Читать книгу Das fragmentierte Hirn - Stephan Fölske - Страница 14
ОглавлениеII. Was mich stört, ist nicht in Ordnung!
Auch mir passiert es immer wieder einmal – ja, eher regelmäßig. Bei mir ist etwas nicht in Ordnung! Wenn mich etwas stört, dann bin ich in der Lage, mich richtig gut aufzureiben und wenn die Sonne richtig steht, kann ich mich extrem hineinsteigern. Ich wäre ja auch nahezu perfekt, wenn ich nicht diese Schwäche hätte. Vielleicht brauche ich den Stress – die Wut, den Hass! Ich bekenne mich zum Hassen! Auch wenn ich ihn weg atmen könnte, so brauche ich, wie ein Drogenabhängiger, regelmäßig meine Hass-Dosen.
Du brauchst keine Angst haben, weil mein Hass nicht willkürlich auftritt, sondern er wächst, gedeiht und explodiert wie ein Vulkan. Jetzt würdest du sicherlich anmerken, dass ich meine Aggressionen bereits im Keim durch Achtsamkeit ersticken könnte und mein Leben viel ruhiger und entspannten verbringen könnte – nein, meine Hassattacken gehören zu mir und meinem Leben, wie Luft und Nahrung.
Wenn ich lange nichts habe, was mich stört, so suche ich förmlich nach der Konfrontation und das ist falsch, denn in einer bestimmten Unzufriedenheit-Stufe bestimme ich durch Willkür mein Opfer und finde es auch ungerecht. Natürlich nicht, wenn ich auf DEFCON 4 bin.
Warum und wann es so bei mir passiert, ist recht einfach zu schreiben – ich bin im Regelfall ein netter und freundlicher Zeitgenosse. Gerne helfe ich Menschen in meinem näheren Umfeld und auch dem ein oder anderen „Fremden“ oder „Neuling“. Nun kann es passieren, dass ich mich ausnutzen lasse und das merke ich leider erst zeitversetzt und da liegt der Ursprung! Wenn ich helfe, erwarte ich selten eine Gegenleistung – und wenn, dann spreche ich das an. Öfters leide ich jedoch unter dem Ja-sage-Syndrom und verpflichte mich leichtsinnig, jemandem zu helfen oder gar ein gemeinsames Projekt zu verwirklichen.
In diesen Phasen kenne ich kein Nein und kein Nachdenken über eventuelle Folgen – was auch noch nicht so schlimm wäre, wäre da nicht das Problem, dass ich nach einiger Zeit feststellen muss, dass die Person, der ich meine Unterstützung zugesagt habe, beginnt, sich vom kleinen Finger über die Hand und den Unterarm zu nagen. Kurze Zeit später knabbert da etwas an meiner Schulter. Ich investiere sehr viel Zeit, zeige Einsatz und mein Gegenüber nutzt meine Kompetenzen aus.
Natürlich besteht meinerseits keine Abhängigkeit – außer eventuell eine moralische, aber ich sitze in der Falle. Mein mentales Fadenkreuz wird in den Suchmodus versetzt, weil ich vor innerer Verzweiflung nur noch zu den Waffen greife. Vorsorglich lasse ich mein potenzielles Opfer im Ungewissen, denn ich fahre, mit Aktivieren der Waffen mein zweites Gesicht hoch und bin sozial immer noch sehr verträglich.
Kaum ist das Fadenkreuz eingerastet, so beginnt die psychologische Schlacht, denn ich werde dann gegenüber meinem Opfer angriffslustig und verteile Spitzen, die es verletzen sollen. Doch natürlich entschuldige ich mich gerne in der Anfangsphase, sollte ich Schwachstellen und Treffer verzeichnen.
Mein Kriegsmotto ist „Suchen, Finden, Angriff, kurzer Rückzug und von vorne“ – ein reger Zermürbungskrieg beginnt von dem mein „Opfer“ erst nicht viel mitbekommt, weil es mich als „zickig“ oder „maulig“ klassifiziert.
So glaubt es doch, dass ich mich bald wieder „ein kriege“. Tja, falsch gedacht, denn wenn meine Kriegsmaschine unter Dampf steht, dann läuft sie von alleine – bis zum „Sieg“ oder bis ich so verzweifelt bin, dass ich mich selbst verletze und das Ganze beende.
Ja, das ist genau das Problem, denn ich bin ein netter und nicht nachtragender Mensch – ich bin halt zeitweise verzweifelt, weil ich bestimmte Situationen, in die ich mich selbst gebracht habe, nur durch einen – meistens mich selbst – vernichtenden Krieg stürze.
Bleibt die Grundfrage, warum reagiere ich nicht einfach im Moment der Erkenntnis, dass mich etwas stört, durch Beendigung des Kontakts oder direkter Kommunikation. Tja, das lässt sich zum einen damit beantworten, dass ich mich wahrscheinlich ungern selbst ertappe und mir einen Fehler eingestehe oder bin ich regelmäßig auf dem Irrweg, dass ich meine, dass diese Kleingeister mir guttun?
Kaum stelle ich fest, dass mein Gegenüber nicht lernfähig ist, aber meint ein Fuchs zu sein, dann dauert es nicht lange, bis ich auf diese Person keine Lust mehr habe.
Ich bin nicht in Ordnung, was mich sehr stört!
Aber ist es nicht schön, dass mir das Schreiben hilft mich zu beruhigen? Dennoch höre ich in mir bereits die Panzer rollen – armes Opfer, denn ich bin es letztendlich selbst.