Читать книгу Faylinn - Stefanie Worbs - Страница 18

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Stille stellte sich ein, während wir May einfach nur anstarrten.

„Das ist nicht dein Ernst.“ In Deakens Stimme schwang Angst mit. Ich wandte mich zu ihm um und sah, dass er kreidebleich geworden war.

„Wolltest du das nicht? Wolltest du nicht, dass sie alles erfährt und nach Wisteria geht?“, fragte May mit strenger Stimme.

„Nein! Also, ja. Ich wollte, dass sie Bescheid weiß, aber nicht, dass sie jetzt schon Hüterin wird!“

„Tja. Entweder ganz oder gar nicht.“

Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Als wäre gar nicht eine Option.“ Die beiden sahen mich an, als fiele ihnen gerade jetzt wieder ein, dass ich anwesend war. Wie immer redeten sie, als wäre es ihr eigenes Leben, um das es da ging. Dabei war es meins. Mein Leben, über das sie und die Obersten entschieden, ohne meine Meinung einzubeziehen. Nur mit Mühe konnte ich die Wut kontrollieren, die in mir aufstieg. Dieses Meeting hatte meinetwegen stattgefunden, doch niemanden scherte was ich dazu zu sagen hatte.

„Ja. Ich bin hier. Schon die ganze Zeit“, knurrte ich. „Aber redet nur weiter, als wäre ich nicht da. Es geht ja nicht um mich oder die Welt, deren Hüterin ich werden soll.“ Ich ließ mich auf das Sofa fallen und schüttelte den Kopf. „Sicher hat sich bis jetzt keiner von euch Gedanken darüber gemacht, was ich vielleicht will. Warum auch? Ich bin ja hier. Eure Figur, die ihr nach belieben hin und her schieben könnt. Ach und ja, ich vergaß, ich bin ja ein Kind, das an die Hand genommen werden muss.“ Mein Blick richtete sich zornfunkelnd auf May. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von grimmig über verwirrt, zu verstehend und dann zu schuldig.

„Richtig, May. Ich hab das nicht vergessen. Werde ich auch nicht. Schon gar nicht, nach der Aktion mit Deak gerade eben.“ Nun erhob ich mich doch wieder und trat auf sie zu. „Ich hatte gedacht, du wärst so was wie eine Freundin. Oder könntest im Ansatz zu einer Person werden, der ich vertraue. So nicht! Ich habe damals alles gehört. Wie war das? Ich bin ungeduldig und noch ein Kind? Ich bin unreif und Lia wäre die bessere Wahl, aber blöderweise ist sie zu jung? Weißt du was ich komisch finde?

Dass ihr trotzdem wollt, dass ich die Hüterin von Wisteria werde. Halt, nein, warte. Ich denke, ich weiß, warum. Weil ihr einfach jemanden braucht, denn ihr da hinschicken könnt. Jemanden der für euch arbeitet und den ihr nach Belieben rumkommandiert. Ob ich dabei draufgehe, ist wahrscheinlich zweitrangig. Wobei das schon blöd wäre, weil’s ja so lange dauert, einen neuen Hüter zu finden. Aber ihr hättet ja auch noch Lia. Irgendwie könntet ihr es bestimmt drehen, dass sie meinen Posten übernimmt. Wie auch immer. Ich bin es leid!

Wenn ich wirklich so wichtig bin, will ich ab sofort alles wissen! Ich will wissen, was der Node ist. Ich will wissen, was ihr mit mir vorhabt und vor allem will ich wissen, was in Wisteria geschieht! Dann, und wirklich erst dann, werde ich entscheiden, ob ich den Posten als Hüterin überhaupt annehme. Ich lasse mich nicht mehr ins kalte Wasser werfen!“

Wieder breitete sich Stille im Raum aus. Hinter mir konnte ich Deaken scharf einatmen hören, vor mir stand May und musterte mich, als sähe sie mich das erste Mal. Ihr Blick durchdrang mich förmlich, doch ich hielt ihm stand. Hinter ihren Augen rasten die Gedanken. Mir hingegen fiel eine Last von den Schultern. Pure Erleichterung durchströmte mich und meine Wut ebbte ab. Endlich war es raus. Alles was sich in den letzten Monaten angestaut hatte, war raus. Die knallharten Fakten.

Sicher, ich war ihr zu Dank verpflichtet, weil sie meine Schwester und mich aus der Anstalt geholt hatte und weil wir hier leben durften und sie uns quasi aushielt. Ich hatte ein neues Leben bekommen, was ohne sie nicht möglich gewesen wäre, doch im Endeffekt hatte May das alles für das Weave getan.

Ich war hier, weil Wisteria dringend einen Hüter brauchte. Bestimmt gab es noch andere Kandidaten, nur hatten sie mich eben als Erste gefunden. Ich hatte bei nichts mitreden können, war bis jetzt einfach nur da und dankbar gewesen. Doch irgendwann musste die Zeit des Dankbarseins vorbeigehen. Sie wollten was von mir? Dann sollten sie mich auch mal fragen!

Deaken hatte gesagt, ich könne jederzeit aussteigen. Ich würde es nie machen. Obwohl ich noch nie in Wisteria gewesen war, hatte ich diese Welt als meine angenommen und würde alles für sie tun. Ich würde sie niemals im Stich lassen. Aber das musste May nicht wissen. Sie konnte ruhig etwas Angst haben, mich zu verlieren. Vielleicht würde sie mich dann endlich ernster nehmen und nicht mehr als Kind sehen.

„Du würdest nicht gehen“, sagte sie schließlich, nachdem sie einen langen Moment geschwiegen hatte.

„Würde ich nicht?“

„Nein“, meinte sie entschlossen und verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust.

„Na dann schau mal her.“ Ich drehte auf dem Absatz um und ging hinaus. Die Tür fiel hinter mir ins Schloss und kurz war ich selbst verwirrt, weil sie mich offenbar durchschaut hatte. Doch das Spiel konnte ich mitspielen, also machte ich mich auf den Weg in mein Zimmer. Ich würde das Paket öffnen müssen, denn dort waren die Unterlagen drin, die ich brauchte, um an mein Geld zu kommen. Meine Schritte blieben fest und entschlossen, als ich die Treppen zur Bibliothek hinunterlief. Dann hörte ich, wie mir jemand folgte.

„Fay! Bleib stehen, bitte.“ Deaken folgte mir. Natürlich er. Nicht May. Sie scherte sich nicht um mich. Ich ignorierte seine Bitte, doch seine Hand fasste meinen Arm und er versuchte, mich aufzuhalten. Ich entzog mich seinem Griff jedoch wieder. „Du gehst nicht wirklich, oder? Das kannst du nicht tun! Fay!“

Ich blieb stehen, wandte mich zu ihm um und sah Panik in seinem Gesicht. „Siehst du, was ich gerade tue?“, fragte ich giftig.

Er schaute mich nur an.

„Ich gehe“, antwortete ich selbst und lief weiter.

Er folgte mir ohne Zögern. „Fay, du kannst nicht gehen.“

„Noch mal, was tue ich gerade?“

„Aber Wisteria ...“

„Ich weiß, dass sie mich braucht. Aber ich brauche mich nicht rumkommandieren zu lassen. Ich habe es satt, ständig als das kleine Mädchen gesehen zu werden, über das alle entscheiden! Ich bin es leid, Deaken!“

„Ich versteh nicht, was du meinst“, gab er zu. Wir hatten den Aufenthaltsraum erreicht und ich blieb so abrupt stehen, dass er in mich hineinlief.

Abermals wandte ich mich ihm zu. „Ich war fünf, als Ava und Meryl das erste Mal zu mir kamen. In diesem Moment hat Ava entschieden, dass ich Wisterias Hüterin werden soll. Ich war zehn, als meine Eltern dachten, ich würde verrückt werden und mich zu einem Seelenklempner geschickt haben, obwohl ich sehr wohl wusste, dass ich nicht verrückt war. Ich war 15, als meine Eltern Lia und mich in eine Irrenanstalt verfrachtet haben, wo wir mit Medikamenten vollgepumpt werden sollten, weil wir angeblich Halluzinationen von magischen Wesen hatten. Wir wurden von euch hierher gebracht. Und das sind nur die großen Änderungen.

Alles, jede wichtige Entscheidung in meinem verdammten Leben wurde von anderen getroffen! Ohne mich überhaupt zu fragen! Und jede hat mich weiter in die Scheiße geritten! Ich habe mich nie dagegen gewehrt, warum auch? Einige waren ja nicht schlecht. Und doch stehe ich hier, jetzt und heute. Bald werde ich verdammte 18 und darf immer noch nicht für mich selbst entscheiden! Wenn ich es versuche, werde ich als unreif und ungeduldig abgestempelt, als Kind! Ja, Deaken, das regt mich auf!“, fügte ich an, denn er verdrehte die Augen, weil ich dieses Argument schon wieder brachte.

Dann fuhr ich fort: „Ich bin kein Kind mehr! Das bin ich schon nicht mehr, seit ich Verantwortung für Lia übernommen habe. Als sie geboren wurde. Ich bin durchaus fähig, Entscheidungen selbst zu treffen. Und ich entscheide mich, wenn es mir passt. Ich soll Wisteria schützen, aber niemand hält es für nötig, mich in wichtige Dinge einzubeziehen! Dieses Meeting heute hat über meine Zukunft entschieden und niemand ist auf die Idee gekommen mich einzuladen! Weißt du, wie das ist, wenn ständig hinter deinem Rücken Entscheidungen getroffen werden und du andauernd nur vor vollendete Tatsachen gestellt wirst? Die sollst du dann natürlich bitteschön auch akzeptieren, schließlich ist es, wie es ist. Pff.“ Ich wandte mich wieder ab und lief weiter. Dyllan sah mich mit großen Augen an, sein Mund stand weit offen.

„Ihr glaubt alle, ständig entscheiden zu müssen, was richtig für mich ist und was ich tun sollte. Jetzt entscheide ich, ob es euch passt oder nicht!“ Ich nahm immer zwei Stufen auf einmal und lief dann schnellen Schrittes zu meinem Zimmer. Meine Wut war so stark, dass ich kurz Mühe hatte, meine Karte aus der Tasche zu kramen. Ich trat ein und schloss die Tür sofort wieder hinter mir ab. Den Kopf gegen das Türblatt gelehnt, atmete ich tief durch und versuchte mich zu beruhigen. So weit war es schon? Dass ich offen rumheulte, wie verkorkst mein Leben war?

Aber es hatte gut getan, das alles endlich mal rauszulassen. Ich wollte mich auch mal auskotzen, dumm nur, dass es Deak getroffen hatte. Sehr wahrscheinlich, hielt er mich jetzt für eine Oberzicke, von der man besser Abstand hielt. Ich stieß mich von der Tür ab und warf einen Rundumblick durch den Raum. Vor mir lag mein Zimmer. Das Zimmer, welches in den letzten sechs Monaten zu meinem Zuhause geworden war. Und doch wusste ich gerade nicht mehr, ob ich bleiben oder wirklich einfach abhauen sollte. Ich wollte bleiben, weil ich wusste, dass ich Wisteria nur so helfen konnte und ich wollte abhauen, weil alle anderen davon ausgingen, dass ich sowieso helfen würde, ob man mich nun fragte oder nicht. Ich wollte gehen, weil man für mich statt mit mir entschied.

Mein Blick fiel auf meine Schultasche, ich ging hinüber und kippte sie aus. Eine andere Tasche hatte ich nicht, also würde diese für mein Gepäck reichen müssen. Ich hatte ohnehin nicht viel, was für mich von Wert war. Abermals musterte ich den Raum und schritt ihn ab. Ließ die Dinge in die Tasche gleiten, die mir wichtig waren. Ein Bild von Lia und mir vor der Mansion, auf dem wir beide freudestrahlend die Daumen in die Höhe reckten. Ich musste grinsen. Dyllan hatte es erst vor Kurzem gemacht. Den Skizzenblock, den ich von May bekommen hatte. Nicht, weil er von ihr war, sondern wegen der Bilder darin. Natürlich meinen alten Block, der fast überquoll vor Kritzeleien und Bildern.

Die Jacke, die ich nur noch hatte, weil sie das Einzige war, was ich von früher besaß. Ein kleines Kuscheltier, das ich nachträglich von Deaken und damals noch teils unbekannterweise zu meinem 17. Geburtstag bekommen hatte. Ein Kobold. Meine Mundwinkel zuckten, als ich mich erinnerte, wie May es mir bei unserer Ankunft hier gegeben hatte. Mit den Worten von meinem Bruder. Ich hatte mir nichts dabei gedacht, fand es einfach süß. Jetzt wusste ich natürlich, welchen Hintergrund es hatte.

Der kleine Feigling, grinste ich in mich hinein. Hat sich nicht mal getraut, es mir selbst zu geben. Ich blieb stehen und schaute mich um. Mehr gab es nicht, was mir wichtig war und was ich hätte mitnehmen können. Lia war mir wichtig, doch ich konnte sie nicht von hier fortreißen. Sie hatte hier ein festes Zuhause mit Freunden gefunden. Mein Blick fiel auf das Paket und ein Kloß setzte sich in meine Kehle. Ich würde es öffnen müssen. Es würde mir zeigen, wie wenig meine Eltern noch eine Tochter in mir sahen. Nämlich gar nicht. Davor hatte ich Angst, auch wenn ich es wusste, hatte ich trotzdem Angst davor, es so offen präsentiert zu bekommen. Ich machte zwei Schritte rückwärts und ließ mich auf mein Bett fallen, den Blick wandte ich nicht von dem Paket. Was sollte ich tun?

Ich musste es öffnen. Da drin waren die Sachen, die ich brauchte, um an mein Geld zu kommen. Und dieses Geld brauchte ich, um gehen zu können. Ich starrte das Paket immer noch an, als das Türschloss klickte und die Tür langsam aufschwang. Ich registrierte ihn erst, als er sich neben mir aufs Bett setzte. Mein Blick blieb bei dem Paket.

„Wie kommst du hier rein?“, fragte ich tonlos.

Er hielt die schwarze Karte hoch. „Professorenschlüssel.“

„Mhhm“, brummte ich nur.

Deaken sah mich lange an, dann folgte er meinem Blick zum Paket. „Ist das immer noch das von deinen Eltern?“

Ich nickte.

„Es ist noch zu“, stellte er fest und musterte mich stirnrunzelnd.

Ich nickte wieder.

„Warum?“, wollte er wissen.

„Ich kann nicht ...“ Meine Stimme brach und plötzlich brannten meine Augen und zwei Tränen liefen mir über die Wangen. Deaken legte ohne Zögern seine Arme um mich und zog mich an sich, während ich mich ausweinte. „Tut mir leid“, murmelte ich, doch er schüttelte nur den Kopf und sagte nichts. Er war da. Für mich. Und mir wurde schlagartig klar, dass seit ewigen Zeiten niemand so für mich da gewesen war. Sicher, Lia hatte sich um mich gekümmert, in meiner Lernprügelphase und auch davor waren wir uns nah, aber so wie jetzt, zwischen ihm und mir, war es zwischen Lia und mir nie gewesen. Nicht mal, als wir noch zu Hause gelebt hatten.

Ich war stets diejenige gewesen, die für sie da gewesen war. Ich hatte sie in den Arm genommen und getröstet. Ich war für sie eingestanden und würde es natürlich immer wieder tun und ich war sicher, sie täte es auch für mich. Doch nicht Lia war hier, sondern Deaken. Er hielt mich und gab mir Trost und das ganz ohne Worte. Mein Weinkrampf hielt noch eine kleine Weile an, dann endlich brachte ich ihn unter Kontrolle.

Deaken rückte ein Stück ab, um mich anzusehen, doch ich hielt den Blick gesenkt. „Geht’s wieder?“, wollte er wissen.

Ich nickte, obwohl es noch lange nicht gut war.

Sein Daumen strich über meine Wange und wischte die Spuren der Tränen weg. „Kann ich was für dich tun?“, fragte er leise und versuchte mein Kinn anzuheben, damit ich ihn ansehen musste.

Ich drehte mich aus seinem Griff und schüttelte den Kopf. „Nein. Alles gut. Ich glaube, das musste mal raus“, versuchte ich einen Scherz, der überhaupt nicht lustig war. Er legte die andere Hand an meine Wange und zwang mich nun sanft, ihm den Blick zuzuwenden.

Kurz hielt er mein Gesicht in beiden Händen, dann gab er mir einen sanften Kuss auf den Mund. „Egal was es ist, rede mit mir, okay?“

Er hat mich geküsst. Deaken ist hier und hat mich wieder geküsst. Also hält er mich nicht für eine Oberzicke? „Ich hab nicht damit gerechnet, dass du herkommst“, lenkte ich vom Thema Paket ab.

Er lachte leise. „Warum sollte ich es nicht tun?“

„Wegen eben. Also unten im Aufenthaltsraum. So wie ich dich angefahren hab ...“

Jetzt lachte er lauter. „Oh Fay, ehrlich, das war gar nichts. Was glaubst du wie May und ich uns manchmal angehen. Da fliegen nicht nur Worte. Außerdem hast du ja recht mit dem, was du gesagt hast. Von deinem Standpunkt aus muss es wirklich so wirken, als hättest du keine Entscheidungsgewalt.“

„Du und May, ihr seid Geschwister. Das ist was anderes als zwischen uns. Und ich habe keine Entscheidungsgewalt. Ihr entscheidet doch ständig für mich. Und davor waren es meine Eltern oder die Ärzte.“

„Geschwister hin oder her, wir könnten uns auch voneinander abwenden. Aber wir lieben uns, also raufen wir uns immer wieder zusammen. Das Gleiche kann für uns beide gelten, wenn du es zulässt.“

Ich hatte den Blick gesenkt, schaute nun aber wieder auf. „Heißt das, du gehst nicht?“

„Nein. Nicht wegen so was. Da müsste schon was enorm Abartiges passieren, damit du mich loswirst.“

Ich lachte, trotz meines Gefühlschaos. „Etwas enorm Abartiges?“

„Ja, so was wie, keine Ahnung, der Weltuntergang? Jetzt wo ich dich endlich so weit hab, dass du wenigstens nicht mehr davonläufst, werde ich nicht aufgeben und gehen.“ Er schaute mich einen Moment lang an und wiederholte dann leise: „Ich werde nicht gehen.“ Sein Blick blieb auf meinen geheftet und war so aufrichtig, dass ich ihm glaubte. So sehr ich Angst davor hatte, er könne mich wegstoßen, in diesem Moment glaubte ich ihm.

„Danke“, flüsterte ich.

Er legte seine Stirn an meine und grinste. „Immer gern.“ Dann schaute er wieder auf und zu dem Paket. „Wollen wir es aufmachen?“, fragte er vorsichtig und musterte mich wieder.

„Ich muss.“

„Warum musst du?“

„Da drin ist, was ich brauche, um an mein Geld zu kommen.“

„Du bekommst doch, was du brauchst von uns“, meinte Deaken argwöhnisch und zog die Augenbrauen zusammen.

„Stimmt. Bis jetzt. May wird mir sicher kein Ticket nach London zahlen.“

„Du willst immer noch gehen?“

„Nein“, gab ich zu. „Aber anders wird sie es nicht verstehen. Ich lasse mich nicht mehr rumschieben, wie eine Spielfigur.“

„Hast du nicht verstanden, wie ich das vorhin meinte? Für dich sieht es so aus, als könntest du über nichts entscheiden, aber denk mal drüber nach, was du gerade tust. Du entscheidest.“

„Jetzt. Und alles vorher?“

„Ja gut, das in deiner Kindheit mal ausgenommen. Deine Eltern wollten nur das Beste für dich und wussten es nicht besser. Woher auch? Und dass du als Hüterin geboren wurdest, hat auch nicht Ava entschieden. Das war einfach dein Schicksal. Wir haben dich hergeholt, weil wir dir helfen wollten. Du hättest sofort nach deiner Ankunft wieder gehen können.“

„Woher sollte ich das wissen? Ihr habt mir das nicht gesagt.“

„Nein. Wir wären auch schön blöd gewesen, es zu tun, oder? Immerhin haben wir ewig nach dir gesucht. Wir wussten ja selbst nicht, ob es dir überhaupt recht war, eine Hüterin zu werden. Hätten wir dir gesagt, dass es dir freisteht, wärst du vielleicht wirklich gegangen und wir hätten ein riesen Problem gehabt.“

„Nett“, meinte ich ironisch und lächelte unecht.

„Aber wahr.“

„Stimmt“, gab ich zu und senkte den Blick auf meine Hände. „Ich wäre aber nicht gegangen.“

„Das konnten wir nicht wissen, deshalb haben wir nichts gesagt. Und du hast nicht gefragt, also haben wir alles erst mal laufen lassen.“

„Und zwischendrin auch kein Wort erwähnt.“

„Nein. Das war eine Fehlentscheidung. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, haben wir zu lange gewartet. Aber damals war es richtig. Du hättest sofort was tun wollen, warst aber noch nicht bereit dafür.“

„Laut deiner Aussage, bin es immer noch nicht.“

„Bist du auch nicht, wenn du mich fragst. Aber du bist bereit für Informationen, um dich vorzubereiten. Das May gleich aufs Ganze geht, hätte ich nie gedacht.“ Ehrliche Sorge stand in seinem Gesicht, als ich aufschaute.

Faylinn

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