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Kapitel 7

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„Wie schön, dass Sie gekommen sind“, sagte Mrs Chamberlain und begrüßte Julia mit einer herzlichen Umarmung, als sie den Flur im Untergeschoss der Holy Trinity Church betrat. „Sicher wird es sich ein bisschen wie Heimat für Sie anfühlen.“

Beim Betreten des großen Saals schlug Julia ein klammer, leicht muffiger Geruch entgegen. Einige Menschen versammelten sich neben einem Tisch, der an der gegenüberliegenden Wand stand.

„Diese Treffen sind immer sehr amüsant“, erzählte Barbara, eine von Mrs Cs dauerhaften Mieterinnen, die sich bei Julia einhakte. „Vor allem nun, wo die Männer wieder aus dem Krieg zurück sind. Über unsere selbst gebackenen Kuchen freuen sie sich immer ganz besonders.“

Jetzt dämmerte es Julia, weshalb die Frauen alle darauf bestanden hatten, den ganzen Nachmittag zu backen.

Mit zwei Körben voll Kuchen und Muffins im Gepäck marschierten Barbara und Mabel zum Tisch und begannen, das mitgebrachte Gebäck darauf zu platzieren.

„Machen Sie sich nichts aus den zweien“, beruhigte Mrs C Julia und kicherte ein wenig. „Die beiden haben mehr Interesse daran, hier einen Mann zu finden, als Pastor Burke bei dem Einwandererprogramm zu unterstützen. Nicht, dass hier nicht schon die eine oder andere Liebesgeschichte entstanden wäre … Aber unser Hauptanliegen ist, Menschen wie Ihnen zu helfen, eine längerfristige Anstellung und eine angemessene Wohnung zu finden. Und natürlich wollen wir Ihnen auch eine geistliche Heimat bieten.“

Dankbar lächelte Julia. „Mir ist jede Hilfe willkommen, auch wenn Sie schon jetzt mehr als genug für mich getan haben.“

„Papperlapapp“, entgegnete Mrs C und schüttelte den Kopf. „Niemals hätte ich eine feine junge Dame wie Sie in einem dieser Löcher leben lassen. Über die Jahre habe ich bereits unzählige Briefe an den Bürgermeister geschrieben, um endlich Veränderung in diesem Stadtteil zu bewirken. Doch bisher leider vergeblich.“

Mrs Cs forsche Art brachte Julia zum Lachen. „Gibt es überhaupt irgendetwas, wofür Sie sich nicht einsetzen, Mrs C?“

„Eigentlich setze ich mich nur für das ein, was mir wirklich am Herzen liegt. Und, nun ja – ich liebe diese Stadt und möchte sie gerne in ihrem vollen Potenzial aufblühen sehen. Genau wie all die Frauen, die bei mir unterkommen.“

Eine wohlige Wärme erfüllte Julias Brust. Mit jemandem wie Mrs C an ihrer Seite würde sich ihre Situation bestimmt bald bessern.

„Da ist auch schon Pastor Burke. Und wie es scheint, hängt Quinten ihm bereits am Ohr.“

Bei Quintens Anblick schlug Julias Herz direkt schneller – er sah groß und gut aus, wie er so neben dem kleinen Pastor den Saal durchquerte. Als sein Blick den ihren fand, musste Julia dem Drang widerstehen, sich noch einmal schnell durchs Haar zu fahren und die Frisur zu überprüfen.

Was war nur los mit ihr? Quinten war schließlich der Kammerdiener ihres Onkels. In England wäre es ihr nicht einmal erlaubt gewesen, sich mit ihm zu unterhalten – es sei denn, es ging um eine häusliche Angelegenheit. Aber hier in diesem fremden Land, wo die gesellschaftlichen Strukturen so viel lockerer gehandhabt wurden, verspürte Julia den drängenden Wunsch, in Quintens Nähe zu sein. Bei ihm fühlte sie sich sicher und wertgeschätzt.

„Mrs Chamberlain. Miss Holloway“, begrüßte Quinn sie und verbeugte sich höflich. „Wie schön, Sie wiederzusehen.“

„Ebenfalls, Mr Aspinall.“ War es wirklich erst gestern, dass sie sich so lange mit ihm unterhalten hatte?

„Also bitte!“, sagte Mrs C und lachte. „So formell sind wir hier doch nicht. Oder, Geoffrey?“

Schmunzelnd hob der Pastor eine seiner buschigen Brauen und gab ihr recht. „Auf keinen Fall, Harriet.“

Sogleich zeichnete sich ein leichtes Rosa auf Mrs Cs Wangen ab. „Oh, vergeben Sie mir meine Manieren. Julia, das ist Pastor Burke, der Pastor der Holy Trinity Church.“

„Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, meine Liebe“, erwiderte er mit einem Grinsen und nahm Julias Hand in die seine. „Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, aber Quinten hat mir schon kurz von Ihnen erzählt. Es tut mir leid, dass Sie durch so eine schwierige Zeit gehen mussten. Ich bin mir sicher, dass wir Ihnen helfen können!“, versicherte er ihr und zeigte mit der Hand in den Saal. „Wir sind inzwischen sehr gut vernetzt in der Stadt. Und jeder der hier Anwesenden hat einmal in einer vergleichbaren Situation gesteckt. Ich werde mich gleich mal umhören, ob nicht jemandem von einer Arbeitsmöglichkeit für Sie weiß.“

„Vielen Dank, Pastor. Sie haben ja keine Ahnung, was für ein Trost das ist“, sagte Julia und musste schlucken. „Seit … seit dem Tod meines Freundes habe ich mich hier sehr allein gefühlt.“

Verständnisvoll nickte der Pastor. „Und ich erinnere mich noch zu gut, wie überwältigend diese Stadt sein kann, wenn man hier neu ist. Und dann auch noch so weit weg von zu Hause! Genau aus diesem Grund haben Harriet und ich es uns zur Aufgabe gemacht, Menschen wie Ihnen die Ankunft zu erleichtern. Aber wenn Sie mich nun entschuldigen würden – ich denke, der Abend kann beginnen. Wir zwei sprechen uns bald wieder.“

Quinn führte Julia zu den metallenen Klappstühlen, die im Halbkreis um ein Podium aufgestellt waren, und setzte sich neben sie. Das einstündige Treffen verging wie im Flug. Pastor Burke und einige andere Leute sprachen über verschiedene Themen, größtenteils Anliegen, die die ärmeren Bewohner der Stadt betrafen. Etwas schüchtern hatte Julia sich kurz den anderen vorgestellt, ebenso ein paar andere Frauen und ein Mann, die heute auch zum ersten Mal da waren.

Während einer Erfrischungspause etwas später erstaunte es Julia, wie viele Menschen auf sie zukamen und ihr ihre Hilfe anboten. Sie unterhielt sich gerade mit Barbara, als sie spürte, wie sie jemand am Ellbogen berührte.

„Entschuldigen Sie, Julia, könnte ich kurz mit Ihnen sprechen?“ Obgleich Quinn lächelte, lag so etwas wie Besorgnis in seinem Blick und beschleunigte Julias Puls.

„Natürlich“, erwiderte sie, entschuldigte sich und folgte Quinn in eine etwas ruhigere Ecke.

„Bevor ich gehe, wollte ich nur sicherstellen, dass es Ihnen gut geht bei Mrs Chamberlain und Pastor Burke“, sagte er. Wie immer stand er mit den Händen hinter dem Rücken verschränkt da, wie er es von seiner Stellung als Diener gewohnt war, und doch strahlte irgendetwas an ihm Unruhe aus.

„Ich fühle mich ganz wie zu Hause. Die beiden waren überaus nett zu mir“, sagte Julia und lächelte. „Und keine Sorge, ich werde später gemeinsam mit Mrs C und den anderen nach Hause gehen. Sie müssen also nicht auf mich warten.“ Die Tatsache, dass er stets auf ihre Sicherheit bedacht war, beeindruckte Julia. Die meisten ihrer Verehrer damals in England waren nicht ansatzweise so fürsorglich gewesen. Er war ein wahrer Gentleman!

„Das ist gut, aber ich meinte eigentlich nicht nur heute Abend“, erwiderte er und atmete langsam aus. „Ich habe vor, morgen nach Norden zu reisen und nach meinen Brüdern zu suchen. Und sobald ich sie gefunden habe, werde ich weiterfahren in Richtung meiner Schwester.“

„Oh, ich verstehe“, erwiderte Julia. Warum fühlte es sich nur an, als öffnete sich ein riesiges Loch in ihrem Magen? „Und wie lange werden Sie wohl weg sein?“

„Mehrere Tage auf jeden Fall. Sollten Schwierigkeiten auftreten, vielleicht auch länger“, erklärte er und griff nach Julias Hand. „Aber ich werde nicht gehen, wenn Sie sich nicht wohlfühlen mit der momentanen … Lösung“, schob er nach und suchte ihren Blick.

Bei Quintens grauen Augen und der Wärme, die von seiner Hand ausging, fiel es Julia schwer, einen klaren Kopf zu bewahren. Sie schluckte. „Machen Sie sich keine Sorgen um mich, Quinn. Sie haben bereits die Miete für mich bezahlt und Pastor Burke scheint zuversichtlich, dass er bald eine bessere Arbeit für mich finden wird“, beruhigte sie ihn und zwang sich zu lächeln, um damit die aufsteigende Unruhe in sich zu überspielen.

„Aber bitte versprechen Sie mir, dass Sie bis zu meiner Rückkunft bei Mrs C wohnen bleiben.“

„Warum ist Ihnen das so wichtig?“, fragte sie und starrte ihn misstrauisch an. „Hat mein Onkel Ihnen aufgetragen, mich zu bewachen?“

Quinn erstarrte. „Das hat nichts mit Ihrem Onkel zu tun.“

„Sie kennen mich doch kaum. Anders kann ich mir nicht erklären, warum Sie sich für mein Wohlbefinden verantwortlich fühlen sollten“, sagte Julia und hob entschieden den Kopf. Es störte sie noch immer, in Quinns Schuld zu stehen, da sie seine wahren Motive nicht kannte. Und nach dem Fiasko mit Dr. Hawkins traute Julia ihrem eigenen Urteil nicht mehr.

Quinn atmete hörbar aus. „Das ist vielleicht schwer nachvollziehbar, aber … für mich sind Sie ein Teil der Familie Brentwood. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich der Kammerdiener Ihres Onkels bin und damit verantwortlich für sein Wohlbefinden. Und nicht nur für seines, sondern auch für das all derer, die zu Earl Brentwood gehören. Deshalb kann ich den Gedanken einfach nicht ertragen, Sie noch einmal unter solch schrecklichen Bedingungen leben zu sehen.“

Quinns aufrichtiger Blick war beinahe zu viel für Julia. „Es wird mir gut gehen, Quinn. Danke.“

„Also gut“, erwiderte er und die Falten auf seiner Stirn legten sich. „Ich freue mich, Sie bald wiederzusehen“, sagte er und gab ihr einen Kuss auf die Hand.

Die davon ausgehende Wärme stieg in Julias Arm hoch bis in die Wangen. „Gute Reise, Quinn. Ich bete, dass Sie mit guten Neuigkeiten zurückkommen.“

„Ja, das tue ich auch. Auf Wiedersehen, Julia.“

Er sah sie noch einige Sekunden lang an, bevor er ihre Hand wieder freigab und davonging.

„Bitte bewahre ihn, Herr“, murmelte Julia. „Und lass seine Geschwister bei guter Gesundheit sein.“


Die Zugfahrt nach Elmvale am nächsten Tag bot Quinn zu viel Zeit, um seinen Gedanken nachzuhängen. Noch nie war er so hin- und hergerissen gewesen. Einerseits hielt er es für einen Fehler, zuerst nach seinen Brüdern zu sehen und danach zu seiner Schwester Becky zu fahren. Aber Peterborough lag etwa zwei Stunden südlich von Toronto. Und mit der Entscheidung, zuerst in den Norden zu fahren, konnte Quinn gleich beide seiner Brüder auf einer Reise ausfindig machen. Außerdem musste er bedenken, dass Becky beinahe achtzehn war und damit eigentlich erwachsen. Obgleich er sich natürlich sehr um ihr Wohlbefinden sorgte, war Harry mit seinen zwölf Jahren dagegen noch immer ein Kind. Wie er es auch anstellte – er konnte nur beten, dass Gott sie alle beschützte, bis er sie ausfindig gemacht hatte.

Andererseits hasste Quinn es, Julia zurückgelassen zu haben. Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, damit nicht seiner Pflicht nachgekommen zu sein. Doch auch das ergab keinen Sinn, denn bei Mrs Chamberlain war Julia in den besten Händen. Quinn hatte sich von der liebenswürdigen Dame versichern lassen, dass Julias Sicherheit gewährt wäre. Außerdem hatte er auch Emma und Jonathan gebeten, Julia während seiner Abwesenheit zu unterstützen, sollte mal etwas sein. Und sie alle hatten ihm zugesagt, sich um Julia zu kümmern, als wäre sie ein Teil der Familie.

Allein dieser Gedanke beruhigte Quinn, während der Zug schließlich in Elmvale einrollte. Nun musste er Julia vorerst aus seinen Gedanken verbannen und sich auf seine Brüder konzentrieren.

Er hatte sich entschieden, zuerst den Ort weiter im Norden anzufahren. Wenn es ihm hier gelang, Cecil zu finden, konnten die beiden zurück bis nach Caledon fahren, wo Harry lebte. Zudem wäre Quinn sicher froh über Cecils Gesellschaft auf dem zweiten Teil seiner Reise. Und wenn alles nach Plan verlief, würden sie letztlich alle drei gemeinsam weiter nach Toronto fahren.

Im Anschluss könnte Quinn dann zu dem Waisenheim reisen, wo man Becky hin vermittelt hatte. Für diesen letzten Teil seiner Reise wollte er seine Brüder in Pastor Burkes Fürsorge geben.

Außerdem plante Quinn, auch Julia wiederzusehen. Abhängig davon, wie ihre Situation dann aussah, konnte sie ihn vielleicht auf der Suche nach Becky begleiten. Er nahm an, dass er mit einer Frau an seiner Seite besser aufgenommen werden würde. Denn schließlich konnte ein Mann, der vorgab, Beckys Bruder zu sein, auch als verdächtig angesehen werden.

Als der Zug mit einem lauten Quietschen zum Stehen kam, schüttelte Quinn den Kopf. Es brachte nichts, so weit in die Zukunft zu blicken. „Ein Schritt nach dem anderen, Junge“, hatte sein Vater immer gesagt.

Wenige Minuten später setzte Quinn seine Mütze wieder auf, trat aus dem Zug auf das Bahngleis und starrte in die Leere. Abgesehen von der Bahnstation gab es um ihn herum weit und breit nur grüne Landschaft. Mehrere Meilen sah er nichts als Hügel und Bäume. Wie sollte er hier bloß die Farm finden, auf der Cecil arbeitete?

Nachdenklich trat Quinn in das Bahnhofsgebäude und hoffte, dort jemanden anzutreffen. Dankenswerterweise saß tatsächlich ein Mann am Schalter.

„Guten Tag“, grüßte Quinn. „Ich habe mich gefragt, ob Sie mir vielleicht helfen können.“

„Ich werde mein Bestes geben“, erwiderte der Mann mit einem Lächeln. „Suchen Sie nach einer Unterkunft für die Nacht?“ Aufgrund von Quinns Akzent nahm er sicher an, er wäre ein Reisender.

„Eigentlich bin ich auf der Suche nach meinem jüngeren Bruder, der auf einer Farm hier in der Gegend arbeitet. Doch leider kenne ich den Namen der Farm nicht.“

Der Mann schaute ihm mit gerunzelter Stirn entgegen. „Das ist, als suchten Sie nach einer Nadel im Heuhaufen. Hier in dieser Gegend gibt es Hunderte von Farmen.“

Die Worte entmutigten Quinn gewaltig. Kein Wunder, dass Mr Hobday ihm den Namen der Region preisgegeben hatte. Er wusste sicher, wie unwahrscheinlich es war, mit so wenig Informationen fündig zu werden.

„Wie ist denn der Name Ihres Bruders? Vielleicht bin ich ihm ja Mal begegnet.“

„Cecil Aspinall“, sagte Quinn und stützte die Arme auf den Schalter. „Er ist sechzehn Jahre alt und arbeitet hier nun schon seit einigen Jahren.“

Überrascht flogen die Brauen des Mannes in die Höhe. „Cecil? Den Jungen kenne ich tatsächlich! Er ist oft hier und wartet auf den Zug, um Waren für Mr Sherman abzuholen. Ein sehr höflicher junger Kerl.“

„Großartig!“ Quinn konnte sein Glück gar nicht fassen. „Können Sie mir den Weg zu Mr Shermans Farm erklären?“

Augenblicklich legte sich ein Schatten über das Gesicht des Mannes und er straffte die Schultern, bevor er Quinns Blick erwiderte. „Also … an Ihrer Stelle wäre ich vorsichtig. Mr Sherman ist nicht gerade die Freundlichkeit in Person. Es wird ihm nicht gefallen, wenn Sie auf seiner Farm herumschnüffeln.“

Auch Quinn straffte nun langsam die Schultern. „Vielen Dank für den Rat. Ich werde auf jeden Fall klopfen und mich vorstellen, wie es sich gehört, bevor ich auf der Farm ‚herumschnüffle‘.“

Der Mann zögerte kurz, zuckte dann aber die Achseln. „Wie Sie meinen, Mister. Die Farm von Mr Sherman befindet sich auf der Rural Road Nr. 3. Das ist etwa acht Meilen nördlich von hier.“

„Acht Meilen?“, wiederholte Quinn. Seine Hochstimmung hatte einen Dämpfer bekommen. „Ich nehme nicht an, dass es hier in der Nähe eine Möglichkeit gibt, ein Pferd zu leihen?“

„O doch. Hanks Pferdestation liegt nur zwei Blocks von hier in diese Richtung“, erwiderte er und zeigte nach rechts.

„Vielen Dank, Sir. Sie waren mir eine große Hilfe!“

„Viel Erfolg mit Ihrem Bruder.“

Bei dem ernsten Blick dieses Mannes fragte sich Quinn, was genau ihn auf der Farm erwarten würde.

Ein neuer Anfang für die Liebe

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