen Bestien zu einer Alptraumsymbiose verschmolzen. Adam wäre wegen mir fast gestorben und noch schlimmer. Ich hätte fast seine Seele gefressen. Wie kannst du nur mit dieser Wahrheit leben?«

»Ich habe Hoffnung.«

»Ha!«, lache ich.

»Die Bestie in mir ist, was sie ist. Aber ich kann sie ernähren, ohne dass ich dafür töten muss. Ich bin ein Symbiont. So wie du. Das ist die Hoffnung für die Menschen. Es gibt einen anderen Weg als Krieg und Zuchtsektionen. Einen Weg der Koexistenz. Das ist meine Hoffnung.«

Ich spüre, wie mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Es fühlt sich so unbehaglich an. Und dann kommt mir der Magen hoch, und ich drehe mich gerade noch rechtzeitig um und übergebe mich in das Gebüsch.

»Freija!« kreischt Hope, aber ich kann sie kaum hören, denn im gleichen Moment bricht die Hölle los. Explosionen über uns, ohrenbetäubend laut! Zwei, drei, mehrere Drohnen werden zerstört. Ihre brennenden Überreste stürzen ab und ziehen fette Rauchfahnen hinter sich her. Die Trümmer werden uns treffen, schießt die Erkenntnis wie eine Pistolenkugel durch meinen Kopf. Hope und ich reagieren unglaublich schnell. Gleichzeitig erreichen wir Adam, wollen ihn beide aus der Gefahrenzone retten. Und dann schlägt er die Augen auf. Perfektes Timing!

»Was ist? Wo bin ich? Hope? Freija?«

»Halt die Klappe!«, sage ich und nicke Hope nur zu, die mich gleich versteht. Wir schaffen es gerade noch rechtzeitig einige Meter fort, bevor die Äste über uns in Flammen aufgehen, die ersten großen Trümmer der zerstörten Drohnen die Bäume in Stücke reißen und den Waldboden zerschmettern. Wir blicken zurück, schauen nach oben. Bereit auszuweichen. Bereit Adam und uns in Sicherheit zu bringen.

Ich kann sie durch die Blätter hindurch sehen. Immer mehr herabstürzende Trümmer, weitere Explosionen, noch mehr zerstörte Kampfdrohnen und die Bestien, die zahlreich zurückgekommen sind. Fliegende Bestien!

»Die Grenze ist nicht mehr sicher, sie brechen durch«, sagt Hope schockiert. Wir schleppen uns immer weiter, während um uns herum der Krieg tobt, bis an einen Vorsprung mit Blick auf die Ebene, mit dramatischer Weitsicht auf die Grenzen von Sektion 0. Dort verstecken wir uns im Unterholz und beobachten, wie die Bestien die Drohnen nieder machen.

Immer mehr und mehr Drohnen kommen aus dem Landesinnern zur Unterstützung, um die Grenzen zu verstärken. Aber sie werden von den Bestien einfach auseinandergerissen, sind chancenlos. Wir sind Beobachter. Sehen hunderte Bestien am Boden, die die Grenze überschreiten. Wie durch ein Wunder bleiben wir unentdeckt.

»Das ist es«, sagt Adam. »Der Anfang vom Ende. Die Prophezeiung erfüllt sich.« Ich schaue ihn an. Von was spricht er?

»Was hat es mit dieser Prophezeiung auf sich? Was weißt du? Raus damit! Ich will jetzt alles wissen!«

»Ich auch!«, sagt Hope an meiner Seite.

Adam hebt seinen Kopf, holt Luft und dann - werden seine Augen panisch…

»Achtung!« Ich höre ein Zischen und sehe aus dem Augenwinkel ein Trümmerteil auf mich zurasen. Hope reißt die Arme hoch, sich spüre so unglaublich viel Energie, die von ihr ausgeht, die mich von den Füßen reißt und wegschleudert. Das Trümmerteil bohrt sich in den Boden, ich bin gerettet, dann schlage ich auf dem Boden auf. Ganz weit weg kann ich Hope kreischen hören.

Stille…

Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7

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