Читать книгу Faylinn - Stefanie Worbs - Страница 16
Оглавление11
Ich musste lachen. „Ja, ich glaube, ich werde gehen. Bevor wer auch immer anfängt zu weinen.“
Lia lachte ebenfalls, als sie erkannte was auf dem Zettel stand. „Na dann, viel Spaß. Das muss ich gleich Deak erzählen.“
Ich hatte eine Ahnung, dass es ihm nicht gefallen würde, wenn ich einen heimlichen Verehrer hatte, doch noch hatte meine kleine Schwester sowieso keine Gelegenheit es ihm zu sagen. Die Meetings der Professoren dauerten immer lange und so war ich vielleicht eher zurück und konnte ihr Bericht erstatten, bevor sie meinen Magieprofessor sinnlos eifersüchtig machte. Ich stand auf, steckte die drei Zettel in meine hintere Hosentasche und nahm mein Gänseblümchen. Ich war wirklich gespannt, wer da was von mir wollte.
Die immergrünen Hecken vom Labyrinth waren über drei Yard hoch und so musste man entweder den Weg kennen oder einfach hoffen, sich nicht zu verlaufen. Ein Mal hatte ich den Irrgarten bis jetzt betreten und den Weg zum Ausgang auf der anderen Seite auch gefunden. Aber nur, weil ich dem Trick gefolgt war und immer eine Hand an der rechten Heckenwand des Labyrinthes gehalten hatte. Nun stand ich vor dem Rosenbogen, der den Eingang markierte und hatte etwas Misstrauen. Ich würde den Weg erkennen, stand in der ersten Nachricht. Aber sicher würde wer auch immer, mich nicht am anderen Ende treffen wollen, sondern irgendwo mittendrin. Wie sollte ich den Weg dann finden?
Ich trat auf den Rosenbogen zu und musterte ihn, doch noch bevor ich etwas ausmachen konnte, spürte ich ein Ziehen und mein Blick flog zu dem Gänseblümchen in meiner Hand. Es hatte den Kopf in Richtung Heckenwand geneigt und wackelte, als würde ein Magnet es anziehen. Ich folgte dem Nicken mit den Augen und fand eine weitere Blüte in der Hecke. Mein Blick ging weiter in den Irrgarten hinein und mir fiel eine zweite Blüte auf. Die Blümchen zogen eine Spur an den Wänden entlang und zeigten mir offensichtlich den Weg.
Kurzerhand beschloss ich, ihnen zu folgen. Hielt aber nach ein paar Schritten inne, denn beim Kontrollblick über meine Schulter fiel mir sofort auf, dass die Blüten verschwunden waren, die ich passiert hatte. Ich schaute zur Nächsten, trat auf sie zu und an ihr vorbei, hielt den Blick aber auf sie gerichtet. Ich hatte kaum zwei Schritte an ihr vorbei getan, da löste sie sich in einem Glitzerschauer auf.
Toll. Was, wenn ich mich doch verlaufe? Dank meines Tricks konnte ich zwar wieder rausfinden, doch das Labyrinth war riesig und je weiter ich hineinging, desto länger würde der Rückweg dauern. Kurz stand ich unentschlossen da und ein wenig Unruhe stieg in mir auf. So wirklich Lust auf einen solchen Spaziergang hatte ich außerdem auch nicht. Ich lachte humorlos bei dem Gedanken in diesem Irrgarten zu verhungern. Sicher würde das Einigen gefallen. Ohara zum Beispiel.
Das Gänseblümchen in meiner Hand zuckte, als wolle es sagen, los komm schon, lauf weiter. Kurz schaute ich zurück in die Richtung, aus der ich gekommen war. Der Eingang war nicht weit. Ich konnte also noch umkehren, doch schlussendlich siegte meine Neugier und ich lief weiter, folgte den Blüten an der Wand, die mich mal links rum, mal rechts rum führten, bis ich keine Ahnung mehr hatte, wo ich eigentlich war. Das Gefühl, es hätte sich wirklich jemand einen Spaß erlaubt, weil der Weg nicht zu enden schien, wurde immer stärker, bis ich um eine Biegung und auf eine freie Fläche trat. Mir klappte der Mund auf bei dem Anblick, der sich mir bot.
Ein wunderschöner Brunnen war mittig des Platzes errichtet worden und sein Wasser plätscherte leise über verschiedene Läufe in das Becken. Es gab keine richtige Fontänenfigur, eher die Nachbildung eines Felsmassives in klein, mit vielen kleinen Wasserfällen. Rings um den Sockel waren Grünpflanzen angelegt, die wie ein Wald wirkten und aus denen das Wasser herausfloss, wie Flüsse. Alles in allem sah es so aus, als hätte eben jemand einen Berg in klein nachgebaut. Das Wasserbecken ringsum war zwar kreisrund, doch ich konnte mir gut vorstellen, dass es einen Ozean oder ein Meer darstellen sollte. Ich ging auf den Brunnen zu, umrundete und betrachtete ihn fasziniert.
„Er ist schön, nicht wahr?“
Erschrocken fuhr ich herum. Ich hatte nicht bemerkt, dass jemand auf den Platz getreten war. Mein Blick fiel auf Deaken und ich zog die Stirn kraus. „Was machst du hier?“, fragte ich verwirrt, weil er ja eigentlich bei der Besprechung sein sollte.
Er hatte an dem Durchgang gestanden, aus dem ich gekommen war, die Hände in den Hosentaschen vergraben, doch jetzt kam er auf mich zu. „Ich hab auf dich gewartet.“
„Warum? Ich meine ... ehm ...“ Ich zog die drei Zettel aus der Tasche. „Sind die etwa von dir?“
„Ja.“ Er kam noch immer langsam näher.
„Aber ... solltest du nicht bei diesem Meeting sein?“
„Ja.“ Jetzt war er nur noch drei Schritte entfernt.
„Wieso bist du dann hier?“
Er zog die Hände aus den Taschen und stand nun direkt vor mir, sodass ich zu ihm hochschauen musste. „Ich hatte keine Lust auf ein Meeting.“ Seine Stimme war leise und schlagartig flogen wieder die Schmetterlinge. Ich versuchte, einen Schritt Abstand zwischen uns zu bringen, doch er folgte mir. Noch ein Schritt zurück und wieder kam er mir nach.
„Deaken“, sagte ich leise und hoffte, das würde ihn davon abhalten, mir weiter zu folgen. Tat es nicht. Ein dritter Schritt und noch immer folgte er mir. „Deak“, bekam ich gerade noch geflüstert, während ich einen Vierten machte und gegen die Umrandung des Beckens stieß. Ich verlor das Gleichgewicht und wäre beim Fall ins Wasser klatschnass geworden, hätte er nicht sofort reagiert und mich festgehalten. Er zog mich mit einer Hand zurück in eine stehende Position und nun war ich ihm so nah wie noch nie. Mein Herz hämmerte fast schmerzhaft gegen meine Brust.
Das geht nicht! Ich kann nicht ... Doch noch während ich das dachte, fand seine andere Hand mein Kinn und drückte es sanft nach oben. Wieder kam sein Gesicht näher. Seine Lippen! Und wieder stieg Hitze in mir auf.
„Fay?“, kam es leise und rau, trotz seiner sonst so sanften Stimme. Das legte einen Schalter in meinem Kopf um. Ich überwand die letzten Zoll und meine Lippen trafen auf seine. Meine Arme hoben sich wie von allein und legten sich um seinen Nacken, während er mich enger an sich zog. Mit der freien Hand, in der anderen hielt ich noch immer die Zettel und das Gänseblümchen, fuhr ich ihm ins Haar und hielt mich fest, als könne er mich vor dem Ertrinken retten. Er hatte auch seinen zweiten Arm um meine Mitte gelegt und hob mich hoch, sodass wir auf Augenhöhe waren. Es fühlte sich an wie eine kleine Ewigkeit und doch ließ Deaken mich viel zu schnell wieder runter und löste sich von mir. Sein Grinsen brachte mich zum Lachen.
„Was?“, wollte ich verwirrt wissen.
Er schüttelte belustigt den Kopf. „Ich hatte mit allem gerechnet, nur nicht damit. Auch wenn ich darauf gehofft hab.“
„Ach. Was war das denn alles?“
„Keine Ahnung. Eine Abfuhr. Eine Ohrfeige. Dass du gar nicht erst kommst. Alles eben.“
„Nur kein Kuss?“, hakte ich verwirrt nach, weil er das ja offensichtlich geplant hatte.
„Nein. Irgendwie nicht. Aber ich bin froh, dass es am Ende das war.“
Ich grinste. „Freut mich, dass es dich freut.“
Er tat einen Schritt zurück, hielt mich aber weiter fest. „Wollen wir uns setzen?“
Ich nickte. Meine Beine zitterten ganz schön. Wir ließen uns auf dem Rand des Beckens nieder und ich legte ab, was ich in den Händen hielt.
Sein Blick folgte meinem Tun und wieder lächelte er. „Wusstest du wirklich nicht, dass das von mir kommt?“
„Nein. Ich hätte es vielleicht geahnt, aber es war unwahrscheinlich, da du ja bei einem Meeting sein solltest, wo du sonst doch so pflichtbewusst bist und dich an die Regeln hältst.“ Ich schubste ihn mit der Schulter an.
Er lachte. „Da hast du recht.“
Seine Augen fanden meine, doch ich wandte den Blick zu Boden. „Du bist ganz schön hartnäckig“, sagte ich leise und musste schlucken. Er hatte sein Ziel nun doch erreicht, obwohl ich ihn so beständig davon abgehalten hatte.
„Wenn ich was will, bekomme ich es meistens.“
Ich hörte ihn lächeln, als er das sagte und schaute wieder zu ihm auf. „Du Blödmann“, stieß ich aus und schubste ihn abermals sanft zur Seite. Lachend fragte ich: „Was denkst du dir eigentlich dabei? Mich hierher zu locken und mich dann auch noch zu küssen?“
Auch er grinste breit, aber zufrieden. „Irgendwie musste ich dich doch aus dem Haus bekommen. Dort sind zu viele neugierige Augen. Und auch wenn du mich gerade geküsst hast“, er kniff ein Auge zusammen, als würde ihn die Sonne blenden, und lächelte echt niedlich, „wollte ich es schon, seit unserer ersten Begegnung.“ Er wurde etwas ernster und sah mich direkt an.
„In der Anstalt?“ Die Frage war eigentlich mehr als Scherz gemeint, denn damals hatte ich für meinen Teil an völlig andere Sachen denken müssen. Nämlich daran, dass Lia und ich endlich dort rauskamen und dass wir endlich nicht mehr als verrückt angesehen wurden.
„Ja“, gab er leise zu und nun senkte er den Blick.
„Ehrlich?“ Erstaunen schlich sich in meine Stimme.
Er schaute wieder auf. „Ehrlich.“
„Oh.“
„Oh?“ Jetzt lachte er wieder leise.
„Na ja. Was willst du hören?“
Er zuckte mit den Schultern. „Nichts. Aber du könntest mich noch mal küssen.“
„Ganz schön frech!“, fuhr ich gespielt empört auf. Er zuckte nur erneut mit den Schultern und kam wieder näher. Ich konnte seinen Atem auf meiner Haut spüren und überwand auch diesmal die letzten Zoll. Der Kuss hielt eine kleine Weile an und ich genoss das Gefühl von Nähe. Es war ... irgendwie ... einfach. Viel einfacher als ich gedacht hatte. Und es fühlte sich richtig an.
Dann ging er auf Abstand und lächelte. „Gefällt mir.“ Sein Lächeln wurde zu einem Grinsen.
Ich schüttelte nur amüsiert den Kopf. „Und jetzt?“, fragte ich und griff nach den Zetteln und dem Blümchen.
Er legte seine Hand auf meine und umfasste sie. „Kommt ganz drauf an“, meinte er und betrachtete unsere Hände.
„Auf was?“
„Was du willst.“
Ich schwieg. Was wollte ich denn? Wollte ich mit ihm zusammen sein?
Er wollte es ganz offensichtlich mit mir. Ich wollte auch. Tief drin wollte ich es wirklich und das nicht erst seit gerade eben. Doch mein Kopf sprach gegen mein Herz, wie immer. Es brachte gegen jedes Pro ein Kontra.
Bindungsangst, Dr. Hale, bitte heilen Sie mich. Gott! Ich seufzte innerlich und konnte dabei Deaks Blick auf mir spüren. Ich hob meinen und sah ihm in die Augen. Versuchte herauszufinden, ob er es ernst meinte und ob ich ehrlich sein konnte. Versuchte abzuschätzen, was er sagen würde. Sicherlich würde er sich denken, dass ich nicht ganz sauber war. Ich hatte noch nie einen Freund gehabt, also auch keinerlei Erfahrung mit Liebesbeziehungen. Er sollte das wissen.
Punkt eins: Jungfrau in allen Dingen was eine Beziehung zwischen Mädchen und Jungs angeht. Und er sollte wissen, dass ich wirklich, wirklich Angst hatte. Angst davor, mich ihm zu öffnen, nur um dann vielleicht doch wieder weggestoßen zu werden.
Punkt zwei: gestörtes Sozialverhalten in Bezug auf mögliche, längerfristige Bindungen. Danke Internet, für diese kurze und knackige Beschreibung meines kaputten, sozialen Verhältnisses zu anderen Menschen. „Ich ... will ... schon gern mit dir ... zusammen sein“, stotterte ich dann zurecht und kam mir plötzlich vor wie ein kleines Mädchen. Er schaute mich von unten her an. So süß.
„Aber?“, fragte er vorsichtig.
„Ich, also, ich hatte noch nie einen Freund. So, wie ein Mädchen eben ein Freund haben kann. Überhaupt habe ich schon ewig keine richtigen Freunde mehr gehabt, also weiß ich nicht wirklich, wie man sich da verhält. Und zugegeben, ich hab da auch ein paar Probleme, was Vertrauen betrifft und ...“
Er legte mir einen Finger auf die Lippen und unterbrach damit zum Glück meinen irrsinnigen Redeschwall. „Fay, alles gut. Ich weiß das alles“, sagte er und wirkte, als wäre es ihm unangenehm, das zugeben zu müssen.
„Ach echt?“
Jetzt lachte er leise und wandte kurz den Blick zu Boden, bevor er mir wieder direkt in die Augen sah. „Ja. Also, ich habe deine Akte gelesen, die aus der Anstalt damals. Und die von Dr. Hale. Und ich habe dich beobachtet.“
Mein Blick wurde finster. Er hatte mich ja regelrecht ausspioniert.
„Ich habe dich lange genug beobachtet, um zu wissen, was von den Berichten stimmt und was nicht“, fügte er an, offenbar, um mich zu beschwichtigen.
„Aha.“ Das kam etwas zu scharf, aber er hatte es verdient für seine Stalkermachenschaften.
„Es tut mir leid. Das war nicht richtig, aber wie sonst hätte ich was von dir erfahren können?“
Ich räusperte mich. „Du hättest vielleicht fragen können? Nur mal so. Das wäre die einfachste Lösung gewesen.“
„Hättest du mir denn geantwortet?“
„Bestimmt.“
„Auch auf die Frage, ob ich es wagen sollte, dich auf das hier anzusprechen?“ Er deutete zwischen uns hin und her.
Ich schwieg.
„Siehst du. Bindungsangst, stimmts?“
Ich schwieg weiter und schaute zu Boden.
„Das hat dir kein Doktor gesagt“, stellte er fest.
Ich schüttelte den Kopf.
„Und trotzdem weißt du es, was ein Schritt nach vorn ist und mir zugutekommt.“ Er grinste frech. „Und ich weiß es, weil es in den Akten stand. Also ein Fakt, der zutrifft.“
Ich schaute auf. „Gibt es denn welche, die nicht zutreffen?“
Er lachte. „Ja, du bist zum Glück nicht geistig verwirrt oder zurückgeblieben.“
„Da bin ich ja beruhigt.“ Ich sah ihn an und musste schlussendlich mitlachen. So ein alberner Kerl.
„Fay. Bitte sei mir nicht böse, dass ich das getan hab.“
Einen Moment schwieg ich, dann gab ich zu: „Um ehrlich zu sein, macht es das leichter für mich.“ Nun wusste ich, dass er wusste, auf was er sich einließ. Was wiederum bedeutete, dass er mir nichts vorwerfen konnte. Er kannte mich wahrscheinlich besser als jeder andere, Lia ausgenommen, und das nur, weil er diese Akten gelesen und mich beobachtet hatte. Er hatte wirklich Interesse an mir. Wer sonst würde so was tun?
Zwar war es eine wirklich schräge Art, an Infos über jemanden zu kommen, aber in meinem Fall hatte es mehr Vor- als Nachteile. Zumindest für mich.
Sein Blick blieb bei mir. „Dass du noch nie einen Freund hattest, stand auch drin“, sagte er und hielt meinen Blick fest.
„Das hängt sehr wahrscheinlich alles zusammen, irgendwie“, meinte ich und begegnete seinem Blick unsicher.
„Aber das ist nicht schlimm. Nicht für mich“, ließ er mich wissen und ich nickte dankend. „Fay?“ Er hob wieder eine Hand an mein Kinn und strich sachte mit dem Daumen über meine Unterlippe. „Wenn du ja sagst, bestimmst du, wie schnell oder langsam es gehen soll. Ist das ein Deal?“
„Wo wäre das denn ein Deal? Was springt für dich dabei raus?“
„Du“, sagte er leise und sein Daumen verharrte.
„Dann habe ich ja trotzdem mehr davon“, gab ich ihm zurück und grinste leicht.
„Ach ja?“
„Ja. Ich habe das Sagen und dich.“
Ein umwerfendes Lächeln legte sich auf seine Lippen und ich kam meinem inneren Drang nach und küsste ihn ein drittes Mal. Wieder fand meine Hand in seinen Nacken, doch urplötzlich ließ er von mir ab, stieß einen Schmerzenslaut aus und presste die Hände an den Kopf.