Читать книгу Texten fürs Web: Planen, schreiben, multimedial erzählen - Stefan Heijnk - Страница 14
Der Geduldsfaden: So ticken die Nutzer
ОглавлениеIm Sinne der Aktionsphase des Haken-Modells stellt sich die weitergehende Frage, wie die Contentrezeption möglichst angenehm gestaltet werden kann. Sind die Inhalte nutzwertig, dann geht es im nächsten Schritt um die optimal nutzerfreundliche Form, um die Usability.
Im Vergleich zum Blattmachen in der Printmedienwelt gelten für das Formen digitaler Inhalte ähnliche, aber nicht identische Grundsätze. Während Inhalte für Print-Medien in die typische Form aneinandergereihter Papierseiten gebracht, der gesamte Stoff also in eine sinnvolle lineare Reihenfolge überführt wird, liegen die Dinge im Web entschieden anders: Hier kommt es darauf an, ständig wachsende Websites angenehm navigabel zu organisieren und jede einzelne Seite so zu komponieren, dass sie die Nutzerblicke möglichst magnetisch anzieht und dann auch bindet.
Nutzerfreundliche Navigationspfade anzulegen und attraktive Seiten-Layouts zu entwickeln ist dabei keine Sache des reinen Bauchgefühls, denn fürs Site-Machen liegen längst viele belastbare Leitlinien vor – sowohl für stationäre als auch für mobile Websites. Hilfreiche Expertise findet sich dazu vor allem in der Usability- beziehungsweise User-Experience-(UX)-Forschung. Die Forschungsdisziplin zielt auf ein möglichst perfektes Interface- und Interaktionsdesign. Interfacedesign meint dabei die grafische Gestaltung der Oberflächen im Mensch-Maschine-Kontakt, hier also für den Kontakt zwischen Nutzern und Websites. Im Interaktionsdesign wiederum geht es um das, was unter der grafischen Oberfläche liegt, vor allem um das Anlegen eines optimalen Verbindungsnetzes zwischen den unterschiedlichen Teilbereichen einer Website. Manchmal wird es auch Navigationsdesign genannt. Greifen Inhalt, Interface und Interaktion sauber ineinander, dann wird der eingehende Besucherstrom (Inbound-Traffic) ohne größere Verluste auf die einzelnen Seiten gelenkt.
Ob das wirklich klappt, entscheidet sich in relativ präzise beschreibbaren Zeitfenstern. Im Prinzip läuft das ab wie am Gemüsestand auf einem Wochenmarkt: Die Startseite unterbreitet den Nutzern ihre Angebote und die Nutzer schauen sich zunächst einmal die Auslagen an. Trifft eines der unterbreiteten Angebote auf ein gesteigertes Interesse, dann greift der betreffende Nutzer zu, klickt auf einen Link und schaut sich das Angebotene genauer an. Sind die Angebote für einen Nutzer aber allesamt uninteressant, dann ist die Sache vorbei, noch ehe sie richtig begonnen hat. Und der Nutzer wechselt zu einem anderen, interessanter erscheinenden Marktstand. Analytisch betrachtet verläuft diese Startphase im Kontakt zwischen Website und Nutzer also in einem Dreischritt:
1 Ladephase: Abwarten des Seitenaufbaus
2 Scanphase: Überfliegen des Seiten-Inhalts
3 Rezeptionsphase: Lesen, Hören, Anschauen des Seiten-Inhalts
Ob die Leute dabei gerade ein Smartphone in der Hand halten oder ob sie vor dem Monitor am Schreibtisch sitzen, spielt erst einmal noch keine Rolle. Laden–Scannen–Rezipieren – dieser Dreischritt bleibt unabhängig vom Endgerät typisch für jeden Website-Nutzerin-Kontakt. Aus Sicht der Usability-Forschung ist in diesem Dreischritt entscheidend, dass die nutzerseitigen Erwartungen in allen drei Phasen optimal erfüllt werden. Wobei die Erwartung durchaus auch sein kann, dass den Erwartungen nicht entsprochen werden soll. Alles dreht sich ums schnelle Gewinnen und möglichst lange Binden von Aufmerksamkeit. Wer die Blicke rasch zum Ziel führt, ist im Vorteil. Das gilt für die Rezeption am Schreibtisch-Monitor ebenso wie für das mobile Surfen per Smartphone.