Читать книгу Sophia - Stephanie Tröbs - Страница 3
ОглавлениеSophia
Der Frühling hatte in Münster wieder Einzug gehalten. Es war das Jahr 1930 und die politischen Unruhen gingen immer weiter. Immer öfter sah man Menschen mit einem kleinen Anstecker, welches ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis auf rotem Grund zeigte. Der Name Adolf Hitler, Parteiführer der NSDAP, wurde immer öfter genannt und auch der Schuldirektor hatte eine Anstecknadel. Einige der großen Jungs waren der Hitlerjugend beigetreten und trugen stolz ihre neuen Uniformen was der Direktor sehr begrüßte. Die Jungs mussten zwei Mal wöchentlich „Jugendpflichten“ ableisten und wurden körperlich und ideologisch geschult. Ein schlauer Schachzug in dieser Zeit, war es doch so einfach diese leeren Gefäße, die nach Wissen und einem besseren Leben hungerten, mit falschen Ideologien zu füllen.
Jakob war nun schon ein Jahr im Kinderheim und hatte sich soweit eingelebt. In der Schule kam er nach wie vor sehr gut mit und lernte schon den Lernstoff der dritten Klassen Stufe. Hans war nach wie vor sein größtes Problem aber auch hier entwickelte er eine schlaue Taktik wie er die Begegnungen auf ein Minimum reduzieren konnte.
Am Todestag seiner Eltern war er jedoch ein wenig niedergeschlagen und wollte sich zu seinen Büchern in sein Versteck verkriechen. Er sprach immer noch nicht mit anderen über den Verlust seiner Eltern. Er war still und in sich gekehrt an diesem Tag und hätte gerne das Grab seiner Eltern besucht. Er traute sich jedoch nicht den Direktor um Erlaubnis zu bitten, da er diesen als sehr strengen Mann kennen gelernt hatte, der nichts von „Gefühlsdusseleien“ hielt. Der Unterricht war zu Ende und alle Kinder saßen wie immer mittags im Speisesaal um ihr recht eintöniges Mittagsmahl zu sich zu nehmen. Da betrat sie den Raum. Sophia! Sie war zusammen mit Schwester Maria in den Speisesaal gekommen. Jakob hatte zufällig den Kopf gehoben und in Richtung Tür geschaut. Er war wie vom Donner gerührt. So ein elfenhaftes, wunderschönes Mädchen hatte er noch nie gesehen. Sophia hatte engelsblondes, langes Haar, das in zwei dicken Zöpfen geflochten waren. Sie hatte strahlend blaue Augen mit langen Wimpern. Scheu schaute sie in die Runde, sah Jakob und lächelte ihn schüchtern an. Er könnte schwören, dass das das schönste Lächeln war, das er jemals gesehen hatte.
Die Nonne, die Sophia begleitete, erbat sich kurz Ruhe und stellte Sophia vor. Sie hieß Sophia Hanauer, war schon sechs Jahre alt und hatte ihre Eltern durch Typhus verloren. Sie selbst war nicht erkrankt. Leider hatte sie keine Verwandten, die sie hätten aufnehmen können. So war sie hierhergekommen.
Nach der Mittagsmahlzeit war Ruhe angesagt. In der Zeit waren die Heimkinder dazu angehalten ihre Hausaufgaben zu machen. Für Jakob war das eher Freizeit, da er seine Aufgaben in Windeseile bewältigt hatte. Eigentlich die Zeit in der sich Jakob in sein Versteck verziehen wollte. Doch jetzt lag ihm nichts ferner als das. Sophia ging ihm nicht aus dem Kopf. Ob sie schon ihre Einweisungen bekommen hatte? Ob sie wohl in seine Klasse kommen würde? Ob sie ihn wohl noch einmal anlächeln würde? Alleine der Gedanke an sie ließ sein Herz höherschlagen. Er hatte das Gefühl einem wahren Engel begegnet zu sein.
Er war aber nicht der Einzige, dem Sophia aufgefallen war. Hans war von dem Neuzugang genauso fasziniert. Sophia hatte alle Attribute die ihm fehlten und es schien ihm nichts logischer als, dass sie zu seiner Ergänzung geschaffen worden war. Er musste sie ansprechen und von sich einnehmen bevor es ein Anderer tat. Wie es so seine Art war, spionierte er Sophia hinterher und lauerten auf den Moment ihn anzusprechen. Leider ergab der sich nicht so schnell, da sie damit beschäftigt war, eingewiesen zu werden, ihr Heimkleidung zu übernehmen und sich die Regeln zu verinnerlichen. Außerdem hatten die anderen Mädchen aus ihrem Schlafsaal tausend Fragen an sie und gaben Hans keine Chance in ihre Nähe zu kommen. Er fluchte innerlich über diese blöden Gänse und schmiedete schon wieder Pläne, wie er das den anderen Mädchen heimzahlen konnte. Seiner Ansicht nach machten sie das mit purer Absicht.
Der Nachmittag verging und Hans und Jakob sahen Sophia erst zum Abendbrot wieder. Sie war umringt von ihren neuen Zimmergenossinnen und setzte sich zwei Tischreihen von Jakob entfernt ihm gegenüber. Hans war nur eine Tischreihe entfernt und ließ sie nicht aus den Augen. Jakob schaute hier und da einmal schüchtern zu Sophia rüber und einmal meinte er ein Lächeln von ihr erheischen zu können. Leider hatte auch Hans das gesehen und war davon überzeugt, dass das Lächeln ihm selbst galt.
Nach dem Abendbrot traute Jakob sich nicht sie anzusprechen. Damit hatte Hans aber keine Probleme. Blitzschnell drängte er sich zwischen Sophia und einem anderen Mädchen und stellte sich ihr mit einem angedeuteten Diener vor. Sophia schrak ein wenig zurück und erwiderte den Gruß dann nur zögerlich. Hans wollte galant sein und ihr den Arm zum Geleit anbieten, was sie aber ablehnte, weil sie es einfach albern fand. Es lief nicht gut für ihn. Er bot sich Sophia an, ihr bei allem möglichen Aufgaben Hilfestellung leisten zu wollen, auch bei den Hausaufgaben. Ein Mädchen, welches in Hörweite stand, konnte sich bei der Aussage ein Kichern nicht verkneifen. Doch der Blick, den Hans ihr darauf hin zuwarf, verhieß nichts Gutes. Das würde sie bereuen. Sophia bedankte sich knapp für das Angebot und lehnte jedoch ab. Sie machte ihm deutlich klar, dass sie durchaus selber in der Lage sei ihre Aufgaben zu bewältigen und ihn sicher nicht dazu bräuchte. Bevor sie sich umdrehte um zu gehen, bedankte sie sich noch artig, verabschiedete sich und ließ ihn einfach stehen. Mit den neuen Zimmerkolleginnen ging sie kichernd in Richtung Mädchenschlafsaal.
Hans kochte vor Wut. Wie konnte diese Kuh es wagen ihn so bloß zu stellen vor allen? Und ihn einfach stehen zu lassen, setzte der Sache noch die Krone auf! Er nahm sich vor Sophia für diese Demütigung leiden zu lassen. Seiner Meinung nach stand ihr das nicht zu.
Jakob hatte die Szene von weitem beobachtet und insgeheim freute er sich auch ein wenig über die Niederlage von Hans aber sie löste auch ein ungutes Gefühl bei ihm aus. Kannte er doch dessen Boshaftigkeit zu genau.