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2.1.3 Die lebensweltliche Kommunikationsebene – die gesellschaftliche Kommunikation über das Fiktionale

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Die lebensweltliche Kommunikationsebene umfasst das innere wie auch das äußere Kommunikationssystem und fokussiert die gesellschaftliche Kommunikation über die Inszenierung und deren Bezug auf lebensweltliche Normen. Sie ist das Wirkliche im Unwirklichen oder die realitätsbezogene Kommunikationsebene im Gegensatz zu den beiden angeführten fiktionalen Ebenen. Die lebensweltliche Perspektive wird aus einem Zusammenspiel zwischen dem lebensweltlichen Kontext und dem Sujet vermittelt; sie macht das Handlungsthema zum Angelpunkt einer Interaktion, bei der Autor, Regisseur und Schauspieler mit dem Publikum über die Brücke der sie verbindenden sozialen Realität miteinander kommunizieren:

Durch eine solche Aktualisierung wird einerseits das immer schon mitgegebene und mitgewußte lebensweltliche Sinnpotential des Sujets thematisch, andererseits werden gleichzeitig bestimmte Ausschnitte des lebensweltlichen Kontexts als Bezugsmomente hervorgehoben, womit sich dieser zunächst diffuse Kontext verdichtet und zur Situation konkretisiert.1

Diese Annahme Matzats leitet sich von Bertolt Brechts Begriff des Verfremdungseffekts (V-Effekt) ab, von einem künstlerischen Verfahren der Illusionsdurchbrechung in der Darstellung. Diese Kommunikationsebene tritt bei Referenz auf lebensweltlich existierende Personen, Ereignisse, Situationen, Normen und Gesetze im kulturellen Kontext in Erscheinung. Der Zuschauer gewinnt aus der Verfremdung eine neue Sichtweise auf Vertrautes, sodass der V-Effekt auch als Enthüllungseffekt bezeichnet werden kann, da er der Aufdeckung gesellschaftlicher Inkonsistenzen und Paradoxa dient. Ihm ist ein gesellschaftskritisches Moment inhärent, das sich bei der zeitgenössischen Molière-Rezeption mitunter in heftigen Kontroversen zeigte. Gemäß der Verfremdung ermöglicht die lebensweltliche Perspektive dem Rezipienten eine kritische Betrachtung des Geschehens vom gesellschaftlichen, außerästhetischen Standpunkt aus. Sie kommt immer dann zum Vorschein, wenn die beiden fiktionalen Ebenen ausgeblendet werden und eine Thematisierung der implizierten Handlungsnormen einsetzt, die über den Bezugsrahmen des Bühnengeschehens und die Veranstaltungssituation hinausweisen.2 Die Normen- und Sinnsysteme der Wirklichkeit bilden den primären Kontext, in den sich die Fiktion einbetten lässt, sodass er die Sujethaftigkeit des Dramentextes immer mitbestimmt.

Machtästhetik in Molières Ballettkomödien

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