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3. Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs

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Die Meinungsfreiheit kann beschränkt werden, um anderen den Genuss von Rechten oder die Erreichung bestimmter Gemeinwohlziele zu ermöglichen. Es gelten der Gesetzesvorbehalt und die Wesensgehaltsgarantie (Art. 52 Abs. 1 S. 1 GRC) sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wonach Einschränkungen nur vorgenommen werden dürfen, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Art. 52 Abs. 1 S. 2 GRC). Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen der Unionsorgane erkennt der EuGH diesen einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum zu. Gerade bei gesetzgeberischen Entscheidungen in komplexen Regelungsbereichen soll es nur die Aufgabe des Gerichtshofes sein, zu prüfen, „ob den Organen beim Treffen einer solchen Entscheidung ein offensichtlicher Irrtum oder Ermessensmissbrauch unterlaufen ist oder ob sie die Grenzen ihres Spielraums offensichtlich überschritten haben“.[16]

GA Fenelly hat im Fall „Tabakwerbeverbot“ vorgeschlagen, der Rechtsprechung des EGMR zu folgen, der normalerweise verlangt, dass die Vertragsstaaten einen überzeugenden Beweis eines dringenden sozialen Erfordernisses für eine Beschränkung der Meinungsfreiheit beibringen müssen.[17] Dagegen werden Beschränkungen wirtschaftlicher Informationen als gerechtfertigt anerkannt, wenn die zuständigen Behörden die Beschränkungen aus vernünftigen Gründen für erforderlich halten.[18] Eine solche unterschiedliche Behandlung kann damit gerechtfertigt werden, dass Informationen wirtschaftlicher Natur und (etwa) politische Meinungsäußerungen mit dem Allgemeininteresse in unterschiedlicher Weise in Beziehung stehen. Während die politische Meinungsäußerung selbst außerordentlich wichtigen gesellschaftlichen Interessen dient, haben Informationen wirtschaftlicher Natur normalerweise keine weitere soziale Funktion als ihre Rolle, die Wirtschaftstätigkeit zu fördern, weshalb dem Gesetzgeber auch ein weites Ermessen zukommen kann, um Beschränkungen im Allgemeininteresse zu verhängen.[19]

Der Gesundheitsschutz ist einer der Gründe, den Art. 10 Abs. 2 EMRK als Beschränkung der Meinungsfreiheit zulässt. Ferner kommt dem Gesundheitsschutz in Art. 36 AEUV sowie in den eigenen Politiken der Union nach Art. 6 S. 2 lit. a AEUV, Art. 9 AEUV, Art. 114 Abs. 3 AEUV und Art. 168 AEUV eine herausragende Bedeutung zu. Angesichts der erheblichen Rolle des Süßigkeitenkonsums als Erkrankungsfaktor und als Ursache vielfältiger Gesundheitsprobleme in der Union wäre ein möglicher Rückgang des Süßigkeitenkonsums ein großer Gewinn für die allgemeine Gesundheit.

Die Beschränkung der Meinungsfreiheit beruht aber auf einer Verordnung die – wie ausgeführt – nicht den Binnenmarktzielen entspricht.

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