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Rodney MacTavish und die geschrumpfte Zahl seiner Widerstandskämpfer bewegten sich so unauffällig wie möglich durch das nächtliche Wien. Beständig gejagt, bemühten sie sich, den Behörden der Solaren Republik immer einen Schritt voraus zu bleiben. Nirgendwo innerhalb der bewohnten Welten gab es dermaßen viele Kameras und Überwachungsanlagen wie auf der Erde. Sich inkognito von einem Fleck zum anderen zu bewegen, stellte daher eine enorme Herausforderung dar.

Die U-Bahn kam zum Halten und machte im Vergleich zu vergangenen Zeiten aufgrund der Anti-G-Schienen keinerlei Geräusch. Die Türen öffneten sich und die Gruppe strömte als Teil einer Welle von Pendlern in den Wagon.

Die einzige Möglichkeit, halbwegs unentdeckt zu reisen, bestand darin, in einer Masse von Menschen unterzugehen. MacTavish quetschte sich in einen Vierersitz. Natascha, Sean und Catherine folgten. Kilgannon blieb stehen und beobachtete die Umgebung misstrauisch. Gleichzeitig schirmte er die Mitverschwörer mit seinem bulligen Körper vor den Blicken der anderen Fahrgäste ab.

MacTavish, Cat und Kilgannon hatten Mützen auf und die Kapuzen ihrer Jacken tief ins Gesicht gezogen. Darüber hinaus sahen sie kaum auf. Es bestand ständig die Gefahr, in den Fokus einer Kamera zu geraten.

Im Fall von Natascha und Sean war das bislang unnötig. Die Sicherheitsbehörden hatten die beiden letzten Überlebenden des Studentenwiderstands immer noch nicht identifiziert, was denen ein wenig mehr Spielraum verschaffte. Die aus dem ehemaligen RIS-Agenten, dem in Ungnade gefallenen Pionier und der Reporterin bestehenden Führungsriege wurde allerdings steckbrieflich gesucht.

Oberhalb ihrer Sitzgelegenheit befand sich ein Holo-TV, über das mal wieder eine Rede Pendergasts abgespult wurde. MacTavish schüttelte langsam den Kopf. »Wie ich sehe, läuft die Propaganda auf Hochtouren.«

Catherine Shaw folgte seinem Blick und rümpfte die Nase. »Eine alte, nichtsdestotrotz wirkungsvolle Taktik. Man berieselt die Menschen vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche mit dem Gesicht dieses Mistkerls. Dadurch sickert die Propaganda in den Verstand der Menschen, ohne dass die meisten überhaupt etwas davon mitbekommen.«

Kilgannon nickte. »Irgendwo läuft immer eine Rede von Pendergast. Und wenn gerade keine aktuelle zu haben ist, werden die vergangenen einfach wiederholt. Die Bürger werden quasi programmiert, als wären sie nichts anderes als biologische Roboter. Ich könnte schwören, dass viele von denen«, er deutete mit einem Kopfnicken auf die Menschen ringsum, »bereits jetzt der Meinung sind, dass die Invasion des Königreichs nicht nur eine Friedensmission, sondern darüber hinaus absolut notwendig ist.« Kilgannons Blick glitt in MacTavishs Richtung. »Wir brauchen dringend einen Plan, Kumpel.«

»Jeder Verbündete hat uns verlassen oder ist tot«, hielt Natascha dagegen und schielte zur Seite, um sicherzugehen, dass niemand ihnen mehr Aufmerksamkeit schenkte, als zu Pendlerzeiten angebracht wäre. Sean sah betreten aus dem Fenster, obwohl dort kaum mehr als Schwärze zu sehen war, als der Zug mit atemberaubendem Tempo durch den Tunnel raste.

MacTavish konnte den jungen Mann gut verstehen. Viele der Studenten, die sich ihnen in dem Glauben angeschlossen hatten, es handele sich um ein großartiges Abenteuer, waren jetzt tot oder saßen im Gefängnis. Der überwiegende Rest hatte sich von ihnen abgewandt und war zu ihren Familien zurückgekehrt. Der Studentenwiderstand bestand derzeit lediglich aus Natascha und Sean. Ein kläglicher Rest von etwas, das durchaus Großes hätte bewerkstelligen können. Anscheinend verflog die Abenteuerlust recht schnell, sobald einem Kugeln um die Ohren flogen.

Die Leuchtdioden des klobigen Geräts an MacTavishs Handgelenk begannen unvermittelt im Rhythmus von Ozzys Worten zu blinken. »Vorsicht!«, wisperte die KI. »Wir sind nicht allein.«

MacTavish sah sich verstohlen um. Der Zug hatte gerade angehalten, doch dieses Mal blieben die zahlreichen Pendler zurück und machten bereitwillig einem Trupp bullig wirkender Männer Platz.

Es handelte sich aber nicht um Polizisten, wie MacTavish erwartet hatte, sondern um Ordnungskräfte der neu eingesetzten Behörde für Zusammenhalt und Loyalität. Offiziell war sie dafür zuständig, die Menschen an die Regierung zu binden, quasi auf Linie zu bringen. MacTavishs Auffassung nach handelte es sich aber lediglich um staatlich sanktionierte Schlägertrupps. Sie gingen äußerst brutal gegen Abweichler vor. Viele von denen, die sie verhafteten, verschwanden auf Nimmerwiedersehen.

Die Gruppe wechselte unbehagliche Blicke. Jeder von ihnen trug eine verdeckte Schusswaffe. MacTavish tastete nach dem Griff der halbautomatischen Neunmillimeter und bemerkte dieselbe Bewegung bei seinen Begleitern. Hatte man sie entdeckt? Waren sie auf dem Weg hierher unvorsichtig gewesen? Die Möglichkeit ließ sich nicht von der Hand weisen. Die Fahndungsaufrufe in den Nachrichten waren allgegenwärtig. Sein eigenes und Kilgannons Gesicht gehörten zu den Top fünf der meistgesuchten Verbrecher der Republik. Cats Konterfei rangierte nur knapp dahinter.

Der ehemalige Geheimagent schluckte, als die Schläger der BZL näher kamen. Für eine Regierungsbehörde, die angeblich dem Frieden dienen sollte, waren diese Leute ausnehmend gut bewaffnet. Maschinenpistolen in einer Schlaufe über der Schulter, eine Pistole im Hüftholster griffbereit, außerdem Schlagstock und Pfefferspray. Das Holster der Seitenwaffe war bei jedem der Männer aufgeknöpft.

MacTavish sah sich um und schüttelte verstohlen den Kopf. Natascha, Sean und Catherine lösten den Griff um ihre Waffe. Kilgannon folgte mit deutlichem Widerwillen.

Der Zug war voll besetzt. Hier ein Feuergefecht auszulösen, würde zwangsläufig eine hohe Anzahl von Kollateralschäden fordern. Dieses Risiko würde er nicht eingehen. Dann sich lieber gefangen nehmen lassen und später einen Ausweg überlegen.

Der Schlägertrupp kam immer näher. MacTavish schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter. Er fragte sich, ob die selbst auferlegte Karriere als Revolutionär und Widerstandskämpfer am heutigen Tag bereits enden würde.

»Sie da«, rief einer der Männer, »keine Bewegung!« Der Trupp stürzte los – und an MacTavishs Gruppe vorbei. Ein junger Bursche, vielleicht in den Zwanzigern, versuchte, in die andere Richtung zu entkommen, wurde aber von Fahrgästen aktiv daran gehindert. Sie hielten ihn auf, bis die Agenten der BZL zur Stelle waren, ihn auf den Boden zwangen und überwältigten. Anschließend wurde er mit Kabelbindern gefesselt und abgeführt. Einer der Agenten nahm den Rucksack des jungen Mannes zur Hand und öffnete ihn.

Stolz präsentierte er dessen Inhalt den Männern und Frauen im Zugabteil, die neugierig den Hals reckten. Der Rucksack beinhaltete lediglich Sprühdosen in verschiedenen Farben.

»Schon wieder so ein Schmutzfink«, kommentierte der befehlshabende Agent. »Der hat überall in der Stadt subversive und regierungsfeindliche Graffiti hinterlassen. Aber damit ist jetzt Schluss.« Der Zug hielt an der nächsten Station an. Die Türen öffneten sich.

Der Agent verschloss den Rucksack und verließ mit seinen Leuten großspurig und mit stolzgeschwellter Brust den Zug unter tosendem Beifall der Fahrgäste.

MacTavish fing Kommentare auf wie zum Beispiel: »So ist’s richtig!«, und: »Hoffentlich bekommt der seine gerechte Strafe!«

Dabei schockierten ihn nicht einmal die mitleidlosen Worte der republikanischen Bürger oder der Beifall, mit dem die Agenten der BZL und der Abtransport des Gefangenen begleitet wurden. Was ihn wirklich fassungslos machte, war die Art und Weise, wie die anderen Fahrgäste den jungen Mann an der Flucht gehindert hatten, bis dieser verhaftet worden war. War es in der Republik schon so weit gekommen? Hatte Pendergast die Menschen bereits dermaßen vereinnahmt, dass jedes regierungskritische Wort sofort als feindlich und als Bedrohung der öffentlichen Ordnung eingestuft wurde?

MacTavish war immer der Meinung gewesen, die Solare Republik befinde sich auf dem Weg schnurstracks in die Diktatur. Nun musste er aber einsehen, dass jene Grenze längst überschritten war.

Er beugte sich vor und vergrub den Kopf in seinen Händen. Es war schwer, nicht zu verzweifeln.

»Du kannst ihnen keinen Vorwurf machen«, meinte Cat. Die Reporterin wirkte ähnlich betrübt wie er selbst, schien aber seine Gedanken zu erraten. »Die Menschen sind einfach nur dankbar. Die Kriminalitätsrate in der ganzen Republik liegt praktisch bei null. Sie machen Pendergast für die sichere Lage verantwortlich. Man kann jetzt auch nachts auf die Straße, ohne Angst haben zu müssen, überfallen, ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden.«

»Ja, natürlich«, murrte Kilgannon. »Weil überall Polizei oder Militär patrouilliert. Man müsste schon ein kompletter Vollidiot sein, um Gefängnis oder Zwangsarbeit zu riskieren.«

»Mich wundert nur, dass sich niemand am Krieg zu stören scheint«, hielt Natascha dagegen.

MacTavish schüttelte den Kopf. »Der Krieg ist weit weg und für die Leute hier sogar irgendwie etwas Abstraktes. In den Nachrichten werden nur die Siege breitgetreten. Die Niederlagen erwähnt man mit keinem Wort.«

»Es gibt ja auch kaum welche«, gab Cat zu bedenken. »Es ist leicht, sich für den Krieg zu begeistern, wenn man gewinnt.« Sie lachte kurz und humorlos auf. »Außerdem ist es ja kein Krieg. Es gab keine offizielle Kriegserklärung. Gemäß den Medien handelt es sich um eine Polizeiaktion mit humanitärem Charakter. Solange man diesen Krieg derart verklärt, ist es für die Menschen einfacher, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Und die meisten wollen gar nicht wissen, was im Königreich vor sich geht.«

»Ich frage mich, ob die Leute hier Pendergast auch noch so bereitwillig folgen würden, wenn man in den Nachrichten die Särge solarischer Soldaten thematisieren würde«, mischte sich Sean unvermittelt ein.

»Guter Gedanke«, honorierte MacTavish. »Sobald wir wieder auf die Füße kommen, sollten wir das im Hinterkopf behalten.« Der Geheimagent der Skulls lächelte geheimnisvoll. »Aber vorher sollten wir andere Wege gehen. Cats Einwand hat mich auf eine Idee gebracht.«

Die Reporterin wandte sich ihm mit hochgezogener Augenbraue zu. »Ach ja? Die da wäre?«

»Welche Bevölkerungsgruppe steht auf der Erde gerade unter gehörigem Druck?«, fragte er und ließ den Blick wandern.

Es antworteten ihm jedoch nur verständnislose Blicke.

MacTavish grinste. »Kriminelle«, verkündete er.

Kilgannon zuckte die Achseln. »Ja und? Wie hilft uns das?«

»Wir brauchen dringend Verbündete. Und wenn wir unter den sogenannten gesetzestreuen Bürgern niemanden finden, der uns gegen Pendergast helfen will, dann möglicherweise unter den Gesetzlosen der Republik.«

»Es gibt Gruppen und Organisationen, die über erheblichen Einfluss, fast unbegrenzte Geldmittel und teilweise sogar über Privatarmeen verfügen«, ließ Ozymandias verlauten. »Und keine dürfte mit der Regierung Pendergast einverstanden sein. Der hat zur Jagd auf alle Kriminellen geblasen, hat ihre Geschäfte zumindest gestört sowie ihre Mitglieder verhaftet oder kurzerhand verschwinden lassen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund.«

»Genau mein Gedanke, Ozzy«, stimmte MacTavish zu.

Kilgannon dachte einen Moment darüber nach. »Interessanter Ansatz. Und wer genau schwebt dir vor?«

MacTavishs Grinsen wurde breiter. »Kannst du uns nach Japan bringen?«

Kilgannon schmunzelte, als ihm langsam bewusst wurde, worauf die Ausführungen seines Kollegen abzielten. Er nickte. »Es wird nicht bequem, aber ja, ich kann uns dorthin schaffen. Ich frage mich nur, ob du dort willkommen sein wirst.«

SKULL 5: Mit Feuer und Schwert

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