Читать книгу Zeichen und Geist - Stefan Eckhard - Страница 18
5. Taufe und Versuchung
ОглавлениеDer Anspruch Jesu, im Namen Gottes zu handeln, bildet den theologischen Kern des gesamten Markusevangeliums: Es geht um die Frage nach der wahren Identität des Mannes aus Nazaret.1 Pointiert kommt dieses zentrale Thema der Vollmacht Jesu schon recht früh im Evangelium in Mk 6,3a. b in der verwunderten Reaktion der Nazarener über das souveräne Auftreten Jesu zum Ausdruck: οὐχ οὗτός ἐστιν ὁ τέκτων, ὁ υἱὸς τῆς Μαρίας καὶ ἀδελφὸς Ἰακώβου καὶ Ἰωσῆτος καὶ Ἰούδα καὶ Σίμωνος; – „Ist dieser nicht der Zimmermann – der Sohn der Maria und der Bruder des Jakobus und des Joses und des Juda und des Simon?“ Die Menschen aus dem näheren Umfeld Jesu meinen, diesen Mann zu kennen – aber sie kennen ihn anscheinend doch nicht. Die Aufzählung der zahlreichen Fragen der Nachbarn Jesu (vgl. Mk 6,2c–3c) belegt ihr Erstaunen: Der ihnen doch so vertraute Mann redet jetzt charismatisch wie ein Prophet (σοφία – vgl. Mk 6,2d)! Wie kann das bloß sein? Den nach ihrem Empfinden offenkundigen Widerspruch können sich die Nazarener nicht erklären und lehnen daher Jesus mit seiner Botschaft entschieden ab (vgl. καὶ ἐσκανδαλίζοντο ἐν αὐτῷ – vgl. Mk 6,3d). Nicht nur für die Nachbarn und Bekannten Jesu, sondern auch für die Rezipienten des Markusevangeliums stellt sich so die grundsätzliche Frage: Wer ist denn überhaupt „dieser“ (οὗτός – vgl. Mk 6,3a) vermeintlich gewöhnliche Zimmermann aus Nazaret? Markus gibt darauf in der Tauf- und Versuchungsszene Mk 1,9–13 eine eindeutige Antwort. Hier wird nüchtern berichtet, dass „Jesus von Nazaret“ (Ἰησσῦς ἀπὸ Ναζαρέτ – vgl. Mk 1,9) zu Johannes dem Täufer kommt, um sich von ihm im Jordan taufen zu lassen. Die Einführung der Person Jesu mit dem schlichten Abstammungshinweis verdeutlicht die noch gewöhnliche Existenz Jesu, die sich durch die nun folgende Gabe des göttlichen Geistes grundlegend wandeln wird. Die alttestamentliche, feierlich-hoheitliche Formulierung καὶ ἐγένετο ἐν ἐκείναις ταῖς ἡμέραις („Und es ereignete sich in jenen Tagen …“) gleich zu Beginn des Verses weist auf diesen Kontrast hin.