Читать книгу Die Rache der Mondgöttin - Stefanie Kullick - Страница 17

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Eine unfreiwillige WG

Taunus, ein einsames Ferienhäuschen

10. April 2018

Konstantin

Etwa eine halbe Stunde später verließen sie die asphaltierte Straße und Leo bog auf einen schmalen Waldweg ab. Konstantin hatte keine Ahnung, wo genau die Hütte lag. Die Buchung und Vorbereitung hatte er Leo überlassen. Er selbst hatte in der Zwischenzeit Arianna beschattet und ausspioniert.

Die Heizung lief auf hoher Stufe. Trotzdem kämpfte sie vergeblich gegen den Fahrtwind, der durch das Loch im Dach und die kaputten Scheiben blies. Konstantin wickelte sich fester in die Jacke und riskierte einen Blick zu Arianna. Sie trug nur eine dünne Bluse und fror erbärmlich. Jedoch hatte sie sich deswegen nicht beklagt.

Seit ihrem Gespräch war sie schweigsam und starrte aus dem Fenster. Unweigerlich fragte sich Konstantin, was in ihrem Kopf vorging. Wie weit reichte Zelos’ Beeinflussung? War es mit ein paar Tagen Abstand getan? Hoffentlich!

»Wie lange fahren wir noch?«, wollte Konstantin wissen.

»Bestimmt dreißig Minuten. Von hier an geht es durch den Wald und ich muss teilweise sehr langsam fahren.« Leo sah konzentriert auf den Pfad vor ihnen und wich einem Schlagloch aus.

»Hast du an Brennholz gedacht?«

Leo warf ihm über den Rückspiegel einen Blick zu. »Ja und Vorräte für eine Woche. Wir müssen die Hütte so lange, wie es dauert, nicht verlassen.«

Je länger sie dortblieben, desto geringer war das Risiko, entdeckt zu werden. Auf ein baldiges Wiedersehen mit den Göttern konnten sie verzichten. Der Schmerz in Konstantins Hand war übel und er war froh, ihn nicht mehr lange ertragen zu müssen.

Sobald die Sonne unterging, würde Antares ihm helfen. Sein Stern heilte ein paar gebrochene Knochen schnell. Sie hatten schon Schlimmeres überstanden – viel Schlimmeres.

Wieder wanderte sein Blick zu Arianna. Sie zitterte leicht, nicht nur aus Angst. Seufzend nahm Konstantin beide Handys aus den Taschen und zog die Jacke umständlich aus. Dabei entfuhr ihm ein schmerzhaftes Zischen, als er versuchte, den rechten Ärmel über die Verletzung zu streifen.

»Was macht die Hand?«, fragte Leo.

»Geht schon«, gab Konstantin knapp zurück. Währenddessen gelang es ihm, die Jacke auszuziehen, und er hielt sie Arianna hin. »Hier.«

Sie schenkte ihm einen abfälligen Blick und drehte sich demonstrativ wieder zum Fenster. Sie wollte die Schweigsame geben? Kein Problem! Das wäre Konstantin sogar recht. Spätestens bei ihrem Erwachen in ein paar Tagen hätte sie genug Redebedarf.

»Nun nimm schon«, sagte er bemüht ruhig. Es wäre besser, wenn Arianna ein bisschen Vertrauen fasste. Das machte die nächsten Tage einfacher.

»Du kannst sie behalten. Ich will sie nicht«, gab sie würdevoll zurück.

Konstantin schnaubte. »Ich kann das Klappern deiner Zähne bis hierher hören. Niemandem ist geholfen, wenn du dich jetzt erkältest.«

Daraufhin bekam er keine Antwort mehr. Genervt warf Konstantin die Jacke in ihre Richtung. Sie landete auf Arianna und bedeckte ihre linke Seite, die dem Loch im Dach zugewandt war. Na immerhin. Sie rührte sich nicht und ließ die Jacke an ihrem Platz.

Ein paar Minuten später bemerkte Konstantin, wie sie die Zipfel möglichst unauffällig feststeckte. Arianna wollte doch nicht länger frieren. Nur war sie zu stolz, das zuzugeben. Ein schmales Lächeln stahl sich in sein Gesicht. Er sparte sich aus Höflichkeit jeglichen Kommentar.

Leo behielt recht. Die Hütte stand auf einer kleinen Lichtung, die mitten im Wald lag. Hier sollte sie niemand finden. Selbst Helios, der Sonnengott, dürfte nicht in der Lage sein, sie an diesem verlassenen Fleckchen zu entdecken – und der sah tagsüber angeblich alles.

Sobald der Wagen stand, sprang Konstantin raus und begutachtete den Schaden. Die eine Seite war vollkommen zerkratzt und der Spiegel fehlte, die Motorhaube war eingedrückt und voller Dellen. Kaum eine Scheibe war noch intakt. Das kaputte Dach war nichts Neues. Missmutig stapfte er zum Kofferraum, von dem so gut wie nichts übrig geblieben war.

Leo gesellte sich zu ihm. Er sah alles andere als begeistert aus. »Wenn wir hier fertig sind, müssen wir uns abholen lassen. Es überrascht mich, überhaupt so weit gekommen zu sein. Selbst wenn diese Schrottkarre den Rückweg packen könnte, wären wir viel zu auffällig.«

Konstantin stimmte nickend zu, dann fiel ihm etwas auf. »Warst du so schlau, die Nummernschilder vorher zu demontieren, oder haben wir die unterwegs verloren?«

»Keine Sorge, die habe ich vorher schon abgemacht.«

»Okay, so sollte uns wenigstens nicht auch noch die Polizei nerven.« Konstantin drückte an der Griffmulde des Kofferraums herum. Natürlich bekam er ihn dadurch nicht auf. Frustriert stützte er seinen Fuß darauf und übte Druck auf das lädierte Metall aus.

»Hey!«, rief es von drinnen. »Könnt ihr das machen, nachdem ihr mich rausgelassen habt?«

Leo sah zerknirscht aus und eilte zur hinteren Tür, die durch die Kindersicherung verriegelt war, und öffnete sie. »Sorry!«

Wütend sah Arianna sich um. Ob sie ihre Fluchtmöglichkeiten durchging?

»Komm nicht auf die Idee, abhauen zu wollen. Sonst müssen wir dich doch anbinden«, sagte Konstantin streng.

Sie würdigte ihn keiner Antwort.

An Leo gerichtet fragte er: »Hast du eine Brechstange oder so was? Irgendwie müssen wir an die Klamotten kommen.« Für sie alle lagen Wechselwäsche und diverse Hygieneartikel im Kofferraum.

»Ausgerechnet heute habe ich sie vergessen. Dabei gehe ich sonst nie ohne aus dem Haus.«

Konstantin verdrehte die Augen. »Man wird ja noch mal fragen dürfen. Vielleicht gibt es irgendwo Werkzeug. Passt du auf sie auf? Dann sehe ich mich mal um.«

»Geht klar! Komm, Arianna, ich zeige dir das Haus«, sagte Leo. Seine Hand lag auf ihrem Rücken und er schob sie sanft zur Tür. Widerwillig ließ sie es geschehen.

Neben dem Ferienhaus stand ein kleiner Schuppen. Konstantin steuerte ihn an. Er war verschlossen. Den Schlüssel fand er vermutlich im Haus. Anstatt seinen Gefährten direkt zu folgen, ging er einmal außenrum und sah sich gleich etwas um. Eines der Fenster war vergittert. Die Scheibe dahinter bestand aus Milchglas. Es musste sich um ein Badezimmer handeln. Sehr gut, so entwischte Arianna ihnen nicht, während sie vorgab, auf der Toilette zu sein.

Drinnen suchte er nach Leo. Mit der kaputten Hand bekäme Konstantin den zerstörten Kofferraum sowieso nicht auf. Das müsste sein Freund übernehmen. Im Erdgeschoss fand er die Küche, eine Gästetoilette und ein großzügiges Wohnzimmer. Immerhin gab es einen Fernseher und sogar Strom. Der Erbauer dieses Hauses hatte auf den Luxus der Zivilisation nicht verzichtet.

Unten war niemand zu sehen. Leos Stimme erklang von oben. Zwei Stufen auf einmal nehmend, lief Konstantin die Treppe hinauf. Er fand die beiden in einem Schlafzimmer.

»Ich dachte, du schläfst hier. Das Zimmer hat die schönere Aussicht. Kon und ich schlafen abwechselnd in dem anderen Zimmer«, erklärte Leo gerade.

»Wieso abwechselnd?«, wollte Arianna skeptisch wissen.

»Weil wir dich nicht aus den Augen lassen dürfen«, sagte Konstantin, während er eintrat.

Arianna wirbelte zu ihm herum. »Soll das heißen, einer von euch wird am Bett sitzen, wenn ich schlafe? Folgt ihr mir vielleicht sogar bis aufs Klo?«

»Ein Platz an der Tür sollte reichen«, erwiderte Konstantin. »Was das Bad betrifft, da darfst du allein rein. Wir werden vor der Tür warten und du musst alle zwei Minuten ein Lebenszeichen von dir geben, wenn du nicht willst, dass wir einfach so reinplatzen. Natürlich haben wir alle Schlüssel vorher entfernt.«

Seine Erklärung schmeckte Arianna gar nicht. Sie kaute auf ihrer Unterlippe und rang um Worte.

Konstantin wandte sich an Leo: »Kannst du in dem Schuppen nach Werkzeug suchen? Er ist abgeschlossen und ich vermute, du weißt, wo der Schlüssel ist.« Demonstrativ hielt er die gebrochene Hand in die Höhe. »Bis zur Nacht bin ich dir leider keine große Hilfe.«

Zum ersten Mal sah Leo sich die Verletzung genauer an. »Bia hat aber auch einen festen Händedruck.«

»Haha, ich lache dann später.«

Kameradschaftlich schlug Leo ihm auf die Schulter, während er sich an Konstantin vorbeischob und das Zimmer verließ. »Ach komm, mich hat sie auch schon öfter als einmal erwischt.«

»Ich glaube, das trifft auf jeden von uns zu«, murmelte Konstantin.

Arianna hatte ihn nicht aus den Augen gelassen. Ihre Mimik schwankte irgendwo zwischen Frust und Trauer. Schließlich seufzte sie und ihr Gesicht glättete sich. »Verrätst du mir jetzt, was ihr von mir wollt? Warum das ganze Theater? Ich bin niemand Besonderes, meine Eltern oder mein Verlobter sind nicht reich, es lohnt nicht, einen meiner Angehörigen zu erpressen.«

Konstantin musterte sie aufmerksam. Sie tat ihm leid, wie sie so verloren vor ihm stand und keine Ahnung hatte, wer sie eigentlich war und was es mit ihrer Bestimmung auf sich hatte. »Wir wollen dir nicht schaden und ebenso wenig jemanden erpressen«, erklärte er sanft. »Ich kann dir nicht viel verraten, das könnte den Prozess behindern, sonst würde ich es tun. Du wirst es in ein paar Tagen verstehen und dann wirst du dankbar sein. Bis dahin machen wir uns hier eine ruhige Zeit und warten.«

»Eine ruhige Zeit?! Sag mal, willst du mich jetzt völlig verarschen?«, fuhr Arianna ihn an.

»Ich will dir helfen«, hielt Konstantin dagegen.

»Du hast mich entführt!«

Konstantin versuchte, ruhig zu bleiben. »Ich habe dich gerettet. Gib mir drei Tage, höchstens vier. Dann wirst du es erkennen.«

»Was erkennen?«, fragte Arianna störrisch. Immerhin brüllte sie nicht mehr.

»Wie froh du über mein Eingreifen bist. Ich wette sogar mit dir. Wenn du zu deinem Verlobten zurückwillst, lasse ich dich gehen. Wenn du jedoch die Wahrheit erkennst, helfe ich dir dabei, ihm eine Abreibung zu verpassen.«

»Warum sollte ich Zac etwas antun wollen?«, fragte Arianna trotzig. Die braunen Augen schossen Blitze in seine Richtung.

»Frag mich das in vier Tagen noch mal.« Am liebsten hätte Kon­stantin sie einfach stehen lassen. Aus naheliegenden Gründen ging das nicht. Bei der erstbesten Gelegenheit startete Arianna einen Fluchtversuch, davon war er überzeugt.

Sein Herz raste und er riss sich zusammen, um ihr nichts an den Kopf zu werfen, was er später bereute. So endete es immer mit ihnen. Sie waren wie Feuer und Eis, Tag und Nacht, Wüste und Meer.

Ariannas Gesicht spiegelte seine eigenen Emotionen. Sie sah aus, als platze sie gleich. Dann holte sie tief Luft und Konstantin konnte ihr dabei zusehen, wie sie sich zur Ruhe zwang. »Na schön, warten wir vier Tage.«

Natürlich wusste er, dass Arianna ihn nur in Sicherheit wiegen wollte, um ihren Entführern zu gefallen. Von ihrem Standpunkt aus betrachtet, ergab das sogar Sinn, wenn sie befürchtete, er oder Leo könnten ihr jederzeit etwas antun oder über sie herfallen.

»Ich hab die Taschen«, rief sein Freund von unten und unterbrach die angespannte Stille.

Konstantin löste seinen Blick, der sich mit dem von Arianna verhakt hatte, und schielte zur Treppe. An deren Fuß stand Leo mit drei Reisetaschen in den Händen.

»Prima, lasst uns auspacken und danach etwas essen«, beschloss Konstantin.

Die Rache der Mondgöttin

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