Читать книгу SKULL 3: Die Würfel fallen - Stefan Burban - Страница 19
13
ОглавлениеMacTavish fühlte sich nicht so recht wohl dabei. Ihm blieb aber keine andere Wahl, als Kilgannon zu folgen. Der Pionier führte ihn zu einer größeren Wohnsiedlung in Kopenhagen, die ausschließlich aus anonymen, grauen Wohnblöcken bestand. Jedes der Hochhäuser bestand aus fünfhundert Wohneinheiten. Es war ein deprimierender Anblick. Diese Gebilde dienten als Unterkunft für die Ärmsten der Armen.
»Und hier wohnt deine Reporterin?«
Kilgannon nickte, während er MacTavish durch ein Labyrinth verschachtelter kleiner Gassen zwischen den einzelnen Hochhäusern führte. »Sie ist gut in ihrem Job, aber nicht erfolgreich. Ironischerweise gerade deswegen, weil sie gut ist und ihren Job ernst nimmt. Sie ist nicht linientreu, sondern lässt sich lieber von ihrem Instinkt und ihrem Berufsethos zu einer Story führen. Das passt vielen nicht. Sie hat sich einige Feinde geschaffen.«
Gegen seinen Willen war MacTavish ein klein wenig beeindruckt. Wenn ihre Erfolglosigkeit parallel zu ihrem Können und ihrer Sturheit verlief, dann war Catherine Shaw genau die Frau, die sie jetzt brauchten.
Kilgannon begab sich in den dritten Stock und hielt vor einer Tür. Der Mann atmete einmal tief durch und betätigte die Klingel. Kilgannon und MacTavish warteten. Zunächst geschah gar nichts. Doch dann öffnete eine junge, recht attraktive Frau mit brünetter Löwenmähne. Sobald sie Kilgannon erblickte, erstarrte sie zur unbeweglichen Säule.
Unbehagliches Schweigen dehnte sich schier unerträglich in die Länge. Schließlich grinste Kilgannon, breitete die Arme aus und sagte: »Schatz! Ich bin zu Hause.«
MacTavish war nie ein großer Frauenkenner gewesen. Aber selbst ihm war klar, dass von allen möglichen Anfängen einer Konversation sein Begleiter sich ausgerechnet für die schlimmste entschieden hatte. Die Reaktion erfolgte auf dem Fuße. Catherine Shaws Augen wurden groß, ihre Miene verzerrte sich und Kilgannon bekam prompt ihre Faust mit solcher Wucht ins Gesicht, dass er mit glasigen Augen rücklings umkippte.
MacTavish musste sich selbst vorhalten, dass er die Möglichkeit gehabt hätte, den Fall Kilgannons zumindest zu bremsen. Stattdessen blieb er einfach nur stehen und genoss den Anblick, wie der Pionier aus den Latschen kippte. Er hob den Blick und betrachtete vergnügt Shaws immer noch vor Wut schnaubendes Gesicht. Die Reporterin hielt sich ihre schmerzende Hand, deren Knöchel aufgeplatzt waren. Dennoch blitzte ein Funken Genugtuung in ihren Augen auf. MacTavish nickte. Kilgannon hatte recht gehabt. Er mochte die Frau.
Lieutenant Colonel Carl Randazotti machte sich nicht die Mühe, in Eile zu verfallen. Er schlenderte durch die Korridore des Großschlachtschiffes Merlin – das Flaggschiff des Konsortiums – und begutachtete die Ausstattung. Dass das Oberkommando der Expeditionsstreitmacht der Söldner gerade auf ihn wartete, um die Besprechung zu beginnen, störte ihn nicht besonders. Im Gegenteil, es handelte sich um die Kirsche oben auf der Torte.
Randazotti strich mit der Hand über das bloße Metall. Das Deck war blank poliert. Falls dieses Schiff bereits jemals einen Einsatz erlebt hatte, dann fraß er einen Besen. Es wirkte fabrikneu, beinahe wie soeben aus dem Werftdock geschwebt. Er hob den Blick. Draußen vor dem Bullauge flog einer der Truppentransporter des Konsortiums vorüber. Er schien ebenso neu und gut in Schuss zu sein wie die Merlin. Für einen Moment fraß sich ein Gefühl durch seine Eingeweide, das sich verdächtig nach Neid anfühlte. Randazotti verzog leicht die Miene.
Das Schiff, in dem sein eigenes Regiment eingepfercht war, hatte man vor gut zwanzig Jahren in Dienst gestellt. Seine Leute mussten sich mit uralter Ausrüstung begnügen, während dieser Söldnerabschaum das Neueste vom Neuen bekam. Das war einfach nicht fair. Mehr noch, es war verdächtig, auch wenn Randazottis Verstand nicht genau festmachen konnte, inwieweit es verdächtig war. Die Geldmittel, über die das Konsortium verfügte, waren jedenfalls ganz erheblich. Wo kamen all diese Hunderte Millionen her? Oder waren es mittlerweile bereits Milliarden? Er zuckte innerlich die Achseln. Gut möglich. Wer konnte das schon konkret sagen?
Das Konsortium erfreute sich eines Kombikontraktes der Grafschaften Rayat und Onbele. Allein diese beiden warfen dem Konsortium bereits einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in den Rachen, um die Söldner bestmöglich auszurüsten. Aber das allein konnte unmöglich die Antwort sein. Auch die staatlichen Subventionen des Königreichs reichten dazu nicht aus. Hier war mehr im Gange. Hinter dem Konsortium standen ein oder mehrere Geldgeber, die über tiefe Taschen verfügten und keinerlei Scheu hegten, dies auch auszunutzen.
Randazotti seufzte und zog die Hand wieder zurück. Von solchen Dingen wusste er aber nicht allzu viel. Strategie, Taktik: Das waren die Dinge, auf die er sich verstand. Er setzte seinen Weg fort. Nach wenigen Minuten passierte er ein weiteres Bullauge und der Colonel der Colonial Royal Army erhaschte einen Blick auf die Flotte, die sich im Moment dort draußen sammelte.
Es handelte sich um die größte Ansammlung von Schiffen, seit Ende des Bürgerkriegs. Allein das Konsortium hatte zwei volle SFG aufgeboten. Hinzu kam eine weitere des Königreichs.
Randazotti rümpfte die Nase. Das war so ein weiterer Punkt, der ihn gehörig nervte. Die Schiffe des Konsortiums waren nicht nur zahlenmäßig überlegen, sie führten auch noch das operative Kommando. Etwas Derartiges hätte nicht möglich sein dürfen. So etwas sollte einfach nicht sein. König Liam hätte dies niemals geduldet.
Als seine Gedanken zum verstorbenen König zurückkehrten, kam Trauer in Randazotti auf. Liam war ein guter Mann und ein guter König gewesen. Er hatte gewusst, was auf das Königreich zukam, wenn man es Söldnern gestattet, ihre militärische Infrastruktur zu weit aufzublähen. Genau das hatte der König mit seinem Veto verhindern wollen.
»Ganz in Gedanken?«, sprach ihn plötzlich eine mitfühlende Stimme an.
Der Colonel drehte sich um und sah sich unvermittelt Thomas Lassiter gegenüber, seinem Brigadekommandeur. Augenblicklich stand er stramm. Lassiter jedoch lächelte nachsichtig und winkte ab. »Schon gut, Carl. Lassen wir die Förmlichkeit.«
Randazotti entspannte sich etwas und stieß einen Schwall Luft zwischen den Vorderzähnen aus. Lassiter musterte ihn genau. »Sie kommen zu spät zur Einsatzbesprechung.«
Carl verstand die Bemerkung sehr richtig nicht als Zurechtweisung, sondern vielmehr als schlichte Feststellung.
Der Colonel lächelte. »Sie auch.«
Brigadier General Thomas Lassiter lächelte. »Ich hatte es nicht eilig. Sollen unsere neuen Freunde vom Konsortium ruhig ein wenig warten. Es ist in diesen Zeiten ohnehin die einzige Möglichkeit, die Kerle etwas zu treffen, jetzt, da wir ihnen quasi unterstellt sind.«
Randazotti wandte den Blick ab. »Ihnen gefällt das also auch nicht. Ich hatte schon befürchtet, der Einzige zu sein.«
»Natürlich gefällt es mir nicht. Aber Befehl ist Befehl. Der Kronprinz will es so. Alles, was wir tun können, ist, die Anweisung unseres Souveräns auszuführen.«
»Es kommt mir alles so … falsch vor.«
Lassiter hob eine Augenbraue. »Die Art, wie diese Mission angegangen wird? Oder die Mission selbst?«
Randazotti wurde vorsichtig. Kritik an der Mission zu äußern, könnte sehr leicht als Insubordination oder Aufrührerei fehlinterpretiert werden. Lassiter schnaubte. »Nun kommen Sie schon, Carl. Sie wissen doch, mit wem Sie hier reden. Lassen Sie es schon raus.«
Carl schlug den Blick nieder. »General, wir ziehen gegen eine Grafschaft des Königreichs.«
Lassiter presste die Lippen so stark aufeinander, dass sie wirkten wie ein einzelner, blutleerer Strich. »Mir sind ähnliche Gedanken durch den Kopf gegangen«, gab der General überraschend freimütig zu. »Aber Tatsache ist, Beltaran hat unseren Feinden geholfen. Den Mördern des Königs. Dafür müssen sie die Konsequenzen tragen. Das ist Fakt.« Der General zwang sich sichtlich zu einem Lächeln. »Aber eine diplomatische Lösung ist noch nicht vom Tisch. Daran sollten Sie sich festhalten. Wir werden vorerst lediglich Druck ausüben. Nicht mehr. Militärische Aktionen sind nicht geplant.«
»Das kann sich schnell ändern. Und dann?«
Lassiters Blick wurde hart. »Dann tun wir unsere Pflicht, Colonel.«
Bei dieser formalen Anrede nahm Randazotti unwillkürlich wieder Haltung an. In diesem Moment kam ein Offizier im Weiß der Flotte um die Ecke. Ihm folgten mehrere Adjutanten und höheren Offiziere. Der Mann blieb schlagartig stehen und musterte nacheinander verblüfft Lassiter und Randazotti. Schließlich grinste Konteradmiral Nigel Wolff über das ganze Gesicht. Der Kommandant der royalen SFG trat langsam näher. »Sie beide wollten unsere neuen Befehlshaber also auch warten lassen.« Es gelang ihm, das Wort Befehlshaber wie eine Beleidigung klingen zu lassen. Alle drei Offiziere brachen in schallendes Gelächter aus.