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II. Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit

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Eine Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit liegt dann vor, wenn Einfuhren mengenmäßig beschränkt werden oder es sich um eine Maßnahme gleicher Wirkung handelt (Art. 34 AEUV). Mit der sog. Dassonville-Formel[24] ist als Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten anzusehen, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.[25]

Das nationale Süßigkeitenwerbeverbot ist zunächst eine Beschränkung der Warenverkehrsfreiheit, weil Presseerzeugnisse mit Werbung für Süßigkeiten nicht mehr vertrieben werden dürfen. Ferner wird auch in die Warenverkehrsfreiheit der Produzenten von Süßigkeiten eingegriffen, weil ein Werbeverbot absatzhindernde Wirkung hat.

Dieser weite Ansatz der „Dassonville-Formel“ bedarf aber einer tatbestandsmäßigen Reduktion. Denn tatsächlich führt die „Dassonville-Formel“ dazu, dass praktisch alle wirtschaftslenkenden Gesetze marktbeschränkende Wirkung haben. In der Entscheidung „Keck“ hat der EuGH das umfassende Beschränkungsverbot daher erheblich modifiziert: Nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, sollen nicht geeignet sein, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne des Urteils „Dassonville“ unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Denn sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedsstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern, als dies für inländische Erzeugnisse der Fall ist. Diese Regelungen fallen dann nicht in den Anwendungsbereich des Art. 34 AEUV.[26]

Demnach müsste das Süßigkeitenwerbeverbot eine Verkaufsmodalität darstellen und unterschiedslos für inländische und ausländische Unternehmer gelten. Hier ist nicht davon auszugehen, dass lediglich eine Verkaufsmodalität vorliegt. Zwar gilt das Süßigkeitenwerbeverbot unterschiedslos für inländische wie ausländische Unternehmer; einem Produzenten aber, der ein Produkt in einen nationalen Markt neu einführen will, stehen wegen des Werbeverbots kaum Möglichkeiten offen, potentielle Kunden auf sein Produkt aufmerksam zu machen. Dies geht insbesondere zu Lasten von Produzenten aus anderen Mitgliedstaaten, eben weil regelmäßig heimische Unternehmen auf dem inländischen Markt bereits etabliert sind, und es meistens ausländische Unternehmen sind, die versuchen werden, als Neueinsteiger auf dem Markt eines Mitgliedstaats Marktanteile zu erringen. Darin unterscheidet sich das absolute Werbeverbot von Verkaufsmodalitäten: Die Verbrauchergewohnheiten werden zementiert und der Marktzugang deshalb erschwert.[27]

Dafür, dass ein absolutes Werbeverbot für Süßigkeiten den Marktzugang betrifft, spricht ferner, dass gerade bei Erzeugnissen wie Süßigkeiten der Genuss mit herkömmlichen gesellschaftlichen Übungen sowie örtlichen Sitten und Gebräuchen verbunden ist, mit denen inländische Produzenten besser vertraut sind als ausländische.[28]

Das Werbeverbot hat daher unterschiedliche Auswirkungen auf den Absatz inländischer Erzeugnisse und Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten. Es liegt eine Marktzugangsregel vor. Von einer Beeinträchtigung der Warenverkehrsfreiheit ist somit auszugehen.

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