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cc) Rechtfertigung

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Selbst wenn aber die Grundsätze der Keck-Rechtsprechung zu Unrecht herangezogen worden wären, könnte sich die Entscheidung im Ergebnis dann als richtig erweisen, wenn die Maßnahme jedenfalls gerechtfertigt ist. Eine Rechtfertigung kommt bei Maßnahmen gleicher Wirkung durch geschriebene (Art. 51, 52 AEUV) und ungeschriebene Rechtfertigungsgründe in Betracht. Da erstere offensichtlich ausscheiden, könnte sich eine Rechtfertigung nur aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls ergeben[57]. In Betracht kommt hier der Schutz des Rechtsgutes Gesundheit, insb auch bei Minderjährigen. Mit dem Nichtraucherschutzgesetz wollte der rheinland-pfälzische Gesetzgeber die Bevölkerung vor den Gefahren des Rauchens schützen und auch den Tabakkonsum bei Minderjährigen eindämmen[58]. Auch der EuGH misst sowohl dem Schutz der Volksgesundheit wie auch dem Minderjährigenschutz einen besonders hohen Rang bei. Angesichts dessen und vor dem Hintergrund der wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse über die Gesundheitsschädlichkeit des Passivrauchens ist der dadurch erfolgende Eingriff in die Niederlassungsfreiheit insoweit grundsätzlich gerechtfertigt.

Allerdings wäre möglicherweise aus den gleichen Gründen wie bei der Frage der Vereinbarkeit der Regelung mit Art. 12 GG (vgl oben) ein Schutzkonzept, das keine Ausnahmen für eine ausgewiesene Rauchergastronomie vorsieht, als europarechtswidrig anzusehen. Das gilt umso mehr, als der EuGH in verschiedenen Zusammenhängen sogar noch stärker als das BVerfG den Gedanken der System- und Folgerichtigkeit eines gesetzgeberischen Konzepts betont. Deshalb erschiene es durchaus denkbar, dass der EuGH für diesen Fall eine Ausnahmeregelung einfordern könnte. Dies gilt umso mehr, als der EuGH in den Entscheidungen zum Glücksspielrecht die Stimmigkeit des Gesamtkonzepts über die Grenzen der konkreten Normen und sogar der Gesetzgeber hinaus beurteilt hat[59]. Wollte man dies auf die vorliegende Konstellation übertragen, stünde vermutlich der gesamte Nichtraucherschutz auf dem Prüfstand. Die Inkohärenz würde dann nach Ansicht des EuGH bereits die Eignung der einzelnen Regelung in Frage stellen[60]. Diese Fragen bedürfen jedoch keiner abschließenden Entscheidung, da im vorliegenden Verfahren nur die Frage einer Vorlageverpflichtung zu prüfen ist. Nach der EuGH-Rechtsprechung darf ein innerstaatliches Gericht nur dann davon ausgehen, dass ein Fall vorliegt, in dem die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass kein Raum für einen vernünftigen Zweifel an der Entscheidung der gestellten Frage bleibt und deshalb die grundsätzliche Vorlagepflicht ausnahmsweise entfällt, wenn es überzeugt ist, „dass auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewissheit bestünde. Nur dann darf das innerstaatliche Gericht davon absehen, diese Frage dem Gerichtshof vorzulegen und sie stattdessen in eigener Verantwortung lösen“[61]. Angesichts der Komplexität der Problematik lagen diese Voraussetzungen aber im vorliegenden Fall aus den dargelegten Gründen gerade nicht vor. Damit hätte das BVerwG den Fall gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV dem EuGH vorlegen müssen.

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