Читать книгу Das fragmentierte Hirn - Stephan Fölske - Страница 6
Mülleimer voll? Da geht noch was!
ОглавлениеTag zwei und keinen Schritt weiter. Aber halt, da war ja noch die Sache mit der Quelle, die ich hinter mir gelassen habe und stehe nun an dem Bächlein. „Es ist ein Bach entsprungen“ – hoffentlich mir nicht aus dem Kopf.
Da plätschern sie dahin die Ideen und Gedanken – keine Zeit an einer Stelle zu verweilen, die Quelle versiegt nicht. Wie soll ich diese jetzt schon entstehende Flut analysieren?
Gar nicht, denn da ist doch die Sache mit dem Filter. Ich beschließe an dieser Stelle mich auf ihn zu verlassen und eine Weile dem Bach zu folgen und fische nach einzelnen Gedanken darin. Fische gibt es bekanntermaßen nicht in diesem Bach und außerdem habe ich bereits festgestellt, dass es unendlich viele von ihnen geben muss in den Multiversen, die ich stets und ständig gebäre. Also stelle ich an dieser frühen Textstelle fest – ich gebäre, also bin ich eine Frau? Mein Hirn ist glücklicherweise ein Neutrum und paart sich selten mit sich selbst, auch wenn nun der Eindruck entsteht, dass sich die einen oder anderen inzestuösen Gedanken aus meinem Hirn stehlen könnten. Dazu muss ich später noch zurückkommen.
Oh Gott, ich paare, gebäre und komme. Ein Text nur für Erwachsene wie es scheint, doch dem ist natürlich nur bedingt so. In meiner göttlichen, selbstherrlichen Eigenschaft als Weltherrscher kann ich schreiben was und für wen ich will. Also ihr JüngerInnen da draußen in meinem Kopf, folgt auf meinen Pfaden am Gedankenbach und ihr werdet selig sein.
Wer in meinem Gedankenbach angelt, fängt nie einen Fisch!
Und wer möchte knietief in einem Gedankenfluss stehen? Also ich bleibe mal brav am Ufer, denn wer weiß was da so herumtreibt? Treibeis? Treibhaus? Treibgut?
Gut, dann mal lieber nicht treiben lassen. Denn wer ein Treibhaus auf Treibeis baut, der hat auf Eis gebaut.
Ha! Erwischt, ein Fragment hat sich tatsächlich in den Schreibfluss gemogelt und hier breit gemacht. Der Schreibfluss, einer der Nebenarme des Gedankenbaches kann natürlich nicht schreiben, aber der hat ja auch keine Seele.
Und wer keine Seele hat, kann sie ja auch nicht durch Schreiben befreien. Meine Seele wird nicht freier, sondern voller. Voller freier Gedanken beseelt vom Schreiben am Fluss der Gedanken und ohne Mülleimer.
Aber den brauche ich vielleicht später noch – ab in die „Heia Bubu“ und einen Eimer voll Müll erträumen – tada! Schon haben wir einen vollen Mülleimer, aber wer macht den leer?
Egal, was ich mache – der Müll bleibt!
Es stellt sich dem Beobachter, also mir die Frage: Was passiert denn in einer Schreibpause? Ein Stau an der Quelle? Genau genommen sprudeln die Gedanken nach meiner Theorie ständig und unendlich. Der Knoten muss gelöst werden, doch das ist nicht einfach.
Ist es eine Frage der Geschwindigkeit? Unendliche Gedanken in unendlicher Geschwindigkeit? Aber ist die Quelle ein Nadelöhr, welches mir überhaupt erlaubt, den ein oder anderen Gedanken im Bach zu verfolgen? Zunächst überhaupt wahrzunehmen?
Was ist mit all den anderen, die da entstehen und sich zeitweilig in meinem Bewusstsein wiederfinden? Und wenn ich später erneut an der gleichen Stelle stehe, wird das Bächlein zu dem Zeitpunkt nicht mehr so sein, wie bei meinem ersten Besuch.
Oft passiert es im Alltag, dass meine Wahrnehmung in meinem Innersten etwas wahrnimmt und ich mich unbedingt noch daran wieder erinnern möchte. Der Klassiker:
„Notiz an mich selbst – nicht vergessen, dass …“
Verdammt, was war das doch gleich? Ich kann mich nicht erinnern, aber es war so wichtig und imposant. Das hätte ich niemals vergessen dürfen, war es mir extrem präsent, dass ich das Atmen für einen Moment vergessen hätte – und jetzt, den Bruchteil einer Erdumdrehung später – alles weg.
Geht es dir zeitweilig ähnlich? Da sprudeln die Gedanken und kein Schweinehund weit und breit, der dich bremst – die tollen Ideen wegschnappt oder lahmlegt? Kommt dir mein Problem mit der Erinnerung an ganz wichtige Dinge bekannt vor?
Wie kreativ und geistreich würde sich unsere direkte Umwelt entwickeln, wenn wir nur alle Zeit fänden, um das Genie heraushängen zu lassen. Dialoge mit möglichen und unmöglichen Inhalten, unüberlegtes Geplapper und daraus entstehende neue Gebilde, aus denen sich jemand bildet.
Egal, wie schlau – Das wäre freier Austausch, und ein multipler breiter Strom entstünde. Einfach nur genial und zum Staunen!
Wenn das alles nicht schon deprimierend genug wäre, warum erinnere ich mich nur an Müll?