Читать книгу Palmer :Exit 259 - Stephan Lake - Страница 6
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ОглавлениеZwanzig Meilen Luftlinie entfernt, auf der anderen Seite der Ortiz Mountains
„Was hast du heute vor, Mark? Fährst du in die Stadt?“
Ruth lehnte bei ihrer Frage auf der Küchentheke in ihrem Haus und schaute aus dem Fenster, ihr Blick weit. Ihre Augen waren noch sehr gut, aber sie wünschte, sie hätte ihr Fernglas zur Hand. Ihr Nachbar war wieder bei der Arbeit.
Sie hörte Mark näher kommen und spürte seine Hand auf ihrem Hintern und hörte ihn sagen, „Was glaubst du ... Wie alt ist der?“
Sie widerstand dem Drang, die Hand wegzustoßen und sagte, „Unser Nachbar?“
„Ja, unser Nachbar. Oder wo guckst du hin?“
„Weiß nicht. Ich kann ihn von hier ja kaum erkennen. Aber er sah jung aus, oder? Als wir ihn getroffen haben?“
„Jung? Nicht im Gesicht.“
„Du meinst seine Stoppeln?“
„Graue Stoppeln. Und seine Falten.“
Sie drehte sich, so dass er sie loslassen musste, und guckte hoch zu ihm. „Falten?“
Mark war still.
„Der ist fit“, sagte Ruth. „Er gräbt seit einer Stunde Löcher in den Boden. Ohne Pause.“
Mark sagte, „Solange guckst ihm schon zu?“
„Ich guck immer wieder aus dem Fenster, mir bleibt hier ja nicht viel anderes. Aber wer so lange am Stück Löcher gräbt, hier, bei uns, die Erde ist doch hart wie Stein und hier ein Loch zu graben wäre eine Schinderei. Sagst du doch selbst immer, deswegen tust du das ja auch nie. Also, wer das macht, der ist fit. Glaubst du nicht?“
„Ich habe nur gefragt, was du glaubst, wie alt dieser Palmer ist“, sagte Mark. „Nicht, ob er fit ist.“
Ruth lächelte ihren Mann an. Sie musste vorsichtig sein und sagte trotzdem, „Ich denke bereits über die Scheidung nach.“ Dann sagte sie, „Wo gehst du hin?“
„Nach oben.“
„Du hast mir noch nicht gesagt, was du heute vorhast. Ich brauche ein paar Dinge aus der Stadt, ich würde mitfahren. Mark?“
„Ich hab gehört, seine Mutter war eine Professionelle.“
„Wessen Mutter?“
„Von wem reden wir?“
„Palmer? Gehört von wem?“
„Meinen Brüdern. Sein Stiefvater war einer von uns, ein echter Navajo, aber seine Mutter? Dein Kerl ist der Sohn einer Hure, Ruth.“
„Er ist nicht mein Kerl, du bist mein Kerl“, sagte Ruth schnell.
Sie durfte es nicht übertreiben. Ihrem Kerl konnte schon mal die Hand ausrutschen. Oder, wenn er schlecht gelaunt war, die Faust.
Trotzdem sah sie wieder aus dem Fenster. Eine Hure?
Und sie sah ihren Nachbarn mit dem Graben aufhören, mitten in der Bewegung, und in ihre Richtung gucken.
Sie machte einen schnellen Schritt weg vom Fenster. Er konnte sie nicht gesehen haben, unmöglich. Oder? Auf diese Entfernung?
Sie hörte Mark zurückkommen und ging zum Kühlschrank und öffnete die Tür. „Wir brauchen Fleisch, Gemüse, wir haben kein Bier mehr.“ Warf die Tür wieder zu und drehte sich um. „Die Vorratskammer ist auch fast leer. Fährst du in die Stadt oder nicht?“
Mark hielt seine Uniform in der Hand und den Hut.
Sie sagte, „Was hat das zu bedeuten?“
„Ich habe zu tun, hat das zu bedeuten, was sonst. Chad holt mich ab. Du hast also den Truck und kannst selbst fahren. Fahr ihn nicht zu Schrott.“
„Chad? Heute? Das sollte dein erster freier Tag sein. Der verdammte erste freie Tag seit drei Wochen, Mark.“
Mark warf Uniform und Hut auf den Küchentisch und legte seine Arme um sie und drückte. „Shh, nicht fluchen, Sugar Pie, du weißt, dass ich das nicht mag. Deine Apachenbrüder machen uns viel Arbeit, und das Rez ist groß. Das Department braucht jeden Mann, so ist das eben. Und wir können meine Überstunden gut gebrauchen. Dein Job bringt ja nichts ein.“
„Du tust mir weh.“ Sie hasste es, wenn er sie drückte, immer viel zu fest, immer mit seiner Kraft protzend. Und sie hasste es, wenn er sie Sugar Pie nannte.
Mark ließ sie los. „Nehm ich dich nicht in den Arm, beschwerst du dich, nehm ich dich in den Arm, ist es auch falsch.“ Er griff nach seiner Uniform.
„Du bist eben sehr stark, das vergisst du manchmal.“ Sie versuchte ein aufrichtiges Lächeln und glaubte, es wieder ganz gut hinzubekommen.
„Wenn du nicht nach Santa Fe willst, dann guck, was du bei Gloria bekommst“, sagte Mark, bereits in der Tür. „Ich zieh mich um.“
„Du weißt, was ich bei Gloria bekomme, Mark.“
Mark blieb stehen. „Dann fahr halt nach Santa Fe, es ist noch früh. Was für ein Problem hast du denn heute schon wieder?“
„Ich wollte mit dir in die Stadt fahren, nicht alleine. Ich wollte mal wieder bummeln gehen, in ein paar Geschäfte, vielleicht in die neue Galerie neben dem Museum. Freunde treffen, irgendwo etwas essen. Mit dir. Wir machen nichts mehr gemeinsam.“
„Weil ich arbeiten muss. Und deine Freunde sind nicht meine Freunde. Und Santa Fe, merk dir das endlich mal, Santa Fe ist keine Stadt für uns. Es sei denn, du sitzt am Plaza und verkaufst blöden Schmuck.“
Draußen hörten sie das Tuckern des Tahoe.
Mark sagte, „Chad ist da. Geh raus ihn begrüßen und gib ihm von deinem Saft, dann wird das Zeugs wenigstens nicht schlecht, wenn du schon nichts davon verkaufst.“
„Woher hast du das erfahren?“
„Was?“
„Das mit der Mutter unseres Nachbarn.“
„Das interessiert dich also, huh?“
Mark rückte seine Sonnenbrille zurecht und sagte, „Fahr mal links.“
„Warum?“, sagte Chad.
„Ich muss mit meinem Nachbarn reden.“
Chad guckte ihn an und, ohne ein Wort, lenkte den Tahoe nach links.