Читать книгу Vampirmächte - Stefanie Worbs - Страница 14

Zane

Оглавление

Diese Vampire sind schon seltsame Wesen, dachte Zane. Gerade verschlang er den letzten Rest Fleisch, den die alte Frau gebracht hatte. Auf einem Teller. Er hatte sie angegrinst, als sie es ihm hingestellt hatte. Doch sie hatte es wahrscheinlich nicht als Solches aufgefasst, denn so schnell wie sie gekommen war, war sie wieder verschwunden und ihr Gesichtsausdruck hatte Bände gesprochen.

Ob sie weiß, was ich bin? Sie wird bestimmt wissen, was ihre Herren sind. Jedenfalls aß Zane normalerweise nicht von Tellern. Und wenn er es tun würde, dann wohl eher von der billigen Variante aus dem Supermarkt und nicht von diesen schnöseligen, alten Dingern mit Goldrand. Überhaupt war hier alles ziemlich prachtvoll.

Ja, prachtvoll beschreibt es ganz gut. Er leckte sich die letzten Reste Bratensaft von der Schnauze und trank einen Schluck. Nicht zu viel, denn der Braten war verdammt gut gewesen und er wollte den Geschmack noch etwas auf der Zunge behalten, dann setzte er sich und schaute sich um. Dieser Raum war offensichtlich ein Esszimmer. Der lange Tisch in der Mitte wurde von mehreren Stühlen gesäumt. Sicher waren es mehr, als das Haus Bewohner zählte. Ein großer Kamin prangte an der Wand hinter Lilly und Memphis, doch ohne Feuer darin.

Die Hexe, Hayley, saß zwei Stühle weiter und war in ein Gespräch mit den beiden Vampiren vertieft. Lilly, die auf Memphis’ Schoß saß, hatte ihm das Papier abgenommen, es vorsichtig entfaltet und gelesen. Ihre Hände hatten furchtbar gezittert. Zane konnte sich denken, dass es an der Trauer gelegen hatte. Als magisches Wesen und dazu als Tier, spürte er die Schwingungen anderer Lebewesen und konnte sehr gut einschätzen, in welcher Stimmung sie waren. Diese drei hier, waren alles andere als glücklich. Die gedrückte Atmosphäre verengte die Luft im Raum spürbar. Der andere, Denniz, musste ihnen eine Menge bedeutet haben.

Zane erinnerte sich an ihn. Es musste der gewesen sein, der damals den Raben vom Baum geholt hatte. Er versuchte, sich ein Bild von ihm ins Gedächtnis zu rufen. Blond und groß. Der Vampir war jung gewesen. Jünger als der alte Memphis, aber älter als Lilly und er war relativ aufgeschlossen gewesen. Zumindest mehr als der eingebildete Kerl, auf dessen Schoß das Vampirmädchen saß. Dieser Memphis war ihm nicht sehr sympathisch. Trotzdem rechnete Zane es ihm an, dass er das Mädchen offensichtlich ehrlich liebte und schützen wollte. Zane kannte sie nicht wirklich, doch er fand sie faszinierend.

Auf eine seltsame Art zog sie ihn an. Zwar nicht wie Memphis es gedacht hatte, denn er, Zane, würde als Werwolf niemals etwas mit einem Vampir anfangen wollen, aber da war was. Er fühlte sich von ihr angezogen und er würde rausfinden, warum das so war. Natürliche Feinde hin oder her.

Er ließ den Blick weiterschweifen und blieb wieder bei Hayley hängen. Quentin hatte von der Hexe erzählt. Nicht viel, doch es hatte gereicht, damit er sich auch von ihr ein Bild hatte machen können. Allerdings hatte er völlig danebengelegen. Der Hexer hatte gesagt, sie wäre mächtig, und dass selbst sein Ältester echten Respekt vor ihr hatte. Doch das Mädchen sah unscheinbar aus. Zwar strahlte sie eine Macht aus, mit der Quentin nicht ansatzweise mithalten konnte, doch das war auch schon alles. Die Hexe hätte ohne diese Ausstrahlung gewirkt, wie ein Mauerblümchen. Optisch passte sie überhaupt nicht in die Runde.

Memphis, mit seiner stolzen Art und den perfekten Klamotten. Die Frisur saß und in seinen schwarzen Augen konnte man sein Alter und seine Würde gut erkennen. Die hübsche Lilly mit den langen und dunklen Haaren und den freundlichen grau-blauen Augen mit dem Grünschimmer. Er selbst, der stattliche Wolf mit dem Silberfell und überhaupt, er war ein Wolf und damit einfach edel. Und dann sie, die Hexe, mit den ebenfalls dunklen Haaren, den braunen Augen und der unscheinbaren Gestalt.

Zane versuchte, Denniz in die Runde zu setzen. Den großen, schlanken Mann mit den blonden Haaren und den blauen Augen und musste feststellen, dass er die drei dort, zumindest optisch, wirklich gut ergänzt hätte. Seinen Charakter kannte er ja nicht. Und offensichtlich, würde er ihn auch nicht mehr kennenlernen. Ein bisschen schade fand er das schon. Der dritte Vampir, wäre sicherlich eine gute Gesellschaft gewesen. Quentin hatte ihm aber nichts über den dritten Vampir erzählt. Er hatte ihn nicht mal erwähnt, was Zane schließen ließ, dass es nichts mehr zu erzählen gab.

Tja. Er richtete seine Aufmerksamkeit jetzt auf das Gespräch der Hausbewohner.

„Ich frage mich trotzdem, was er noch von uns will!?“, murrte Memphis gerade und sah echt angepisst aus.

„Vielleicht geht es um die Zauber?“, meinte die Hexe. Ihre Hand lag auf einem kleinen Buch und sie ließ die Finger darauf trommeln.

„Ich denke, du verstehst sie? Glaubt er denn, du würdest es nicht tun?“, wollte Lilly wissen.

„Keine Ahnung. Vielleicht will er sichergehen.“

„Also sollen wir uns mit ihm treffen?“ Lillys Blick huschte von der Hexe zum Vampir.

Der sagte: „Ich will ihn nicht sehen!“

„Ich denke aber, ich will“, meinte Lilly.

Zane legte die Stirn in Falten. Das klang so, als würde sie nicht ohne ihren Freund gehen wollen. Machen die denn alles zusammen?

„Lilly. Ich will den nicht sehen!“

Okay, sieht ganz danach aus.

„Aber ich will es. Ich denke, ich werde gehen. Vielleicht hat Hayley recht und er will uns noch was Wichtiges sagen.“

„Und was sollte das sein? Hayley ist sehr gut allein in der Lage, seine Zauber zu brechen.“ Memphis warf einen Blick zur Hexe und sie nickte. „Lilly, ehrlich. Es wäre für seine Gesundheit nicht förderlich.“

Er will ihn köpfen, kam es Zane in den Sinn und er musste grinsen. Fieser, alter, blutrünstiger Vampir. Allerdings konnte er es ihm nicht verübeln. Er mochte Quentin zwar, doch der Hexer konnte auch gewaltig nerven. Wäre er ihm nichts schuldig, würde er ihn sehr wahrscheinlich eher meiden. So nett der Magier war, er redete zu viel. Okay, es lag sicher auch daran, dass Zane als Wolf nun mal nicht sprach. Aber niemand schien darüber nachzudenken, warum er die Wolfsgestalt bevorzugte. Es war einfach so schön still als Tier.

Früher, als er sich noch verwandelt hatte, hatten die Leute immer reden wollen. Über Gott und die Welt. Schon als Junge hatte Zane die Ruhe und Abgeschiedenheit bevorzugt. Seine erste Verwandlung war ein Segen gewesen, denn endlich musste er nicht mehr mit den Leuten sprechen. Musste keine dämlichen Fragen beantworten oder diskutieren. Als Wolf war das Leben so viel einfacher und ruhiger.

Außerdem war er der Meinung, dass man keine Worte brauchte, um sich zu verständigen. Man sah ja, wie gut es klappte. Wenn die Menschen oder Magier und Vampire es verstanden hatten, konnte er gut mit ihnen kommunizieren, auch ohne die lästige Menschengestalt anzunehmen. Lästig deshalb, denn als Mensch war er einfach unkoordiniert und schwach. Sicher hatte er trotzdem mehr Stärke als ein gewöhnlicher Mensch, doch die Wolfsgestalt war der Inbegriff von Energie, Ausdauer und Eleganz. Wozu ein Mensch sein, wenn man wählen und solch ein Raubtier sein konnte?

Er lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf das Gespräch.

„Du weißt, dass ich dich nicht allein gehen lasse!“, sagte Memphis gerade mit Nachdruck.

„Dann komm mit!“

„Nein!“

Lilly rutschte von seinem runter, stand nun mit verschränkten Armen da und ihr missbilligender Blick war auf Memphis gerichtet. „Er muss einen Grund haben, warum er uns sehen will. Ich werde ihn rausfinden und falls es dich beruhigt, wenn es kein Guter ist, muss auch ich mich gewaltig zurückhalten.“

Wieder grinste Zane. Er würde sie auf jeden Fall begleiten. Das Gesicht des Hexers, war schon beim letzten Treffen dieser Art zu amüsant gewesen.

Memphis grummelte etwas vor sich hin und senkte den Blick.

Lilly ließ die Arme fallen und stützte sich stattdessen auf die Armlehnen seines Stuhls. „Ich gehe. Kommst du mit, oder nicht?“

Er hob den Kopf. „Nein.“

„Dann geh ich allein.“

„Wie willst du ihn überhaupt finden? Er hat nur geschrieben, triff mich. Aber wann? Und wo?“

„Ich denke, das kann ich euch sagen“, baute Hayley sich ein und streckte die Hand nach dem Zettel aus. Lilly gab ihn ihr, die Hexe betrachtete das Papier kurz, dann murmelte sie etwas und es färbte sich schwarz.

Interessant. Zane erhob sich und trottete zu ihr. Sie warf ihm einen kurzen Blick zu und hielt ihm dann das Papier hin. Er schnüffelte daran. Es roch nicht verbrannt, obwohl es kohlrabenschwarz war. Er streckte die Zunge raus und leckte an einer Ecke. Ekel brannte ihm im Maul, Zane wich zurück, schüttelte den Kopf und versuchte, den Geschmack wegzulecken. Das Papier war durch und durch mit Magie getränkt. So bitter, dass es ihm alles zusammenzog. Er wandte sich ab und trabte zur Wasserschüssel. Diesen Geschmack würde er wohl nicht so schnell loswerden.

Hinter sich konnte er Memphis lachen hören. „Nicht ganz dein Geschmack, Wolf?“

Schnauze, Vampir! Zane hob den Kopf von der Schüssel und drehte ihn, um den immer noch lachenden Vampir ins Auge zu fassen. Dann knurrte er vernehmlich und zog die Lefzen hoch. Pass bloß auf!

Memphis schien nicht im Geringsten beeindruckt.

Zane würde ihm bei Gelegenheit einen Denkzettel verpassen müssen. Allerdings musste er aufpassen, dass Lilly nicht in der Nähe war. Sie würde ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Er trank noch einen Schluck, dann wandte er sich mit tropfender Schnauze wieder um, trottete zu dem alten Vampir, baute sich vor ihm auf und warf ihm ein wölfisches Grinsen zu, dann schüttelte er sich, sodass das Wasser Lillys Freund voll traf.

Memphis rutschte mit dem Stuhl nach hinten und sprang auf. „Hey! Was soll das denn?!“, empörte er sich und starrte ihn wütend an.

Zane wandte den Kopf und schaute zu Lilly auf, die ihren nur schüttelte. Doch er sah, wie ihre Mundwinkel zuckten.

Dann wandte sie sich an die Hexe. „Was hast du gemacht?“, fragte sie und deutete auf das schwarze Papier.

„Hier“, antwortete die Hexe und hielt ihr den Brief hin.

Lilly nahm und überflog ihn. „Morgen Mittag, an der Küste“, sagte sie und reichte ihn an Memphis weiter.

Auch er überflog das Papier, dann ließ er es auf den Tisch fallen. „Gut“, sagte er resigniert. „Dann geh, wenn du willst. Aber nimm deinen Rufer mit. Ich will den Hexer nicht sehen. Ich ... kann nicht.“ Seine Stimme wurde leiser und Zane spürte, wie die Aura des Vampirs dunkler wurde. Wut mischte sich deutlicher ein und zusammen mit der Trauer, löste es sogar Mitgefühl in ihm aus. Auch Memphis hatte eine starke Bindung zu Denniz gehabt. Stärker als Zane vermutet hatte, dass begriff er erst jetzt. Er hätte gern gewusst, was dahinter steckte.

Lilly trat an ihm vorbei auf ihren Freund zu. Ohne ein Wort nahm sie ihn in den Arm und fast sofort wurde dessen Aura wieder heller. Das war genau das, was Zane meinte. Verständigung ohne Worte. Lilly konnte es, vielleicht war das einer der Punkte, die ihn zu ihr zog.

Sie löste sich von ihrem Freund und küsste ihn kurz, dann wandte sie sich Zane zu. „Kommst du mit?“

Er neigte den Kopf, denn er wollte sehen, wie sie Quentin einen Denkzettel verpassen würde, wenn der Hexer das Falsche sagte. Dann wurde ihm klar, dass das Treffen erst morgen war. Sein Unterschlupf war allerdings weiter weg. Es würde sich nicht lohnen, dorthin zu laufen, um zu schlafen und dann wieder herzukommen. Er schaute von ihr zu Memphis und zurück. Würde Lilly verstehen? Und würde Memphis es billigen?

Ein Versuch war es wert. So gerne Zane unter den Sternen schlief, die Erde war noch nass vom letzten Regen und der Wald wäre nicht sehr gemütlich. Wolfsein hin oder her, er hatte es trotzdem gern behaglich. Also entschied er, einen Versuch zu wagen. Er überwand die kleine Distanz zu Lilly und schob seinen Kopf in ihre Hand. Sie strich ihm seitlich am Kopf entlang und kam zu ihm runter. Im Augenwinkel konnte er Memphis die Lippen aufeinanderpressen sehen, als er ihr einen leichten Nasenstupser verpasste, der sie zum Lachen brachte. Er hörte sie gern lachen. Dann kam er noch näher und schmiegte sich an sie, als wolle er einfach kuscheln.

Memphis räusperte sich vernehmlich, doch Zane ignorierte es.

„Was ist denn? Bist du kuschelbedürftig?“, fragte Lilly grinsend.

Zane drängte noch etwas weiter und warf sie dabei fasst um.

„Hey, schon gut. Willst du hierbleiben bis morgen?“

Ha!, dachte er und löste sich von ihr, um ihr einen weiteren Stupser, diesmal auf die Wange, zu verpassen. Ich mag sie. Sie tickt wie ich.

„Darf er?“, wandte sie sich an Memphis, mit einem mehr als mädchenhaften Bitte-Bitte-Blick.

„Mhh“, grummelte der nur und sah Zane dann scharf an. „Aber lass die Pfoten von ihr, Wolf!“

Kein Ding, Vampir. Kein Ding. Zane ging wieder auf Abstand und Lilly erhob sich.

„Ich muss dringend jagen gehen. Außerdem brauche ich Beruhigung für morgen. Nicht dass ich Quentin doch was antue, obwohl ich gar nicht will“, sagte sie und brachte Memphis damit zum Lächeln.

Er legte ihr kurz die Arme um und küsste sie aufs Haar. „Bleib nicht zu lange fort“, flüsterte er und Zane verdrehte sie Augen. Der Vampir setzte wirklich alles daran, klarzumachen, dass sie sein Mädchen war.

Völlig unnötig, Vampir. Aber gut. Damit krieg ich dich also, dachte er und grinste in sich hinein.

Vampirmächte

Подняться наверх