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Vertraue niemandem – schon gar nicht den eigenen Gefühlen

Frankfurt am Main, Sachsenhausen

29. März 2018

Arianna

Arianna hatte sich auf einen schönen Nachmittag mit Zac gefreut. Es kam nicht oft vor, dass ihr Verlobter früher Feierabend machte. Stattdessen saß sie allein auf dem Sofa und zappte durch die Fernsehkanäle, weil er sich um seine Schwester kümmerte.

Schon nachmittags hatte Nicky sich schlecht gefühlt. Inzwischen blockierte sie seit Stunden das Badezimmer. Arianna erhöhte seufzend die Lautstärke. Beim lauten Würgen und Fluchen ihrer Schwägerin in spe wurde ihr ganz anders. Es war unbegreiflich, wie Zac es mit seiner Schwester so lange im selben Raum aushielt.

Sie liebte ihn für diese Art der Fürsorge, aber manchmal war die Schwesterliebe etwas übertrieben. Nicky lebte seit ein paar Wochen bei ihnen, während sie in Frankfurt auf Jobsuche war. Wie sie den finden wollte, wenn sie tagsüber nur in Ariannas kleinem Blumenladen rumhing, war ihr ein Rätsel. Zac zuliebe sagte sie nichts, denn Nicky war nicht allzu motiviert, von ihrer Seite zu weichen.

Arianna vermisste die Zweisamkeit. Auch wenn sie seit Jahren ein Paar waren, hatte sie von ihrem Freund noch lange nicht genug. Sie stutzte bei diesem Gedanken. Wann hatte sie Zac noch mal kennengelernt? Und vor allem wo? Es fiel ihr nicht ein. Ihre Gedanken fühlten sich verknotet an. Sie kannte Zac schon ihr halbes Leben lang. Wieso erinnerte sie sich dann nicht daran, wie er als Kind ausgesehen hatte oder ob sie zusammen zur Schule gegangen waren?

Beunruhigt setzte sie sich auf und schnappte sich ein Sofakissen. Wenn sie unruhig wurde, brauchten ihre Hände etwas zu tun. Nervös knetete sie das Kissen und dachte nach. Etwas stimmte nicht mit ihr, sonst hätte sie gewusst, wie lange sie und Zac schon ein Paar waren. Sie planten doch gerade ihre Hochzeit!

Unschlüssig betrachtete Arianna ihr Wohnzimmer. Es war genau so eingerichtet, wie sie es mochte, mit gedeckten Farben sowie vielen Pflanzen und Fotos. Zac hatte ihr beim Einzug vollkommen freie Hand gelassen. Nirgends war sein Einfluss zu sehen.

An den Kauf der Couch, auf der sie saß, erinnerte sich Arianna noch bestens. Eigentlich war das gute Stück zu groß für die Altbauwohnung. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte ein paar Freunde aus der Berufsschule engagiert und die hatten fluchend und schwitzend die Garnitur nach oben geschleppt. Im Anschluss hatte Arianna allen Pizza und Bier spendiert. Es wurde eine der besten Partys, die diese Wohnung je gesehen hatte.

Etwas störte Arianna an der Erinnerung, auch wenn sie nicht benennen konnte, was. Inzwischen war der Stoff leicht abgewetzt und die letzte Party in ihren vier Wänden eine Weile her. Die Bilderrahmen, die auf der Wohnwand drapiert waren, zogen sie magisch an. Von der Sofa-Aktion war auch eines dabei und es zählte zu ihren liebsten Bildern.

Sie ließ das Kissen los und stand auf. Einem Impuls folgend, betrachtete sie besagtes Bild. Es zeigte Arianna umringt von ihren Schul­freunden bei einem Selfie in der neuen Wohnung. Eine Person fehlte, und zwar die wichtigste in ihrem Leben. Von Zac war auf diesem Schnappschuss nichts zu sehen. Warum hatte er ihr damals eigentlich nicht geholfen? Immerhin war er Ariannas Jugendliebe. So lange, wie sie sich kannten, wäre die Bezeichnung Sandkastenfreunde fast angebracht.

Ihr Blick schweifte zu den anderen Fotos. Auf fast allen war Arianna zu sehen, entweder mit Freunden oder ihrer Familie. Eine komische Ahnung stieg in ihr auf und sie betrachtete eingehend jedes Bild. Von Zac gab es genau ein einziges und das hatten sie vor ein paar Wochen beim Ausflug in den Vergnügungspark geschossen. Auf dieses Date hatte Arianna sich im Vorfeld lange gefreut, da Zac wegen der Arbeit monatelang kaum Zeit für so was gehabt hatte.

Warum gab es keine anderen Fotos von ihrem Verlobten oder seiner Familie? So nahe, wie er und Nicky sich standen, sodass er sogar ihre Haare hielt, wenn sie sich stundenlang übergab, sollte man doch meinen, es gäbe in seiner Wohnung ein Foto von ihr.

Seine Wohnung … nein, das stimmte nicht. Das hier war ihre Wohnung.

Wo war dieser Gedanke denn jetzt hergekommen? Arianna freute sich doch schon auf den gemeinsamen Nestbau. Warum schloss sie Zac aus? Beunruhigt nahm sie das Bild aus dem Vergnügungspark zur Hand. Mit dem Daumen strich sie über das Glas. Seit Jahren waren sie ein glückliches Paar. Wo waren die Fotos, die diese Liebe dokumentierten?

Im Flur klappte eine Tür. Nicky stöhnte gequält und rang sich ein paar Worte ab: »Wenn mir dieser Mistkerl das nächste Mal über den Weg läuft, lasse ich ihn dafür büßen.«

Zac schnaubte. »Du bist selbst schuld. Was lässt du ihn auch so nah an dich ran? Du solltest doch wissen, dass Scorpio gerissen ist und uns gefährlich werden kann.«

Verdutzt horchte Arianna auf. Worüber sprachen die beiden da nur? Ein Bild blitzte in ihrem Geist auf. Es war der junge Mann von heute Nachmittag, der einen Blumenstrauß für seine Mutter gekauft hatte. Er war ihr sofort bekannt vorgekommen, dabei war er ihr vollkommen fremd. Sie musste zugeben, dass er attraktiv war. Wäre sie mit Zac nicht so glücklich, hätte sie glatt schwach werden können bei diesen leuchtend grünen Augen und den schwarzen Haaren. Sie standen ihm gut. Wie war sein Name gewesen?

Konrad? Nein, Konstantin. Arianna kannte niemanden, der so hieß. Dieses Gefühl von Vertrautheit musste sie sich eingebildet haben.

Missmutig schüttelte sie den Kopf und betrachtete wieder das Bild in der Hand. In letzter Zeit schweiften ihre Gedanken öfter ab. Sie hatte den Geschwistern nebenan gar nicht mehr zugehört, so sehr war sie versunken.

»Du wirst deine Chance noch bekommen. Jetzt, wo er sie gefunden hat, kommt er garantiert wieder.«

Nicky gab ein unbestimmtes Brummen von sich, das in ein Röcheln überging und schlagartig nur noch halb so laut war. Die Dielen knarrten und Zac erschien im Türrahmen.

»Wovon sprecht ihr?«, fragte Arianna verwundert.

Ihr Freund sah sie mit großen Augen an. »Was machst du da? Ich dachte, du guckst fern.«

»Habe ich auch, dann wollte ich mir die Fotos ansehen. Warum gibt es nur das eine von uns? Wo sind all die anderen?«

Zacs Mundwinkel zuckte. Mit ausgreifenden Schritten durchquerte er das Wohnzimmer und nahm ihr das Bild ab. »Das ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«

Trotzdem war sie beunruhigt. Irgendetwas stimmte hier nicht. »Aber …«

»Sch …«, unterbrach Zac sie, »du liebst mich doch und vertraust mir? Es ist egal, wie viele Fotos wir haben.«

War es das wirklich?

»Sieh mir in die Augen«, forderte Zac und Arianna kam der Aufforderung bereitwillig nach.

Sie liebte diese Augen.

»Wir brauchen keine Fotos.« Seine Stimme war süß wie Honig. »Auf unserer Hochzeit werden wir ganz viele aufnehmen lassen.«

Ja, die Hochzeit. Warum hatte Arianna sich gesorgt? Es war doch alles gut!

Zac fuhr fort. »Du liebst mich und ich liebe dich, mehr musst du nicht wissen.«

Er hatte recht. Die Liebe zu ihm war das Wichtigste in ihrem Leben. Alles andere war zweitrangig.

Zärtlich ergriff Zac ihre Hand und zog sie mit sich. »Es ist spät, wir sollten ins Bett gehen.«

Bei seinem Blick über die Schulter wurde ihr ganz warm und Arianna ging mit Freuden mit. Zac liebte und respektierte sie so sehr, dass er – vom Küssen mal abgesehen – keinen Finger an sie legte, weil er bis zur Eheschließung damit warten wollte. Wie konnte sie da an ihm zweifeln? Mit jedem Schritt, den sie mit ihm ging, fühlte sie sich leichter. Hier wurde sie geliebt. Es war alles gut. Die Zweifel waren vergessen.

Die Rache der Mondgöttin

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