Читать книгу Palmer :Exit 259 - Stephan Lake - Страница 5
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ОглавлениеZehn Minuten in der Finsternis wackelte der Lichtkegel seines Camaro über zwei Straßenschilder: Ortiz Apache Reservation. Und darunter: Dirt Road Next 26 Miles.
Ah, no way.
Sechsundzwanzig Meilen Staub und Geröll, bei Dunkelheit, auf dieser verdammten Buckelpiste in diesen verdammten Bergen und mit seinem Camaro, der für all das so geeignet war wie ein Powerlifter fürs Ballett. Eine Stunde bis Benson Trail? Du sparst fünfzig Meilen? Sehr lustig, Patrolman. Zwei Stunden würde er zu spät kommen, mindestens. Mit viel Glück würden sie ihm kein weiteres Loch in den Schädel schießen. Und Rose konnte er jetzt auch vergessen.
Damn.
Er schaltete zurück und trank einen großen Schluck und warf die Dose aus dem Fenster und kniff die Augen und blinzelte.
Kaum zu erkennen, wo der verdammte Weg aufhörte und die beschissene Landschaft begann.
Die nächsten Meilen ein Auf und Ab, um scharfe Kurven, an Schluchten vorbei so dunkel mit Pinienwald, dass er nicht sehen konnte, ob sie zwanzig oder zweihundert Yards tief waren und auf der anderen Seite neben ihm schroffer Felsen. Zwei Mal liefen Coyoten direkt vor ihm über die Straße, und beide schienen zu lachen mit ihren heraushängenden Zungen und glänzenden Augen; ein Mal rutschte der Camaro und schlingerte, aber kein Problem, er hatte nur ein paar Dosen getrunken und vorher vom Club mit seinem Nachbarn und dem anderen, den er nicht gekannt hatte, Roger, Russell oder so ähnlich, oder Ryan?
Er konnte nicht noch langsamer fahren, sonst käme er nie an.
Acht Meilen später sah es aus, als hätte er das Schlimmste überstanden. Die Schlucht wurde breiter, der Wald lichter, zum ersten Mal seit einer halben Stunde konnte er wieder die Sterne sehen. Der runde Mond beleuchtete den Weg und den Fluss neben ihm so gut wie vorher die Laternen an der Interstate.
Dann sah er vor sich eine Senke und dahinter ein Schimmern.
Wasser.
Er bremste hart. Der Camaro rutschte und schlingerte wieder, und wieder konnte er ihn abfangen und unter Kontrolle bringen und der Camaro stand.
Als der Staub weg war, besah er sich im Scheinwerferlicht, was vor ihm lag. Die Senke schien nicht tief, aber er wusste, im Dunkeln, aus der Entfernung hinter dem Steuer, da konnte das täuschen. Und das Wasser? Schien eher ein Nebenarm zu sein, nicht der Fluss selbst. Aber ohne sicher zu sein, konnte er es nicht wagen. Nicht mit dem Camaro. War schließlich kein Truck und würde schneller absaufen als sein alter Mister, diese Null, der es fertig gebracht hat, im kniehohen Fluss aufs Gesicht zu fallen, in den Bergen hinter Denver. Beim Elektrofischen, war das zu fassen? Zwei Tage später haben sie ihn gefunden, ihn im Wasser und am Ufer ein Dutzend leere Bierdosen.
Konnte nichts vertragen, der Alte.
Der Cop drehte den Motor ab und stieg aus. Er atmete tief die Luft ein. Es war kühler hier in den Bergen als unten in Albuquerque, wo die Sommerhitze die Leute verrückt machte und durchdrehen ließ, die Gewaltrate im Sommer um die Hälfte höher als im Winter; sechzig Prozent mehr Prügeleien, zwanzig Prozent mehr Morde, so wirkte sich das aus.
Jeder freut sich auf den Sommer. Cops nicht. Cops freuen sich auf den Winter.
Er ging durch die Senke und bis zum Wasser – ja, nur ein Nebenarm, er sah den Fluss links zwischen den Bäumen schimmern – und ging dann hinein, langsam. Seine Boots wurden nass und dann auch seine Socken, aber er wollte beides nicht ausziehen, nicht hier, nicht bei Nacht. Er ging weiter bis zur anderen Seite und wieder zurück und war zufrieden.
An der tiefsten Stelle hatte ihm das Wasser nur bis zum Schienbein gereicht. Kein Problem.
Da er gerade draußen war, machte er den Reißverschluss seiner Hose auf und erleichterte sich. Er lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Hier gab es vermutlich Pumas, vielleicht sogar Bären, aber er hörte nichts außer seinem eigenen leisen Plätschern und dem Knacken der sich abkühlenden Karosserie.
Als er fertig war und sich umdrehte, sah er sie.
Drei Gestalten.
Sie standen bei seinem Wagen. Einer an der offenen Tür, mit dem Oberkörper bereits im Wageninneren. Die beiden anderen lehnten gegen die Haube und schauten zu ihm herüber.
Es war hell genug, er konnte die Gesichter der beiden auf der Haube gut erkennen. Jungs noch, Anfang zwanzig vielleicht; Injuns, ohne Zweifel, mit ihren langen, schwarzen Haaren und den zerrissenen Jeans.
Was hatte der Patrolman vorhin gesagt? Der Cop grinste.
„Warum liegt ihr nicht besoffen auf der Straße?“, sagte er und ging auf sie zu. Seine nassen Boots quietschten und hingen schwer an den Füßen. „Hey, Junge, wenn du einsteigst, dann muss ich dich festnehmen.“ Er hielt seine Marke hoch. „APD.“
Die Indianer reagierten nicht. Der an der Fahrertür stand wieder draußen und guckte jetzt auch zu ihm. Er stieg nicht ein, ging aber auch nicht von der Tür weg.
„Albuquerque Police Department“, sagte der Cop, „für diejenigen von euch, die noch nichts mit uns zu tun hatten. Aber ich schätze mal, das habt ihr alle drei schon. Richtig?“
Der an der Tür sagte, „Du bist hier auf Tribal Land, Mann. Ob du in irgendeiner Stadt Cop bist oder die Klos weißer Leute sauber machst, interessiert hier niemanden“, und stieg dann doch ein und wieder aus, mit drei Dosen in der Hand. Zwei warf er seinen Kumpels zu, die dritte machte er auf und blies den Schaum weg und nippte daran.
Der eine trank ebenfalls einen kleinen Schluck, der andere sagte, „Budweiser? Alle Cops trinken Budweiser“, und warf die Dose weit in die Dunkelheit. Zwei Sekunden später klatschte sie in den Fluss.
Der an der Tür starrte ihn an, und der Cop sah zum ersten Mal das Messer an seinem Gürtel. Ein Jagdmesser, die Klinge lang und breit und, kein Zweifel, sehr scharf. Denn wer nachts in solchen Wäldern herumläuft, der achtet darauf, dass seine Werkzeuge in Ordnung waren.
Der Cop dachte an seine Beretta, die im Handschuhfach lag. Er hatte sie vor der Fahrt aus dem Holster genommen, damit sie ihm nicht auf die Hüfte drückte.
„Okay, Jungs, ich spendier euch die drei Dosen. Aber jetzt macht Platz. Ich muss weiter.“
„Du fährst weiter, wenn wir dir das sagen, weißer Mann“, sagte der an der Tür.
Der Anführer, das war jetzt klar. Ein Anführer, zwei Gehilfen.
Der Anführer stellte seine Dose aufs Autodach und wischte seine Hand am Shirt ab und starrte ihn weiter an. Schweigend.
Was zur Hölle sollte das? Wollten die drei Burschen ihn etwa ... Was sollte das?
„Also, Jungs, passt gut auf, okay?“ Er ging in die Hocke und begann, an seinem Stiefel zu hantieren und sagte, „Ich mache mir jetzt die Boots zu, und wenn ich fertig bin, dann seid ihr verschwunden“ – und zog das Hosenbein hoch – “denn sonst“ – und stand auf und in derselben Bewegung streckte den Arm, in der Hand seine Achtunddreißiger – „wirds verdammt ungemütlich.“ Und grinste. „Weil, looky here, ich hab immer meinen ganz persönlichen Schutzengel dabei. Hat einen kurzen Lauf, aber glaubts mir, auf die Entfernung? Uh, da gibts nichts Besseres.“ Und versuchte, seinen Arm ruhig zu halten, verdammter Alkohol. „Drückt manchmal, je nachdem, wie du sitzt, und beim Laufen ziehts dir das Bein runter, aber hey, ich kann damit sogar ins Wasser, das Holster hält dicht. Der hat mir schon manches Mal das Fell gerettet.“
„Yeah“, sagte der an der Tür, „machen doch alle Cops, du bist da nicht der erste. Die habt ihr, um Leute zu erschießen, die ihr nicht mögt. Unsere Brüder zum Beispiel.“
Völlig ungerührt.
„Natürlich macht ihr das nicht mit euren Cop-Waffen, denn das könnte man euch ja hinterher nachweisen.“ Der Indianer sagte, „Ich wette, das Ding da ist nicht registriert.“
Er war still. Der verdammte Injun hatte ja Recht, was also sollte er auch sagen?
„Was hast du denn so Wichtiges zu tun, dass du durch unsere Berge fährst, Mann? Mitten in der Nacht?“
„Das geht dich einen Scheiß an“, sagte der Cop jetzt und legte die linke Hand unter die rechte, als Stütze, beide Arme gestreckt, genau so, wie sie es ihm in der Akademie beigebracht haben. „Ich zähle bis drei und dann seid ihr wieder im Wald verschwunden. Eins-“
Er hatte nicht vor, bis drei zu zählen, no fucking way, er hätte bei zwei einfach geschossen. Injuns. Dem Anführer eine in den schmächtigen Oberkörper, und die beiden anderen wären gerannt wie die Wiesel. Wie die Coyoten. Seine Arme schwankten vielleicht, aber treffen würde er auf jeden Fall. Auf die Entfernung?
Aber dazu kam es nicht. Er sagte ‚Eins‘, da hatte der Indianer ein Gewehr auf ihn angelegt. Der Anführer. Er musste es neben der Tür abgestellt haben.
Die beiden großen Läufe zielten genau auf seine Brust. Dieser verdammte Bushnigger. Hielt die Büchse wie ein Profi. Fest gegen die Schulter gedrückt, Daumen und drei Finger am Kolben, Zeigefinger locker auf dem Abzug; die linke Hand hielt den Lauf, still und ruhig und völlig nüchtern.
Wenn der Kerl abdrückte, würde sein Körper ein großes Loch mehr haben. Oder zwei.
Shit.
Der Cop atmete ein und wieder aus. Seine Augen waren voll Wasser von der kalten Luft und vor Müdigkeit, aber er wollte sie nicht reiben, nicht jetzt.
„Du hast es mit einem United States Police Officer zu tun, mein Junge, also lass den Quatsch. Wenn du das Ding weglegst, dann werde ich so tun, als wäre nichts passiert. Aber nur, wenn du es jetzt weglegst. Tust du das nicht, werde ich dich und deine beiden Brüder mit in die Stadt nehmen. Dann werdet ihr eingesperrt. Für eine lange Zeit. Und ihr wisst, wie es Injuns im Knast ergeht.“
Er musste sich etwas einfallen lassen, und schnell, der Revolver in seiner Hand wurde mit jeder verfluchten Sekunde schwerer.
„Mein Junge?“ Das Gesicht des Indianers immer noch regungslos. „Ich habe meinen ersten Weißen erschossen, da war ich vierzehn. Der war so betrunken wie du und kam in unseren Trailer und ist über meine Schwester hergefallen wie ein Tier. Die war elf Jahre alt. Unsre Leute haben ihn verscharrt; nicht auf unserem Land, sondern auf eurem, auf State Land. Sie haben ihn nie gefunden.“ Der Indianer sagte, „Irgendwie habe ich das Gefühl, das wird dir auch passieren.“
„Jetzt hör mal gut zu, du verdammter Bushnigger.“ Wie haben die in der Akademie noch gesagt? Arme gestreckt und ... ja, die Knie leicht beugen und ... und wenn reden nicht hilft, dann hilft schießen. Denn wer zuerst schießt, der überlebt, haben die Ausbilder immer gesagt. Er beugte die Knie, aber nur wenig, und sein Zeigefinger begann sich zu krümmen, und er sagte, „Hör gut zu, okay? Ich bin ein Cop.“ Schwankte der Revolver mehr oder weniger als zuvor? „Du erschießt heute einen Cop und morgen werden tausend Cops hier sein und-“
„Du kapierst es nicht, weißer Mann“, sagte der Indianer, „du bist hier auf Tribal Land, und bewaffnete Blancos auf Tribal Land werden erschossen.“ Und drückte ab.
„Du hast ihn erschossen, Yazzie.“
Yazzie nickte. „Sonst hätte er geschossen. Ich habs ihm angesehen. Ich hatte keine Wahl.“
„Hey, Dude, das meine ich nicht. Alles cool. Ich meine, warum hast du solange gewartet?“
Yazzie öffnete die Büchse, nahm die leere Hülse heraus und warf sie weit ins Gebüsch und nahm eine neue Patrone aus der Tasche und betrachtete sie, blies einmal darüber, weil Schmutz darauf sein könnte und weil es seine Gewohnheit war, und schob sie in den Lauf. „Ich wollte sehen, was er für einer ist. Ich wollte ihm eine Chance geben. Du musst anderen immer eine Chance geben, sogar denen, Gus. Merk dir das. Wir wollen nicht so werden wie die.“
Yazzie klappte die Büchse zu und hängte sie um die Schulter. Dann hob er den Revolver auf und steckte ihn in den Gürtel; links, weil rechts das Messer hing.
„Bushnigger“, sagte Gus, „den hab ich lange nicht gehört.“
Vom Wagen hörten sie Nez rufen. „Hey, Yazzie, Gus, kommt her.“
Als sie neben Nez standen, sagte Yazzie, „Was?“
Nez hatte den Kofferraum geöffnet.
Alle drei starrten hinein.
Und fingen an zu singen und zu tanzen.