Читать книгу Faylinn - Stefanie Worbs - Страница 17
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Für einen Moment war ich wie gelähmt, dann begriff ich, dass ich etwas tun musste.
Ich hob meine Hände und versuchte sein Gesicht zu fassen. „Deak! Was ist los?“
Doch er konnte nicht antworten, hielt sich einfach den Kopf, das Gesicht verzerrt vor Schmerz.
„Oh mein Gott, Deaken! Was ist denn?“ Ich hörte die Panik in meiner Stimme, versuchte mich selbst zu beruhigen, rutschte vom Beckenrand und kniete mich vor ihn, damit ich sein Gesicht wieder sehen konnte.
Er hatte die Ellenbogen auf die Knie gestützt, die Hände an den Schläfen und keuchte schwer.
„Deaken, bitte sag was! Was ist los?“, fragte ich ein drittes Mal und diesmal reagierte er.
„Es ... ist ... May“, presste er hervor, die Augen krampfhaft zusammengekniffen, als würde es helfen, den Schmerz zu lindern.
„Was?!“
„Sie ruft mich“, zischte er zwischen den Zähnen hindurch und hielt die Luft immer wieder stockend an.
„Was tut sie? Warum tut es dir so weh?!“ Immer noch klang die Panik in meiner Stimme. Warum tat May das?! May?! Ich verstand es nicht. Endlich entspannten sich seine Züge ein wenig und er atmete freier. Ich sah ihn forschend an, nicht sicher, ob der Anfall oder was es auch immer gewesen war, vorbei war. Langsam kam er zu Atem und verbarg nun das Gesicht in den Händen.
„Was war das?!“, wollte ich fassungslos wissen und hielt noch immer seine Arme.
Er ließ seine Hände sinken, hob kurz den Kopf gen Himmel, atmete noch mal tief durch und sah mich dann an. Ein schiefes Grinsen legte sich auf seine Züge.
Mein Blick wurde finster. „Was grinst du so blöd? Was zur Hölle war das denn? Antworte endlich!“, fuhr ich ihn an.
Jetzt lächelte er richtig, hob eine Hand an meine Wange und strich sanft daran entlang. „Das war May. Sie hat mich gerufen. Und sie ist wütend.“
„Wie hat sie dich gerufen? Mit Magie? Und warum hat es dir so wehgetan?“
„Ja, mit Magie. Wir haben eine Zwillingsverbindung. Normalerweise benutzen wir sie nicht. Aber sie ist echt sauer und wollte, dass ich es merke.“
„Spinnt die!?“, entfuhr es mir. Jetzt war ich restlos wütend. „Eine SMS hätte es auch getan! Ist sie vollkommen ...“ Doch ein Blick in seine Augen ließ mich innehalten. „Was?! Das musste nicht sein!“
„Nein. Aber sie ist im Moment etwas angespannt.“
„Verteidigst du sie etwa? Sie wollte dir grad das Hirn wegpusten!“
Er lachte. „So schlimm wäre es nicht geworden.“
Ich erstarrte. „Heißt das, das geht noch schlimmer?“
Er sagte nichts.
„Deaken?!“
„Ich gebe ihr kurz Bescheid, dass ich komme“, wich er aus und schloss für einen Moment die Augen. Ich betrachtete ihn bei seinem Zauber und konnte sehen, wie kleine blaue Magiefünkchen in die Luft stiegen und sich über ihm auflösten, dann war er wieder bei mir und lächelte. Ich senkte meine Augen von den sich auflösenden Funken zu ihm. Er war meinem Blick gefolgt, sah nun aber auch wieder mich an.
„Was genau bist du eigentlich?“, wollte ich unvermittelt wissen.
Er runzelte die Stirn. „Was meinst du?“
„Alle die Magie praktizieren, sind entweder magische Wesen oder haben eine Aufgabe, wie ich. Was bist du? Außer Professor meine ich.“
Sein Gesicht hellte sich auf, als er verstand. „Ich bin Zwillingsmagier. Also May und ich sind es.“
„Ehm ...“
„Ob das was Besonderes ist?“
Ich nickte.
„Ja. Wir haben die erwähnte Verbindung und können alles miteinander teilen. Auch unsere Magie, was uns stärker macht als andere. Nur Drillingsmagier und aufwärts sind stärker als wir. Und Hüter, wenn sie in ihrer Anders-Welt sind. Aber Drillinge und aufwärts sind bis jetzt nur zwei oder drei Mal in der Geschichte vorgekommen.“
„Ihr teilt alles?“
„Wir könnten, tun es aber nicht. Oder nur sehr selten. Unsere Aufgabe ist in erster Linie der Schutz eines Weave-Internats. Wir leiten es und schützen die Schüler.“ Das erklärte Mays damalige Aussage, dass die Schüler ihre Schutzbefohlenen seien. „Können wir auf dem Rückweg weiter reden? Ich habe ehrlich gesagt die Befürchtung, dass sie es noch mal versucht“, bat er und verzog das Gesicht.
„Das soll sie sich wagen!“, brummte ich und stand auf. Ich verstaute die Zettel wieder in meiner hinteren Hosentasche und wollte schon gehen, doch Deaken folgte mir nicht. Ich drehte mich noch mal zu ihm, um zu sehen, was ihn aufhielt und hielt den Atem an. Er hielt die schwarze Schlüsselkarte in der Hand und so, dass ich sie sehen konnte. Sie musste mir beim Hinhocken aus der Tasche gerutscht sein. Mein ängstlicher Blick huschte von der Karte zu ihm, doch in seinem Gesicht stand ein Lächeln.
„Kann ich die wiederhaben?“, fragte er, ohne jeden Zorn.
Ich zog erstaunt die Brauen hoch. Es war also seine? „Ehm. Ich ... also ...“
„Keine Sorge. Ich habe sie mit Absicht verloren.“
„Hä?“
„Ich hatte dich damals vor der Professorenabteilung gesehen und konnte mir denken, dass du ein bestimmtes Buch suchst. Deshalb hab ich die hier liegen lassen, als mir mein Schlüssel zufällig runtergefallen ist.“ Er drehte die Karte zwischen den Fingern. „Ich dachte mir, du könntest sie gebrauchen und eine andere Möglichkeit, dass du sie bekommst, ist mir nicht eingefallen.“
„Du hättest sie mir einfach geben können.“
„Nein. May hätte es erfahren. Ich habe sie später als verloren gemeldet. Hätte sie das geprüft“, er tippte sich an den Kopf, „hätte sie keine Lüge gefunden.“
„So was macht sie? Dich prüfen?“, fragte ich empört.
„Zur Zeit ist sie ziemlich gestresst. Es wäre ihr nicht zu verübeln, wenn sie es täte. Da ich mich in diesem Fall gegen sie und ihre Pläne gestellt hätte.“
„Himmel! Wie ist die denn drauf?“, rief ich aus. Das hätte ich nie im Leben von ihr gedacht.
„Ich kann sie verstehen. Wenn du wüsstest, was ich weiß, würdest du es auch können.“ Jetzt klang er traurig.
„Erzähl es mir doch.“
„Ich kann nicht.“ Wieder tippte er mit der Karte an seine Schläfe.
„Sie darf das nicht! May kann doch nicht einfach in deinen Kopf gucken? Das geht nicht!“
„Sie sollte nicht, das stimmt. Doch in ihrer Position darf sie es.“
Ich funkelte ihn böse an.
„Hey, du guckst, als wäre ich der Bösewicht. Nicht dass sie einer wäre“, ruderte er zurück, als mir meine Züge entglitten. „Du wirst auch es verstehen, wenn du Hüterin bist. Dann wird sie dir alles erzählen.“
„Es geht wieder um Wisteria, oder?“
Er musterte mich kurz, dann nickte er knapp. „Wir sollten gehen.“ Damit trat er an mich heran und legte mir einen Arm um die Mitte. Schweigend liefen wir zurück zur Mansion und betraten den Speisesaal. Ein paar Schüler saßen hier und lasen oder redeten.
Deaks Blick fiel auf unseren Tisch, doch Lia war nicht da. „Da fällt mir was ein“, sagte er und griff in seine hintere Hosentasche. Er zog etwas hervor und reichte es mir. Ich blieb wie angewurzelt stehen, als ich es erkannte. Mein Skizzenbuch. Ich hatte gedacht, es verloren zu haben, doch nun hielt Deaken es mir hin.
„Wo hast du das her“, hauchte ich und griff danach.
„Du hattest es vor ein paar Monaten hier liegen lassen. Ich wollte es dir schon ewig lange zurückgeben, hab es aber irgendwie immer vergessen.“
Ich warf ihm einen argwöhnischen Blick zu. „Vergessen“, stellte ich mehr fest, als dass ich fragte.
„Na ja.“ Er schob die Hände in die Hosentaschen und sah schuldbewusst drein.
„Du hast es dir angesehen“, sagte ich leise und senkte den Blick, denn mir war bewusst, was er alles gesehen hatte. Sofort hatte ich Angst, was er daraus geschlossen hatte. Es waren nicht unbedingt die Bilder darin, auch wenn viele ihn zeigten. Es waren mehr die Seiten, bei denen die Farben verlaufen waren, weil meine Tränen sie verwischt hatten. Er hatte sicher erraten, dass es keine normalen Wasserflecken waren. Ich schaute auf, denn er antwortete nicht.
Sein Blick war unergründlich. „Ich muss jetzt zu May“, lenkte er schließlich ab.
„Ich komme mit.“
Er musterte mich einen Moment, dann legte er mir wieder einen Arm um die Taille. „Okay“, sagte er lässig und zog mich mit. Im Augenwinkel konnte ich sehen, wie die Blicke der anwesenden Schüler uns folgten. Ich schaute zu ihm hoch und bemerkte, dass Deaken sie seinerseits musterte. Dann fiel sein Blick auf mich. Er wollte gerade den Arm von mir lösen, da griff ich seine Hand auf meiner Hüfte und hielt sie dort fest. Sein Ausdruck wurde fragend.
„Gerede interessiert mich nicht“, erklärte ich und ein Lächeln zuckte in seinen Mundwinkeln.
May wartete in Deakens Wohnzimmer. Wir traten ein und sofort ging ich auf sie los. Es scherte mich kein Stück, welche Stellung sie innehatte.
Ich kam einen Schritt vor ihr zum Stehen und funkelte sie böse an. „Was sollte das?!“, fauchte ich und erntete einen ebenso bösen Blick dafür.
Dann schaute sie an mir vorbei zu ihrem Bruder. „Ich brauch nicht zu fragen, wo du warst!“, ging sie ihn an. „Von wegen dir geht’s nicht gut! Deaken! Das Meeting war wichtig und du treibst dich unter einem Vorwand mit Schülern rum!“
„Sie ist nicht nur eine Schülerin, das weißt du!“, knurrte er zurück. Die beiden ignorierten mich doch tatsächlich!
Ich stieß May hart vor die Brust. Ein Akt, den ich vor Beginn meines Kampftrainings nie gewagt hätte. „Hör auf, mich zu ignorieren, May! Was sollte das? Warum hast du ihm wehgetan?!“
Ihr Blick heftete sich auf mich und kurz sah ich Überraschung aufblitzen, doch sie wurde sofort wieder wütend. „Dieses Meeting war wichtig, Fay! Und er hat sich rausgeredet, angeblich würde es ihm nicht gut gehen! Ich habe dafür gesorgt, dass es ihm nicht gut ging!“
„Was fällt dir ein?!“, knurrte ich und trat noch näher. „Er ist dein Bruder und du tust ihm weh! Das ist das Letzte!“ Ich spuckte diese Worte förmlich vor ihre Füße, dann spürte ich, wie Deaken mich am Arm zurückzog.
„Fay, komm runter. Ich hab dir das doch erklärt.“
„Ist mir egal! Wie kann sie dir wehtun? Du bist ihr Bruder, verdammt!“
Er schüttelte nur den Kopf. Richtig, es hatte keinen Sinn mit mir zu streiten, dann schaute er zu May auf. „Was habe ich denn verpasst, dass du mir das Gehirn wegpusten wolltest?“, versuchte er einen Scherz mit meinen Worten, vermutlich, um mich aufzuheitern. Es gelang ihm nicht.
„Fay wird die Prüfungen ablegen und den Schwur leisten. Die Schlüsselübergabe ist für die Sonnenwende geplant“, erklärte sie sachlich und verschränkte die Arme vor der Brust. Es war, als hätte mir jemand vor den Kopf geschlagen. Hatte May gerade wirklich das gesagt, was ich gehört hatte? Ich sollte die Prüfung ablegen und den Schwur leisten und mir sollte mein Schlüssel übergeben werden? Ich sollte meine Ausbildung abschließen? Nach nur sechs Monaten?!