Читать книгу Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht - Stefan Storr - Страница 77

Оглавление

Fall 3 Buy Pälzisch! – Probleme mit der IHK › Vorüberlegungen

Vorüberlegungen

62

Der Fall beleuchtet einen Dauerbrenner der verfassungsrechtlichen Diskussion näher, die „Selbstverwaltung der Wirtschaft“ durch die Kammern als öffentlich-rechtlich organisierte, berufsständische Einrichtungen[1]. Das Kammerrecht wird zum wirtschaftsrechtlichen Anwendungsbeispiel vieler aus dem Pflichtfachbereich vertrauter Grundprobleme. Gerade weil der Fall in hohem Maße Transferleistungen verlangt, ist er insgesamt als schwierig einzustufen.

Charakteristikum des Kammerrechts ist die gesetzlich angeordnete Pflichtmitgliedschaft[2]. Zu messen ist diese nicht nur an den Grundrechten (im Ergebnis nach hM Art. 2 Abs. 1 GG), sondern für Angehörige aus anderen Mitgliedstaaten auch an den Grundfreiheiten[3]. Damit befasst sich der Teil 1, bei dem deswegen erneut die Grundrechtsberechtigung mit Auslandsbezug relevant wird (insb zu Art. 19 Abs. 3 GG schon Fall 2; dort auch zur Einkleidung als Verfassungsbeschwerde und deren Verzahnung mit der Prüfung von Unionsrecht). Während die Zwangsmitgliedschaft nach bisheriger Rechtsprechung mit Art. 2 Abs. 1 GG vereinbar ist, stellt sich die Lage nicht nur hinsichtlich der Grundfreiheiten komplexer dar, als die Rechtsprechung suggeriert. In seiner jüngst ergangenen Entscheidung hat das BVerwG die Pflichtmitgliedschaft in der IHK bestätigt[4].

Gerade weil die Zwangsmitgliedschaft als solche nicht in Frage gestellt wird, verlagern sich die Streitigkeiten vom Grundsätzlichen auf die Einzelfragen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der IHK: Mitglieder wenden sich gegen die Kammerbeiträge, Dritte gegen die (wirtschaftliche) Betätigung[5], vor allem aber suchen auch enttäuschte Mitglieder um Rechtsschutz nach. Mit letztgenannter Konstellation befasst sich der zweite Teil. Außer den eher lückenhaften Maßstäben des IHKG wird auch hier das Verfassungs-, aber zunehmend auch das Unionsrecht relevant. Die IHK ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts Teil der mittelbaren Staatsverwaltung und als solche an Grundfreiheiten und Grundrechte gebunden, wie das Beispiel einer von der IHK organisierten Werbekampagne illustriert[6]. Während Dritte bei Empfehlungen oder Werbekampagnen einen Folgenbeseitigungs- und Unterlassungsanspruch nur dann haben, wenn sie in ihren Rechten beeinträchtigt werden[7], steht Kammermitgliedern nach der Rechtsprechung ein mitgliedschaftlicher Unterlassungsanspruch bei jeder Aufgabenüberschreitung zu, ohne dass sie eine Rechtsverletzung durch die konkrete Maßnahme geltend machen müssten[8]. Denkt man diesen Ansatz konsequent zu Ende, kann mit diesem Anspruch auch die Verletzung anderer Grundrechte und vor allem auch der Grundfreiheiten geltend gemacht werden, die ja ebenfalls (insbesondere in Verbindung mit dem Gesetzesvorbehalt) für die Kammer kompetenzbegrenzende Wirkung entfalten. Das Verhältnis dieses „kammerrechtlichen“ Unterlassungsanspruches zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ist nicht abschließend geklärt (s. Rn 81).

Außerdem bestehen im Innenverhältnis organschaftliche Mitgliedschaftsrechte, die mit dem der Kommunalverfassungsstreitigkeit vergleichbaren Organstreitverfahren geltend gemacht werden können. Die Reichweite solcher Ansprüche ist allerdings umstritten und ihre Existenz wurde vom BVerwG abgelehnt[9]. Richtigerweise sind derartige Ansprüche auf Partizipation allerdings notwendiges Korrelat zur Pflichtmitgliedschaft[10].

Klausurenkurs im Öffentlichen Wirtschaftsrecht

Подняться наверх