Читать книгу Faylinn - Stefanie Worbs - Страница 19

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„Warum denkst du, dass ich das nicht schaffen kann?“, fragte ich neugierig.

Er schwieg. „Oder denkst du, dass ich es schaffen kann?“

Er schwieg weiter.

„Deeaakeeen!“ Meine Ungeduld schlug durch und brachte ihn zum Feixen. Ich sah ihn auffordernd an.

„Ich denke schon, dass du schaffst, was immer du dir vornimmst. Aber Wisteria ist zur Zeit sehr gefährlich und du hast noch keinen Wächter.“

Ich runzelte die Stirn. „Wächter?“ Lia hatte so was schon erwähnt.

„Für solche Fälle wie Wisteria bekommt ein Hüter einen Wächter. Quasi als Unterstützung. Wir haben noch keinen für dich.“

„Aha. Und? Ich krieg das bestimmt auch ohne hin.“

Wieder lachte er leise. „Da bin ich mir sicher. May anscheinend auch, sonst hätte sie niemals zugestimmt, dich deine Prüfungen machen zu lassen.“

„Wie viele sind das denn eigentlich?“, wollte ich wissen.

„Eine Praktische in Magie. Der Schwur ist die Zweite. Und das Ritual, wenn du deinen Schlüssel bekommst die Dritte. Normalerweise gibt es noch schriftliche Arbeiten in Raum-Zeit und Mythen. Ich weiß aber nicht, ob du die machen musst.“

Ich sah ihn verwirrt an.

Deaken lächelte. „Das hättest du alles in deinem dritten Jahr erfahren, wenn du normalerweise deine Anders-Welt kennengelernt hättest.“

„Mein Gefühl sagt mir, ihr habt mir eine ganze Menge zu erzählen.“ Ich atmete tief durch.

„Wenn du bleibst, wirst du alles erfahren. Früher als es je ein Schüler vor dir getan hat. Das wird eine Premiere.“

„Ich hoffe, nicht mehr heute. Für heute waren es genug Premieren.“

Deaken pustete die Lust aus. „Oh ja. Dein Ausraster unten zum Beispiel.“

„Und dass ich May angegangen bin. Mit Schubser! Das war seltsam“, gab ich zu.

Jetzt brach er in Gelächter aus. „Ja. Stimmt“, lachte er. „Das war seltsam, unerwartet und vollkommen genial.“

Ich kicherte. „Warum denn genial?“

„Weil ...“, er hatte Mühe zu reden, weil er kaum Luft bekam. „Weil ich mich noch erinnere, wie sehr du Handgreiflichkeiten verabscheut hast. Du wolltest mich nicht mal in einem Übungskampf schlagen und heute hast du May fast umgeworfen, nur mit einem Schubser.“

„Übertreib’s nicht“, wies ich ihn scherzhaft zurecht und schubste auch ihn ein Stück zur Seite.

Langsam fasste er sich wieder und sah mich an. „Ich find’s jedenfalls klasse, dass du ihr die Stirn geboten hast. Das tut ihr auch mal gut.“

„Trotzdem ist sie bei mir unten durch. Schon allein wegen der Aktion mit dir.“

„Ach komm. So schlimm war’s nicht.“

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Ach nicht? Du hast ausgesehen, als würde dir gleich der Kopf platzen.“

„Mhh. Trotzdem. Sie ist meine Schwester. Es war nicht böse gemeint. Außerdem ärgern wir uns ständig gegenseitig.“

„Das war keine Stänkerei zwischen Geschwistern.“

„Nein. Aber glaubst du wirklich, ich würde ihr das nicht heimzahlen? Ich warte nur auf den richtigen Zeitpunkt. Bitte Fay, nimm es ihr nicht übel. Wie ich gesagt habe, wenn du über alles Bescheid weißt, wirst du ihre Reaktion verstehen.“

„Wenn du meinst.“

„Meine ich. Und jetzt machen wir das Paket auf.“ Er erhob sich und holte es aufs Bett.

Mein Magen verkrampfte sich und ich rückte etwas ab.

„Soll ich lieber?“, fragte Deaken und ich nickte. Er zog die Notiz ab und las sie. Kurz huschte sein Blick zu mir, als er verstand, dass es nicht mal von meinen Eltern direkt gekommen war, dann zog er das Klebeband ab und schlug die obersten Klappen beiseite. So klein das Paket war, es war noch weniger darin. Obenauf lagen Dokumente in Klarsichthüllen. Ich erkannte den Namen einer Bank, als Deak die Papiere herausholte und neben das Paket aufs Bett legte. Als Nächstes zog er einen alten Malblock hervor. In ihm erkannte ich einen meiner Ersten. Darin waren viele Landschaftsbilder und einige, die meine angeblich imaginären Freunde zeigten.

Deaken wollte ihn mir geben, doch ich schüttelte den Kopf, ich hatte gesehen, dass Blätter darin fehlten. Man konnte es an den herausstehenden Papierfetzen erkennen. Ich hatte nie eines meiner Bilder weggeworfen, egal ob es misslungen war oder nicht. Eine Ahnung sagte mir, welche Zeichnungen fehlten. Das Nächste, was zum Vorschein kam, war ein Foto. Daran hing eine weitere Notiz. Deaken behielt es in der Hand und sein Gesicht wurde finster, als er es betrachtete. Dann schaute er auf und reichte es mir. Ich wollte es erst nicht nehmen, doch er hielt es mir weiter hin und so musste ich zugreifen. Ich drehte es um und abermals schnürte es mir die Kehle zu.

Auf der Notiz stand in der Handschrift meiner Mutter - für Lia - und darunter in der meines Vaters - es tut mir leid -. Das Foto war ein Familienfoto. Es hatte auf unserem Kamin gestanden und war eines meiner liebsten gewesen. Einst hatte es meine Eltern mit Lia als Baby auf dem Arm gezeigt, während ich vor den Dreien glücklich in die Kamera gegrinst hatte. Doch jetzt fehlte der untere Abschnitt, so dass nur noch Lia und meine Eltern darauf waren.

„Das war meine Mum.“ Ich schluckte. „Meinem Dad tut es leid. Er hat das nicht getan.“

„Er hat dir das Bild trotzdem geschickt. Er hätte es weglassen können“, knurrte Deaken und nahm mir das Foto wieder ab.

„Das Paket kommt nicht von meinen Eltern.“

„Egal wer es geschickt hat. Dein Vater hätte das Bild verschwinden lassen können.“

„Ist schon gut. Er wollte sicher, dass Lia es bekommt. Sie hat kaum Fotos von ihnen und mochte das hier auch immer am liebsten.“

„Auch?“, fragte Deaken fast mitleidig.

„Ja. Egal. Ist noch was drin?“

„Nein“, antwortete er und drehte den Karton zum Beweis um. Dann stellte er ihn neben das Bett und griff nach den Klarsichthüllen. „Das sind Bankunterlagen, deine Geburtsurkunde, Impfpass und so was.“ Er zog ein Blatt heraus und überflog es. „Oh. Du warst ein Frühchen?“, fragte er feixend. „Das stand in keiner Akte.“

Ich lachte. „Ich hatte es eben schon immer eilig. Aber ich war kein richtiges Frühchen. Es war nur hart an der Grenze.“ Ich zog ihm das Blatt aus der Hand und erkannte einen Arztbericht darin. Es musste ein Zusatz zu meiner Geburtsurkunde sein.

„Ist dir eigentlich aufgefallen, dass wir sogar mit dem Namen gut zusammenpassen?“, meinte Deaken und hatte schon wieder ein Blatt in der Hand. Er grinste.

„Was, Deaken und Faylinn?“

„Das klingt auch gut, ja. Aber ich meinte Waters und Rivers.“

„Stimmt“, antwortete ich in einem Tonfall, als wäre mir das erst jetzt bewusst geworden. War es natürlich nicht. Hey, welches Mädchen spielte nicht mit dem Namen des Jungen herum, der sie so ansah, wie Deaken es bei mir gerade und viele Male davor getan hatte?

Ich zog ihm auch dieses Blatt aus der Hand und hielt ihn davon ab, das Nächste aufzunehmen. „Danke, Deak. Ehrlich. Du hilfst mir gerade wirklich.“

Er lächelte leicht. „Immer gerne.“

Deaken blieb bei mir und wir redeten eine ganze Weile, bis tief in die Nacht hinein. Irgendwann musste ich eingeschlafen sein, denn als ich die Augen das nächste Mal öffnete, war es schon wieder hell draußen. Ich rührte mich und stellte fest, dass er hinter mir lag, seinen Arm so um mich gelegt, dass ich nicht aufstehen konnte, ohne ihn zu wecken.

Schlauer Junge. Sicher hatte er Angst gehabt, ich würde mitten in der Nacht doch noch abhauen. Vorsichtig drehte ich mich um und weckte ihn damit. „Hi“, flüsterte ich leise, weil ich wusste, wie ich früh am Morgen sein konnte.

Er grinste jedoch. „Hi“, kam es genauso leise von ihm und er zog mich näher zu sich, dann legte er seine Lippen auf meine Stirn und ließ sie dort. Ich musste lächeln. Unsere Zweisamkeit gefiel mir.

Die Tür flog auf und Lia kam ins Zimmer gestürmt. „Fay! Du bist noch da! Gott sei Dank!“, rief sie und kam aufs Bett gesprungen. Abrupt hielt sie inne, als sie Deaken bemerkte. „Ehm. Was geht ab?“, fragte sie mit kindlicher Coolness und musterte uns beide abwechselnd.

„Wonach sieht’s denn aus, Kleine?“, kam eine Gegenfrage von Deaken.

„Hat sie endlich nachgegeben? Hhhhh! Du warst das mit den Zetteln gestern! Wusste ich’s doch“, stieß sie hervor und lachte auf. „Klasse Idee. Hätte von mir kommen können“, meinte sie und hüpfte auf den Knien.

„Lia, bleibt mal ruhig sitzen, sonst muss ich kotzen“, mahnte ich sie und warf ihr einen grummeligen Blick zu.

„Bist du schwanger, oder was? Das geht doch nicht so schnell.“

„Lia!“, fuhr ich sie an und schubste sie, so, dass sie vom Bett fiel. Kurz hatte ich ein schlechtes Gewissen, sie könnte sich wehgetan haben.

Doch schon rappelte Lia sich wieder auf und lachte. „Man kann doch mal fragen.“

„Blöde Kuh“, blaffte ich, allerdings mit liebevollem Unterton. „Sei bloß still, du Großklappe.“

Deaken lachte und setzte sich auf. „Ich lass euch mal allein streiten.“ Dann beugte er sich noch mal zu mir. „Bis gleich beim Frühstück?“, raunte er leise, seine Lippen an meinen.

„Als könnte ich jetzt noch was essen“, scherzte ich und küsste ihn kurz. Er grinste, stand auf und verschwand.

„Oho, wurde ja Zeit, Schwesterherz“, meinte Lia und schaute ihm nach.

„Manchmal glaube ich, du bist gar nicht erst zehn. Sicher bist du die Reinkarnation einer viel älteren Person, die sich einen Spaß daraus macht, mich zu stänkern.“

„Ich bin fast elf!“, empörte Lia sich, jetzt wieder altersgerecht und ging auf den Rest meiner Aussage gar nicht ein.

„Wie auch immer.“ Ich stand auf und griff nach dem Foto. „Das ist von Mum für dich.“

Lia nahm es und betrachtete es kurz. „Ich will es nicht“, sagte sie und riss es in viele kleine Stücke.

„Warum nicht? Es war doch dein Lieblingsbild?“

„Jetzt nicht mehr.“

„Du hast doch kaum welche von Mum und Dad.“

„Fotos mit ihnen beiden und mir drauf habe ich genug. Dieses hätte ich auch haben wollen, aber nicht so. Sie haben es kaputtgemacht“, sagte sie traurig und rieb die Schnipsel zwischen den Fingern.

Ich legte meine Arme um sie. „Ich liebe dich, kleine Schwester. Mein Herz.“

„Ich dich auch“, piepste sich gespielt kindlich und wir mussten beide lachen.

„Wieso dachtest du, ich wäre weg?“, fragte ich nach einer kleinen Weile.

„Dyllan hat gesagt, du hast gestern Abend fruchtbar rumgeschrien und ich habe May mit Professor White reden hören, dass du so was gesagt hast. Es sah so aus, als hätte sie wirklich Angst, du könntest weggehen. Wolltest du das denn?“

„Wollte ich. Aber eigentlich auch nicht.“

Lia sah mich verwirrt an.

„Ich wollte gehen, weil es mich ankotzt, dass May alles entscheidet und mich vor vollendete Tatsachen stellt. Und ich wollte es nicht, weil ich weiß, dass ich gebraucht werde.“

„Wolltest du dann jetzt gehen oder nicht?“, fragte sie noch mal, etwas gereizter diesmal.

„Ich weiß nicht, Lia. Ich weiß es wirklich nicht.“ Ich senkte den Blick auf meine Hände.

„Du hättest mich hiergelassen“, stellte sie leise fest.

„Ja“, gab ich zu. „Aber nur, weil ich weiß, dass es dir hier gut geht. Weil ich sicher sein kann, dass du hier in Sicherheit bist und nicht allein.“

„Wo wolltest du überhaupt hin?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Erst mal nach London.“ Wir hatten dort einen Onkel, soweit ich wusste. Er hatte keinen Kontakt zu meinen Eltern, denn sie hatten sich vor ewigen Zeiten, wegen irgendwas gestritten, seitdem herrschte Funkstille. Er hätte mich sicher fürs Erste aufgenommen. Lia wusste von ihm und nickte nur.

„Na los, komm. Wir sollten runtergehen. Es sind Ferien, das sollten wir ausnutzen“, sagte ich und stand auf, um mich in meinem kleinen Bad frisch zu machen. Dann gingen wir gemeinsam zum Essen.

Faylinn

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