Читать книгу SKULL 5: Mit Feuer und Schwert - Stefan Burban - Страница 12
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Оглавление19. Mai 2647
Großadmiral Gale Sheppard von den Streitkräften der Solaren Republik musterte seine acht untergebenen Offiziere mit ernstem Gesichtsausdruck. Sechs von ihnen waren lediglich als Hologramm anwesend, die zwei anderen physisch. Alle acht Commodore standen in Habtachtstellung vor ihrem Befehlshaber.
Sheppard entließ die sechs Männer und zwei Frauen aus seinem Blick und schüttelte bekümmert den Kopf. »Wissen Sie, warum ich Sie herzitiert habe?«
Die acht Offiziere starrten immer noch starr über Sheppards Scheitel hinweg auf die Rückseite seines Büros an Bord des Großschlachtschiffes New Zealand.
Sheppard lehnte sich in dem Stuhl zurück. Sein stechender Blick glitt nacheinander die Reihe der angetretenen Männer und Frauen ab.
»Niemand hat eine Idee?«, hakte er nach. »Nicht einer von Ihnen?«
Sheppards rechter Mundwinkel zog sich langsam nach oben. Sie wussten genau, warum sie hier waren. Aber keiner hatte den Schneid, es einzugestehen. Niemand wollte der Erste sein, der den Finger auf die offene Wunde legte.
Der Großadmiral beugte sich vor und betätigte einen Knopf an seinem Schreibtisch. Ein integrierter Holoprojektor erwachte zum Leben und eine aufgezeichnete Szene begann abzulaufen. Ein halbes Dutzend königlicher Schiffe versuchte, vor der doppelten Anzahl solarischer Einheiten zu fliehen. Kurz vor Erreichen eines der Lagrange-Punkte wurden sie jedoch abgefangen. Es entbrannte ein kurzes Gefecht, in dem vier königliche und drei solarische Schiffe zerstört wurden. Die überlebenden zwei royalen Einheiten signalisierten die Kapitulation. Beide waren schwer angeschlagen und kaum noch raumtauglich.
Die Solarier stellten kurz unschlüssig das Feuer ein – dann zerstörten sie beide Schiffe mit wenigen Salven, drehten ab und kehrten auf ihre Patrouillenroute zurück. Sheppard hielt die Aufzeichnung an. Die eingefrorene Szene zeigte jetzt das Trümmerfeld, das von den Royalisten übrig geblieben war, und die Kennung des solarischen Führungsschiffes.
Sheppards Augenmerk blieb auf einem der weiblichen Offiziere hängen. Diese begann sich unter dem unerbittlichen Blick ihres Vorgesetzten zu winden. Schweißperlen bildeten sich auf ihrer Stirn.
»Commodore Sanchez.« Sheppard vergrößerte die Kennung des Kreuzers. Der Name auf der Steuerbordseite war jetzt unangenehm deutlich erkennbar. »Wenn mich nicht alles täuscht, ist das Ihr Schiff.«
Die Frau nickte abgehackt wie ein Roboter. »Ja, in der Tat, Sir.«
»Würden Sie mir das erklären?«
Sanchez räusperte sich. »Da gibt es nicht viel zu erklären, Admiral. Wir stöberten einige Royalistenschiffe auf und brachten sie zur Strecke. Punkt.«
Abermals lehnte sich Sheppard in seinem Stuhl zurück. »Punkt«, wiederholte er. »Das ist alles? Mehr haben Sie nicht zu sagen? So einfach ist das für Sie?«
Die Frau senkte den Kopf und sah ihm erstmals direkt in die Augen. Sie zuckte die Achseln. »Es ist Krieg und meine Leute haben den Feind zerstört. Das macht man im Krieg.«
Sheppard seufzte tief auf. Diese Antwort hatte er erwartet. Dennoch enttäuschte sie ihn auf mehreren Ebenen, wie er es nie für möglich gehalten hätte.
Erneut maß er jeden der Anwesenden mit festem Blick. »Sind Sie alle dieser Meinung?«
Die Männer und Frauen rührten sich nicht. Sheppard hatte sogar den Eindruck, sie vermieden es zu atmen. Er wusste genau, dass sie alle Sanchez’ Meinung teilten. Und das war äußerst gefährlich.
Sheppard erhob sich. »Kapitulation wird immer akzeptiert.« Der Großadmiral war ein imposanter Mann, dennoch sprach er in ruhigem Tonfall. Seine Präsenz genügte bereits, seine Untergebenen einzuschüchtern. »Ein Krieg wird nicht nur darin beurteilt, wer ihn gewonnen hat, sondern auch, wie er geführt wurde.« Er rümpfte die Nase. »Mir liegen ähnliche Aufzeichnungen von Ihnen allen vor. Ich nehme an, wir sind uns einig, dass das, was Sie getan haben, ein Kriegsverbrechen darstellt.«
Einer der männlichen Commodore prustete. »Wer soll uns schon anklagen?« Die Bemerkung löste unterdrücktes Kichern bei den anderen sieben aus. Es endete erst, als den Anwesenden klar wurde, dass Sheppard in die allgemeine Heiterkeit nicht mit einstimmte.
Der Großadmiral trat näher, bis nur noch eine Handbreit Platz zwischen den Nasen beider Männer war. »Wie wäre es mit mir, Commodore Fournier?«
Darauf wusste dieser keine Antwort. Sheppard trat ein paar Schritte zurück, bis er alle acht wieder im Blick hatte. »Sie haben großes Glück, dass ich jeden einzelnen Offizier brauche, wenn wir den Krieg gewinnen wollen.« Das war nur die halbe Wahrheit. Wenn es nach Sheppard ginge, würde er diese acht Offiziere als mahnendes Beispiel vor ein Tribunal stellen und wegen begangener Kriegsverbrechen hinrichten lassen – damit andere darüber nachdachten, bevor sie über die Stränge schlugen.
Nur leider war das dieses Mal nicht wirklich einfach. Die vor ihm angetretenen Offiziere waren Günstlinge Pendergasts. Der Präsident hatte sie selbst auf ihre Posten gehievt. Das kam mittlerweile ärgerlich häufig vor. Offiziere wurden immer mehr aufgrund ihrer politischen Ansichten und weniger wegen ihrer Befähigung berufen. Dem Präsidenten war es weitaus wichtiger, Rückhalt beim Militär zu besitzen, als überhaupt eine handlungsfähige und moralisch integre Streitmacht zu unterhalten.
Männer wie Sheppard bemühten sich, das Schlimmste zu verhindern, indem sie die Leute an die Kandare nahmen und ihnen einige Prinzipien in den Kopf hämmerten. Es wurde aber zunehmend schwierig. Diese acht hatte er bereits als lernresistent abgeschrieben. Es handelte sich rein formal um gute Offiziere, die sogar einiges auf dem Kasten hatten. Doch jeder einzelne dieser Dummköpfe besaß die Moral eines Straßenköters.
Ihre Verbindung zu Pendergast machte es darüber hinaus sehr schwierig, sie in irgendeiner Form zur Verantwortung zu ziehen. Der Mann hielt seine schützende Hand über diese Kreaturen. Quitt pro quo. Sie unterstützten ihn und dafür förderte der Präsident deren Karriere. Es war schlichtweg zum Mäusemelken.
Die acht Commodore harrten weiterhin in der Habtachtstellung und erwarteten gespannt Sheppards nächste Worte. Der Großadmiral kehrte hinter den Schreibtisch zurück und setzte sich. Er strich seine ohnehin makellose Uniform glatt.
»Jeder von Ihnen erhält einen formalen Verweis in seiner Akte und wird für mindestens fünf Jahre für Beförderungen gesperrt.«
Die acht Offiziere erstarrten. Kaum verhohlener Zorn huschte über das Gesicht Einzelner. Es war klar, dass sie sich ungerecht behandelt fühlten.
»Sie dürfen wegtreten«, erklärte der Großadmiral. Als sich keiner seiner Untergebenen rührte, blickte er teils verwundert, teils genervt auf. »Ja? Sie möchten noch etwas loswerden?«
Es war Sanchez, die das Wort ergriff. »Sir, Ihre Beurteilung ist nicht fair.«
Sheppard tippte unruhig mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte. Er stand kurz davor, seine Geduld zu verlieren. Offenbar war diesen Leuten nicht klar, wie sanft er mit ihnen umgesprungen war. Ihre Verfehlung hätte weitaus schlimmere Konsequenzen verdient, aber sie waren lediglich mit einem Klaps auf die Finger davongekommen.
Sheppard behielt seine neutrale Miene nur mit Mühe aufrecht. »Unfair? Inwiefern?«
»Präsident Pendergast war in seiner Wortwahl eindeutig«, sprach Sanchez weiter. »Gewinnt diesen Konflikt. Das waren seine Worte.«
»Pendergast ist nicht hier«, versetzte Sheppard ungerührt. »Und er muss auch nicht diesen Krieg führen, den er angefangen hat.« Mit jedem Wort wurde die Stimme des Großadmirals lauter. Bei seinem letzten Kommentar verstummte er jedoch. Sheppard bemerkte, wie die angetretenen Offiziere unruhig wurden und ein berechnendes Funkeln in ihre Augen trat. Sheppard befand sich schon vor dem Amtsantritt des Präsidenten auf seinem Posten. Er war ein loyaler Offizier, aber nicht Pendergasts Mann. Eine derart unverblümte Ausdrucksweise hatte schon zur Entlassung von Befehlshabern geführt. Einige hatte Sheppard gut gekannt.
Der Präsident war dabei, die alte Garde nach und nach auszutauschen. In Sheppards Fall hatte es Pendergast noch nicht gewagt, gegen ihn vorzugehen. Unter anderem auch deshalb, weil Sheppard selbst bei seinen Kritikern innerhalb des Militärs höchstes Ansehen genoss. Aber auch, weil er Pendergast keinen Grund gab, an seiner Loyalität zu zweifeln.
Daher musste Sheppard auch sehr vorsichtig sein, um dem Präsidenten keine Munition zu liefern, die letztendlich zu seiner Entlassung führen könnte.
»Der Präsident wird davon erfahren«, maulte Sanchez ein letztes Mal.
»Von mir aus«, gab Sheppard unwirsch zurück. »Und jetzt gehen Sie mir aus den Augen!«
Die sechs Hologramme verblassten und die zwei körperlich anwesenden Commodore salutierten, bevor sie Sheppards Büro verließen. Die Tür schloss sich zischend hinter ihnen.
Mindestens einer von denen würde sich alsbald wie möglich eine Komverbindung zum Präsidenten geben lassen und petzen. So wie kleine Kinder das für gewöhnlich taten.
Der Großadmiral atmete aus, als wäre seine Lunge ein Blasebalg. Er verzog die Miene zu einem zynischen Grinsen. »Das war dumm, alter Junge«, schalt er sich selbst. Er schaltete das Hologramm ab. Die Raumschiffe über der Tischplatte verblassten.
»Großadmiral Sheppard?«, meldete sich sein Adjutant über Komlink.
Mit einer leichten Berührung hinter dem rechten Ohr bestätigte der Großadmiral eine Zwei-Wege-Verbindung. »Ich höre, Major?«
»Wir erhalten soeben eine Übertragung von Präsident Pendergast.«
Sheppard verzog die Miene. Für einen Augenblick erwog er, dass sich einer der gerade gedemütigten Offiziere schon beschwert hatte. Dies schien aber eher unsinnig. Eine Nachricht zur Erde benötigte selbst mit höchster Priorität mehrere Tage. Und nur Admiräle besaßen die Berechtigung für eine Echtzeitsatellitenstafette. Sheppard fragte sich, was der Kerl wohl von ihm wollte. »Wenn man vom Teufel spricht«, flüsterte er.
»Sir?«, wollte sein Adjutant wissen.
»Ach, nichts«, gab Sheppard genervt zurück. »Speichern Sie die Nachricht ab. Ich sehe sie mir später an.«
Der Major zögerte. »Es handelt sich um eine Echtzeitübertragung.«
Sheppard merkte auf. So was war extrem teuer. Wenn Pendergast bereit war, die Kosten dafür aufzubringen, dann war ihm etwas ziemlich wichtig.
Der Großadmiral atmete einmal tief durch. »Stellen Sie ihn durch, Victor.«
Der in seinen Schreibtisch integrierte Holoprojektor erwachte erneut zum Leben und Pendergasts Gestalt von der Hüfte aufwärts erschien vor dem Großadmiral.
Sheppard erhob sich und salutierte vor seinem Staatsoberhaupt, während in den Eingeweiden des Großadmirals der Unmut wuchs. Pendergasts Hologramm sah auf ihn herab. Er hegte keinerlei Zweifel, dass dies auch beabsichtigt war. Pendergast hätte seine Gestalt problemlos in Lebensgröße darstellen lassen können oder auch schlicht seinen Kopf. Aber Sheppard hatte schon bei verschiedenen Gelegenheiten festgestellt, dass der neue Präsident der Solaren Republik es liebte, seine Gegenüber an ihren Platz zu erinnern.
»Präsident Pendergast«, begrüßte er den Mann in neutralem Tonfall.
»Sheppard«, grüßte Pendergast zurück.
Der Präsident unterließ es, den Rang seines Ansprechpartners zu benutzen. Das war wieder mal typisch. Es war einer dieser kleinen Stiche, für die Pendergast inzwischen berühmt-berüchtigt war. Damit ließ er seinen Unmut erkennen, ohne sich in Tonfall oder Wortwahl zu vergreifen.
»Mir sind einige beunruhigende Dinge zu Ohren gekommen«, fuhr der Präsident fort.
Sheppard neigte fragend leicht den Kopf zur Seite, erwiderte aber nichts. Pendergast runzelte die Stirn. Damit hatte er nicht gerechnet. Sheppard gönnte diesem nicht die Genugtuung nachzufragen, sondern überließ dem Präsidenten das Wort.
»Eine erhebliche Anzahl feindlicher Streitkräfte sammelt sich bei Selmondayek«, fuhr der Präsident schließlich fort.
»Das ist mir bekannt.«
»Das ist Ihnen also bekannt«, wiederholte Pendergast die Worte seines Großadmirals. »Dürfte ich freundlichst fragen, was Sie dagegen zu tun gedenken?«
Die betont freundliche Art des Präsidenten täuschte Sheppard nicht eine Sekunde. Der Mann kochte innerlich vor Zorn.
»Sie gehen von falschen Prämissen aus«, gab Sheppard zurück.
»Tatsächlich?«
»Ja, tatsächlich. Der Fluchtweg nach Selmondayek ist keineswegs ungewollt offen geblieben.«
Pendergasts Augenbrauen wanderten beide nach oben. »Erklärung?«, forderte er knapp.
»Anstatt die übrig gebliebenen royalen Verbände zu jagen und mühsam Stück für Stück aufzureiben, habe ich Ihnen einen Funken Hoffnung gelassen. Sie streben derzeit wie die Motten zum Licht. Und genau wie diese Insekten kommen sie dem Feuer zu nahe … und verbrennen.« Das Gesicht des Großadmirals zeigte ein freudloses Lächeln. »Ich habe auf jeder infrage kommenden Sprungroute Schiffe im Hinterhalt liegen. Es ist uns bereits gelungen, eine erhebliche Anzahl royaler Einheiten zu vernichten. Sie alle befanden sich auf dem Weg nach Selmondayek.«
»Aber einige sind durchgekommen.«
Sheppard nickte. »Ja, einige sind durchgekommen«, gab er zu. »Aber wo können sie hin? Was können sie tun? Selmondayek wird für sie zur Todesfalle werden. Ich ziehe derzeit einen erheblichen Anteil unserer Invasionsstreitkräfte für einen vernichtenden Angriff gegen das System zusammen. Anstatt Dutzende Schlachten schlagen zu müssen, schlage ich nur noch eine große, um die Sache zu einem Ende zu bringen. Wir vernichten den Großteil von dem, was von den königlichen Streitkräften übrig ist. Und damit brechen wir ihnen endgültig das Rückgrat. Wo auch immer sich der kümmerliche Rest dann verbirgt, sie werden alle Hoffnung verlieren. Von diesem Moment an werden wir nur noch mit Aufräumarbeiten beschäftigt sein.«
Pendergast schwieg eine ganze Weile, während er sich das Gesagte durch den Kopf gehen ließ. Schließlich nickte er verhalten. »Ich muss mich wohl bei Ihnen entschuldigen. Ein guter Plan, der einige Erfolgsaussichten aufweist.« Pendergasts Blick fokussierte sich plötzlich auf sein Gegenüber. »Aber ist Ihnen auch bekannt, dass vor einigen Tagen einem Verband der Durchbruch geglückt ist, in dessen Obhut sich Prinz Calvin befand?«
Sheppard biss sich derart fest auf die Unterlippe, dass ein wenig Blut austrat. Woher zum Teufel wusste der Mann denn das schon wieder? Die Worte Pendergasts bestätigten, was sich der Großadmiral schon längst gedacht hatte. Selbst in seinem innersten Kreis hatte der Präsident Spitzel, die ihn ohne Unterlass über die Fortschritte der Invasion auf dem Laufenden hielten, ungeachtet der offiziellen Berichte Sheppards.
Der Großadmiral entschied sich für die Flucht nach vorn. »Ja, das ist mir bekannt. Eine Unannehmlichkeit, nichts weiter.«
Pendergast lächelte. »Ich freue mich über Ihren Optimismus.« Das Lächeln schwand. »Ich muss hoffentlich nicht extra betonen, dass der Prinz die Belagerung von Selmondayek nicht überleben darf.«
Die unverblümten Worte schockierten den Berufsoffizier zutiefst. Sheppard war stolz auf seine Soldatenehre und sein Staatsoberhaupt hatte ihm gerade mehr oder weniger deutlich den Mord an einem Mitglied der königlichen Familie befohlen.
Der Großadmiral räusperte sich. »Herr Präsident, lebendig wäre Prinz Calvin deutlich …«
»Warum verstehen Sie nicht, was ich sage? Der Prinz wird die Schlacht nicht überleben. Haben Sie das verstanden, Sheppard?«
Abermals räusperte sich der solarische Offizier. Sosehr er sich aber bemühte, der Kloß in seinem Hals schien sich beim besten Willen nicht auflösen zu wollen.
Fast gegen den eigenen Wunsch neigte sich sein Kopf. Es erschreckte ihn selbst festzustellen, dass er gerade zustimmend nickte.
Pendergast wirkte überaus zufrieden. »Hervorragend. Führen Sie Ihre Verbände nach Selmondayek. Zerstören Sie den Restwiderstand.«
»Sir? Mein ursprünglicher Plan sah vor, noch mindestens acht bis zwölf Wochen mit dem Angriff zu warten. Unseren Analysen zufolge verbergen sich noch erhebliche Teile von Royal Navy, Army und Marines. Je mehr Royalisten wir in Richtung Selmondayek locken, desto weniger Probleme haben wir nach dem Ende der Belagerung.«
Pendergast winkte ab. »Unsinn! Ich will die Sache bereinigt haben. Endgültig.« Sheppard kniff leicht die Augen zusammen. Auf einen oberflächlichen Beobachter mochte der Präsident positiv wirken. Doch Sheppard blickte tiefer. Pendergast hatte Angst. Konnte es tatsächlich sein, dass Prinz Calvin für die Pläne der Solaren Republik eine ernsthafte Bedrohung darstellte? Er war nur ein Junge. Ohne Rückhalt durch seine Familie und mit einem Militär am Rande der Niederlage.
Sheppard bemerkte, wie Pendergast ihn immer noch drohend musterte. »Ich bin es nicht gewohnt, mich zu wiederholen, Sheppard. Gehen Sie nach Selmondayek und brechen Sie dort das, was vom royalistischen Widerstand noch übrig ist. Der Krieg endet in diesem von Gott verlassenen System. Haben Sie das verstanden?«
Sheppard neigte den Kopf in einer ergebenen Geste der Ehrerbietung. »Ja, Sir. Verstanden. Selmondayek wird fallen. Dafür stehe ich mit meinem Wort ein.«
Nur noch ein Sprung war nötig, um Selmondayek zu erreichen. Dank ihrer Eskorte von der Colonial Royal Navy hatte es keinen Zwischenfall mehr gegeben. Admiral Oscar Sorenson hatte Fragen, eine Menge. Aber seit ihrer ersten Begegnung liefen alle Schiffe auf Befehl Lord Hastings’ unter Funkstille. Daher mussten sämtliche Fragen warten, bis sie halbwegs sicheres Terrain erreichten.
Sorenson saß in seinem Quartier und arbeitete einige Berichte durch, als der Türsummer aufheulte. Der Admiral sah auf. »Herein!«
Die Tür öffnete sich und zwei Soldaten der Skulls erschienen auf der Bildfläche. Bei dem einen handelte es sich um Sergeant Wolfgang Koch, einen der verdientesten Scharfschützen der Einheit. Der andere war Private Ramsey Dawson. Und obwohl er der Sohn ihres erklärten Erzfeindes war, hatte sich der Mann inzwischen einen respektablen Ruf innerhalb der Einheit erarbeitet. Und für beide hatte Sorenson einen Auftrag in der Hinterhand, der keinem von ihnen gefallen dürfte.
»Meine Herren, bitte setzen Sie sich.« Der Admiral deutete auf die beiden ihm gegenüberstehenden leeren Stühle. Dawson und Koch wechselten einen verhaltenen Blick. Sie ahnten bereits, dass hier irgendetwas vor sich ging. Es gelang ihnen aber noch nicht, die Sache gedanklich einzuordnen.
Die zwei Soldaten nahmen zögerlich Platz. Sie wirkten ungewohnt nervös. Sorenson fand das amüsant. Ein Marine und ein Scharfschütze, die beide bereits Gefechtssituationen erlebt hatten, verschlug es den Atem, zum Admiral der Skull-Spezialeinheit gerufen zu werden.
Sorenson lehnte sich in seinem Stuhl zurück und musterte die Männer eingehend. »Ich mache es kurz«, begann er. »Auf Sie beide wartet ein Auftrag von besonderer Brisanz. Ich bin überzeugt, dass Sie Einwände dagegen haben werden, aber lassen Sie mich bitte ausreden, bevor Sie mich damit belagern. Diese Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht, doch Sie sind einfach die perfekte Wahl für diese Aufgabe.«
Abermals wechselten Dawson und Koch einen kurzen Seitenblick. Es war eigentlich nicht mehr als ein schnelles Schielen in Richtung des Begleiters.
»Wir stehen stets zu Diensten«, machte Koch den Anfang.
»Wir übernehmen jede Aufgabe, die Sie uns zuweisen«, beeilte sich Dawson beizupflichten.
Sorenson nickte mit schmalem Lächeln auf den Lippen. »Es freut mich, das von Ihnen zu hören.« Er machte eine dramatische Pause. »Sie werden beide dem Prinzen als Personenschutz zugewiesen.«
Seine Gegenüber schwiegen für einen Moment schockiert. Und dann, als würden alle Dämme brechen, plapperten sie entgegen Sorensons ausdrücklichem Wunsch einfach los. Derart schnell und sich gegenseitig übertönend, dass der Admiral kaum ein Wort verstand. Er gestattete ihnen, sich ein wenig Luft zu verschaffen, bevor Sorenson mit erhobener Hand Einhalt gebot. Dennoch dauerte es einige Augenblicke, bevor tatsächlich Ruhe einkehrte.
»Ich verstehe Ihre Bedenken«, erklärte der Admiral. »Aber meine Entscheidung steht fest.« Er wandte sich Ramsey Dawson zu. »Sie werden dem Prinzen als persönlicher Steward dienen. Prinz Calvin wird nicht erfahren, dass Sie ein Marine sind und dass sein Schutz auch bei Ihnen oberste Priorität genießt. Sie werden dem Prinzen jederzeit zur Verfügung stehen, aber was Sie auch tun, der Schutz unseres designierten Königs hat für Sie oberste Priorität.« Dawson schluckte, sagte aber nichts.
Sorenson verstand das als Einwilligung und wandte sich an Koch. »Private Dawson wird sozusagen inoffizieller Personenschützer sein.«
Koch rümpfte die Nase. »Und ich bin dann der offizielle?«
Sorenson lächelte kalt. »Prägnant formuliert. Ich gehe davon aus, dass Sie all Ihre Aufgaben mit dieser Zielstrebigkeit angehen.«
Koch schüttelte den Kopf. »Bei allem Respekt, was hat Sie denn bei dieser Entscheidung geritten …« Erst im Nachhinein und angesichts von Sorensons mürrischem Stirnrunzeln, erkannte Koch, wie er soeben mit seinem vorgesetzten Admiral gesprochen hatte, und fügte noch kleinlaut ein verspätetes »… Sir« hinzu. »Ich bin Scharfschütze«, fuhr der Mann fort. »Es gibt sicherlich wesentlich geeignetere Soldaten für diese Art Aufgabe. Männer und Frauen, die mit Personenschutz Erfahrung haben. Was ist mit Blackburns neuer Kleinen, dieser Angel?«
»Natürlich gibt es die«, erwiderte Sorenson. »Nur leider sind die alle mit anderen Aufgaben beschäftigt und ich kann keinen entbehren. Was Angel betrifft, so hat sie ihr Quartier kaum verlassen, seit Commodore Blackburn mit ihr von der Erde zu uns gekommen ist. Sie wäre auch mein erster Gedanke gewesen, aber der Commodore meinte, sie verbringt ihre Zeit im Moment mit Meditation. Sie fällt daher aus. Lassen Sie mich ganz offen sein. Wir erreichen in Kürze Selmondayek und momentan ist das System relativ sicher. Für Scharfschützen habe ich derzeit keine Verwendung. Daher teile ich Sie für den Schutz unseres wichtigsten Aktivpostens ein.«
Koch fuhr sich mit der Hand leicht über die Stirn und strich eine widerspenstige Haarsträhne zurück. »Admiral, ich bin Scharfschütze«, wiederholte er.
»Sie sind Soldat«, gab Sorenson mit harter Stimme zurück. »Und darüber hinaus sind Sie einer der besten Schützen, die ich habe. Den Prinzen Ihren fähigen Händen anzuvertrauen, lässt mich nachts wesentlich ruhiger schlafen.« Mit einem Kopfnicken deutete der Admiral auf Dawson. »Und unser junger Freund hier hat auf Condor bewiesen, dass er bereit ist, sich für Kameraden aufzuopfern. Für unser Staatsoberhaupt wird er die gleiche Haltung an den Tag legen. Wäre ich anderer Meinung, hätte ich ihn nicht ausgewählt. Dawson wird als Steward im Quartier des Prinzen schlafen und Sie werden vor der Tür stehen. Mit dieser doppelten Sicherung habe ich ein großes Problem weniger. Ihnen beiden dürfte klar sein, was los ist, wenn unserem Prinzen auch nur ein Haar gekrümmt wird.«
Die beiden Männer überlegten kurz und auf ihrem Gesicht zeichnete sich Erkenntnis und Verständnis ab. Dawson sah auf. »Dann können wir genauso gut gleich kapitulieren.«
»So ist es.« Sorenson lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich will keinen von Ihnen dazu zwingen. Falls Sie es wünschen, werden Sie von dem Auftrag abgezogen und ich suche notgedrungen jemand anders. Aber ich bitte Sie, den Schutz Prinz Calvins zu übernehmen. Sie würden mir damit einen persönlichen Gefallen tun.«
Zum dritten Mal seit Beginn des Gesprächs wechselten der Scharfschütze und der Marine einen verhaltenen Blick. Dawson zuckte ergeben mit den Achseln, Koch ließ die Schultern sacken.
»Dann haben wir kaum eine Wahl.«
Sorenson grinste. »Es war meine Hoffnung, dass Sie es auf diese Weise sehen. Und machen Sie kein dermaßen griesgrämiges Gesicht. Es wird bestimmt nicht so schlimm, wie Sie jetzt denken.«
Sorenson erinnerte sich an Dexters Bericht über den Zustand des Prinzen. Vermutlich wird es noch viel schlimmer, ging es ihm durch den Kopf.