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Aeia - Traum

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Sie steht auf einem Felsen, über ihr erstreckt sich endlos weit der Sternenhimmel, unter ihr, bis an den Rand des Horizonts, das fruchtbare Tal. Sie sieht von oben herab. Erblickt den breiten Strom nackter Sklaven, der sich vom Nil herauf wälzt. Erahnt die Hellhäutigen und Schwarzen, die Plattnasigen und Wulstlippigen und die Geschorenen. Sie stinken nach schlechtem Öl und Schweiß. Der Geruch nach Rettich, Zwiebeln und Knoblauch steigt im Morgendunst auf.

Sie hört sie ächzen und seufzen. Unter den Peitschenhieben der Aufseher ziehen sie über die von unzähligen Schritten polierten Platten der Granitstraße, die sich vom Nil herauf bis zum imposanten Bauplatz erstreckt.

Sie stöhnen unter der Last schulterschneidender Stricke und zerren riesige, auf Walzen langsam rollende Schlitten herbei, die beladen sind mit kolossalen Steinen. Unter ihrem Geschrei, ihrem Gestöhn, ihrem Sterben wächst die Pyramide.

Sie wendet sich gegen Süden, fühlt sich verbunden mit der Stadt, die dort im endlos weiten Wüstensand emporsteigt, um den Göttern zu huldigen.

Dunst steigt auf und verschleiert ihre Sicht und während sie weiter von jenen entlegenen Orten träumt, rücken die Laute der Sklaven in weite Ferne, so als würden die Sklaven hier verharren und sie emporsteigen, in andere Sphären aufsteigen und sich entfernen, als säße sie in einem Flugobjekt.

Auf einem anderen Planeten zu einer anderen Zeit landet sie und schwebt dort elfengleich über einen schmalen Holzsteg. Ihre Schritte wirbeln Nebel auf, lassen sichtbare Luftkringel entstehen, die hinaus wandern, auf das sich erstreckende Wasser. Sie bleibt stehen und bewundert die wunderschöne Landschaft. Segelboote die das Sonnenlicht als Energiequelle nutzen, sind in der Ferne zu erahnen. Sie scheinen die Sonne zu erwarten, welche den Nebel auflöst, die Dämmerung ablöst. Das wird ein Spektakel, wenn sich die ersten Sonnenstrahlen millionenfach an den Tautropfen reflektieren werden. Doch der ersehnte Augenblick tritt nicht ein. Stattdessen scheint der erste Sonnenstrahl auf seinem Weg hierher, zu ihr, auf ein Hindernis zu treffen.

Sie steht da und schaut gebannt zu, wie das goldene Licht sich bemüht, als würde es sich durch eine Flüssigkeit kämpfen und nicht durch Luft. Endlich haben es die Strahlen bis zu ihr geschafft, um die Schatten in Zeitlupe aufzulösen. Sie genießt die sanfte Wärme auf ihrer Haut - für ein paar Augenblicke - ehe sie beschließt weiterzulaufen und diese fremde Umgebung weiter zu erkunden.

Ein Schatten legt sich über ihr Gesicht. Überrascht öffnet sie ihre Augen und erkennt, wer schuld daran hat. Ein Schöpfer befindet sich nur eine Elle von ihr entfernt, steht neben ihr. Er genießt die ersten erwärmenden Strahlen, so wie sie. Er hat seine Augen geschlossen und sie fragt sich, ob er ihre Anwesenheit denn schon bemerkt hat. Sie saugt die Form und die Andersartigkeit seiner Erscheinung auf. Er ist groß, Statur und Muskulatur sind männlich, die Gesichtszüge weich, mit einem Hauch zum Femininen. Seine Haare sind dunkel, schulterlang, bewegen sich im Wind wie zartes Wassergras. Fasziniert studiert sie seinen entblößten Oberkörper, die kleinen Haare, die seine Brust bedecken, die Haut, die sanft olivgrün schimmert und im Sonnenlicht glitzert. Er steckt in einer silbernen Hose, der Stoff glänzt wie Seide, die Farbe ist die von Wasser und Nebel und Luft, alles auf einmal. Er wirkt so sauber, als würde sein Körper jeglichen Schmutz abweisen. Nur seine Füße sind erstaunlich erdig und scheinen sich im Boden zu verankern.

Plötzlich bewegt er sich, wendet sich ihr zu, seine Muskeln vollführen wellenartige Bewegungen, das Licht wird auf wundersame Weise in verschiedenen Winkeln und Farben von ihm reflektiert. Er sieht einfach nur wunderschön aus. Als sie registriert, dass er sie mit der gleichen Neugierde betrachtet, wie sie ihn, fängt ihr Gesicht Feuer. Er blickt sie an, verfolgt mit seinen stahlblauen Augen ihre Bewegungen, bis sich ihre Blicke treffen und sich ineinander verknoten.

»Nie habe ich eine so hübsche Begnadete gesehen«, sagt er und es ist klar, dass er sie damit meint. Seine Stimme ist wie das Flüstern des Windes, das Rascheln der Blätter, das Plätschern des Wassers. Ihr Gesicht glüht. Natürlich weiß Aeia, dass das hier nur ein Traum ist. So viel Poesie, so viel Schmalz? Das gibt es nur im Traum! Das hier ist nicht echt, aber es ist ohne jeglichen Zweifel eine tolle Fantasievorstellung. Und er ist ein außergewöhnlicher Typ.

»Was für eine Begnadete bist du? Wer hat dich erschaffen?«, fragt er Aeia und berührt wie aus dem nichts ihr Gesicht, ihre Wange. Seine Hand duftet wie jene Luft, kurz nach einem Regenschauer.

»Man nennt mich Aeia.«

»Aeia? Die Zahl des genetischen Pfads für Aeia ist die 7. Das ist die Zahl von Wissen und Neugier. Es ist die schönste Zahl im Universum. Und tatsächlich, du blühst auch wunderschön«, sagt er und streicht durch ihr Haar und berührt sanft ihren Hals. Unwillkürlich schmiegt sie sich näher an seine Hand und als sein Arm nach unten gleitet, bemerkt sie, wie wenig sie im Grunde anhat. Ein luftiges, leicht plissiertes, sehr dünnes Gewand, das ihre Körperlinien durchscheinen lässt. Es beginnt unterhalb ihrer Brüste, die nur von einem hauchdünnen, durchsichtigen Überwurf bedeckt sind, reicht bis zu ihren Knöcheln und wird von zwei goldenen Tragbändern über den Schultern festgehalten. Ihr Gewand offenbart mehr, als es im Stande ist zu verbergen und sonst trägt sie nichts.

»Aeia, besuchst du aus einem bestimmten Grund unseren Planeten?«, will er wissen und seine Hand legt sich auf ihre Taille, was sie ziemlich aufregend findet. Sie jongliert ein paar Gedanken hin und her.

»Ich bin gekommen, um ein uraltes Geheimnis zu lüften. Wer wir sind? Woher wir kommen? Weißt du es?«, fragt Aeia den jungen Schöpfer, dessen Hand ihre Hüften streichelt. Er lehnt sich vor und ganz nah an ihrem Ohr sagt er: »Ja, das tue ich.« Sie spürt einen hauchzarten Kuss auf ihrer Wange und seine andere Hand, die sich auf ihr Gesicht legt.

Aeia erlebt den Traum bewusst, aber anders als jemals zuvor kann sie nichts unternehmen. Sie kann einfach nur zusehen.

Die Absichten des Schöpfers sind offenkundig und Aeia, hat offensichtlich nichts dagegen, sich von ihm berühren und küssen zu lassen, ihn noch näher kommen zu lassen. Geflissentlich schiebt sie sich seinem Körper ein paar Zentimeter entgegen. Genug um ihre Hände auf seine Brust zu legen, das flauschige Haar und die Härte seiner darunterliegenden Muskeln zu spüren. Der Schöpfer fährt ihre Wirbelsäule hinab, was ihr eine Gänsehaut verursacht. Ihre rechte Hand fährt durch sein faszinierendes Haar, streichelt sein Ohr, sie winkelt ihr Bein an und schlingt es um seine Hüfte. Plötzlich verformt sich sein Gesicht zu einem boshaften Lächeln, das sie noch nie so gemein und hinterhältig gesehen hat. »Es ist eine Schande, dass ich dich jetzt töten muss.«

Plötzlich verschwimmt alles.

Als Aeia aufblickt, stellt sie erschüttert fest, dass es mitten in der Nacht ist. Für einige Minuten liegt sie mit offenen Augen im Bett. Nur eine Phantasie, nur ein Traum, von was? Von Ägypten? Einem Schöpfer, der sie töten will? Einem fremden Planeten? Das war kein High-Dream, redet sie sich ein, denn sie hatte keinen Einfluss auf das Traumgeschehen. Sie war nur Beobachterin. Das waren einfach nur Hirngespinste ihres Unterbewusstseins, das mit allen Mitteln versucht, das Gespräch mit Davidi zu verarbeiten.

Ihre Gedanken kreisen auch um Naomi. Ihr Kind, ihre Mitte, ihre Sonne, ihr Glück. Das einzige noch lebende Wesen, dem sie verzeiht, dass es sie jahrelang nachts nicht schlafen ließ, und, das sie unter unmenschlichen Schmerzen aus sich herausgepresst hat. Das sie jetzt immer noch vor Sorge fast umkommen lässt und gleichzeitig so viel gibt. Sie haben sich nach dem Tod Joshuas gemeinsam durch die Jahre gekämpft. Jahre in denen es nur sie beide gab, in denen Aeia versucht hat, eine gute Mutter zu sein.

Begnadet - Wiedergeburt - Buch 3

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