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Die Scan-Phase am Desktop

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In der sich anschließenden Scanphase treffen Angebot und Nachfrage vorentscheidend aufeinander. Das Geschehen ist hier stark vom jeweiligen Stimulus abhängig und natürlich von persönlichen Faktoren auf Seiten der Nutzer, ganz wesentlich vom aktuellen individuellen Ausgangsinteresse. Entsprechend gibt es keine Möglichkeit, den Blickverlauf für einen Menschen exakt zu prognostizieren. In Blickverlaufsuntersuchungen ist immer wieder zu beobachten, dass die Entry- und Exit-Points auf den betrachteten Seiten stark streuen, auch kann die Dauer der Scanphase von Person zu Person variieren. Zudem kommt es in der Desktop-Rezeption darauf an, ob gerade eine Startseite oder eine artikeltragende Seite betrachtet wird.

Gleichwohl gibt es empirisch belastbare Annäherungen und Wahrscheinlichkeiten. Für stationär abgerufene Startseiten auf Nachrichtenwebsites beispielsweise wurde bereits 2004 dokumentiert, dass sie durchschnittlich etwa 12 bis 17 Sekunden gescannt werden, bis der erste Klick erfolgt. Jüngere Studien haben diesen Befund seither immer wieder neu bestätigt. Webtraffic-Analyst Chartbeat beispielsweise stellte 2018 eine durchschnittliche Verweilzeit von 16 Sekunden auf Desktop-Homepages fest.

In diesem Zeitfenster werden neben dem Site-Logo, den Navigationselementen, den Bildern und anderen Startseitenkomponenten durchschnittlich etwa fünf Überschriften betrachtet. Jakob Nielsen hat festgestellt, dass die Benutzer etwa zehn Sekunden dafür brauchen, um sich auf einer Webseite umzusehen.

Der Blickverlauf wird in dieser Phase wesentlich vom konkreten Screen- beziehungsweise Interfacedesign beeinflusst. Fotos und Überschriften sind in den ersten Sekunden die stärksten Blick-Attraktoren. Über die Blickkontaktreihenfolge, auch als Gazeplot bezeichnet, entscheiden dann vor allem die visuell vermittelten Relevanzhierarchien: Relativ größere Fotos und relativ größere Überschriften dominieren über die relativ kleineren Fotos und Überschriften. Die Anordnung der Fotos und Überschriften auf der betrachteten Seite konstituiert dabei Blickachsen, auf denen die Blicke mit gesteigerter Wahrscheinlichkeit über die Fläche führen.

Kontrovers diskutiert wurde immer wieder die Frage, ob Webnutzer auf Desktop-Sites scrollen oder nicht. Usability-Guru Jakob Nielsen hatte Mitte der 90er-Jahre zunächst behauptet, die Webnutzer scrollten nicht, dies aber später relativiert. In 2010 kam er dann zu dem Ergebnis, dass die Nutzer auf stationären Webseiten zwar durchaus scrollen, den allergrößten Teil der Seitenrezeptionszeit aber »above the fold« verweilen, also für die erste Bildschirmportion verbrauchen. Nur 20 Prozent der Verweilzeit verbrachten sie auf der Fläche unterhalb der ersten Bildschirmportion. Die Aussagen aus der Studie des Jahres 2010 basierten auf Eyetrackingsitzungen mit 21 Probanden. Zwischenzeitlich waren zahlreiche andere Usability-Studien und Datenauswertungen zu dem Befund gelangt, dass die Nutzer auf Desktop-Sites sehr wohl scrollen. Clicktale zum Beispiel präsentierte 2006 eine Nutzungsdaten-Auswertung für 120.000 Seitenaufrufe, wonach in 76 Prozent aller Fälle gescrollt wurde, in 22 Prozent sogar jeweils bis zum Seitenende. Insgesamt lässt sich dazu festhalten, dass Webnutzer am Desktop-Monitor sicherlich kein Problem mit dem Scrollen haben.

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