Читать книгу SKULL 5: Mit Feuer und Schwert - Stefan Burban - Страница 5

1

Оглавление

5. April 2647

Dexter Blackburn hatte nie zuvor eine solche Grabesstimmung erlebt. Selbst eine Beerdigung hätte im Vergleich zu dieser Versammlung wie eine Freudenfeier gewirkt. Er musste aber zugeben, dass die neuesten Nachrichten kaum Veranlassung zur Euphorie boten.

Außer ihm selbst, Oscar Sorenson und Dimitri Sokolow befanden sich noch Melanie St. John sowie Clayton Redburn – Spitzname Red – im Besprechungsraum der Normandy. Außerdem war auch Angel im Raum. Sie stand mit hinter dem Rücken verschränkten Händen hinter Dexters Stuhl. Der Griff ihres Katana ragte über die rechte, der Kolben ihres Sturmgewehrs über die linke Schulter. Obwohl die Attentäterin ihre Maske nicht trug, verbreitete sie eine ernste Aura.

Sorenson hätte beinahe versucht, sie des Raumes zu verweisen, da sie keine offizielle Funktion im Widerstand gegen die solare Aggression innehatte. Nur das Wissen, dass in einem solchen Fall Blut geflossen wäre – allen voran sein eigenes –, hatte ihn davon Abstand nehmen lassen.

Dexters Vater hatte Angel mit seinen letzten Worten angewiesen, seinen Sohn zu beschützen. Und die treue Kämpferin nahm diesen Befehl aus dem Mund ihres ehemaligen Geliebten äußerst ernst. Dexter beneidete niemanden, der versuchte, an ihrem Schwert vorbeizukommen, um ihm Schaden zuzufügen.

Das gewaltige Schlachtschiff der Medusa-Klasse schwebte majestätisch über der versteckten Basis auf Bantor und überwachte mit ihrem umfangreichen Waffenarsenal die Evakuierung. Nun, nachdem die solare Republik fast das ganze Königreich überrannt hatte, war unter Umständen auch Bantor kompromittiert. Sie mussten sich genau überlegen, wohin sie sich wandten. Jede Flugrichtung konnte sie ins Verderben führen.

Sokolows Piratenflottille sicherte das äußere System, während der klägliche Rest, der von den Skull-Raumverbänden übrig war, den Planeten schützte. Es waren wenig genug.

Niemand im Raum sagte ein Wort. Sie alle starrten lediglich mit verdrießlicher Miene auf die Holoaufzeichnung, die dreißig Zentimeter über den Tisch projiziert wurde. Sie zeigte eine Gruppe von etwas mehr als dreißig königlichen Schiffen, die eine einzelne, verblüffend schwer bewaffnete und gut ausgerüstete Jacht in ihrer Mitte schützte. Der Verband trachtete danach, die sprungfähigen Lagrange-Punkte in einem der äußeren Systeme zu erreichen.

Aber es gelang ihnen nicht. Die verfolgenden Konsortiums-Schiffe holten sie ein und es entbrannte eine hitzige Schlacht. Sobald dem Verbandskommandanten klar wurde, dass ein Entkommen unmöglich wurde, ließ er seine Schiffe beidrehen und sich dem Gegner stellen. Die Jacht hingegen hielt weiterhin auf die Lagrange-Punkte zu.

Die Absicht der royalen Besatzungen war klar. Sie opferten sich für ihren Schützling. Der VIP an Bord der Jacht war den Offizieren und Mannschaften dieser Schiffe derart wichtig, dass sie ohne Zögern und ohne Bedenken ihr eigenes Leben in die Waagschale warfen, um der Jacht kostbare Augenblicke zu schenken.

Der Kampf dauerte nicht lange. Das Konsortium war gut drei zu eins in der Überzahl. Die königlichen Besatzungen wehrten sich tapfer und schossen fast die Hälfte der feindlichen Schiffe zusammen, im Gegenzug wurden sie jedoch gnadenlos überwältigt. Keines der royalen Schiffe ergab sich. Und das Konsortium schien nicht bereit, eine Kapitulation auch nur in Erwägung zu ziehen.

Nach der Zerstörung des letzten Schiffes der Colonial Royal Navy, zogen die überlebenden Konsortiums-Schiffe weiter, ihrer Beute hinterher.

Die Jacht war schnell, für ein Schiff dieser Größe und Klasse sogar außergewöhnlich schnell. Die Verfolger entsandten jedoch ihre Fregatten, die die Jacht in Rekordzeit einholten und ihr den Weg abschnitten. Das kleine Schiff musste notgedrungen die Geschwindigkeit verringern. Die Besatzung des fliehenden Schiffes verhielt sich überaus furchtlos. Sie zerstörte vier feindliche Fregatten. Der Plan des Gegners ging allerdings auf. Dem Konsortium gelang es, die Jacht lange genug aufzuhalten, damit die schweren Schiffe aufholen konnten.

Sobald drei der verfolgenden Kreuzer nah genug waren, um das Feuer zu eröffnen, verwandelten sie die Jacht in eine sich ausbreitende Trümmerwolke. Nach getanem Zerstörungswerk zogen die Konsortiums-Schiffe weiter und steuerten die sprungfähigen Lagrange-Punkte des Systems an.

Melanie hielt die Aufzeichnung an. Die abziehenden Konsortiums-Schiffe verharrten in der Luft. Im Hintergrund waren Sterne und andere stellare Objekte als Referenzpunkte ersichtlich.

Dexter sah sich der Reihe nach um. Er beugte sich vor, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tisch ab und seufzte. »Wir sehen uns die Aufzeichnung jetzt schon zum vierten Mal an und sie wird mit jeder Wiederholung deprimierender.«

Sorenson nickte. »Können wir wirklich sicher sein, dass das da«, er deutete auf die Aufzeichnung im Stand-by-Modus, »echt ist? War die Königin wirklich an Bord dieser Jacht? Vielleicht ist es nur Propaganda.« Der Tonfall des Admirals wirkte, als würde sich der Mann von etwas überzeugen wollen, an das er selbst keine Sekunde glaubte.

Melanie St. John leckte sich leicht über die Unterlippe. Die Geheimdienstanalystin zögerte, bevor sie antwortete. »Nun, das sind zwei Fragen, die ich leider auch separat beantworten muss.« Auch sie seufzte. »Ich gehe zuerst auf die zweite Frage ein. Ja, Königin Samantha war tatsächlich an Bord dieser Jacht. Das wurde uns von mehreren unabhängigen Stellen inzwischen bestätigt.« Ihre Schultern sackten ein Stück weit ab. »Die Königin ist tot. Damit ist Prinz Calvin der letzte Überlebende der königlichen Familie. Sie wurden allesamt gejagt und zur Strecke gebracht. Die Königin und ihr Geleitschutz waren auf dem Weg ins Triumvirat, um dort politisches Asyl zu beantragen.« Beim Triumvirat handelte es sich um eine kleine, aber sehr wohlhabende Sternennation. Sie bestand aus lediglich drei Systemen und befand sich an der linken Flanke des Königreichs. Melanie strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Auf dem abschließenden Streckenabschnitt, kurz vor dem letzten Sprung, gerieten sie in einen Hinterhalt und der komplette Geleitzug ging verloren. Das ist Fakt.«

Köpfe wurden am Tisch gesenkt. Sorenson sprach ein kurzes Gebet für die Königin. Der Admiral sah auf. »Und die erste Frage?«

Melanie zögerte erneut. Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und klopfte mit den Fingerspitzen beider Hände auf die Tischplatte, ehe sie zur nächsten Erklärung ansetzte. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf die Aufzeichnung. »Das, was wir da sehen, ist trotzdem eine Fälschung.«

Dexter riss die Augen auf. Mit seiner Überraschung stand er nicht allein da. Kollektives Keuchen machte am Tisch die Runde. »Wie meinst du das? Ich dachte, der Tod der Königin wurde bestätigt«, wollte Dexter wissen.

Melanie räusperte sich. »Das ist der Fall. Aber ich habe ernste Zweifel, ob das Konsortium dafür verantwortlich ist. Wir wissen mit fast absoluter Bestimmtheit, dass sich in einem Umkreis von fünf Parsec um den Standort der Königin keine Konsortiums-Einheiten aufhielten. Wohl aber Verbände der Solaren Republik.«

Sorenson stieß einen wüsten Fluch aus. »Also waren es Schiffe der Solarier, die das da angerichtet haben.« Er deutete auf die Holoaufzeichnung.

»Davon gehe ich in der Tat aus«, gab Melanie zurück. »Es wäre ein Leichtes für die Techniker der Republik, ihre eigenen Einheitsmarkierungen und Schiffslackierungen zu entfernen und durch die des Konsortiums zu ersetzen.« Sie nahm einige Einstellungen vor und vergrößerte einen der angreifenden Zerstörer. »Der hier zum Beispiel. Das ist ein Zerstörer der Minotaurus-Klasse. Ein Schiffstyp, den die Solarier erst vor gut zwei Jahren in Dienst gestellt haben. Wie sollte eine Söldnereinheit an ein derart modernes Schiff kommen? Das Konsortium verwendete in der Mehrzahl ältere, in manchen Fällen schon ausrangierte Schiffstypen.«

Der Admiral studierte den vergrößerten Zerstörer eingehend. Auch die Markierungen des Konsortiums unterzog Sorenson einer eingehenden Begutachtung. Schließlich nickte er. »Können wir das irgendwie nutzen? Eine Art Gegenpropaganda aufbauen zum Beispiel?«

Melanie schüttelte bedauernd den Kopf. »Schöne Idee. Kam mir zuerst auch in den Sinn. Aber ich wüsste nicht, wie. Ein Erfolg wäre mehr als zweifelhaft. Wir haben nur eine Theorie und keinerlei schlüssige Beweise.« Sie rümpfte die Nase. »Die Fälschung ist zweifelsohne gut, aber weniger erwarte ich auch nicht von einer Nation mit den technischen Möglichkeiten der Republik. Wer würde uns glauben? Außerdem fehlt uns momentan die Möglichkeit, eine entsprechende Veröffentlichung auch in adäquatem Umfang zu verbreiten, während die Aufzeichnung, in der das Konsortium die Königin jagt und tötet, von den Solariern praktisch die ganze Zeit über sämtliche Sender ausgestrahlt wird. Für einen Großteil der Bevölkerung, sowohl im Königreich als auch in der Republik, sind Konsortium und Zirkel die eigentlich Schuldigen am Zustand vieler royalen Welten und am Sturz des Königshauses. Uns kommen Berichte zu Ohren, dass vielerorts die solarischen Truppen ohne Widerstand, ja sogar mit Jubel empfangen werden.«

»Verdammte Verräter!«, zischte Oscar.

»Es sind keine Verräter«, ging Dexter sofort dazwischen. »Die Leute sind einfach kriegsmüde. Und wer könnte es ihnen schon verdenken? Nach fast zwanzig Jahren Bürgerkrieg, dann die Kämpfe unter den Söldnereinheiten, die Terrorwelle des Konsortiums und der Mord an der königlichen Familie. Die Menschen wollen einfach nur noch, dass all das aufhört. Und es kümmert sie nicht, wer dafür sorgt. Die Republik verspricht Sicherheit.«

Sorenson schüttelte den Kopf. »Sie versprechen keine Sicherheit, sie versprechen Ordnung. Das ist etwas komplett anderes. Und wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren«, zitierte er Benjamin Franklin.

»Das ist ziemlich überheblich. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Menschen im Stich gelassen wurden. Von uns allen. Sie fühlen sich allein und verloren. Ist es da ein Wunder, dass sich die Bürger an denjenigen wenden, der ihnen Hoffnung verspricht?«

Der Admiral besaß den Anstand zu erröten und wandte den Blick ab. Dexter mäßigte sich selbst. Seine eigene Unruhe drohte ihn zu übermannen. Er warf Melanie einen eindringlichen Blick zu. »Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Solarier überall ohne Widerstand einmarschieren. Was ist mit der CRN oder der CRA?«

Melanie zuckte die Achseln. »Navy und Army sind nach den Terroranschlägen und der solarischen Invasion in einem desolaten Zustand. Es gab tatsächlich Widerstand und es gibt ihn noch. Aber ohne Nachschub, Verstärkung und übergeordnete Strategie des nicht mehr existierenden Oberkommandos haben viele Einheiten nach anfänglichen Kämpfen kapituliert. Einige haben sich erst ergeben, als ihnen Munition und Nahrung ausgingen. Die Solarier haben sie interniert. Zu ihrer eigenen Sicherheit, wie es hieß.« Die letzten Worte wurden von Melanie in abfälligem Tonfall ausgesprochen. Jeder wusste, wie man eine solche Aussage zu bewerten hatte. »Andere Einheiten von Flotte und Bodenstreitkräften gingen in den Untergrund und verstecken sich. Die Solarier jagen alle immer noch bewaffneten Soldaten. Sie töten oder verhaften sie, wo immer die Kerle ihrer habhaft werden. Es gibt Gerüchte, dass es einige Verbände geschafft haben, das Gebiet des Königreichs zu verlassen, bevor die Grenzen dichtgemacht wurden. Sie verstecken sich anscheinend in den unbewohnten Sektoren jenseits des königlichen Raumes. Aber wie die Dinge stehen, haben wir keine Möglichkeit, sie zu kontaktieren oder ernsthaften Widerstand zu formen.«

Dexter rieb sich über die Stirn. »So schlimm steht es also?« Er schüttelte den Kopf. »In meinen schrecklichsten Albträumen hätte ich mir das nicht ausmalen können.«

»Tatsächlich ist Lowby das einzige System, das den Solariern wirklich noch Widerstand entgegenbringt, der diese Bezeichnung verdient. Nachdem ein Anschlag des Konsortiums die dortigen Admiräle ausgeschaltet hat, führt nun Devonshire das Kommando und er hält stand. Die Frage ist: wie lange noch? Die Invasoren haben eine totale Nachrichtensperre verhängt und starke Störsender in Position gebracht. Keine Informationen kommen raus und keine rein. Devonshire muss inzwischen annehmen, er stünde allein.«

»Im Moment können wir nichts für ihn tun«, meinte Sorenson. »Alles, was uns bleibt, ist zu hoffen, dass er noch eine Weile länger durchhält.«

»Das bringt uns zur Frage, was wir jetzt tun und wohin wir uns wenden«, mischte sich Sokolow zum ersten Mal ein.

Betretenes Schweigen antwortete. Die anwesenden Männer und Frauen warfen sich Blicke zu, in der Hoffnung, jemand möge eine Idee äußern.

»Ich hätte da vielleicht etwas«, warf Melanie St. John zögerlich ein. Ihre Bemerkung weckte Erwartungen in den Offizieren. »Ich weiß allerdings nicht, ob die Idee bei allen gut ankommt«, gab sie zu.

»Lassen Sie hören, Major«, forderte der Admiral sie auf. »Eine schlechte Idee ist mehr, als jeder andere von uns zu bieten hat.«

Melanie ließ noch ein paar Sekunden verstreichen, bevor sie zum Punkt kam. »Die Solarier kommen nicht bei allen gut an. Einige durchschauen diese Friedensinitiative als das, was sie in Wirklichkeit ist: eine als humanitäre Aktion getarnte Invasion des Königreiches. Unsere republikanischen Freunde haben auf den besetzten Welten bereits damit begonnen, kritische Stimmen zu unterdrücken, indem sie insgeheim mit Verhaftungen abweichender Journalisten, Oppositioneller und lokaler Politiker begonnen haben. Der von uns abgehörte Funkverkehr deutet an, dass sich Flüchtlinge auf den Weg gemacht haben, um dem Einfluss der Solarier zu entgehen. Sie haben allesamt Kurs auf Selmondayek genommen.«

»Warum denn auf diesen Dreckklumpen? Niemand interessiert sich für Selmondayek«, warf Sokolow ein.

»Genau deswegen«, entgegnete Dexter, bevor Melanie etwas Entsprechendes sagen konnte. »Selmondayek ist der vom Zentrum des Königreiches am weitesten entfernte Planet. Ohne Bodenschätze oder strategischen Nutzen.«

»Genauso ist es«, stimmte Melanie zu. »Er ist so unwichtig, dass sich noch nicht mal die Solarier die Mühe gemacht haben, ihn einzunehmen. Noch nicht. Vermutlich sind sie derzeit damit beschäftigt, die Kernwelten zu befrieden, und denken, sie hätten ausreichend Zeit, sich mit Selmondayek zu befassen.«

Sorenson schüttelte den Kopf. »Aber was nützt uns eine Welt voller Flüchtlinge? Sobald die Solarier die Zeit finden, werden sie sich auch um dieses System kümmern. Wenn wir dorthin fliegen, dann sitzen wir in der Falle.«

»Flüchtlinge sind nicht die Einzigen auf dem Weg dorthin«, erwiderte Melanie mit blitzenden Augen. »Jedes Schiff und jeder Soldat, der nicht tot, gefangen oder untergetaucht ist, fliegt in diesem Moment nach Selmondayek. Dort sammeln sich die Überreste der königlichen Streitkräfte.«

»Natürlich tun sie das«, mischte sich Sokolow abermals ein. »Es ist der einzige Ort, an den sie noch gehen können. Aber wir dürfen nicht vergessen, es handelt sich um eine geschlagene, auf dem Rückzug befindliche Armee. Zerschlagen, demoralisiert, desillusioniert. Ich rate dringendst davon ab, diesen Weg zu beschreiten. Mit denen ist nicht mehr viel los. Die Solarier haben mit ihnen den Boden aufgewischt, und jedem einzelnen Matrosen und jedem einzelnen Soldaten ist dies schmerzlich bewusst. Eine Streitmacht nach einem solchen Fiasko wieder aufzubauen, benötigt Geduld, Ressourcen und eine sichere Rückzugsbasis. Drei Dinge, von denen das Königreich derzeit nur träumen kann. Diese Soldaten fliehen nach Selmondayek in dem Wissen, dass sie dort alle sterben werden. Die einzige Alternative bestünde in der Kapitulation. Und alle, die dorthin fliegen, haben diese Option für sich persönlich bereits ausgeschlossen, sonst wären sie diesen Weg schon gegangen. Die haben Glück, dass die Solarier derzeit mit wichtigeren Dingen beschäftigt sind. Sobald sie die Zeit finden, sich dem Problem anzunehmen, verwandelt sich Selmondayek in ein Massengrab.«

Dexter schnaubte. »Sie haben wirklich eine Art an sich, einen richtig runterzuziehen.« Er verzog das Gesicht zu einem ironischen Grinsen. »Sie sollten Grußkarten verfassen.«

»Aber er hat recht«, erhob Angel verblüffend die Stimme. »Selmondayek wird einem solarischen Angriff nicht standhalten können. Einerlei, wie viele Schiffe und Truppen sich dort sammeln, sie werden der Republik lediglich für Zielübungen herhalten.« Angels Gesicht verlor alle Farbe. »Vor allem, wenn sie Sheppard schicken.«

Sorenson merkte auf. »Das war der Offizier, der den Angriff auf Castor Prime geführt hat. Kennen Sie ihn persönlich?«

Angel schüttelte den Kopf. »Ich habe schon von ihm gehört und das reicht mir, um nach Möglichkeit einen großen Bogen um den Mann zu machen. Großadmiral Gale Sheppard ist der beste Mann, den sie haben. Man sagt, er sei ebenso ehrgeizig wie brillant. Den letzten Krieg, den er im Namen der Solaren Republik geführt hat, überlebten zwei Sternennationen nicht. Als Sheppard mit ihnen fertig war und sich zurückzog, kamen die Hyänen aus der Nachbarschaft und teilten deren Gebiete unter sich auf. Glauben Sie mir, mit dem wollen Sie sich nicht anlegen.«

»Wir haben uns schon einmal mit ihm angelegt«, gab Sorenson zu bedenken.

Angels Lippen verzogen sich zu einem schiefen Grinsen. »Und Sie sind nur knapp mit dem Leben davongekommen. Vergessen Sie nicht, Sheppard hat die Heimatflotte vernichtet. Die stärkste mobile Kampfeinheit des Königreichs – und der Großadmiral löschte sie an nur einem Tag aus. Was, glauben Sie, wird er mit Selmondayek machen? Wenn Pendergast auch nur einen Funken Verstand hat, dann wird er Sheppard dorthin schicken. Schon allein, um die Sache endlich zu einem Ende zu bringen. Auf Selmondayek werden die Hoffnungen des Königreiches endgültig und für immer unter Tonnen von Asche begraben.«

Dexter sah auf. »Dann müssen wir genau dorthin, und zwar aus genau diesem Grund.«

Angel kniff die Augen zusammen. »Hast du mir nicht zugehört?«

»Das habe ich allerdings. Er ist gefährlich. Kapiert.«

»Gefährlich trifft es nicht einmal ansatzweise.«

»Aber wenn sich in diesem System umfangreiche Kontingente des Militärs sammeln, dann müssen wir auch dorthin. Wir haben den Thronfolger des Vereinigten Kolonialen Königreichs auf diesem Schiff. Und der designierte König braucht eine Armee und eine Flotte. Völlig egal, in welchem Zustand sich diese befindet, aber er muss an die Spitze des Militärs. Und vor allem muss man ihn sehen. Auch wenn seine Präsenz vorläufig nur auf Selmondayek beschränkt bleibt, aber man muss ihn zumindest vor Ort sehen. Man muss sehen, dass er noch lebt. Dass er die Zügel in die Hand nimmt. Dass er sich darum bemüht, das Ruder noch herumzureißen. Wenn die Menschen sehen, dass er sich für sie einsetzt, dann werden sich diese auch für ihn einsetzen.«

»Ziemlich vage Hoffnung«, kommentierte Sokolow.

Sorenson fixierte Dexter mit finsterem Blick. »Verstehe ich das richtig? Du willst unseren Thronfolger an den wahrscheinlich gefährlichsten Ort des besiedelten Weltraums bringen, an dem wir vermutlich bald eingekesselt sein werden? Die Solarier müssen nur die Lagrange-Punkte kontrollieren, um alle Menschen, die sich im System befinden, von der Außenwelt abzuschneiden.«

»Genau das ist mein Plan«, nickte Dexter. Seine Euphorie ließ merklich nach, als ihm selbst bewusst wurde, welche Tragweite seine eigenen Ausführungen besaßen. Dennoch stand er immer noch dazu. »Welche Wahl haben wir denn?«, fuhr Dexter fort. »Wenn wir nicht nach Selmondayek fliegen, können wir uns genauso gut eine bequeme Ecke in irgendeiner Sternennation suchen und aufgeben.«

»Das wäre vielleicht gar keine schlechte Idee«, bemerkte Melanie. »Wir könnten um Asyl bitten. Im Triumvirat zum Beispiel. Der Prinz wäre in der Lage, dort eine Exilregierung aufzubauen. Königin Samantha kam auf dieselbe Idee.«

Dexter begegnete dem Blick des Admirals mit Gleichmut, während die Geheimdienstoffizierin Stellung dazu nahm.

Sorenson und Sokolow schüttelten unisono den Kopf. »Ich kenne keinen dokumentierten Fall, in dem eine Exilregierung schon mal einen Krieg gewonnen oder halbwegs stabile Reformen durchgesetzt hätte«, gab Sorenson zurück. »Du etwa?«

Dexter hielt dem Blick des Admirals für ein paar Sekunden stand, dann schlug er die Augen nieder und schüttelte den Kopf. »Admiral Sorenson hat leider recht. Wenn der Prinz den Raum des Königreiches verlässt, ist es vorbei. Niemand wird ihm mehr trauen. Das Stigma des Feiglings wird ihn für den Rest seines Lebens verfolgen. Selmondayek ist aber der einzige Ort, an dem wir ihm halbwegs Schutz bieten können. Wenn wir weiterhin im offenen Raum bleiben, werden uns die Solarier irgendwann aufspüren und erledigen.«

»Und darum willst du unbedingt in die Höhle des Löwen fliegen? Wollen wir es denn den verdammten Solariern noch einfacher machen?«

Dexter ließ sich das Gesagte kurz durch den Kopf gehen, schob dann den Stuhl zurück und erhob sich. »Wir können, so viel wir wollen, dieses Thema durchkauen, aber das ist alles nicht unsere Entscheidung. Gekrönt oder nicht, Prinz Calvin ist der Souverän. Er entscheidet, wohin wir fliegen. Wir alle sind ihm zur Loyalität verpflichtet.«

Sokolow sah grinsend auf und räusperte sich übertrieben. Dexter verdrehte die Augen. »Ja, außer Ihnen natürlich.«

»Vielen Dank«, antwortete der Piratenkapitän sarkastisch.

Dexter drehte sich um und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.

»Und wo gehst du jetzt hin?«, wollte Sorenson wissen.

»An den einzigen Ort, der jetzt etwas zählt. Ich gehe zum Prinzen und werde ihn fragen.«

SKULL 5: Mit Feuer und Schwert

Подняться наверх