Читать книгу SKULL 5: Mit Feuer und Schwert - Stefan Burban - Страница 6

2

Оглавление

Prinz Calvins Quartier befand sich in einem für VIPs reservierten Bereich auf Deck acht der Normandy. Es wurde rund um die Uhr von vier Marines in voller Kampfausrüstung bewacht. Die Überreste der von Castor Prime gemeinsam mit dem Prinzen geretteten Palastwache befanden sich auf demselben Deck. Sie weigerten sich, die Seite ihres Herrn und zukünftigen Königs zu verlassen.

Als Dexter um die Ecke bog, war er aber überrascht, Admiral Simon Lord Connors vorzufinden, der lautstark mit dem befehlshabenden Corporal der Wacheinheit diskutierte. Zwei Soldaten der Palastwache standen unweit der Auseinandersetzung und verfolgten diese kopfschüttelnd.

Der Admiral hatte sich vor dem Marine aufgebaut und bemühte sich nach Kräften, diesem zu drohen. Dass der Geheimdienstoffizier keinen offiziellen Rang bei den Skulls bekleidete und darüber hinaus die blutverschmierte, verschmutzte und zerrissene Ausgehuniform trug, die er während den Krönungsfeierlichkeiten angehabt hatte, förderte nicht unbedingt seine Autorität gegenüber den vier Soldaten.

»Wissen Sie eigentlich, wer ich bin?«, fragte er ein weiteres Mal drängend den Corporal. »Ist Ihnen das überhaupt klar?« Connors musste sich auf die Zehen stellen, um dem Mann halbwegs in die Augen sehen zu können.

Der Corporal bemühte sich um einen möglichst neutralen Gesichtsausdruck. Dennoch überkam Dexter der Eindruck, sowohl der Unteroffizier wie auch seine drei Untergebenen standen kurz vor einem ausgeprägten Lachanfall.

»Ja natürlich weiß ich, wer Sie sind, Eure Lordschaft«, erwiderte der Corporal süffisant, den militärischen Rang Connors’ ignorierend. »Aber auf Befehl Admiral Sorensons wird niemand ohne ausdrückliche Erlaubnis zum Prinzen vorgelassen.«

»Lassen Sie mich raten, eine solche Erlaubnis bekomme ich nur von Sorenson persönlich.«

Der Corporal neigte bestätigend den Kopf. Nun teilten sich seine Lippen zu einem breiten, fast schon provokanten Grinsen. Hätte Dexter es nicht besser gewusst, er wäre zu der Meinung gelangt, der Marine wollte den Admiral zu einer unbedachten Handlung provozieren. In diesem Fall dürfte der Mann vollkommen legitim zum Einsatz nichttödlicher Gewalt greifen.

Der Royal Intelligence Service war sowohl beim Militär des Königreichs wie auch in weiten Teilen der Bevölkerung nicht besonders beliebt. Es gab sogar Menschen, die nannten den Geheimdienst hinter vorgehaltener Hand eine Geheimpolizei.

Und da der RIS offensichtlich unterwandert worden war und Teile des Geheimdienstes sowohl den Staatsstreich des Konsortiums wie auch den Angriff der Solaren Republik zumindest stillschweigend gebilligt, wenn nicht sogar begünstigt hatten, war von Sorenson der Befehl ergangen, niemanden – besonders nicht Connors – zum Prinzen vorzulassen.

Insgeheim glaubte Dexter keinen Moment daran, dass der Admiral an der Verschwörung zum Sturz des Königreichs beteiligt gewesen war. Der Mann hatte sein Leben riskiert, um den Prinzen aus der Gefahrenzone zu bringen, als bereits alles verloren gewesen war. Da aber gerade Connors die Skulls in der Vergangenheit regelrecht benutzt und sie als persönliche Schlägertruppe eingesetzt hatte, empfand Dexter auch kein Mitleid dabei, wenn Sorenson ihn mal ein wenig hängen ließ. Es würde die Zeit kommen, in der Connors ihnen nützlich sein konnte. Und bis dahin würde er vielleicht ein wenig umgänglicher werden, wenn man sein Ego … nun ja … auf ein erträgliches Maß zurechtstutzte.

Außerdem war Prinz Calvin – abgesehen von ein paar Parlamentsabgeordneten – alles, was von der Regierung des Vereinigten Kolonialen Königreichs noch übrig war. Daher musste er unter allen Umständen geschützt werden.

Dexter blieb in wenigen Metern Abstand zu den beiden streitenden Männern stehen und begutachtete Connors mit gerümpfter Nase von oben bis unten.

»Admiral? Hat man Ihnen denn noch keine frische Kleidung gebracht? Wir sind schon ein paar Tage unterwegs und Sie tragen immer noch dasselbe wie auf Castor Prime.«

Connors glitt zurück auf seine Fersen, wodurch der Corporal mit einem Mal einen guten Kopf größer war als der Geheimdienstchef. Dies war nicht dazu angetan, dessen Laune in besonderem Umfang zu verbessern.

»Nein, noch nicht«, gab Connors verbissen zurück. »Im Moment habe ich auch wirklich wichtigere Dinge im Kopf als meine Garderobe.« Er musterte den vor ihm stehenden Corporal auf übertriebene Weise. »Ich versuche momentan, diesem … diesem Kretin klarzumachen, dass Sorensons Anweisung bestimmt nicht für mich gelten.«

Bei dem Wort Kretin baute sich der Corporal breitbeinig vor dem Admiral auf und stemmte seine Fäuste in die Hüften. Dem Mann war durchaus klar, dass man ihn gerade beleidigt hatte, und er schien geneigt, dies entsprechend zu vergelten.

»Der Mann führt nur Befehle aus«, gab Dexter zur Antwort. »Das sollten Sie sich vor Augen führen, bevor Sie ihn das nächste Mal anschnauzen.« Er grinste. »Im Übrigen könnte der Mann sie ungespitzt in den Boden rammen. Das sollten Sie bei der Wahl Ihrer Worte nie vergessen. Guten Tag, Sir!«

Ohne auf einen Kommentar zu warten, schlenderte Dexter sowohl an dem verblüfften Admiral wie auch dem immer noch grinsenden Corporal vorbei. Die Marines ließen Dexter problemlos passieren. Sorensons Anweisungen galten nicht für ihn. Als sich die Tür hinter ihm schloss, vernahm er abermals die aufdringliche Stimme des Geheimdienstchefs, der weiterhin Einlass verlangte. Dexters Privilegien schienen ihn nur noch mehr anzustacheln.

Dexter seufzte leicht auf und blendete das Streitgespräch vor der Tür innerlich aus. Er blieb im Eingang stehen. Das Quartier des Prinzen war nur spärlich beleuchtet. Außerdem war es viel zu warm. Dexter streckte die Hand nach dem Paneel aus, mit dem die Umweltkontrollen eingestellt wurden.

»Bitte nicht«, kam eine gedämpfte Aufforderung aus den Tiefen des Raumes. Dexter hielt mitten in der Bewegung inne. Er trat einen Schritt vor.

»Königliche Hoheit?«

Eine Gestalt saß regungslos auf dem Bett. Erst nach einem fast ewig scheinenden Moment hob sie den Kopf.

»Commodore Dexter Blackburn, nicht wahr?«

»So ist es, Eure Hoheit. Darf ich näher treten?«

Die Gestalt regte sich derart lange nicht auf Dexters Frage, dass dieser schon annahm, seine Worte wären überhört worden. Doch schließlich nickte der Prinz und Dexter bewegte sich auf das Bett zu.

Er musste sich zusammenreißen, um keine Reaktion auf den Anblick des jungen Adligen zu zeigen. Prinz Calvin bot ein wahrlich mitleiderregendes Erscheinungsbild. Das Haar war zerzaust, unordentlich und sollte dringend mal gewaschen werden. Das Gesicht des Prinzen war rot und verquollen. Dexter fragte sich, ob dieser seit seiner Rettung eigentlich nur am Weinen war. Außerdem war sein Gegenüber verschwitzt. Auch sollte dringend mal das Laken des Bettes gewechselt werden, von der Kleidung des Prinzen ganz zu schweigen.

Dexter ging etwas in die Knie, um dem Prinzen ins Gesicht sehen zu können. Dessen Blick haftete unentwegt auf dem Boden. Es schien, als hätte ihn jeglicher Lebenswille verlassen.

»Eure Hoheit«, wagte Dexter einen neuen Versuch, »benötigt Ihr etwas? Soll ich Euch etwas bringen lassen? Etwas zu essen vielleicht?«

Prinz Calvin schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Wie konnte das alles nur passieren? Wie konnten mir nur dermaßen viele Fehler passieren?« Der Prinz zog mit dem Fuß einen Stuhl heran. »Setzt Euch«, forderte er Dexter auf.

Dieser räusperte sich und wusste im ersten Augenblick nicht, was zu tun war. Das offizielle Protokoll sah nicht vor, dass jemand in Gegenwart eines Mitglieds der königlichen Familie saß. Er räusperte sich aus Verlegenheit. »Sir, ich weiß nicht …«

»Setzt Euch!«, forderte der Prinz ihn abermals auf, diesmal mit erstarkter Stimme.

Dexter zog seine Uniformjacke glatt, obwohl an dieser kaum eine Falte zu sehen war, und nahm Platz. Mittlerweile rann ihm Schweiß von der Stirn, was aber nicht zuletzt an der unnatürlich hohen Wärme lag, die in diesem Quartier herrschte. »Vielleicht dürfte ich die Temperatur ein wenig herunterdrehen, Eure Hoheit?«

»Mir ist kalt.«

Dexter begutachtete den jungen Mann eingehend und kam zu einer schlichten Schlussfolgerung: »Ihr steht immer noch unter Schock. Ich lasse Euch den Schiffsarzt kommen.«

Der Prinz schüttelte den Kopf. »Keine Ärzte.«

»Aber Eure Hoheit …«

»Keine Ärzte«, wiederholte der Prinz, wobei er diesmal sogar kurz aufsah. Er seufzte tief und sein Blick glitt abermals über den Boden. »Sagt mir, Commodore, wie konnte es nur dermaßen weit kommen? Ich bin der Prinz, der in die Geschichte eingehen wird als derjenige, der seinen Feinden dabei zugesehen hat, wie diese seine Nation vernichten. Ich bin der Schäfer, der die Wölfe hereingelassen hat, damit diese seine Schafe reißen.«

Dexter drückte den Rücken durch. »Vernichtet ist das Königreich noch nicht«, warf er ein.

Der Prinz lächelte humorlos. »Aber sehr weit ist es davon nicht entfernt.« Er sah auf. »Widersprecht, falls Ihr Euch das traut.«

Dexter dachte tatsächlich darüber nach, entschied jedoch, es wäre der falsche Ansatz. Man hatte den Prinzen zu oft angelogen. »Nein, wir sind nicht weit davon entfernt. Aber geschlagen sind wir auch nicht.«

»Meine Mutter ist tot.« Der Prinz sah abermals auf. »Habe ich recht?«

Dexter presste zunächst die Lippen aufeinander, nickte dann ein wenig steif. »Wir haben es vor Kurzem selbst erfahren. Die Solarier geben dem Konsortium die Schuld. Wir wissen aber, dass das nicht sein kann.«

»Mein Vater ist tot. Meine Mutter ist tot. Und mein Bruder ist tot«, sinnierte der Prinz vor sich hin.

In einem Anfall echter Anteilnahme beugte sich Dexter vor und packte Calvin an den Schultern, obwohl dies ebenfalls strengstens verboten war. »Aber Ihr lebt, mein Prinz. Ihr seid am Leben.«

Der Angesprochene zuckte lediglich mit den Achseln. »Was zählt das schon?«

Dexter seufzte und ließ den Prinzen los. »Ja, Eure Familie ist tot. Und ja, die Karre steckt ziemlich tief im Dreck. Aber das ist ein Grund mehr, dass Ihr Euch am Riemen reißt. Ich kann Euch keine Erklärung für all das geben. Ich kann Euch nicht sagen, wie all das so weit kommen konnte. Vielleicht habt Ihr zu sehr auf die falschen Leute gehört. Vielleicht ist es auch unser aller Schuld. Vielleicht sind wir mit den Geschenken von Demokratie und Freiheit zu sorglos umgegangen. Unter Umständen hätten wir alle viel wachsamer sein müssen. Aber wie dem auch sei, aufgeben dürfen wir deshalb noch lange nicht.«

Das Gesicht des Prinzen verzog sich zu einem freudlosen Lächeln. »Habt Ihr diese Rede vor dem Spiegel geübt?«

Calvins fatalistische Haltung machte Dexter langsam sauer. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Nein, das habe ich nicht. Sie wurde ganz spontan vorgetragen. Und Ihr solltet an meine Worte denken, wenn wir unsere Heimat vor dem Zugriff der Solarier retten wollen.«

»Was soll ich denn Eurer Meinung nach tun? Mein eigener Bruder hat mich verraten. Unsere Familie verraten. Unsere ganze Nation in den Untergang geführt.«

»Ganz recht. Euer Bruder. Nicht Ihr. Und wenn er nicht schon tot wäre, hätte ich gute Lust, ihn durch die nächste Luftschleuse zu befördern.«

Calvin prustete. »Das wäre aber Hochverrat. Selbst ein verräterischer Prinz muss vor Gericht gestellt werden.«

»Drauf geschissen!«, brauste Dexter auf und erhob sich. Sein Ausbruch veranlasste Calvin doch dazu, verblüfft aufzusehen.

»Ich kann Euch verstehen«, fuhr Dexter fort. »Wirklich. Aber wir brauchen Euch. Wir bedürfen nicht Eurer Führung – damit wir uns in diesem Punkt ohne Zweifel verstehen –, aber wir benötigen Euch als Galionsfigur. Ihr seid ein Banner, um das sich das zerschlagene Königreich sammeln kann. Ihr müsst öffentlich zu sehen sein. Damit jeder weiß, das Königreich existiert noch. Die Solarier verbreiten, das Konsortium hätte die gesamte königliche Familie abgeschlachtet. Wenn Ihr wieder in der Öffentlichkeit auftretet, wird sie das Lügen strafen. Ihre Legitimation beruht darauf, dass das Königreich ohne offizielle Führung ist. Auch das müssen wir widerlegen. Sie werden in Erklärungsnot geraten, sowohl im Königreich wie auch in der Republik. Wenn man Euch in Opposition zu den Invasoren sieht, werden sich die Menschen fragen, warum Ihr nicht mit den Solariern zusammenarbeitet, wenn deren Anliegen rein friedlicher Natur sind.«

»Die Menschen werden mich hassen.«

»Dann lehrt sie, Euch zu lieben«, gab Dexter ungerührt zurück. Er senkte kurz den Blick, bevor er den Prinzen erneut musterte. »Ihr habt Fehler begangen, schwerwiegende Fehler. Aber Ihr habt eine Möglichkeit, die nur wenigen Menschen zuteilwird: Ihr könnt sie wiedergutmachen. Macht Euren Vater stolz. Rettet das Königreich.« Dexter fragte sich ernsthaft, ob er damit nicht ein wenig zu dick auftrug, aber die Worte ließen sich nicht mehr zurücknehmen.

Dexter packte den Prinzen abermals bei den Schultern und drückte ihn sanft auf das Bett zurück. »Schlaft jetzt etwas. Ruht Euch aus. Ich lasse Euch etwas zu essen bringen und jemanden, der Euch hilft, Euch zurechtzumachen. Vielleicht hat Sorenson jemanden, der Euch dauerhaft als Steward zugewiesen werden kann.«

Calvin wehrte sich nicht. Als sein Kopf das Kissen berührte, schloss er mit erleichtertem Seufzer die Augen. Bereits nach wenigen Sekunden war er eingeschlafen. Sein Atem beruhigte sich merklich.

Dexter stand noch ein paar Sekunden über dem Prinzen und musterte dessen verschwitztes Gesicht. Er strich Calvin eine Haarsträhne aus dem Antlitz. »Da haben wir uns wohl beide was eingebrockt«, flüsterte er.

Dexter wandte sich ab und machte Anstalten, den Raum zu verlassen. Vorher aber senkte er die Zimmertemperatur um mehrere Grad auf ein erträgliches Maß.

Die Streitereien vor der Tür hatten inzwischen aufgehört. Sowohl Marines als auch Connors betrachteten Dexter erwartungsvoll, als dieser auf den Korridor zurückkehrte.

Connors trat ihm in den Weg. »Und? Wie geht es dem Prinzen? Kann ich ihn sehen?«

Dexter sah auf. »Seine ganze Familie wurde umgebracht und er selbst ist ein heimatloser Flüchtling. Was glauben Sie, wie es ihm geht?«

Der Geheimdienstchef runzelte die Stirn, wich aber vor der Intensität in Dexters Stimme einen Schritt zurück. Dexter nutzte die kurze Pause, um sich dem Corporal der Wacheinheit zuzuwenden. »Sorensons Anweisung bleibt bestehen. Niemand ohne ausdrückliche Erlaubnis wird zum Prinzen vorgelassen.«

Der Corporal nickte ernst und Dexter setzte sich in Bewegung. Er spürte, wie sich der Blick Connors’ in seinen Rücken bohrte. Es kümmerte ihn wenig. Sollte sich der Kerl ruhig ein wenig aufregen. Hier hatte der Chef des RIS gerade so viel Macht, wie Sorenson ihm zugestand. Und Dexter hatte das Ohr des Anführers der Skulls. Das gab ihm ein wenig Spielraum, sogar für ein paar Frechheiten. Darüber hinaus stand ihm nicht länger der Sinn nach Spielchen. Man hatte ihn zu oft als Schachfigur benutzt. Es wurde Zeit, eine eigene Partie zu starten.

Als er um die nächste Ecke und außer Sicht trat, aktivierte er seinen Komlink und gab die Frequenz Sorensons ein. »Oscar?«

»Ich höre. Hast du den Prinzen gesprochen?«

»Allerdings. Er ist in schlechtem Zustand, aber nach allem, was er durchgemacht hat, ist das auch kein Wunder. Er wird sich fangen.«

»Hat er eine Meinung zu unserem nächsten Ziel?«

Dexter lächelte schief. »Er will nach Selmondayek«, log er. »Der Prinz muss dort sein, wo sich seine Truppen sammeln.«

Von der anderen Seite war ein ergebener Seufzer zu hören. »Ich hoffe, er weiß, was er tut. Dann also auf nach Selmondayek. Und in die Höhle des Löwen.«

SKULL 5: Mit Feuer und Schwert

Подняться наверх