Читать книгу Sophia - Stephanie Tröbs - Страница 6

Оглавление

Schlimme Zeiten

Das Jahr war vergangen und die Stimmung in Deutschland wurde immer schlechter. Nach dem ersten Weltkrieg, den Deutschland verloren hatte, gab es in Deutschland kaum Arbeit und kaum Essen. Die Menschen hungerten und die Unzufriedenheit wuchs. Auch im Heim wurde das Essen knapp und die Kinder bekamen Steckrüben und Kartoffeln und altes Brot. Fleisch kam nie auf den Tisch. Die Menschen suchten nach einem schuldigen für Ihr Elend und Adolf Hitler schien ihnen den zu liefern. Es gab zu dieser Zeit ca. ein Prozent Juden in Deutschland, die meist in Berufen wie dem Bankwesen und in den kaufmännischen Berufen zu finden waren. Und diese Menschen schienen weder von Armut noch dem Hunger betroffen. Es war so einfach. Ja, der Jude war an allem schuld!

Diese Ideologie machte auch vor den Kindern nicht halt. Angefangen bei der Hitlerjugend bis hin zu den eigenen Kindern in der Familie oder sogar in den Schulen. Auch im Heim wehte ein rauer Wind. Hans begrüßte die Veränderungen. Plötzlich war spionieren und petzen nicht mehr verpönt und wenn man arisch war, durfte man sich besser fühlen als andere, ganz gleich ob man hübsch oder hässlich war. Allerdings war er immer noch nicht in der Hitlerjugend und das wollte er schnellst möglich ändern. Schließlich waren jetzt sogar Mädchen mit dabei. Noch lange nicht so viele wie Jungs aber ihn konnte man dann doch nicht ausgrenzen. Er musste sich endlich trauen beim Jungbannführer sein Anliegen vorzubringen. Also nahm er sich ein Herz und ging auf Peter den Jungbannführer zu. Er sagte ihm, dass er gerne bei der HJ dabei sein möchte. Peter schaute ihn abschätzig an und seine erste Frage war ob Hans denn auch arisch sei. Er sähe doch eher aus wie ein Jud. Das traf Hans sehr. Mit hochrotem Kopf aber dennoch so ruhig wie es ihm gelang sagte er, dass er rein arisch sei und kein Jud je in seiner Familie gewesen sei. Auch, wenn die Mutter den Vater nicht geheiratet habe, so war der Vater bekannt und auch dieser war arisch. Die Mutter sowieso. Das alles könne Peter auch in seinen Papieren beim Direktor nachlesen. Peter war überrascht und ein Stück weit überrumpelt. Er hatte wirklich gedacht Hans sei ein Jude. So hatte er keinen Grund Hans die Mitgliedschaft zu verwehren, war doch jedes arische Kind willkommen.

So kam es, dass Hans einen Tag später in der neuen HJ Uniform in die Schule marschierte. Diese Uniform änderte alles, er fühlte sich mächtig, unbesiegbar und furchteinflößend. Und das wollte er auch sein. Endlich hatte er die Achtung des Direktors, der jeden Jungen und seit einiger Zeit auch die Mädchen ermutigte der HJ beizutreten. Hans war auf seine Weise glücklich und strahlte. Der nationalsozialistische Staat verstand sich als die Verkörperung des ‚jungen Deutschland und sah in der Jugend den wichtigsten Träger einer politisch-soldatischen Zukunftsgestaltung. Die HJ sollte die Jugendlichen frühzeitig auf die ihnen zugedachte Rolle als nationale Rasseelite vorbereiten, sollte dazu anhalten, alles Schwache zu verachten und „auszumerzen“, und hatte die vielseitige Einsetzbarkeit der Heranwachsenden im Krieg vorzubereiten. In dieser Ideologie fand sich Hans mit all seiner Bosheit wieder. Jetzt durfte er spionieren und wurde dafür nicht mehr bestraft. Er durfte andere Kinder schlecht behandeln, wenn sie nicht arischer Herkunft war. Er konnte all den Frust aus der Schule, von seiner Herkunft und, dass er ohne Liebe aufgewachsen war an den „Untermenschen“ auslassen und wurde nicht bestraft. Jetzt war seine Zeit gekommen.

Jakob machte sich überhaupt keine Gedanken über die neue Entwicklung im Land. Er fand die Jungs in ihren Uniformen albern und hielt sich von Ihnen fern. Viel mehr genoss er die Zeit mit Sophia und dem neuen Freund Kamuffel. Allerdings bemerkten die beiden doch, dass ihnen ein anderer Ton entgegenschlug. Zuallererst Jakob, der nun in der Schule nicht mehr von allen Lehrern so hoch gelobt wurde. Die Lehrer, die neuerdings mit dem Hakenkreuz Anstecker in den Unterricht kamen. Jakobs Name alleine verriet, dass er Jude war. Sein Aussehen war eher neutral. Dunkelblonde Haare, grün/braune Augen und ein hübsches, ebenmäßiges Gesicht. Jakob hatte durchaus von den Hetzen gegen Juden gehört, verstand aber nicht warum er nun plötzlich ein schlechterer Mensch sein sollte. Er übte seine Religion noch nicht einmal aus und war bei den katholischen Gottesdiensten immer dabei, da diese eine Pflichtveranstaltung im Heim waren. Nur zur Kommunion ging er nicht, was ihn nicht weiter störte. Er mochte eh keine Oblaten. Natürlich wurden für ihn die Anfeindungen von Hans dadurch auch immer schlimmer. Immer öfter wurde er öffentlich von ihm gedemütigt und geschlagen und keines der anderen Kinder wagte es ihm zu helfen. Die Stunden mit Sophia halfen ihm darüber hinweg und auch der Beistand von Schwester Maria, die kein Verständnis für die neue Entwicklung im Heim hatte. Sie war der Meinung, dass Politik in einem Kinderheim nichts zu suchen hatte.

Die Tage und Wochen vergingen und es war schon wieder Spätsommer. Sophias Geburtstag stand kurz bevor und Jakob zerbrach sich den Kopf wie er wieder eine Freude machen konnte. Ganz in Gedanken war er über die Flure im Heim gegangen als er plötzlich wie Sophias Namen genannt wurde. Er stand vor dem Büro des Direktors und eigentlich wäre er weitergegangen, denn man lauscht nicht aber irgendetwas hielt ihn davon ab. Er hörte wie der Direktor sagte, dass Sophia Halbjüdin sei und sie nun an einigen Aktivitäten der Schule und des Heims nicht teilnehmen könne. Jakob wusste, dass für die HJ Kinder ein Ausflug geplant war und die Kinder, die eben nicht arisch waren, im Heim zurückbleiben. Von den Jungs betraf das ihn und noch einen größeren Jungen, der auch Halbjude war. Bei den Mädchen also jetzt Sophia. Dann hörte er wie der Direktor meinte, dass nicht alle HJ Kinder mitgehen könnten. Schließlich müsse auch hier nach dem Rechten geschaut werden. Was dann kam, ließ Jakob erschaudern. Er hörte die verhasste Stimme von Hans, die sich übereifrig dazu bereit erklärte dieses Amt zu übernehmen. Das konnte nichts Gutes bedeuten. Jakob wusste, dass an diesem Tag nur wenige von den Aufsichtspersonen hier waren. Die Lehrer waren geschlossen bei dem Ausflug dabei und die Kinder, die im Heim bleiben mussten, hatten Fleißarbeiten zu erledigen. Jakob hoffte, dass der Direktor nicht zustimmen würde aber da hörte er auch schon wie dieser den Einsatz von Hans lobte. Jakobs Magen zog sich zusammen. Als er Schritte im Büro hörte, versteckte er sich schnell hinter einer Ecke. Vorsichtig schaute er in Richtung Tür des Direktors und sah Hans herauskommen. Er hatte ein gemeines, triumphierendes Lächeln auf den schmalen Lippen.

Hans war sich sicher, dass der Ausflugstag für ihn ein guter Tag werden würde. Jetzt da er wusste, dass Sophia Halbjüdin ist, war er zum einen erleichtert, dass sie ihn hatte damals so abblitzen lassen. Zum anderen sank sie in seiner Achtung nun ins Unterirdische und er bildete sich ein die jüdischen Züge schon immer in ihrem Gesicht gesehen zu haben. War ja auch klar, dass sie mit Jakob abhing. Jud und Jud findet sich immer. So waren seine Gedanken. In ein paar Tagen würde er den beiden zeigen, wer hier das Sagen hatte.

Jakob konnte nicht schnell genug bei Sophia sein. Sie hatten sich wieder im Garten verabredet. Aufgeregt erzählte er ihr was er belauscht hatte. Sophia allerdings blieb erschreckend gelassen. Sie hatte keine Angst vor Hans. Im Grunde hatte Jakob das immer bewundert aber jetzt glaubte er, dass sie die Lage nicht richtig einschätzte. Sie war jedoch immer noch der Meinung, dass Jakob sich viel zu große Sorgen mache und, dass das alles halb so schlimm sei. Leider sollte sie kein Recht behalten.

Sophia

Подняться наверх