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Im Auge des Tornados

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Taleesha wollte unbedingt nach Des Moines, weil ihr Onkel vor mehreren Jahren mit seiner Familie dorthin gegangen war. »Er wollte einfach nur weg aus dem Süden. Ich habe zuhause über meinem Bett immer noch die erste Ansichtskarte angepinnt, die er uns geschrieben hat. ›Hier ist es wunderbar, kommt auch, es gibt Arbeit für alle.‹ Auf der Vorderseite war das Iowa State Capitol abgebildet, das hat eine Kuppel aus echtem Gold.« Deswegen wollte sie, dass wir dort anhielten, sie wollte das Kapitol mit der goldenen Kuppel sehen, das war für sie so etwas wie das Versprechen an alle, goldene Zukunft und so.

»Magst du deinen Onkel besuchen?«, fragte ich, »weißt du, wo er wohnt?«

»Ja, doch, weiß ich.«

»Dann lass uns hinfahren, oder?«

Taleesha gab zunächst keine Antwort, dann sagte sie: »Glendale Graveyard«.

»Der Friedhof? Was ist passiert?« Ich war geschockt.

»Keine Ahnung, irgendeinem Cop zu lange in die Augen geschaut oder die Hand nicht aus der Hosentasche genommen oder die Hand zu schnell aus der Hosentasche genommen, wie gesagt: keine Ahnung.« Wir schwiegen eine Dreiviertel Meile lang. Dann sagte sie: »Mein Cousin liegt auch dort.«

»Und deine Tante? Und die anderen?«

»Keine Ahnung, nie mehr was gehört.«

Aber die goldene Kuppel, die wollte sie doch sehen, also parkten wir da, wo der Des Moines River und der Raccoon River zusammenfließen, und spazierten hoch zum Kapitol, das am Ende nichts anderes ist als ein riesiger Kasten mit einer furchteinflößenden hohen Treppe und riesigen Säulen und einer im Verhältnis viel zu kleinen Kuppel, und ja: sie ist vergoldet. Wir ließen uns unsere Enttäuschung nicht anmerken, tranken auf dem Rückweg zum Auto eine Cola und suchten wieder Anschluss an die Route 80.

Es war früher Nachmittag, das Autoradio dudelte gerade Somewhere Over The Rainbow, als sich vor uns eine schwarze Wand aufbaute. Das muss kurz vor Genoa Bluff gewesen sein, und ich verfluchte Des Moines, denn eigentlich sollten wir schon viel weitergekommen sein. »O je«, sagte ich, »von wegen Rainbow, wie’s aussieht, fahren wir direkt in ein Unwetter.« Es war gespenstisch, rechts und links und hinter uns brannte die Sonne, die abgeernteten Mais- und Weizenfelder glänzten in ihrem Schein, und vor uns hatte irgendetwas alles Licht aufgesaugt.

»Nein, Laury«, erwiderte Taleesha ernst, »wir fahren nicht hinein, es kommt auf uns zu«. Jetzt sah ich es auch, halbrechts löste sich ein Streifen, der noch dunkler war als das dunkle Schwarz, das ihn umgab, und der von der Erde bis in den Himmel reichte. Er bewegte sich in unsere Richtung, bis er auf eine halbe Meile herangekommen war. Ich hatte so etwas noch nie zuvor gesehen: Eine Wolkensäule, vielleicht hundert Meter im Durchmesser, die sich mit rasender Geschwindigkeit um sich selbst drehte. »Ein Tornado«, sagte Taleesha mit Ehrfurcht in der Stimme, »Laury, wir müssen hier raus«.

»Ich kann doch nicht hier stehen bleiben, mitten auf der Landstraße«, wandte ich ein, aber sie war schon draußen und rannte zum Straßengraben. Die Wolkensäule war jetzt ganz nah. Sie hielt kurz an der Landstraße an, als sei sie sich nicht sicher, ob sie Vorfahrt hat, und kam dann direkt auf uns zu. Ich sprang Taleesha hinterher und warf mich auf sie in den Graben. Irrigation ditch, dachte ich – verrückt, welche Wörter aus dem Schulunterricht einem manchmal noch so einfallen. Wenn ich irrigation ditch denke, dann denke ich gleichzeitig immer auch an den Französisch-Kurs: fièvre paludienne, werde ich nie brauchen, aber auch nie vergessen. Kann sein, wenn ich mal wieder einen Tornado sehe, werde ich denken: irrigation ditch, fièvre paludienne. Was das Gehirn so mit einem macht …

Auf einmal war er da. Ich weiß nicht, wie ich das jetzt beschreiben soll: Ich bebte, ich glaube, das trifft’s am besten, alles in und an mir bebte, dann fand ich mich plötzlich neben dem Graben im Feld, alles war gelb vom trockenen Staub, dann wurde ich auf die Knie gehoben und es war still. Erst in diesem Augenblick merkte ich, welch einen Höllenlärm aus der Wolkensäule gekommen war, wie Propellermotoren einer ganzen Flugzeugarmada. Doch jetzt war es still – kein Laut, kein Wind, kein Stäubchen bewegte sich. Ich stand auf. Etwa zehn Meter weiter sah ich Taleesha, sie blickte nach oben, und ich folgte ihrem Blick. Wir standen inmitten einer Wolkenkathedrale, deren Wände sich um uns drehten, unten schwarz, dann allmählich heller werdend, bis sie in strahlendem Weiß den Himmel berührten. Der schaute in einem makellos hellen Blau zu uns herunter, das Blau, wie ihn der Mantel der Gottesmutter auf manchen Gemälden hat, so ein Alles-wird-gut-Blau, ein Wohlfühl-Blau, ein Willkommen-im-Paradies-Blau. Ich hatte einen starken Verdacht, aber noch schienen wir zu leben.

Das Blau des Himmels hatte etwas Tröstliches, Verheißungsvolles, denn hier unten waren alle Farben verschwunden, und das nicht nur in irgendeinem übertragenen Sinn, sondern ganz real. Taleesha war schwarz und ihre Augen weiß mit einem schwarzen Klecks in der Mitte, meine Hände und Arme waren grau, grau waren unsere Kleider, grau der Boden unter unseren grauen Schuhen, als hätte plötzlich jemand mitten im Film von Technicolor auf Schwarz-Weiß umgeschaltet.

Und dann sahen wir sie beide zur gleichen Zeit, und sie sah uns. Etwa fünfzig Meter entfernt, mitten in dieser Halle des Lichts und der Stille, stand ein Mädchen. Es war etwa sechszehn oder siebzehn Jahre alt, auch wenn es auf den ersten Blick jünger ausgesehen hatte, wohl weil es so kindisch angezogen war und seine Haare in zwei dicken Zöpfen über die Schultern fielen, und wohl auch, weil es still vor sich hin weinte. Taleesha lief hinüber, nahm es in den Arm, und ich ging auf die beiden zu.

»Ist das hier Kansas?«, fragte das Mädchen.

»Nein, ich glaube, wir sind in Iowa«, sagte ich ernsthaft, obwohl ich wusste, dass das jetzt nicht wirklich wichtig war.

»Iowa?«, wiederholte sie erschrocken und schaute sich um, als wollte sie überprüfen, ob sie mir Glauben schenken dürfte.

Da hörten wir diese Klänge, ein gewaltiges Brausen erhob sich, und ganz klar konnte man einzelne Töne vernehmen, die ineinander übergingen, es klang fast wie eine gewaltige himmlische Glasharmonika. Ich werde die Melodie nie vergessen, eigentlich waren es nur gebrochene Akkorde, und jetzt, im Rückblick, kann ich sagen, dass sie den Anfangstakten von Stairway To Heaven verdammt ähnlich waren. Ich habe versucht herauszufinden, wo Jimmy Page Anfang September 1961 war, aber da ging er wohl noch zur Schule. Die Musik klang überirdisch, sie war überall, füllte diese Kathedrale, und als ich nach oben blickte, glaubte ich zu sehen, dass sie sogar das Marianische Blau ein wenig verschleierte.

Da packte mich Taleesha am Arm und schüttelte mich. »Wir müssen uns auf den Boden legen und ganz dicht beieinanderbleiben«, schrie sie mich an. »Wenn sich der Tornado weiterbewegt, müssen wir uns so gut wie möglich sichern.« Wir fanden den Straßengraben wieder und schmiegten uns an die Erde, unter mir Taleesha, unter ihr das Mädchen, und alle mit ineinander verschränkten Armen und Beinen. Dann begann der Hölle zweiter Teil, die Erde bebte, und ich hatte das Gefühl, dass mir alle Glieder ausgerissen würden. Dann wurde es ruhiger, ein starker Sturm blies übers Feld, der sich schnell legte, das Donnern wurde zu einem Brausen, zu einem Sausen, einem Säuseln. Stille.

Wir setzen uns auf und entfernten Staubkörner und Strohhalme, so gut es ging, aus den Haaren und von den Kleidern. »Wie es wohl Tante Emily geht?«, fragte das Mädchen, das jetzt seine Farbe zurückgewonnen hatte. Ihr Haar war mittelbraun, sie trug ein blaues Trägerkleid, eine weiße Bluse und ihre Füße steckten in blauen Söckchen und roten Schuhen.

»Tante Emily?«, fragte Taleesha zurück.

»Ja, die Tante in Good Intent.«

»Was ist Good Intent?«, fragte ich.

»Das ist da, wo wir wohnen, Tante Emily, Onkel Henry, ich, Hunk, Hickory, Zeke, das heißt Good Intent.«

Ich betrachtete sie eingehend, und ich schwöre, sie war ziemliche siebzehn, ganz anders als ihre Frisur und ihre Kleider Glauben machen wollten. »Und du bist?«, fragte ich.

»Dorothy«, gab sie zur Antwort und schaute beschämt unter sich.

»Was ist passiert?«

»Ich weiß nicht, ich kann mich nicht erinnern. Ich denke, ich bin weggelaufen.«

»Von Tante Emily?«

»Ja, nein, mehr von Onkel Henry.« Sie schaute kurz auf, um sich unserer Reaktion zu vergewissern.

»Dein Onkel Henry, hat er …?« Sie zuckte nur heftig mit den Schultern. »Hat er dir etwas getan?« Dorothy schaute weiter nur unter sich.

»Plötzlich kam Sturm auf«, nahm sie ihre Erzählung wieder auf, »und dann …« Sie schaute wie zur Erklärung um sich. Überall im Feld und auf der Straße lagen Trümmerteile und in der Ferne drehte sich die schwarze Wolkensäule Richtung Carnforth weiter.

»Und jetzt?«, fragte ich in die Runde, und Taleesha sagte munter: »Jetzt bringen wir die Kleine erst mal wieder nach Hause.«

»Nein!«, schrie das Mädchen panisch, und das anschließende Schweigen war lauter als ihr Aufschrei.

»Wir müssen weiter nach New York«, gab ich zu bedenken, doch sie nickte nur.

»New York ist gut, alles klar, New York!« Dann zog sie geräuschvoll die Nase hoch.

Ich gebe zu, dass wir in dieser Situation alle ein klein wenig überfordert waren. Ist erst mal ein Tornado über dich hinweggegangen, dann funktioniert im Kopf nicht mehr alles so, wie es sollte. Ich stand auf und schaute mich um, wo ich den Wagen und den Trailer geparkt hatte. Den Travelette fand ich ein wenig abseits der Straße im Feld, und er schien so weit in Ordnung zu sein. Doch der Wohnwagen war verschwunden, nur die Tür mit dem Aufkleber Come In To Be Outside lag ein paar Meter vom Auto entfernt. ›Oh je‹, dachte ich, ›jetzt regnet es irgendwo Blech und Plastik und Würstchen mit Kartoffelsalat‹.

Ich bugsierte die Karre zurück auf die Straße, auf der es jetzt fast so aussah wie auf der Piste durch die Wüste vor ein paar Tagen. Als ich wieder zu den beiden anderen stieß, hörte ich, wie Taleesha sagte: »Aber du musst doch wieder nach Hause!«

»Ich will aber nicht zurück in das Good Fucking Intent«, schrie Dorothy sie mit zusammengebissenen Zähnen an, und ich musste lachen. »Was gibt’s denn da zu lachen?«, fauchte das Mädchen so aufgebracht, wie es nur ein Teenie kann.

»Na, wenn ich dich so ansehe«, ich ließ meinen Blick wandern, von den Zopfspangen bis zu den roten Schuhen mit den Schleifchen, »also, wenn ich dich so ansehe, denke ich, dass Fucking nicht die angemessene Sprache für dich ist. Du siehst eher aus, als ob du deinen Teddy vermisst.«

Dorothy riss sich die Spangen aus dem Haar, öffnete die Zöpfe, fuhr mit beiden Händen durch ihren Schopf, beugte sich vor und wieder zurück, um die ganze Pracht um ihren Kopf und auf ihren Schultern zu verteilen und sah mich von unten durch ihr Pony an: »Besser so?«

»Definitiv«, sagte ich, »jetzt brauchst du nur noch einen Petticoat mit Polka Dots oder Jeans und so eine von den Blusen, die du überm Bauch knotest …«

»Meingott, Männer!«, stoppte mich Taleesha. Also gut, ich hielt die Klappe und klemmte mich hinters Lenkrad. Zwei Tage, zwei Nächte, so dachte ich, dann bin ich sie endlich wieder los. Leider.

Bald – was auf amerikanischen Highways ›bald‹ heißt – erreichten wir den Lake Michigan, und ich bog auf eine kleinere Straße ab, auf der wir dem See näher sein konnten.

Ich muss so sieben oder acht gewesen sein, Opa gehörte noch nicht lange zu unserem Leben, da kamen wir von einem Badetag an der Ostsee zurück, Opa und ich. Schon in der Haustür platzte es aus mir heraus: »Opa ist heute übers Wasser gelaufen!«, erzählte ich aufgeregt meinen Eltern.

Mein Vater gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf und sagte: »Du sollst nicht lügen!«

»Aber es ist doch wahr!« Ich stampfte mit dem Fuß auf.

Opa schaute zugleich betreten und herausfordernd. Weil er hinter mir stand, konnte ich freilich nicht sehen, wie er schaute, doch in den Augen meiner Mutter erkannte ich den Widerschein des Betretenseins und die Augen meines Vaters gaben das Spiegelbild der Herausforderung ab. »Ist doch keine große Sache«, sagte mein Opa, und meinte es beschwichtigend, doch meine Mutter antwortete umgehend: »Das wäre auch das erste Mal, dass du zu einer großen Sache fähig wärst.«

»Na, dann schau dir aber mal den Buben an«, gab er ohne Zögern zur Antwort, und Mutter fauchte ihn an: »Kein Wort mehr, sonst hast du ihn gesehen!« Ich verstand von alledem nichts, und weil er bemerkte, dass hinter meiner Stirn eine große Frage Gestalt annahm, scheuchte Vater mich in mein Zimmer.

Das war es, woran ich denken musste, als wir an diesem Lake Michigan entlangfuhren, der ein See ist, jedoch vom Ufer aus betrachtet so groß wie ein Meer. »Mein Opa konnte übers Wasser gehen«, sagte ich laut zu den beiden anderen, die es sich auf der Rückbank bequem gemacht hatten.

»O Jesus!«, entfuhr es Taleesha, »ohne Scheiß jetzt?«, fragte Dorothy, und ich nickte. »Mann, cool«, fügte Dorothy hinzu und Taleesha ließ ein »Wie konnte er …« unvollendet stehen.

»Keine große Sache«, antwortete ich mit Opas Worten, und ich weiß nicht, was mich geritten hat, aber es rutschte mir einfach so heraus: »Kann ich auch.« So kam es, dass ich an einem Donnerstag, dem 7. September 1961 über die Wasser des Michigan-Sees gewandelt bin – nur für den Fall, dass ihr eine Sekte gründen wollt, wir können das auf Franchise-Basis machen. In Amerika würde das gut laufen, da bin ich mir sicher.

Soweit ich mich erinnern kann – mein Gott, das ist wie gesagt eine Ewigkeit her – sind wir bei Burns Harbor ans Ufer runtergegangen, und ich habe mir vorsorglich Schuhe und Strümpfe ausgezogen. Der Wind blies sanft, aber beständig aus Süden, als ich die Wasserfläche betrat. Wahrscheinlich hat sich keiner so sehr gewundert wie ich, als ich tatsächlich die ersten Schritte machte. Die kleinen Wellen kitzelten an den Fußsohlen, aber sonst war alles ok. Vom Ufer her trug der Wind die erstickten Aufschreie der beiden Mädchen heran, und ich spürte einen Flow, der mich weitertrug. Wenn man mal den ersten Schritt gemacht hat, dann geht es wie von selbst, glaubt mir.

Ich schritt also über die Wasser des Michigan-Sees und erhob dabei – ich kann es nicht anders sagen – meine Seele zum Herrn. Es hatte etwas von einem Erweckungserlebnis, ich riss die Arme hoch, legte den Kopf in den Nacken, schaute in den Himmel, auf dem leichte weiße Wolken nach Norden getrieben wurden und immer wieder die Sonne verdeckten, und schrie so laut »Halleluja«, dass die Menschen in Chicago und Milwaukee zueinander sagten: »Hast du die Stimme vernommen, die da Halleluja gerufen hat?« Ach, was sage ich: Von Sheboygan bis Itchi-iti-kipi Spring und von Ludington bis Saint Ignace, rund um den ganzen großen See schauten sich die Menschen an, ob Amerikaner oder Kanadier oder Menschen der Ersten Nation, und lachten und sagten: »Er hat den Herrn gepriesen!«

In diesem Augenblick entschloss sich eine Silbermöwe, einen gewaltigen Schwall Scheiße fahren zu lassen, der mich mit einer solchen überraschenden Wucht auf die Stirn traf, dass er meine Sinne benebelte. Ich hatte einen dicken weißen Misthaufen auf dem Vorderlappen meiner linken Gehirnhälfte, und mir war sofort klar, dass das nichts Spirituelles war, auch wenn es von oben kam. »Scheiße!« rief ich aus, so laut, dass … na, ihr könnt es euch denken, und die Leute in Sheboygan und Saint Ignace zuckten zusammen und kehrten schnell und ein bisschen beleidigt zu ihren alltäglichen Beschäftigungen zurück. Doch jetzt war ich aus dem Tritt gekommen, strauchelte, stolperte, und ehe ich mich versah, war ich bis zu den Waden in den Fluten eingesunken. Ich fing an, mit den Armen zu rudern, trat heftig mit den Füßen, als wollte ich Rahm zu Butter verarbeiten, doch das Michigan-Wasser blieb eine sehr flüssige Angelegenheit. Ich versank.

Man kann sich unschwer die Gesichter der beiden Mädels vorstellen, als ich nach einem minutenlangen Kampf gegen den immer noch ablandigen Wind und die höher schlagenden Wellen das Ufer zurückgewonnen hatte. Jetzt, da ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, war ihre Besorgnis gewichen und hatte einem ganz leichten Anflug von Schadenfreude Platz gemacht, die sie meisterlich unter Ausrufen des Bedauerns und Trostes und Gesten der Fürsorge verbargen.

»Du musst die nassen Kleider ausziehen«, befahl Taleesha, »sonst holst du dir den Tod.«

»Ja, zieh deine Kleider aus«, nickte Dorothy beifällig.

Die Sonne war inzwischen völlig hinter grauen Wolken verschwunden und der Wind drehte auf Ost, es war ziemlich frisch geworden. »Aber ich kann doch nicht …« Es war ein schwacher Versuch, geboren aus doppelter Scham: Als Wasserläufer versagt zu haben und mich hier vor den Augen der Mädchen meiner nassen Kleider entledigen zu sollen.

Doch es half nichts, sie zogen und zerrten hinten und vorn, knöpften Knöpfe auf und zogen an den Ärmeln und an den Hosenbeinen, und Taleesha befahl: »alles!«, und so stand ich da, der Mann, der die Gesetze der Natur herausgefordert und beinahe besiegt hatte, und dann an einem Möwenschiss gescheitert war, nackt, nass und zitternd. Als ich bemerkte, dass Dorothy den Kopf leicht zur Seite neigte und intensiv meine unterkühlte Männlichkeit betrachtete, sprang ich ins Auto. »Einsteigen!«, rief ich, »wir fahren.«

Eine schräge Geschichte, die böse endet

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