Читать книгу Sophia - Stephanie Tröbs - Страница 4
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Jakob beschränkte sich in den darauffolgenden Tagen Sophia immer mal schüchtern anzuschauen sie anzulächeln. Sie anzusprechen traute er sich nicht. Die Tage waren immer wärmer und sonniger und die Kinder spielten immer mehr im Freien. Hier konnten sie auch laut sein und ein wenig toben. Immer darauf bedacht ihre Uniformen nicht zu beschädigen oder zu arg zu verschmutzen, denn das brachte Ärger ein. Die Gruppe der Jungs, die sich der Hitlerjugend angeschlossen hatten, stolzierten stolz in ihren Uniformen über das Gelände und zeigten ihre neu erlernten, militärischen Drills. Für Jakob sah das einfach nur albern aus aber er hütete sich ein Wort zu sagen. Hans hatte in der Zwischenzeit, von allen unbemerkt, seinen zehnten Geburtstag gefeiert und war voller Bewunderung und Faszination für die HJ. Gerne wäre er beigetreten aber es fehlte ihm der Mut zu fragen. So sehr er auch sonst andere das Fürchten lehrte, so sehr wurde er von Ängsten gequält. Eine Ablehnung hätte ihm einen tiefen Schlag versetzt. So beschränkte er sich auf das Beobachten und Lauern und hoffte, dass seine Chance kommen würde.
An diesem Tag hatte Jakob sich in den Garten der zu dem Heim gehörte aufgemacht. Er wollte, was er in Biologie über Pflanzen erlernt hatte, in der Natur erforschen. Dazu hatte er sich auch eine Lupe von seinem Biologielehrer geliehen. Ganz vertieft saß er nun im Garten vor einer Blume und schaute sich die Blätter und den Blütenkelch genau an. Unter der Lupe sah man bedeutend mehr. Er musste nur darauf achten die Lupe nicht zu lange auf eine Stelle zu halten, sonst würde er die Wiese in Brand stecken. Das hatte ihm sein Lehrer noch mal ausdrücklich erklärt. Eine glockenhelle Stimme hinter ihm fragte ihn was er denn da mache und Jakob erschrak erst einmal fürchterlich. Sophia stand hinter ihm und schaute auf ihn herunter.
Als sie merkte wie Jakob zusammenzuckte, entschuldigte sie sich erst einmal. Jakob saß immer noch schweigend da und schaute Sophia verblüfft an.
Dann stammelte er los, dass er die Blumen erforschen wolle und schollt sich selber innerlich, dass er keinen vernünftigen Satz zusammen bekam. Sophie ging zu ihm in die Hocke und bat ihn auch einmal durch die Lupe schauen zu dürfen. Jakob gab ihr die Lupe und achtete darauf, dass auch sie nicht die Wiese in Brand steckte. Sie stellte ihm alle möglichen Fragen und er hatte keinerlei Probleme ihr die Fragen zu beantworten. So langsam taute er in ihrer Nähe auf und wenig später waren die beiden in Fachsimpelei vertieft. Sie verstanden sich auf Anhieb sehr gut und Jakob fand in Sophia einen mindestens genauso intelligenten Menschen wie sich selber. Sophia war auch genauso wissensdurstig und merkte schnell, dass Jakob ein Mensch war, dem sie vertrauen konnte.
An diesem Nachmittag waren die beiden so sehr damit beschäftigt jeden Grashalm, jede Blume und jedes Kraut zu untersuchen und in Kategorien einzuordnen, dass sie fast die Glocke zum Abendbrot überhört hätten. Ein wenig außer Atem kamen sie zusammen am Speisesaal an. Sie waren die letzten und das fiel besonders Hans auf. Jakob und Sophia nahmen ihre Plätze ein und Hans konnte nicht umhin zu bemerken wie sich die beiden immer mal wieder einen verstohlenen Blick zuwarfen. Das konnte doch nicht wahr sein, dass diese blöde Kuh gefallen an dem Zwerg gefunden hatte?! Das war doch nur eine halbe Portion! Er beschloss die Sache im Auge zu behalten.
Die nächsten Tage und Wochen verliefen jedoch ruhig. Der Sommer kam, den Sophia und Jakob oft zusammen verbrachten. Sie waren vorsichtig vor allem, weil sie merkten, dass Hans sie mit Argwohn beobachtete. Jakob hatte Sophia nach einer Weile auch das geheime Zimmer gezeigt. Beide zogen sich gerne in das kleine Zimmer unterm Dach zurück, wenn es nicht zu heiß war. Oder sie wandelten durch den Garten und erforschten Flora und Fauna. Sie redeten viel miteinander. Irgendwann sogar über den Verlust ihrer Eltern, der beiden noch sehr zu schaffen machte. Jakob öffnete sich gegenüber Sophia und es war als wären Schleusentore geöffnet worden. Beide waren wieder in der Kammer unter dem Dach und Jakob erzählte und weinte und lies alles raus, was er bis dahin unter Verschluss gehalten hatte. Nachdem er ein paar Monate im Heim gewesen war, hatte er sich auch einmal gefragt was mit den Dingen geschehen war, die in der alten Wohnung von seinen Eltern gestanden hatten. Die Möbel, die Andenken, der Schmuck, das Silber, die Bilder, alles eben. Er wusste es nicht und traute sich auch nicht zu fragen. Jetzt konnte er aber all diese Gedanken mit Sophia teilen. Sie hörte ihm geduldig zu, nickte hier und da einmal oder stellte Fragen, nahm ihn den Arm und tröstete ihn. Sie selber kam aus einem armen Haus und somit war da kein Besitz, um dessen Verbleib sie hätte sich Sorgen machen müssen. Sie war dabei gewesen als die Eltern kurz hintereinander starben und eine Frau von der Jugendfürsorge hatte sie dann ins Heim gebracht. Sie wusste noch nicht einmal wo die Eltern begraben waren. Wahrscheinlich in einem Armengrab.
Eines Tages erwähnte sie ganz beiläufig, dass sie bald Geburtstag habe. Jakob wollte ihr was schenken, wusste aber erst nicht was. Er hatte ja kein Geld und sonst auch nichts, was er ihr hätte schenken können. Was er wusste war, dass er mit den Händen ganz geschickt war. Er hatte eine Idee wusste aber noch nicht genau wie er sie umsetzen konnte. Die Mädchen lernten in der Schule auch Nähen, sticken, stricken und häkeln. Alles eben, was die zukünftige Hausfrau können musste. Jakob hatte immer einmal interessiert zugesehen, wenn die Mädchen sich die Kleider flickten. Er hatte sich auch schon selber Nadel und Faden organisiert um einen kleinen Riss oder eine andere Beschädigung an seiner eigenen Kleidung wieder zu flicken, wenn Hans wieder einmal seinen Zorn an ihm ausgelassen hatte. Er war äußerst geschickt darin und entwickelte eine derartige Präzision beim Stopfen, dass man oft nur bei mehrfachem Hinschauen sah, dass er etwas repariert hatte. Daraus ließe sich doch etwas machen dachte er. Was ihm fehlte waren die Materialien. Jetzt hieß es suchen. Jakob durchkämmte das ganze Gelände. Im Schuppen wurde er fündig, ganz hinter unter ein paar Decken vergraben, fand er ein altes Fell. Von welchem Tier das gewesen sein musste, konnte und wollte Jakob nicht sagen. Das war doch schon mal ein Anfang. Dann fand er noch ein Stück Leder. Von der Kleidung, die er getragen hatte als er im Heim angekommen war, schnitt er zwei schimmernd blau/grüne Knöpfe ab. Er konnte die Sachen eh nicht mehr tragen da er raus gewachsen war. Nun benötigte er nur noch die Füllung. Hierzu nahm er Schafswolle, die zum Spinnen auch im Schuppen bereitlag. Als er alles zusammen hatte, machte er sich zu allererst eine Zeichnung. Er murmelte dann immer wieder Worte wie, ja so geht das, oder genauso wird das gut vor sich hin.
Als er jedoch an die Ausführung gehen wollte, merkte er, dass es nicht möglich war, das Leder mit der normalen Nadel zu nähen. Er brauchte Hilfe. Also vertraute er sich Schwester Maria an und sagte ihr was er vorhatte. Sie fand die Idee so bezaubernd, dass sie ihm eine Ledernadel besorgte, ihn aber warnte, denn diese war an der Spitze sehr scharf.
Nun konnte Jakob endlich loslegen. Das hieß aber auch gleichzeitig, dass er Sophia von sich fern halten musste sonst konnte er sie doch nicht überraschen. Aber auch hier half im Schwester Maria, die Sophia immer mal wieder für ein paar Stunden mit irgendwelchen Arbeiten beschäftigte oder mit ihr zusammen lernte. Jakob stürzte sich mit Feuereifer an sein Werk. Die Beine und der Bauch waren noch leicht, der Kopf das Schwerste. Er nähte mit Feuereifer an Sophias Geschenk und stach sich dabei immer wieder in den Finger, so dass diese ganz blutig waren. Er merkte es nicht. Sein Werk wuchs und es machte ihm Spaß bei der Entstehung zuzuschauen. Es war fast so als ob er sich selber über die Schulter schauen würde. Nach drei Tagen war sein Werk vollendet. Jakob setze es auf die Dielen vor sich und betrachtete es. Sein Fell war rotbraun mit helleren und dunkleren Flecken, es hatte schillernde blau/grüne Augen und herzförmige Ohren. Die Nase war wie die von einem Schweinchen und es sah süß und lustig aus. Unter seiner linken Pfote war ein „S“ gestickt, was wirklich sehr schwierig gewesen war, zumal der Anspruch von Jakob an sich selber was seine Arbeit betraf sehr hoch war. Er strahlte, das würde Sophia bestimmt, hoffentlich gefallen.