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Grundsätzliches

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Ich bin unterwegs. Seit fünf Jahren beschäftige ich mich damit, was es heißt, im 21. Jahrhundert Kirche zu sein. In diesem Büchlein möchte ich Ihnen die Schlussfolgerungen vorstellen, die ich aus meiner Arbeit gezogen habe. Denn wir leben in einer Zeit immenser Veränderungen und müssen als Kirche versuchen, Jesus immer näher zu kommen, ihm immer ähnlicher zu werden. Wir müssen uns danach ausrichten, was für Jesus Priorität hatte. Und wir werden nur dann die Kraft zur Veränderung finden, wenn wir tief verwurzelt sind in Jesus und seinem Leben. Unsere Berufung ist klar: Wir sollen „Jesus‘ people“ – das Volk Jesu – sein.

Eigentlich bin ich schon mein ganzes Leben dabei, tiefer zu verstehen, was es heißt, Kirche zu sein. Der jetzige Teilabschnitt meiner Reise begann 2004, als ich von den Erzbischöfen der Anglikanischen „Church of England“ (Kirche von England) und dem Rat der Methodistischen Kirchen gebeten wurde, die Leitung einer neuen Initiative mit dem Namen „Fresh Expressions“ (Neue Ausdrucksformen) zu übernehmen. „Fresh Expressions“ sollte durch neue Ausdrucksformen gemeindlichen Lebens die missionarische Arbeit in unserer sich wandelnden Kultur ermutigen und neu in Schwung bringen.

Fast sofort begann ich, auf Reisen zu gehen, um zu erfahren, wie es um die Kirche in England und darüber hinaus bestellt war. Ich habe unzählige Kilometer auf Schienen, Straßen und manchmal auch in der Luft zurückgelegt. Ich habe Gemeindegründern in Exeter und Erzdiakonen in Newcastle zugehört. Ich habe mich mit Laien in Carlisle und Geistlichen in Canterbury unterhalten – und mit allem, was dazwischen liegt. Ich habe Zeit mit Menschen aller Prägungen innerhalb der Anglikanischen Kirche verbracht und genauso mit Katholiken und Mitgliedern der Heilsarmee. Ich bin Menschen begegnet, die der Meinung sind, dass das Modell „Kirche“ ohnehin völlig veraltet ist, und solchen, die die Rückkehr zu alten Formen für den richtigen Weg halten.

Nach fünf Jahren Unterwegssein für „Fresh Expressions“ ist mir klar geworden, dass die Ideen und Ansätze des Berichtes „Mission Shaped Church“1 inzwischen tiefe Wurzeln geschlagen haben – und das sowohl in der Anglikanischen als auch in der Methodistischen Kirche und in vielen anderen Strömungen und Traditionen. Mittlerweile existieren Tausende kleiner gemeindlicher Zellen in neuen Ausdrucksformen und sie alle sind ein Segen für ihr Umfeld. Die Bewegung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, neue Ausdrucksformen gemeindlichen Lebens entstehen zu lassen, scheint mir eine Bewegung Gottes zu sein. Sie hat ganz gewiss Anteil an der Erneuerung der Kirche in ihrer missionarischen Arbeit.

Trotzdem: Was heißt es, im 21. Jahrhundert Kirche zu sein? Diese Frage ist mir immer wieder begegnet – auf langen Bahnreisen, auf Autobahnraststätten, in Cafés und Flughafen-Lounges. Egal, ob wir uns einer traditionellen Form von Gemeinde zugehörig fühlen oder einer der neuen Ausdrucksformen: Was beeinflusst unsere Vision von gemeinschaftlichem Leben heute und in der Zukunft? Was sollen wir sein und was sollen wir tun? Und wo werden wir die Kraft hernehmen, um unserer Berufung zu folgen? Und ganz gleich, ob man Dekan einer großen Kathedrale ist oder Gemeindegründer, der eine der neuen Ausdrucksformen gemeindlichen Lebens in einer Indoor-Sporthalle startet – die Frage bleibt dieselbe.

Einmal kam ich spät in der Nacht von einem Vortrag über „Fresh Expressions“ bei einer Konferenz in Deutschland zurück. Auf dem Flughafen Stansted nahm mich ein Zollbeamter beiseite und fragte mich, was ich in Deutschland getan hätte. Ich erklärte, dass ich Pfarrer sei, allerdings keine Gemeinde habe, sondern für den Erzbischof von Canterbury arbeite. Der Mann hörte mir mit wachsender Skepsis zu. „Können Sie das irgendwie beweisen?“, fragte er mich. Alles, was ich vorzeigen konnte, war der zerknitterte Ausdruck der Einladungs-E-Mail zu der Konferenz in Deutschland. Der Mann dachte kurz nach und sagte schließlich: „Ich lasse Sie durch, wenn Sie mir die synoptischen Evangelien aufzählen können.“ „Matthäus, Markus und Lukas“, antwortete ich und durfte passieren. Damals staunte ich zunächst über die Qualität der Ausbildung unserer Zollbeamten. Aber je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto mehr begann ich zu begreifen, dass der Zollbeamte mir die Antwort auf all die Fragen geliefert hatte, die ich mir zum Thema Kirche immer wieder stellte: Die christliche Gemeinschaft findet ihre Identität, ihren Charakter, ihre Berufung und ihre Kraft in der Person, von der in den Evangelien die Rede ist: in Jesus Christus.

Der Film „Jerry Maguire“ (1996) beginnt damit, dass die Hauptperson mitten in der Nacht einen Leitspruch formuliert. Maguire ist Sportmanager. Seit einigen Jahren wächst sein Unbehagen darüber, wie sein Unternehmen auf Kosten der Klienten immer mehr Profit macht. Das belastet ihn irgendwann so sehr, dass er sich während der nationalen Konferenz in der Nacht hinsetzt und eine 25-seitige Stellungnahme verfasst mit dem Titel: „Was wir denken, aber nicht sagen“. Am Morgen hat jeder seiner Kollegen eine Kopie des Memorandums in seinem Postfach. Darin fordert Maguire, sich wieder auf die alten Werte zurückzubesinnen, die Beziehung zu den Klienten wieder ernst zu nehmen und sie mitten im Profitkampf als Menschen zu respektieren. Er fordert weniger Klienten und damit weniger Profit. Als Maguire am nächsten Morgen aus dem Zimmer kommt, wird er von seinen Kollegen mit Applaus empfangen. Zwei Wochen später wird er entlassen. Der Rest des Films erzählt die fesselnde Geschichte, wie er versucht, auf der Basis dieser Prinzipien sein eigenes Unternehmen aufzubauen.

Dieses Buch ist ein Art Jerry-Maguire-Memorandum für die Kirche im 21. Jahrhundert. Die Motivation, es zu schreiben, war meine tiefe Liebe zur Kirche und mein großer Respekt vor ihr. Und es wurde geschrieben, um einige Grundsätze über Kirche in Gegenwart und Zukunft zu erklären und näher zu erforschen:

1 Wir steuern durch eine Zeit, in der sich vieles grundlegend verändert. Um unsere Sache gut zu machen, müssen wir Jesus Christus als Kompass und Zentrum kirchlichen Lebens neu entdecken.

2 Als Kirche müssen wir das Wesen Jesu Christi widerspiegeln, so dass die Gesellschaft ihn erkennen kann. Aber was genau heißt das? Dieses Thema ist so zentral, dass wir uns in zwei Kapiteln dieses Buches damit auseinandersetzen.

3 Als Kirche sind wir dazu berufen, das zu tun, was Jesus getan hat: Wir sollen die Gemeinschaft der Christen aufbauen und die Welt verändern. Es geht nicht darum, entweder das eine oder das andere zu tun, sondern beides.

4 Wir werden nur dann über die Kraft verfügen, uns selbst und andere zu verändern, wenn wir tief in Jesus verwurzelt sind. Wie aber können wir das erreichen?

Ich bin zwar Pfarrer, schreibe dieses Buch aber nicht ausschließlich für Pfarrer. Ich hoffe vielmehr, dass jeder Christ dieses Buch lesen und mit seinen Freunden darüber diskutieren kann. Auch gehöre ich der Anglikanischen Kirche an, schreibe aber nicht nur für Anglikaner. Sie werden zwar ab und zu auf Stellen stoßen, an denen ich auf spezielle Stärken oder Schwächen der Anglikanischen Kirche eingehe, aber Sie sollten sich frei fühlen, diese durch Ihre eigenen Beispiele zu ersetzen. Und obwohl ich Brite bin, schreibe ich nicht nur für den britischen Kontext. In ganz Nordeuropa und überall in der Welt ist die Kirche mit ähnlichen Fragen und Problemen konfrontiert.

Während ich dieses Buch schrieb, hat Gott mich dazu berufen, als Bischof von Sheffield einen neuen Teil seines Abenteuers zu erleben. Ich vermute, dass den hier bearbeiteten Grundsätzen der Kirche noch einige Bewährungsproben bevorstehen und sie auf die eine oder andere Weise Veränderung erfahren. Ich vermute auch, dass ich noch so einiges zu lernen habe auf meinem weiteren Weg.

Möge Gott mit seiner Gnade mit Ihnen sein, wenn Sie sich nun mit den Ideen dieses Buches befassen und dabei versuchen, dem Herrn der Kirche, Jesus Christus, nachzufolgen. Denn dieser Ruf Jesu gilt für jeden Einzelnen, der sich mit diesem Buch beschäftigt, und auch für jede Gemeinde und Kirche: „Folge mir nach.“

Steven Croft

1 Ein von einer Arbeitsgruppe der Kommission für Mission und Öffentlichkeitsarbeit der Anglikanischen „Church of England“ verfasster Bericht. Er ist in einer Übersetzung mit dem Titel „Mission bringt Gemeinde in Form“ 2006 bei der Neukirchener Verlagsgesellschaft erschienen.

Format Jesus. Unterwegs zu einer neuen Kirche

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