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Kapitel 2.14

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Die Helikopter ziehen tiefe Furchen in den Himmel, über dem Wald, in dem wir gehen. Sie suchen uns mit ihren Augen, mit ihren Lebensformscannern, die mehr sehen. Mehr, wozu ein menschliches Auge in der Lage ist. Vergebens. Sie werden uns nicht entdecken, so wie die Vollstrecker, die mir Auge in Auge gegenüberstanden und mich nicht gesehen haben.

Ich weiß nicht, wie es funktioniert, wie sie es macht, dass wir für unsere Verfolger unsichtbar sind. Wie sie Adams blutende Kehle nur mit ihren leuchtenden Händen geschlossen hat. Aber die Hauptsache ist sowieso nur, dass es funktioniert. Es ist genauso, wie die Luft anhalten auf Seegrund. Keine Ahnung wie das möglich war, wie ich das gemacht habe? Hauptsache ist, dass ich es konnte.

Nur jetzt bin nicht ich es, sondern die hübsche Schwarzhaarige, die schweigend in der eisigen Kälte neben mir hergeht und uns drei schützt und Adam das Leben gerettet hat.

Ich kann ihre Tattoos sehen und ich kann ihre Anwesenheit spüren. Die frostige Kälte und die unbeschreibliche Unsichtbarkeit, Geräuschlosigkeit, in der sie uns wie in einen undurchdringlichen Nebel einhüllt.

Ich folge ihr, laufe neben ihr her. Trage Adam über meiner Schulter. Spüre sein Gewicht kaum. Ich bin halb Mensch, halb Bestie, wie sonst soll das möglich sein? Die Tränen steigen aus meinem Herzen bis in meine Augen und die Schwarzhaarige sieht es und sie sagt nichts. Lässt mir Zeit, meine Gefühle und das Erlebte zu verarbeiten. Denn verstehen kann ich es noch nicht.

Eine Stunde, zwei, drei gehen wir. Stumm weine ich, bis keine Tränen mehr da sind. Bis mich die monotonen Schritte meiner Füße zurückgetragen haben zu meiner Mitte. Ein, zwei, drei weitere Stunden, bis wir keinen Helikopter mehr hören, bis wir keine Vollstrecker mehr zu fürchten brauchen.

Die Bäume um uns herum sind alt, knorrig, beobachten uns. Sie sind Zeugen der Zeit, der Vergangenheit. Was ist meine Vergangenheit? Was die der Menschen? Was von dem, das mir Adam erzählt hat, ist wahr? Hat er mir überhaupt etwas Wahres gesagt? Warum hat er sie vor mir versteckt? Verschwiegen, dass es sie gibt? Weiß er, was ich bin? Ich denke an die Zeichnungen in meinem Rucksack. Das weiße Buch, das ich an mich genommen habe.

Die Bäume können nicht sprechen. Leider. Aber die hübsche Schwarzhaarige kann es.

Die Stille und der Marsch, unser Schweigen hat ein Band der Vertrautheit zwischen ihr und mir gewoben, das tausend Worte nicht gekonnt hätten. Dafür, dass sie mir Zeit gegeben hat, bin ich ihr sehr dankbar. Und trotzdem. Jetzt geht es mir wieder besser und ich brenne darauf, zu sprechen. Mehr zu erfahren, jetzt, da wir uns in Sicherheit wiegen, will ich Worte mit ihr austauschen.

Ich will wirklich viel wissen. Wer sie ist? Warum sie bei Adam gelebt hat? Warum sie mir hilft? Wie sie das macht, dass sie uns nicht sehen können? Wie sie Adam geheilt hat? Wohin wir gehen? Wann Adam wieder aufwachen wird?

Ich breche die Stille entzwei wie einen dürren Ast.

»Wie ist dein Name?«, frage ich und meine Stimme krächzt wie die einer alten Frau. Ich räuspere mich und wiederhole meine Frage gleich noch einmal. »Wie heißt du?«

Sie schaut mich an und unsere Blicke huschen aneinander vorbei, umkreisen sich und finden doch zusammen.

Sie muss kichern und bevor ich eine Antwort von ihr bekomme, hat sie mich schon angesteckt und wir bleiben stehen und lachen ausgelassen und keiner weiß so recht warum.

»Also ich bin nicht so alt, wie ich mich anhöre«, grunze ich und aus meiner Nase läuft ein wenig flüssiges Nasenzeugs, das ich mit meinem Ärmel wegwische. »Ich heiße Freija«, sage ich dieses Mal gefasster und überlege, ob ich so tatsächlich heiße. »Also ich glaube zumindest, dass ich Freija heiße«, schiebe ich nach und sie muss schon wieder lachen. Sind wir betrunken? Nein, bestimmt nicht, ich sehe noch nicht doppelt.

»Ich bin Hope.«

Uff, was für eine Stimme sie hat. Ich habe so einen schönen Klang noch nie vernommen. Sie hat eine einfach unbeschreiblich schöne Stimme.

»Sag das nochmal!«, sage ich, nur um nochmal ihre Stimme zu hören.

Sieh zieht eine Augenbraue hoch. »Bist du taub?«

»Nein, natürlich nicht«, sage ich und setze Adam vorsichtig ab, sodass er im Gras liegt. Sie setzt sich im Schneidersitz neben ihn ins Gras und blickt zu mir hoch.

»Wie alt bist du?«, frage ich jetzt.

»17 und du?«

»Ich weiß es nicht wirklich. Ich schätze auch siebzehn oder so.«

Die hübsche Hope beginnt ihre schwarzen Haare nach Split zu durchsuchen. »Du bist ein ziemlich krasser Symbiont. Ich habe das noch nie gesehen. Aber du hast es nicht im Griff!«

Ich setze mich neben sie. »Ich bin was?«

Sie lässt von ihren Haaren ab und sieht mir direkt in die Augen. »Du weißt gar nichts, oder?«

»Ähm. Wahrscheinlich nicht so viel. Mir wurden die Erinnerungen genommen.«

»Weißt du, woher du die Teile hast?«

»Was meinst du?«

Hope verdreht die Augen himmelwärts. »Oh Mädchen, jetzt denk mal ein bisschen mit. Was ist an dir anders? Was beschäftigt dein Gehirn die ganze Zeit?«

»Meine Tattoos?«

Sie klatscht in die Hände. »Ja klar, was sonst!«

»Nein, ich weiß nicht, wo ich sie herhabe!«

»Ich kann es dir sagen«, flüstert sie jetzt geheimnisvoll. »Du hast sie von ihnen. Von den Bestien. Du bist eine von uns. Du bist ein Symbiont!«

»Ein Symbiont?«

»Ja genau! Halb Mensch, halb Bestie!«, sagt sie und wirft die Arme in die Luft.

»Ich habe Blut getrunken!«, sage ich plötzlich.

»Ich habe es gesehen!«, sagt sie und wischt sich über die Lippen.

»Du hast uns durch das Fenster beobachtet.«

»Ja, habe ich. Adam ist ein scharfer Typ, aber er steht nicht auf schwarze Haare. Er mag Blondinen!«

»Wie bitte?«, frage ich entsetzt und ich spüre, wie meine Wangen Feuer fangen, wie sie glühen, wie ich vor der Schwarzhaarigen knallrot werde. Ich erinnere mich an die schrecklichen Sekunden am See. Adam, der durchgedreht ist – oder war ich es, die durchgedreht ist? Und an das eindringliche Gefühl, das ich hatte. Das Gefühl beobachtet zu werden. Die Schatten hinter dem Fenster. Das war wirklich keine Einbildung. Das war sie! »Wieso hast du das gemacht? Ich meine, was fällt dir ein, uns zu beobachten?«

Hope tätschelt mein Knie. »Reg dich nicht auf, Schätzchen. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile. Wir haben zwei Wochen im gleichen Haus gewohnt.«

»Warum warst du im Haus?«, will ich wissen.

Sie blickt zu dem bewusstlosen Adam. »Er hat mich vor ihnen versteckt.«

»Vor wem?«

»Den Vollstreckern.«

»Die, die die Sieben Gebote vollstrecken? Die Gebote für die Widerstandskämpfer in den Zonen?«

Hope rümpft ihre kleine Nase. »Widerstandskämpfer? Das hat er dir gesagt?«, fragt sie und zeigt auf Adam, der atmet und sonst nichts.

»Ja, Adam hat mir das gesagt.«

»Das ist nicht die ganze Wahrheit«, sagt Hope und ich spüre, dass sie mehr sagen möchte. Aber sie tut es nicht.

»Was ist dann der Rest der Wahrheit?«

»Ich werde es dir zeigen.« Sie spricht nach einer Minipause weiter. »Man muss die Wahrheit sehen, damit man weiß, dass sie wahr ist.« Ich spüre, dass es keinen Sinn hat, sie zu löchern und wechsle das Thema, weil ich nicht will, dass sie aufhört zu sprechen. »Und du hast mich also beobachtet?«

»Ja, die ganze Zeit schon. Du bist echt krass drauf. Killst den Adam fast und trinkst sein Blut!«

»Dafür schäme ich mich!«

»Brauchst du nicht, habe ich auch schon gemacht. Kriegst du mit der Zeit hin, ohne Blut auszukommen. Aber wenn du es nicht schaffst, dann wird es echt krass, dann wirst du deine menschliche Seite verlieren. Kannst du dich an etwas erinnern?«

»Du meinst an etwas von früher?«

»Ja, was sonst. Die letzten zwei Wochen schaffst du wohl noch, oder?«

»Nein. Ich bin aus dem Koma aufgewacht und kann mich an nichts, was vorher war, erinnern. Adam hat gesagt, dass meine Erinnerungen gelöscht wurden. Er meinte, es sei besser so, weil sie schrecklich sind.«

»Adam hat gelogen!«, sagt sie und gibt ihm einen Fußtritt, den er nicht spüren kann.

»Was?«

»Ja, sie müssen schlimmer sein, als nur schrecklich. Du kommst aus einer Zuchtsektion.«

Ich sollte geschockt sein, bin es aber nicht. Irgendwie habe ich es schon geahnt.

»Bin ich eine Bestie?«, frage ich. Ich weiß, wie es sich angefühlt hat, als die Tattoos zu leuchten begonnen haben, als ich über Adam hergefallen bin und von ihm getrunken habe. Irgendwie hoffe ich, dass er wieder zu sich kommt, damit ich mich dafür entschuldigen kann. Ich bin froh, dass er nicht tot ist, dass niemand wegen mir sterben musste.

Hope klopft mir auf die Schulter. »Also du bist schon ziemlich biestig, aber das bekommen wir schon hin. Merk dir gut, nur wer zu viel Blut säuft, wird zu einer Bestie. Blut ist echt lecker, aber es gibt andere Nahrung, die besser für uns ist. Aber ich geb´s zu, du bist schon anders. Viel krasser als ich. Ich habe nicht so viele Fähigkeiten. Ich habe dich beobachtet. Du bist echt brutal begabt. Atmest unter Wasser, bist stark, schnell. Du bist eine Kriegerin. Und du bist…«, sie stockt mitten im Satz.

»Ja, was bin ich?«

»Du bist das Mädchen aus der Prophezeiung!«

Violet - Die 7. Prophezeiung - Buch 1-7

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