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Tokyo war genauso, wie MacTavish es noch in Erinnerung hatte: bunt, laut und hoffnungslos überfüllt.

Auf dem einzigen Bett des Hotelzimmers saßen Natascha und Catherine. Beide waren dabei, ihr Äußeres wieder in ein respektables Erscheinungsbild zu verwandeln. Die letzten zehn Stunden hatten alle in Kisten zugebracht, die mit der Aufschrift Vorsicht! Zerbrechlich! versehen gewesen waren.

Eines musste man Kilgannon lassen. Er besaß zweifelsohne einen Sinn für Humor. Dieser mochte vielleicht ein wenig eigen sein, war jedoch definitiv vorhanden.

MacTavish rümpfte die Nase. Das Hotel, in dem sie eine Unterkunft hatten ergattern können, gehörte zweifelsohne zu den schäbigeren in diesem Teil der Welt. Der ehemalige Geheimagent verstand durchaus den dahinterstehenden Sinn. Jedes andere, das halbwegs gehobenen Ansprüchen entsprach, wurde strengstens von der Regierung überwacht. Dazu zählten nicht nur eine Menge Überwachungskameras, sondern auch eine erhebliche Anzahl von Spitzeln und Informanten, die gegen Bezahlung jeden an die Behörden verrieten, bei dem dies lohnenswert erschien.

MacTavishs Blick zuckte hoch. Auf einem der Häuser unweit ihrer Position stand ein großer Holo-Fernsehschirm, auf dem gerade mal wieder ihre Steckbriefe eingeblendet wurden. Er seufzte. Er verstand zwar kein Wort Japanisch, aber allein MacTavishs Kopfgeld würde jedem Spitzel die Möglichkeit bieten, sich für immer zur Ruhe zu setzen.

Natascha klopfte beständig auf ihren Komlink hinter dem rechten Ohr, das Gesicht zu einem Ausdruck frustrierter Konzentration verzogen. MacTavish schüttelte den Kopf.

»Gib’s auf. Wenn Sean bis jetzt nicht geantwortet hat, dann hat er vermutlich derzeit seinen Komlink abgeschaltet. Versuch es später noch mal.«

Natascha ließ den Arm sinken. »Das sieht ihm gar nicht ähnlich. Das bereitet mir schon etwas Sorgen.«

MacTavish zuckte mit den Achseln. »Unsere Komlinks sind nicht registriert. Kann gut sein, dass Pendergast und seine Speichellecker Maßnahmen getroffen haben, um illegale Kommunikation zu unterbinden. Eigentlich ist das sogar wahrscheinlich.«

Sean war in Wien geblieben, um die Situation dort im Auge zu behalten und unter Umständen auch ein paar Kontakte zu den örtlichen Studenten zu knüpfen. Er hoffte, den Studentenwiderstand wiederbeleben zu können. MacTavish hegte in dieser Hinsicht zwar keine großen Hoffnungen, dennoch wünschte er dem Jungen viel Glück.

Natascha nahm zu ihrem Kommilitonen die Rolle einer großen Schwester ein, wodurch sie nicht wirklich begeistert war, von ihrem Freund durch den halben Erdball getrennt zu sein. Ihre Haltung war sogar verständlich, wenn man bedachte, dass es sich bei den beiden um die letzten Überlebenden der ursprünglichen Widerstandsbewegung handelte. Ein solches Erlebnis schuf besondere Bindungen.

Die Tür flog auf. MacTavishs Hand zuckte hinter seine Hüfte und um ein Haar hätte er seine Waffe gezogen. Er hielt in der Bewegung inne, als der Geheimagent Kilgannon erkannte. Der ehemalige königliche Pionier atmete schwer vor Aufregung.

»Bist du wahnsinnig?«, maßregelte MacTavish sein Gegenüber. »Beinahe hätte ich dich abgeknallt.«

»Ich habe den Kontakt hergestellt«, erwiderte der Pionier, ohne auf die Bemerkung einzugehen.

MacTavish wechselte einen verwunderten Blick mit den beiden Frauen. Erneut stellte Kilgannon in beeindruckender Weise seine Kenntnisse über diesen Teil der Welt zur Schau.

Er zog eine Augenbraue nach oben. »Irgendwann musst du mir mal erzählen, warum du hier so viele Leute kennst.«

Kilgannon grinste. »Geschäfte«, entgegnete er rätselhaft.

»Geht das auch ein bisschen genauer?«

Das Grinsen wurde breiter. »Nein, aber dafür haben wir ohnehin keine Zeit. Wir müssen los.«

MacTavish nahm seine Jacke, die über einer Stuhllehne hing, und schlüpfte schwungvoll in die Ärmel. »Wann ist das Treffen?«

Kilgannon warf einen oberflächlichen Blick auf seine Armbanduhr. »Wenn du mich so fragst … jetzt.«

»Jetzt?«

Kilgannon nickte. »Also schwingt die Hufe, Leute. Wir müssen uns beeilen. Die Menschen, die wir treffen, sind nicht gerade für ihre Geduld bekannt.«

»Noch kurzfristiger ging es wohl nicht«, gab MacTavish verkniffen zurück, als er zur Tür eilte.

Natascha und Cat folgten dichtauf.

Kilgannon schloss die Tür ab und gemeinsam steuerten sie das Treppenhaus an. »Vergiss nicht, die Leute, mit denen ich ein Treffen vereinbart habe, stehen auf Pendergasts Abschussliste. Sie sind nicht weniger auf der Flucht als wir und dementsprechend vorsichtig.« Er räusperte sich übertrieben. »Um nicht zu sagen, verzweifelt.«

»Können die uns dann überhaupt helfen.«

Kilgannon stieß ein bellendes Lachen aus. »Oh ja, der Mann, den du triffst, der kann uns absolut helfen.«

Das Quartett begab sich schwer schnaufend die Treppe hinab Richtung Foyer. Kilgannon nahm immer drei Stufen auf einmal, was es den anderen schwer machte, an ihm dranzubleiben.

»Was heißt hier ich? Du kommst gefälligst mit.«

Kilgannon blieb derart ruckartig stehen, dass MacTavish beinahe gegen seinen Rücken geprallt wäre. Der Pionier drehte sich mit ernster Miene um. »Das wäre nicht ratsam. Meine Gegenwart bei dem Gespräch würde die ganze Sache erheblich … komplizieren.«

MacTavish neigte misstrauisch den Kopf leicht zur Seite. »Ich befürchte, jetzt muss ich auf einer Erklärung bestehen. Ganz bestimmt, begebe ich mich nicht in die Höhle des Löwen, wenn die Löwen nicht gut auf dich zu sprechen sind.«

Kilgannon seufzte übertrieben. »Ich würde es so ausdrücken: Der Mann, der die Organisation leitet, war mal mein Arbeitgeber und … wir sind nicht im Guten auseinandergegangen.«

»Genauer bitte.«

»Ich habe für ihn einige wichtige … sagen wir mal … Artefakte beschafft, aber leider hat sich die Polizei auch dafür interessiert und sie beschlagnahmt.«

MacTavish riss die Augen auf und wich einen Schritt zurück. »Du warst Kunstschmuggler? Und das sagst du mir erst jetzt?«

»Kunstschmuggler ist ein hässliches Wort. Ich bevorzuge die Bezeichnung Beschaffer seltener Gegenstände.«

MacTavish warf beide Arme in die Höhe. »Du warst Kunstschmuggler. Ich fasse es nicht.«

»Beschaffer seltener Gegenstände«, beharrte Kilgannon.

»Vielleicht sollten wir die ganze Angelegenheit lieber vergessen«, warf Cat ein. Natascha unterstützte den Vorschlag mit verhaltenem Nicken.

Der ehemalige RIS-Agent musterte sein Gegenüber scharf. Dieser schüttelte den Kopf. »Das wäre ein Fehler. Mein einstmaliger Arbeitgeber hat Männer, Waffen, Ressourcen und eine Menge Einfluss weltweit. Wenn er uns nicht helfen kann, dann sind wir ohnehin erledigt.«

MacTavish grübelte angestrengt über die Worte Kilgannons. Was jedoch letztendlich den Ausschlag gab, war die nächste Bemerkung des Mannes.

»Welche Alternative haben wir denn?«

»Also gut, auf deine Verantwortung. Und du kommst mit.«

»Auf keinen Fall. Der Kerl schlägt Leuten, die ihm ans Bein pissen, gern mal den Kopf ab.«

»Das wird ja immer besser«, sagte Natascha mit Augen, die immer größer wurden.

»Keine Sorge«, winkte Kilgannon ab. »Das kommt kaum noch vor. Ich hörte, in den letzten Jahren ist er sehr viel ruhiger geworden.« Er machte eine verkniffene Miene. »Aber in meinem Fall könnte er versucht sein, zu alten Verhaltensweisen zurückzukehren.«

»Keiner von uns spricht auch nur ein Wort Japanisch«, gab MacTavish zu bedenken.

»Das ist kein Problem. Der Mann spricht ein Dutzend Sprachen.« Der Pionier grinste. »Du wirst sehen, ihr werdet euch blendend verstehen.«

Kilgannon übernahm erneut die Führung. Gemeinsam erreichten sie das Foyer. Auf dem Platz vor dem Hotel wartete bereits ein Taxi auf die Gruppe.

Der Fahrer wusste offenbar schon, wo es hingehen sollte. Die Fahrt dauerte keine zehn Minuten und der Wagen hielt vor einem Restaurant. Kilgannon bezahlte den Mann und gemeinsam stiegen sie aus. Der Fahrer hatte es offenbar sehr eilig, diesen Teil der Stadt zu verlassen. Er gab Vollgas und brauste davon, wobei er fast einige Passanten auf die Motorhaube nahm.

MacTavish musterte das Etablissement mit der aufdringlichen, knallbunten Neonwerbung von oben bis unten, bevor er sich abermals Kilgannon zuwandte. »Ein Restaurant? Wirklich? So ein Klischee?«

Der Pionier zuckte die Achseln. »Klischees besitzen manchmal ihre Daseinsberechtigung.«

MacTavish ließ das mal unkommentiert so stehen und schüttelte den Kopf. »Bringen wir es einfach hinter uns.« Er setzte sich in Bewegung, aber der Eindruck verstärkte sich immer mehr, dass dies keine gute Idee war.

Die Gruppe betrat das Restaurant. Es war überraschend gut besucht. Kaum ein freier Stuhl war zu finden. Der ganze Raum roch angenehm nach Huhn und verschiedenen Gemüsesorten. Sein Magen begann unwillkürlich zu knurren. Es erinnerte ihn daran, dass sie sich bereits seit geraumer Zeit nur von der Hand in den Mund ernährten. Eine warme Mahlzeit wäre nicht das Schlechteste.

Kilgannon erriet seine Gedanken. »Freu dich nicht zu früh. Das hier ist nur ein Zwischenstopp.« Auf einen fragenden Blick MacTavishs hin zuckte der Pionier lediglich die Achseln. »Wie gesagt, die Leute müssen vorsichtig sein, sonst sackt die Polizei sie ein.«

Eine Kellnerin bemerkte die Gruppe und wusste anscheinend schon, weshalb sie hier waren. Mit einem Kopfnicken deutete sie auf das Hinterzimmer.

Kilgannon gab MacTavish einen leichten Stoß und dieser setzte sich zögernd in Bewegung. Er bemerkte, wie der Pionier versuchte zurückzubleiben. MacTavish packte ihn kurzerhand beherzt am Kragen und schleifte ihn mit.

»Du bleibst schön bei uns«, flüsterte er ihm zu.

»Ich dachte, das hätten wir geklärt«, antwortete Kilgannon und wehrte sich dabei halbherzig. Als sie das Hinterzimmer erreichten, hörten dessen Bemühungen, sich zu befreien, auf. Gleichzeitig meldete sich Ozzy zu Wort.

»Boss«, warnte die KI, »hier stimmt was nicht! Ich orte die Herzschläge mehrerer Personen.«

MacTavish hielt schlagartig inne. »Wie viele?«

»Zu viele.«

In diesem Moment stürmten ein Dutzend Männer aus versteckten Nischen. Jeder von ihnen war durchtrainiert und bewaffnet. MacTavish schlug den ersten einfach nieder und brach dem zweiten mit einem komplizierten Judogriff den linken Arm.

Die beiden Frauen waren schnell überwältigt und lagen bewusstlos am Boden. Der RIS-Agent bemerkte, dass sich Kilgannon überhaupt nicht wehrte. Der Pionier schüttelte schlicht den Kopf.

»Es hat keinen Sinn. Lass es einfach sein.«

MacTavishs ganzer Instinkt schrie nach Gegenwehr. Beim RIS bildete man keine Weicheier aus. Wer das anspruchsvolle Training bis zum Ende durchstand, war ein Profi im Umgang mit den meisten Waffen sowie dem waffenlosen Nahkampf. Und obwohl er wusste, dass Widerstand gegen eine solche Übermacht kaum Aussicht auf Erfolg hatte, kämpfte er weiter. Es gelang ihm, noch einen Gegner auszuschalten, bevor man ihm von hinten ein Tuch auf Nase und Mund drückte. MacTavish nahm den chemisch-süßlichen Geruch von Chloroform wahr. Vor seinen Augen verschwamm alles. Sämtliche Farben wurden zu einem einheitlichen Brei, bevor bei ihm endgültig die Lichter ausgingen.

SKULL 5: Mit Feuer und Schwert

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